Charles Fort
Wilde Talente
Kapitel 1
Ich kann da ja nur spekulieren - aber John Henry Sanders, wohnhaft in der Colville Street 75 im englischen Derby, war der Besitzer eines Fischgeschäfts, und ich glaube, es war ein kleines Geschäft. Seine Frau hat im Laden geholfen. Wenn ich von Ehefrauen höre, die im Laden aushelfen, dann verstehe ich das so, daß das Geschäft des Ehemannes nicht sehr groß ist. Wenn Mrs. Sanders sich an die Arbeit machte und Schuppen von den Fischen kratzte, während sie sich unterhielten, dann schließe ich daraus, daß ihr Fischgeschäft nur klein war.
Am Abend des 4. März 1905 brach im Haus der Sanders', genauer gesagt, in der Schlafkammer ihres Hausmädchens, ein Feuer aus. Zu dieser Zeit war niemand daheim, und die Feuerwehrleute mußten die Tür aufbrechen. In der Kammer gab es keinen Ofen. Man fand keine Spur, mit der sich der Brand hätte erklären lassen, und die Feuerwehrleute schrieben in ihren Bericht: "Ursache unbekannt." Sie kehrten auf die Wache zurück, wurden aber sofort wieder zum selben Haus gerufen. Dieses Mal war in einem anderen Schlafzimmer ein Feuer ausgebrochen. Auch hier hieß es wieder: "Ursache unbekannt."
Die Sanders, die sich in ihrem Fischgeschäft aufhielten, wurden benachrichtigt und eilten nach Hause. Sie stellten fest, daß viele Dinge verschwunden waren. Die Haushälterin Emma Piggott geriet unter Verdacht. Im Haus ihrer Eltern entdeckte man eine Schachtel, in der die Sanders fünf englische Pfund sowie weiteres Diebesgut fanden und als ihr Eigentum identifizierten: Schnitzmesser, Zuckerzangen, Tischdecken, ein paar Dutzend Taschentücher, Salzlöffel, Flaschen mit Duftwasser, Gardinenhaken, eine Haarbürste, Badehandtücher, Handschuhe, einen Schwamm, zwei Armbanduhren und eine Puderdose.
Das Mädchen wurde festgenommen, und das Gericht des Derby Borough erhob Anklage wegen Brandstiftung und Diebstahl. Sie gab den Diebstahl zu, erklärte aber, mit den Bränden nichts zu tun zu haben. Da die Brände jedoch, wenn das Haus niedergebrannt wäre, den Diebstahl vertuscht hätten, schien zwischen dem Diebstahl und den Bränden ein so eindeutiger Zusammenhang zu bestehen, daß beide Anklagen aufrechterhalten wurden.
Es war ja nicht einfach so, daß es Diebstähle gegeben hatte und daß später Brände ausgebrochen sind: Es waren so viele Dinge entwendet worden, daß - vorausgesetzt, das Haus der Sanders war kein sehr großer Haushalt - einige davon sehr schnell vermißt worden wären, wenn sie alle auf einmal gestohlen worden sind. Ich habe keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Sanders' so wohlhabend waren, daß ihnen hin und wieder Wertgegenstände gestohlen werden konnten, ohne daß sie es bemerkt hätten. Alles deutete auf einen einzigen gründlichen Raubzug hin, nach welchem das Mädchen sich entschlossen hatte, das Haus in Brand zu stecken, um die Tat zu vertuschen.
Emma Piggotts Anwalt konnte nachweisen, daß seine Mandantin sich zu der Zeit, als der erste Brand ausgebrochen war, nicht einmal in der Nähe des Hauses aufgehalten hatte. Als der zweite Brand ausgebrochen war, hatte sie - es war ihr freier Abend gewesen, und sie kehrte gerade zurück - noch von der Straße aus Nachbarn zu Hilfe gerufen und darauf aufmerksam gemacht, daß Qualm aus einem Fenster drang. Der Fall war zu kompliziert für ein Amtsgericht und wurde an ein höheres Gericht überwiesen.
Derby Mercury, 19. Juli 1905 - das Verfahren gegen das Mädchen wird wieder aufgenommen. Die Anklagevertretung bleibt bei der Auffassung, die Brände könnten nur auf Brandstiftung zurückgeführt werden, und das Motiv des Mädchens, das Haus in Brand zu stecken, liege auf der Hand. Sie habe das Haus rücksichtslos ausgeplündert, weil sie es ohnehin völlig zerstören und damit die Spuren des Diebstahls verwischen wollte.
Abermals wies die Verteidigung nach, daß das Mädchen die Brände nicht gelegt haben konnte. Die Anklage wegen Brandstiftung wurde niedergeschlagen. Emma Piggott wurde für die Diebstähle zu sechs Monaten Zwangsarbeit verurteilt.
Am 2. Dezember 1919 ist Ambrose Small aus Toronto in Kanada verschwunden. Er wurde zum letzten Mal am Abend des 2. Dezember zwischen fünf und sechs Uhr in seinem Büro in der Oper von Toronto, die ihm gehörte, gesehen. Niemand hat ihn das Büro verlassen sehen. Niemand - oder wenigstens niemand, dessen Zeugnis man trauen darf - hat ihn an diesem Abend außerhalb der Oper gesehen. Es wurde gemunkelt, eine Frau sei im Spiel. Aber Ambrose Small ist verschwunden und hat mehr als eine Million Dollar hinterlassen.
Dann ist John Doughty, Smalls Sekretär, verschwunden.
Mrs. Small und einige weitere Verfügungsberechtigte öffneten Smalls Bankschließfächer. Dort fand man Effekten im Wert von 1125000 Dollar und ein Bestandsverzeichnis. Dem Verzeichnis zufolge fehlten 105 000 Dollar. Eine Untersuchung wurde eingeleitet, in deren Verlauf man Wertpapiere im Wert von 105 000 Dollar in einem Versteck im Haus von Doughtys Schwester fand.
Ambrose Smalls Verschwinden machte auf der ganzen Welt Schlagzeilen, und man setzte eine Belohnung aus. Er war in seinem Büro. Er ist verschwunden.
Auch nach Doughty hat man gesucht. Er war nicht nur verschwunden, sondern hatte auch alles in seinen Kräften stehende getan, um unauffindbar zu bleiben. Aber man konnte seine Spur bis zu einer Stadt in Oregon verfolgen, wo er unter dem Namen Cooper lebte. Er wurde nach Toronto zurückgebracht und angeklagt. Man warf ihm vor, die Aktien gestohlen und Small entführt zu haben, um den Diebstahl zu vertuschen.
Die Anklagevertretung war der Ansicht, der wohlhabende und gesunde Small, der, soweit man es wußte, keinerlei größere Probleme gehabt hatte, habe kein Motiv gehabt, einfach zu verschwinden und 1 125 000 Dollar zu hinterlassen: Sein Sekretär aber, der Betrüger, habe durchaus ein Motiv gehabt, Small zu entführen. Die Staatsanwaltschaft behauptete nicht, Small sei geräuschlos und ungesehen aus seinem Büro geholt worden, wo ständig Mitarbeiter in der Nähe waren. Vielmehr versuchte der Staatsanwalt nachzuweisen, daß Small sein Büro verlassen hatte, obwohl niemand ihn hatte gehen sehen. Möglicherweise sei er dann in einem unbemerkten Augenblick auf der Straße entführt worden. Ein Zeitungsjunge sagte aus, er habe Small am Abend des 2. Dezember zwischen 17 und 18 Uhr in einer Straße in der Nähe gesehen, doch der Vater des Jungen widersprach dieser Darstellung. Ein weiterer Zeitungsjunge erzählte, Small habe am nämlichen Abend nach 18 Uhr eine Zeitung bei ihm gekauft. Im Kreuzverhör mußte dieser Junge dann aber zugeben, daß er sich bezüglich des Datums nicht sicher war.
Offensichtlich schien ein Zusammenhang zwischen der Unterschlagung und Smalls Verschwinden zu bestehen, das, wäre nicht die Inventarliste gewesen, den Diebstahl hätte vertuschen können. Die Entführung konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, und so wurde Doughty der Unterschlagung für schuldig befunden, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt und in die Strafanstalt Kingston eingeliefert.
In der Londoner News of the World vom 6. Juni 1926 ist ein Bericht über "seltsame, miteinander verflochtene Umstände" abgedruckt. Auf einem öffentlichen Platz war am hellichten Tag ein Mann gestorben. Auf dem Gehweg vor dem Gaiety Theater in London war Henry Arthur Chappell, der Manager der Erfrischungsstände im Foyer, tot aufgefunden worden. Der bekannte Pathologe Professor Piney führte eine Obduktion durch. Der Schädel des Mannes wies einen Bruch auf. Professor Piney vertrat die Ansicht, wenn Chappell infolge Herzversagens rückwärts umgefallen sei, dann könne dies den Schädelbruch erklären. Er fügte aber hinzu, daß die leichte Herzerkrankung, die er festgestellt habe, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Bewußtlosigkeit hatte führen können.
Es bestand demnach Grund zur Annahme, daß es sich um einen Mord handelte. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf und fand heraus, daß es nicht lange zuvor einen Streit gegeben hatte. Eine junge Frau namens Rose Smith, die an einem Erfrischungsstand gearbeitet hatte, war von Chappell entlassen worden. Eines Abends hatte sie ihm dann einen Zettel vor die Tür gelegt, auf dem stand, daß sie sich umbringen würde. Mehrere Abende danach wurde sie in Chappells rückwärtigem Garten festgenommen. Sie trug Männerkleider und hatte ein Messer bei sich, außerdem fand man Streichhölzer und eine Flasche mit Paraffin bei ihr. Es sah so aus, als habe sie Mord und Brandstiftung im Sinn gehabt, aber sie wurde nur wegen Hausfriedensbruchs angeklagt und zu zwei Monaten Zwangsarbeit verurteilt. Man fand weiterhin heraus, daß Chappell an dem Tag ums Leben gekommen war, an dem das Mädchen aus dem Gefängnis entlassen worden war.
Rose Smith wurde verhaftet. Soweit man es sagen konnte, hatte Chappell keine Feinde. Am Tag der Freilassung des Mädchens war er gestorben.
Aber die Anklage konnte nicht aufrechterhalten werden. Ein Polizeiinspektor sagte aus, daß Rose Smith sich zu der Zeit, als Chappell gestorben war, im Haus der Gefangenenhilfe aufgehalten habe.
Kapitel 2
Ich sammle Berichte über Themen, die vom Gewohnten abweichen - beispielsweise über den Mondkrater Kopernikus, der von der Kreisform abweicht, oder über das plötzliche Auftauchen purpurfarbener Engländer - über stationäre Strahlungsquellen von Meteorschauern und über angebliches Haarwachstum auf dem zuvor kahlen Kopf einer Mumie - und über Fragen wie "Hat das Mädchen den Tintenfisch verschluckt?"
Aber mein größtes Interesse gilt nicht den Dingen, sondern den Beziehungen zwischen den Dingen. Ich habe viel über die Pseudo-Beziehungen nachgedacht, die man Zufälle nennt. Was, wenn einige von ihnen überhaupt keine Zufälle sind?
Ambrose Small ist verschwunden, und man konnte nur einen Menschen finden, der ein Motiv hatte, ihn verschwinden zu lassen. Man konnte die Brandstiftungen in dem Haus in Derby nur einem einzigen Menschen zuschreiben. Man konnte nur einen einzigen Menschen finden, der möglicherweise Henry Chappell ermordet hatte. Aber sieht man sich die Urteile in diesen Fällen an, dann scheint die Verbindung zwischen den Motiven und den Ereignissen eine eher zufällige gewesen zu sein.
Ich wurde auf den Fall des Ambrose Smith durch einen ganz anderen sogenannten Zufall aufmerksam. Die Annahme, es könnte ein Zusammenhang bestehen, schien mir so abwegig, daß ich aufgrund meiner Erfahrungen ernsthaft darüber nachzudenken begann. Etwa drei Jahre vor Ambrose Smalls Verschwinden ist Ambrose Bierce verschwunden. Die Zeitungen auf der ganzen Welt haben über das rätselhafte Verschwinden des Ambrose Bierce berichtet. Aber was sollte das Verschwinden des einen Ambrose in Texas mit dem Verschwinden eines anderen Ambrose in Kanada zu tun gehabt haben? Gab es womöglich irgendwo einen Ambrose-Sammler? In diesen Fragen steckte eine Naivität, die meine respektvolle Aufmerksamkeit erregte.
Die Londoner Lloyd's Sunday News schreibt am 20. Juni 1920, in der Nähe der Stadt Stretton in Leicestershire sei die Leiche der Radfahrerin Annie Bella Wright gefunden worden. Sie sei an einer Kopfverletzung gestorben. Der Korrespondent, der diese Geschichte aufgeschrieben hat, war ein unlogisch denkender Mann und hat allerhand unzusammenhängende Umstände erwähnt. Oder er hat, weil ihm eine noch ungeklärte Beziehung zu dämmern schien, angemerkt, daß nicht weit von der Leiche des Mädchens entfernt auf einem Acker eine tote Krähe gefunden worden sei.
In der Erklärung, etwas sei durch Zufall geschehen, steckt viel Denkfaulheit und Hilflosigkeit. Diese Erklärung ist eine Folge der instinktiven Furcht, ein wissenschaftliches Dogma könnte in Gefahr geraten. Sie ist nicht mehr als ein Etikett oder ein Anhänger; aber natürlich sitzen Anhänger und Etiketten gelegentlich an der richtigen Stelle. Vor einer Weile habe ich mir notiert, daß die Polizei einmal einen Mann namens Jackson gesucht hat, der ein Glasauge hatte. In Boston wurde so ein Mann festgenommen. Aber er war nicht der Jackson, der zur Fahndung ausgeschrieben war. Kurz danach wurde der richtige glasäugige Jackson in Philadelphia gefaßt. Ich habe diesen Gedankengang nicht weitergeführt - etwa in die Richtung, daß es an irgendeinem anderen Ort einen zweiten Murphy mit einer Hasenscharte geben muß, wenn es einen Murphy mit einer Hasenscharte in Chicago gibt. Das wäre ein beruhigender Gedanke für alle Optimisten, die glauben, in unserer Existenz herrsche ein Gleichgewicht. Ich kann aber nur erklären, daß ich dies nicht bestätigen konnte.
Aber ein totes Mädchen und eine tote Krähe -
Und als ich die Zeitungsarchive durchgesehen habe, bin ich auf folgendes gestoßen:
In der Nähe von Eccleston wurde die Leiche einer Frau im Dee gefunden (laut Londoner Daily Express, 12. Juni 1911). Nicht weit von der ersten entfernt, fand man die Leiche einer weiteren Frau. Eine der Frauen stammte aus Eccleston, die andere war von der Isle of Man zu Besuch gekommen. Sie hatten einander nicht gekannt. Am Morgen des 10. Juni 1911 hatten sie Häuser in weit auseinanderliegenden Stadtteilen verlassen.
New York American, 20. Oktober 1929 - "Rätsel in der Wüste: zwei Leichen gefunden." In der Coachella-Wüste in der Nähe von Indio in Kalifornien hatte man, ungefähr 100 Meter voneinander entfernt, zwei männliche Leichen gefunden. Einer der Männer war aus Coachella, der zweite konnte nicht identifiziert werden. "Die Polizei glaubt, daß zwischen den beiden Todesfällen keine Verbindung besteht."
Im New York Herald vom 26. November 1911 finde ich einen Bericht über drei Männer, die wegen des Mordes an Sir Edmund Berry Godfrey aus dem Londoner Stadtteil Greenberry Hill durch den Strang hingerichtet wurden. Die Namen der Mörder lauteten Green, Berry und Hill. Es scheint, daß es nur ein Zufall war. Aber vielleicht war es doch kein Zufall, sondern ein blutiger Scherz, gemischt mit Mord. Die New York Sun vom 7. Oktober 1930 - ein Arm des William Lumsden aus Roslyn im US-Bundesstaat Washington wird unter einem Traktor zerquetscht. Lumsden war in dritter Generation der dritte Mann in seiner Familie, der den linken Arm verloren hat. Das war Zufall, oder ich muß mich überwinden zu akzeptieren, daß auf manchen Familien ein "Fluch" liegt. Aber ich mag mich zu Beginn eines Buches nicht gleich so eindeutig festlegen. Im übrigen sind wir vom Thema abgekommen. Das Thema waren Leichen.
"Unerklärliche Todesfälle im Hafen von Douglas Harbor, Isle of Man." In der Londoner Daily News vom 19. August 1910 heißt es, im Hafen seien die Leichen eines jungen Mannes und eines Mädchens gefunden worden. Sie waren ein "junges Paar", und ihr Ertrinken könnte als Folge gewöhnlicher Leidenschaften erklärt werden, wäre nicht außerdem die Leiche eines Mannes in mittleren Jahren gefunden worden, der "unseres Wissens in keinerlei Beziehung zu ihnen stand".
Der Londoner Daily Chronicle vom 10. September 1924 - "In der Nähe von Saltdean in Sussex lenkte Mr. F. Pender sein Motorrad, in dessen Beiwagen noch zwei weitere Personen saßen, gegen einen Pfahl. Alle drei wurden schwer verletzt. In einem Feld neben der Straße wurde ein Schäfer aus Rodwell namens Funnell, der, soweit wir wissen, nichts mit dem Unfall zu tun hatte, tot aufgefunden."
Ein Vorfall, der sich am 14. Juni 1931 ereignet hat, wird in den Home News des New Yorker Stadtteils Bronx vom 15. Juni gemeldet. "Als Wachtmeister Talbot von der Wache in der East 126th Street gestern um 10.00 Uhr den Mt. Morris Park betrat, um einen Mann zu wecken, der in der Nähe des Tors zur 124th Street anscheinend auf einer Parkbank eingeschlafen war, stellte er fest, daß er einen Toten vor sich hatte. Dr. Patterson vom Harlem Hospital erklärte, der Tod sei wahrscheinlich durch Herzversagen eingetreten." Die New York Sun vom 15. Juni - daß bald nachdem die Leiche auf der Parkbank gefunden worden war, auf einer anderen Bank in der Nähe ein weiterer Toter gefunden worden sei.
Mir liegen noch zwei weitere Berichte vor, die den gerade erwähnten Geschichten ähneln. Ich möchte sie zusammen behandeln.
Im November 1888, dies entnehme ich dem St. Louis Globe-Democrat vom 20. Dezember 1888, wurden zwei Einwohner von Birmingham, Alabama, ermordet. Ihre Leichen wurden im Wald gefunden. "Dann stieß man auf ein neues Rätsel, so daß die beiden geheimnisvollen Morde in den Hintergrund traten." In der Nähe von Birmingham wurde im Wald eine dritte Leiche gefunden. Bei ihr handelte es sich jedoch um einen Fremden. "Die Leiche liegt unidentifiziert in den Räumen des Bestattungsinstituts. Niemand, der sie angesehen hat, konnte sich erinnern, den Mann zuvor einmal gesehen zu haben, und so scheint es nicht möglich, ihn zu identifizieren. Offenbar war der Tote zu Lebzeiten recht gut situiert, wenn nicht sogar wohlhabend, und es ist ein Rätsel, was er an dem Ort zu suchen hatte, an dem seine Leiche gefunden wurde. Mehrere Menschen, die den Toten angesehen haben, vertraten die Ansicht, der Mann sei ein Ausländer gewesen. Jedenfalls war er in dieser Gegend völlig unbekannt, und sein Auftauchen ist so geheimnisvoll wie sein Tod."
Ich habe mir diese Begleitumstände lediglich als rätselhaft notiert. Aber wenn sich eine Situation wiederholt, dann sehe ich mit erwachtem Interesse hin. Es ging hier um Morde an Einwohnern des Ortes und um das Auftauchen eines Fremden, der kein Landstreicher war.
Philadelphia Public Ledger, 4. Februar 1892 - ein Mord in der Nähe von Johnstown, Pennsylvania - ein Ehepaar namens Kring wurde umgebracht, die Leichen wurden verbrannt. Dann hat man in der Nähe von Johnstown die Leiche eines Fremden im Wald gefunden. Der Tote war gut gekleidet, konnte aber nicht identifiziert werden. Eine weitere Leiche wurde gefunden - "ein gut gekleideter Mann, der nichts bei sich trug, womit man ihn hätte identifizieren können."
Es gibt eine Sichtweise, mit der man aufzeigen oder mehr oder weniger nachweisen kann, daß es so etwas wie Zufall nicht gibt - jedenfalls nicht, wenn man den Dingen auf den Grund geht. Von Zufall reden heißt ja, irrigerweise anzunehmen, daß zwischen verschiedenen Ereignissen keine Verbindung besteht. Wer aber akzeptiert, daß auf einer tieferen Ebene alles eins ist, der akzeptiert auch, daß es so etwas wie Beziehungslosigkeit unter Umständen nicht gibt -
Oder, daß es keine Zufälle gibt, wie es auch keine wirklichen Mißklänge zwischen Farben oder musikalischen Tonfolgen gibt -
Daß zwei beliebige Farben oder Töne, indem sie auf zwischen ihnen vermittelnde Farben oder Töne bezogen werden, in Harmonie gebracht werden können.
Und daher würde ich nicht sagen, daß meine Frage, was das Verschwinden des einen Ambrose mit dem Verschwinden eines anderen Ambrose zu tun habe, wirklich sinnlos ist. Die Idee, Ambrose Small verschwinden zu lassen, mag im Kopf eines Menschen entstanden sein, nachdem dieser vom Verschwinden des Ambrose Bierce gehört hatte. Und wenn sich das Verschwinden des Ambrose Small nicht als physische Entführung erklären läßt, so meine ich doch nicht, daß dies irgendeine Bedeutung hat, solange die Physiker uns nicht verständlich gemacht haben, was sie mit dem Begriff physisch meinen.
Kapitel 3
Wenn ich früher in meiner Kindheit etwas besonders Schlimmes ausgefressen hatte, bestand meine Strafe darin, daß ich am Sonnabend ins Geschäft gehen und arbeiten mußte. Ich mußte die Etiketten von den Konservendosen anderer Händler abkratzen und die meiner Eltern draufkleben. Theoretisch wurde ich zu dieser Arbeit gezwungen, weil ich lernen sollte, was Anstand und Ehrlichkeit bedeuten. Viele ungezogene Kinder werden über verschlungene Wege auf den geraden Pfad der Tugend geführt.
Einmal hatte ich große Stapel von Konservendosen vor mir, die verschiedene Obst- und Gemüsesorten enthielten. Aber ich hatte alle bis auf die Pfirsich-Etiketten aufgebraucht. Ich klebte die Pfirsich-Etiketten auf Pfirsichdosen, und dann kam ich zu den Aprikosen. Aber sind Aprikosen nicht auch Pfirsiche? Und es gibt Pflaumen, die im wesentlichen Aprikosen sind. So fuhr ich, entweder boshaft oder wissenschaftlich, damit fort, Pfirsich-Etiketten auf Dosen mit Pflaumen, Kirschen, grüne Bohnen und mexikanische Mais- und Bohnengerichte zu kleben. Ich kann keine klare Auskunft über mein Motiv geben, weil ich bis heute nicht entschieden habe, ob ich Humorist oder Wissenschaftler bin. Ich glaube, es war Bosheit, aber im folgenden werden wir voller Respekt anerkennen müssen, daß es zugleich eine wissenschaftliche Methode war.
In der englischen Stadt Derby - siehe den Derby Mercury vom 15. Mai 1905 und die folgenden Ausgaben - haben sich Dinge ereignet, die für den nur oberflächlich Schauenden mit Pfirsichen beziehungsweise mexikanischen Maisgerichten nichts zu tun haben. In einer Mädchenschule haben Mädchen gekreischt und sind bewußtlos zusammengebrochen. Manche Leser werden nun über die allgemeine Wirkung von Pfirsichen und mexikanischen Maisgerichten nachdenken und nicht verstehen, wovon ich hier rede. Andere werden die "Symbolik" erkennen und mir zustimmende Briefe schicken, und ich werde nicht verstehen, wovon sie reden.
Innerhalb von fünf Tagen haben fünfundvierzig Mädchen gekreischt und sind bewußtlos geworden. "Die Mädchen waren sehr schwach und mußten nach Hause getragen werden. Ein Kind war sogar so geschwächt, daß es nicht einmal mehr aufrecht sitzen konnte." Man dachte an ein unbekanntes Giftgas oder an giftige Dämpfe, aber wenn man Mäuse in die Klassenzimmer brachte, blieben diese unbeeinflußt. Schließlich lautete die wissenschaftliche Erklärung: "Ein massenpsychologisches Phänomen". Da ich keine weiteren Daten habe, mit denen ich arbeiten könnte, scheint es mir, als sei diese Erklärung eine zutreffende Beschreibung. Wenn ein Mädchen das Bewußtsein verlor und wenn dann aus Sympathie noch ein zweites ohnmächtig wurde, dann paßt dies gut zu unseren Ansichten über die Natur der Menschen, denn da das Sehen, Essen, Riechen, Denken, Lieben, Hassen, Reden, Lesen und sogar chirurgische Operationen und die Kleidermode ansteckend zu sein scheinen, könnten auch dreiundvierzig Mädchen aus einem unbewußten Nachahmungsdrang heraus ohnmächtig geworden sein. Mancher Erwachsene mag glauben, er sei über solche Hysterie erhaben, aber es gibt viele, die ihrer Sache nicht so sicher sind.
Am 1. August 1894 veröffentlichte der Brooklyn Eagle einen Bericht über ein "massenpsychologisches Phänomen". Auch in diesem Fall scheint es mir, als sei die Beschreibung zutreffend - vielleicht. Wenn man sich ansieht, wie die Menschen leben, liegt nahe, daß sie einander auch beim Sterben nachahmen. Im Juli 1894 ist auf einem großen Weinberg in der Nähe von Fresno in Kalifornien eine Panik ausgebrochen. Jemand war wegen eines "Herzversagens" tot umgefallen. Dann fiel noch jemand tot um. Ein drittes Opfer stürzte und lag im Sterben. Es war kein Wissenschaftler in der Nähe, der gute, treffende Erklärungen zur Hand hatte. Man mag es für amüsant halten, aber die Leute auf dem Weingut glaubten, es sei etwas Unheimliches im Gange, und flohen. "Inzwischen sind alle fort, und die Behörden wollen eine gründliche Untersuchung durchführen." Weiter kann ich nichts über die Angelegenheit finden. Das ist das Übliche, nachdem eine "gründliche Untersuchung" angekündigt wurde.
Wenn man etwas auf andere Weise nicht beschreiben kann, dann handelt es sich um ein "massenpsychologisches Phänomen". In einem Haus in der Columbia Street in der englischen Stadt Bradford fand am 1. März 1923 eines jener Ereignisse statt, die von Glückwünschen, Haß, Bosheit, Ausgelassenheit und mehr oder weniger giftiger Eifersucht geprägt sind und die gemeinhin als Vermählungs- oder Hochzeitsfeier bezeichnet werden. Das Geplauder der Gäste bekam plötzlich einen hysterischen Unterton. Menschen schrien auf, Gäste brachen zusammen. Hochzeitsglocken - die Schellen der Krankenwagen - vier Menschen mußten ins Krankenhaus gebracht werden.
Londoner Zeitungen haben über den Vorfall berichtet, und so seltsam es war, die konventionelle Erklärung schien zu passen.
Der in Bradford erscheinende Yorkshire Evening Argus veröffentlichte am 3. März einige Einzelheiten, die unseren Widerspruchsgeist gegenüber den konventionellen Erklärungen wecken: Auch Menschen in Nachbarhäusern seien von dieser "rätselhaften Krankheit" betroffen gewesen. Es wurden einige Namen von Familien genannt - Downing, Blakey, Ingram - wo ebenfalls Angehörige aus unbekanntem Grund erfaßt worden seien.
Wenn in verschiedenen Häusern Menschen betroffen waren, die keinen Kontakt miteinander hatten, so daß der Psychologie in diesem Fall ein wenig "Masse" gefehlt hat, wenn zugleich aber alle Betroffenen in nächster Nähe gewohnt haben, dann scheint klar zu sein, daß alle gemeinsam dem Einfluß von etwas ausgesetzt waren, das giftig war oder auf andere Weise beeinträchtigend gewirkt hat. Natürlich hat man an entwichenes Gas gedacht, aber man konnte keinen Gasgeruch feststellen und kein Leck in einer Gasleitung finden. Es gab die üblichen gründlichen Untersuchungen, die dem Vergessen vorangehen. Jemand hat die Möglichkeit angedeutet, die Abgase eines benachbarten Fabrikschornsteins seien die Ursache für die "rätselhafte Krankheit" gewesen. Ich glaube, die Hochzeitsfeier war der zentrale Umstand, aber ich denke nicht, daß ein Fabrikschornstein, der sich noch nie auf diese Weise bemerkbar gemacht hatte, plötzlich eine Hochzeitsfeier einräuchert. Ein Reporter des Argus schrieb, das Gesundheitsamt habe diese Erklärung verworfen, und außerdem habe er selbst Nachforschungen angestellt und keinen ungewöhnlichen Geruch in der Gegend feststellen können.
Es hat während dieses Vorfalls in Bradford nicht nach Gas gerochen. Ich habe einen Fall aus London notiert, bei dem ein Gasgeruch bemerkt worden ist, aber dieser Fall ist nicht weniger rätselhaft. Im Londoner Weekly Dispatch vom 12. Juni 1910 ist die Rede von einem "der bemerkenswertesten und rätselhaftesten Fälle von Gasvergiftung, die sich in den letzten Jahren in London zugetragen haben." Am frühen Morgen des 10. Juni rief eine Frau auf einer Polizeiwache an und sagte, sie habe den Eindruck, daß irgendwo Gas entweiche. Ein Polizist suchte das betreffende Haus in der Neale Street im Stadtteil Holborn auf. Er hielt das Gasleck für gefährlich und klopfte in einem anderen Stockwerk an mehrere Türen. Als niemand öffnete, brach er eine Tür auf und fand die Bewohner bewußtlos vor. In zwei Nachbarhäusern wurden noch vier weitere Bewußtlose gefunden. Für bemerkenswert hielt man die Tatsache, daß zwischen den beiden Häusern ein weiteres Haus stand, in dem niemand betroffen war und wo kein Gasgeruch festgestellt werden konnte. Die Gaswerke schickten Arbeiter, die nach dem Leck suchten, aber man konnte nichts finden. Ein Dunst, wie von einem außergewöhnlichen und leicht zu entdeckenden Leck in der Gasleitung, hatte die Einwohner dreier Häuser in Gefahr gebracht, aber wie die Lokalzeitung Holborn Guardian schreibt, hatten die Gaswerke auch eine Woche später den Ursprung noch nicht feststellen können.
Im Dezember 1921 gab es laut der Londoner Daily News vom 2. Januar 1922 in der Nähe der Gemeinde Zetel in Deutschland einen Vorfall. Dort war eine Straße der Schauplatz. Jemand ist bewußtlos zusammengebrochen, und daraufhin - ob mit Angst angesteckt, was als "massenpsychologisches Phänomen" gelten könnte, oder nicht -, wurden weitere Personen ohnmächtig. "Bisher konnte das Rätsel noch nicht gelöst werden." Man glaubte, "eine Art Strömung" sei über das Dorf hinweggezogen. Das erinnert an etwas, das sich laut New York Sun vom 6. Dezember 1930 am 19. Juni 1929 in El Paso in Texas ereignet hat. Dutzende Menschen waren dort auf offener Straße bewußtlos geworden, einige davon sind sogar gestorben. Was da gewirkt hat, wurde als "tödliches Miasma" bezeichnet. Eine weitere Verbindung können wir zum Tal der Maas in Belgien knüpfen. Am 5. Dezember 1930 sind dort Dutzende Menschen durch eine Art von Nebel gestorben. Man kann also ohne weiteres mit gewissen Vorfällen in einer Mädchenschule beginnen und ganz folgerichtig bei einer meteorologischen Diskussion ankommen.
Lloyd's Weekly News (London), 17. Januar 1909 - eine Geschichte aus der im Kaukasus gelegenen Stadt Baku. M. Krassilrukoff und zwei Gefährten waren zu einem Jagdausflug auf eine Insel im Kaspischen Meer aufgebrochen. Als man eine Weile nichts von ihnen gehört hatte, begann man, nach ihnen zu suchen. Die Suchtrupps fanden die Leichen der drei Männer. Aus der Körperhaltung ging hervor, daß sie ohne Kampf gestorben waren. Es gab keine Verletzungen, die Kleidung war nicht in Unordnung. Bei der anschließenden Autopsie wurden keine Spuren von Gift gefunden. "Die Ärzte, die sich allerdings nicht auf diese Erklärung festlegen wollten, glaubten, die Männer seien möglicherweise erstickt."
Die Londoner Zeitung The Observer am 23. August 1925: "Eine rätselhafte Tragödie wird aus Hohen Tatra in der Nähe des Kurortes Zakopane gemeldet. Eine Gruppe, bestehend aus Herrn Kasznica, Richter am Obersten Gericht, und seiner Frau, sowie ihrem zwölfjährigen Sohn und einem jungen Studenten von der Krakauer Universität brach bei schönem Wetter zu einem Ausflug in die Berge in der Umgebung auf. Zwei Tage später wurden drei von ihnen tot aufgefunden."
Frau Kasznica hat überlebt. Sie berichtete, sie seien geklettert, allesamt bei bester Gesundheit, aber plötzlich habe ein Erstickungsanfall die Wanderer heimgesucht. "Ein erstickender Wind", meinte sie. Nacheinander seien sie alle bewußtlos geworden. Die Obduktionen ergaben nichts, was einen Erstickungstod bestätigt hätte, und auch keinen anderen eindeutigen Befund. "Manche Zeitungen deuteten an, es könne ein Verbrechen geschehen sein, aber bislang ist der Fall ein Rätsel."
Es gab andere Fälle, die auf ähnliche Weise als rätselhaft bezeichnet worden sind, für die man aber ganz menschliche, verständliche Erklärungen finden kann. Betrachten Sie beispielsweise die Geschichte, die am 9. März 1931 im New York World-Telegram veröffentlicht wurde - etwa dreißig Männer und Frauen waren in der Fabrik der Howard Clothes Company in der Nassau Street in Brooklyn an der Arbeit. Plötzlich bekamen es die Arbeiter mit der Angst, sie gerieten in Panik und stürzten auf die Straße hinaus. Beißender, Übelkeit erregender Qualm breitete sich im Gebäude aus. Draußen auf der Straße brachen Männer und Frauen zusammen oder taumelten und wankten benommen von dannen. Mehrere Dutzend Menschen wurden in Geschäfte getragen, wo man Erste Hilfe leistete, bis die Krankenwagen eintrafen.
Das Phänomen war im ersten Stock des Carey Building aufgetreten, wo die Bekleidungsfabrik untergebracht war. Die übrigen Teile des Gebäudes waren nicht betroffen. Alle Gasleitungen im Haus waren in Ordnung. Man konnte keine Gasgranate finden. Man konnte überhaupt nichts finden. Aber wenn man die vielen anderen Verbrechen dieser Zeit betrachtet, liegt der Verdacht nahe, daß aufgrund irgendeiner Art von Haß, der seine Ursache im Konkurrenzkampf in der Industrie hatte, eine Ladung Giftgas in die Fabrik geblasen worden ist.
Womöglich sind wir, wenn wir an Rachefeldzüge denken, sogar einer allgemeinen Ansicht auf der Spur, soweit wir uns jedenfalls einen Haß vorstellen können, der die Menschen bis ins Gebirge verfolgt.
Die meisten heutigen Menschen kennen das Wort "gespenstisch" nur noch aus Gruselromanen. Es gibt zwar Abgründe des Unerklärlichen, aber sie werden durch Begrifflichkeiten überbrückt. Vier Gäste einer Hochzeitsgesellschaft wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Wenn dies nicht geschah, weil ein Scherzbold Steine ins Konfetti gemischt hat, dann war es wieder einmal eine Ptomainvergiftung durch Eiskreme. Es ist angenehm, die Dinge in so schwierigen Worten zu erklären und zu zeigen, daß man gebildet ist. Mit dieser Methode werden riesige Abgründe der Unwissenheit von filigranen Erklärungen überbrückt. Asphyxien haben unzählige Verdachtsmomente aus dem Weg geräumt, wo man gegen gewöhnliche Erklärungen wie eine "Gasvergiftung" Einwände erhoben hätte.
New York Sun, 22. Mai 1928 - eine Meldung aus Newton, Massachusetts. In diesem Ort wurde ein Arzt telefonisch zum Haus eines gewissen William M. Duncan gerufen. Als ihn niemand an der Vordertüre empfing, betrat er das Haus. Er rief, aber niemand antwortete. Obwohl niemand daheim zu sein schien, durchsuchte er das ganze Haus. Schließlich kam er in ein Zimmer, in dem anscheinend vier Leichen auf dem Boden lagen. Gasgeruch gab es keinen, aber der Arzt bearbeitete die vier, als hätten sie eine Asphyxie erlitten, und konnte sie wiederbeleben. Die Betroffenen versuchten, den Vorfall zu erklären. Duncan hatte das betreffende Zimmer betreten und war sofort bewußtlos zu Boden gestürzt. Verwundert, was ihn so lange aufhielte, war ihm seine Frau gefolgt und ebenfalls zusammengebrochen. Einer der Söhne war der nächste gewesen, und auch er war sofort nach Betreten des Zimmers zu Boden gestürzt. Der zweite Sohn, der das Zimmer nur zufällig betreten hatte, spürte rechtzeitig, wie ihn etwas überkam, und konnte noch zum Telefon taumeln.
Die Erklärung des Arztes lautete: "massenpsychologisches Phänomen."
Höchstwahrscheinlich waren die Leser der Sun verwirrt, bis sie diese Erklärung lasen und sagen konnten: "Oh, natürlich! Ein massenpsychologisches Phänomen."
Es gibt eine Kontinuität aller Dinge, die jede Klassifizierung zur Fiktion macht. Aber das ganze menschliche Wissen hängt von Zuordnungen ab. Demnach sind alle Bücher - wissenschaftliche, theologische und philosophische Werke - bloß Literatur. In Schottland hat sich im September 1903 etwas zugetragen, das man mit dem gleichen Recht als "massenpsychologisches Phänomen" bezeichnen kann wie die oben erwähnten Beispiele. Freilich bekommen wir es nun mit Daten zu tun, die sich um physische Angriffe drehen. Weitere Dinge werden ans Licht kommen. Einen Wissenschaftler oder einen Logiker kann man, so man nicht ausgesprochen verzweifelt oder brutal vorgeht, keinesfalls auf irgendeine Klassifizierung festlegen. Die Geschichte wurde am 13. September 1903 im Daily Messenger in Paris veröffentlicht.
In der Nähe des schottischen Ortes Coalbridge stießen die Bergleute einer Kohlengrube auf die Leichen von drei Männern. Grubengas wurde nicht festgestellt. Es gab keine Anzeichen einer Gewalttat. Zwei der Männer waren unwiderruflich tot, der dritte konnte wiederbelebt werden. Er konnte allerdings nicht mehr berichten als die anderen Überlebenden, die in diesem Kapitel erwähnt wurden. Er sagte, sein Name sei Robert Bell, und er sei mit seinen beiden Vettern durch die Grube spaziert, bis er plötzlich etwas verspürt habe, das er als "Schlag" beschrieb. Niemand sonst in der Grube hatte ein Beben bemerkt. Andere Teile des Bergwerks waren elektrisch beleuchtet, doch in diesem Teil gab es keine Leitungen. Dennoch hatte es hier eine tödliche Entladung einer unbekannten Energie genau in dem Augenblick gegeben, als drei Männer vorbeigekommen waren - zufällig, oder man muß an eine Absicht denken.
Unten im Dunkel einer Kohlengrube - und anscheinend gibt es eine Kongruenz zwischen geheimnisvollen Angriffen und der Umgebung. Jetzt liegt mir aber eine Geschichte über ein ähnliches Ereignis vor, das sich an einem der geschäftigsten Verkehrswege der Welt zugetragen hat. Siehe den New York Herald vom 23. Januar 1909. John Harding, ein Abteilungsleiter in John Wanamakers Kaufhaus, überquerte gerade in Höhe der Dreiunddreißigsten Straße die Fifth Avenue, als er einen stechenden Schmerz in der Brust verspürte. Es gab keine Hinweise darauf, daß er angeschossen worden wäre. Dann sah er ganz in der Nähe einen Mann, der sich den Arm rieb und sich ärgerlich umsah. Dieser Mann erzählte Harding, etwas Unsichtbares habe ihn getroffen.
Wäre dies am späten Abend geschehen, und hätten nur zwei Personen in Höhe der Dreiunddreißigsten Straße die Fifth Avenue überquert, und wären die beiden von etwas getroffen worden, das stark genug gewesen wäre, um sie zu töten, dann wäre die Erklärung, zu der man bei Auffinden der Leichen gegriffen hätte, natürlich die gewesen, daß beide Männer zufällig am gleichen Ort an Herzversagen gestorben seien. Denken Sie nur an die Leichen zurück, die auf Parkbänken in Harlem gefunden worden sind. Kein Reporter, der darüber berichtet hat, stellte die Erklärung in Frage, derzufolge die beiden Männer, die nicht weit voneinander auf Parkbänken gesessen hatten, rein zufällig fast gleichzeitig an Herzversagen gestorben seien.
Von scheinbaren Attacken auf mehr als eine Person gelangen wir nun zu anscheinend gezielten Angriffen auf einzelne Menschen. New York Herald Tribune, 4. Dezember 1931 - die Filmschauspielerin Ann Harding fuhr in Begleitung ihrer Sekretärin mit dem Zug nach Venice in Florida. Unterwegs spürte sie plötzlich einen starken Schmerz in der Schulter. Miss Harding mußte die Reise unterbrechen und stieg in Jacksonville aus. Der Arzt, der sie untersuchte, stellte fest, daß die Schulter ausgerenkt war. Die Sekretärin wunderte sich, weil sie nichts gesehen hatte, das die Verletzung hätte erklären können, und Miss Harding selbst konnte auch nichts beisteuern.
Am 7. Dezember 1931 - siehe die New York Times vom 8. Dezember 1931 - lief das deutsche Dampfschiff Brechsee in Horsens in Jütland ein. Kapitän Ahrenkield meldete dort, einer seiner Matrosen sei auf unerklärliche Weise verletzt worden. Der Mann habe sich die Blessuren während eines Sturms zugezogen, sei aber durch etwas anderes als den Sturm selbst verletzt worden. Der Kapitän hatte beobachtet, wie der Matrose von nichts, das man sehen konnte, verwundet worden und bewußtlos aufs Deck gestürzt war. Eine tiefe, vier Zoll lange Wunde war plötzlich auf dem Kopf des Mannes erschienen. Der Kapitän hatte sie mit einer Nähnadel und gewöhnlichem Zwirn vernäht.
Die anderen Seeleute trugen keine unerklärlichen Verletzungen davon. Angenommen, ich berichte später von Fällen, wo mehrere Menschen gleichzeitig verletzt wurden. Massenpsychologische Phänomene?
Kapitel 4
In einem Mietshaus in Harlem kann keine Flasche Ketchup die Feuertreppe hinunterfallen, ohne daß es bemerkt wird - nicht nur von den entrüsteten Mietern weiter unten, sondern - wenn auch unendlich fein - im ganzen Universum - vielleicht -
Beeinflußt wird der Preis von Schlafanzügen in Jersey City und die Laune einer Schwiegermutter in Grönland; die Nachfrage nach Rhinozeroshörnern als Rheumamittel in China - vielleicht -
Weil alle Dinge in wechselseitiger Beziehung stehen und ineinander übergehen - weil es eine tiefere Einheit gibt -
Also dann die tiefere Logik des Knaben - der sich vieles hat zuschulden kommen lassen, der aber zumindest, was Syllogismen angeht, unschuldig war - der ein Pfirsich-Etikett auf eine Dose grüne Bohnen pappte.
Alle Dinge stehen dergestalt miteinander in Wechselwirkung, daß der Unterschied zwischen Obst und dem, was gemeinhin Gemüse heißt, einerseits zwar offenkundig scheint, während andererseits Definitionen unmöglich sind. Eine Tomate beispielsweise ist ein Verschmelzungspunkt. Was ist sie - eine Frucht oder ein Gemüse?
Also dann die tiefere Logik des Wissenschaftlers - der sich vieles hat zuschulden kommen lassen, der aber auch ganz unschuldig ist - und der, nachdem er irgendwann die "massenpsychologischen Phänomene" als Erklärung hergenommen hat, einfach weitermacht und bei seiner Erklärung bleibt. Insofern, als es immer eine Sichtweise gibt, mit der sich irgend etwas Vorstellbares verteidigen ließe, muß er wenigstens entfernt vernunftbegabt sein. Wenn sich ein "massenpsychologisches Phänomen" eindeutig auf ein Ereignis bezieht, dann muß es, wenn auch nahezu unmerklich, mit sämtlichen Ereignissen zu tun haben. Sogar Phänomene, die einen einsamen Mann auf einer menschenleeren Insel treffen, lassen sich in Begriffen der Massenpsychologie erklären, da das Bewußtsein eines Menschen keine Ganzheit, sondern eine Gemeinschaft von geistigen Zuständen ist, die einander gegenseitig beeinflussen.
Die Wechselbeziehungen zwischen allen Dingen - und ich kann etwas wie die Hand der Emma Piggott spüren, die sich der Hand jener erstickenden Frau auf dem Berghang entgegenstreckt. John Doughty und die Leichen auf den Parkbänken in Harlem - wie auch Sauerstoff eine Affinität zu Wasserstoff hat. Rose Smith - Ambrose Small - die Leiche eines Schäfers namens Funnell -
Am Morgen des 10. April 1893 wurde jemand mißtrauisch, nachdem mehrere Männer in ein Krankenhaus in Brooklyn eingeliefert worden waren. Mehrere Unfälle, rasch nacheinander, aber in verschiedenen Stadtteilen geschehen, wären nichts Besonderes gewesen. Aber es fiel auf, daß zwischen den Unfällen gewisse Ähnlichkeiten bestanden. Siehe den Brooklyn Eagle vom 10. April 1893.
Krankenwagen fuhren eilig umher, die Sirenen heulten -
Alexander Burgman, George Sychers, Lawrence Beck, George Barton, Patrick Gibbons, James Meehan, George Bedell, Michael Brown, John Trowbridge, Timothy Hennessy, Philip Oldwell und ein unbekannter Mann -
Binnen weniger Stunden wurden alle diese Männer auf den Straßen von Brooklyn verletzt. Die meisten fielen von hochgelegenen Stellen herunter oder wurden von Objekten getroffen, die von oben heruntergefallen waren.
Wieder habe ich eine Frage, die dumm scheint und die vielleicht doch nicht ganz so sinnlos ist - Was könnte ein Mann, der in einem Teil Brooklyns vom Dach fällt, damit zu tun haben, daß in einem anderen Teil Brooklyns einem anderen Mann ein Blumentopf auf die Birne kracht?
Wie in der Londoner Lloyd's Daily News vom 30. April 1911 berichtet wird, wurde am 24. April 1911 ein in der englischen Stadt Colchester stationierter Soldat bewußtlos niedergestreckt. Seine Verletzungen waren so schwer, daß er ins Garnisonskrankenhaus eingeliefert werden mußte. Er konnte nicht erklären, was ihn getroffen hatte. Am nächsten Abend wurde ein weiterer Soldat verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Auch er war "von einem unsichtbaren Angreifer bewußtlos geschlagen worden". Vier Abende später wurde ein dritter Soldat ins Krankenhaus gebracht, der an den Nachwirkungen eines Schlages litt, über den er nichts sagen konnte.
Ich bin auf ein Beispiel für die "Massenpsychologie" von Spitzenvorhängen gestoßen. Am 31. März 1892 - dies berichtet der Brooklyn Eagle am 19. April 1892 - stellten Menschen in Chicago, als sie in ihr Haus zurückkehrten, fest, daß während ihrer Abwesenheit eine Orgie von Spitzenvorhängen stattgefunden hatte. Spitzenvorhänge lagen in Haufen und kunterbunt durcheinandergeworfen herum. Es war eine traurige Zerstörung von Tugendhaftigkeit: Diese Dinge, die so zart und verletzlich scheinen, können sich nur gerade und aufrecht halten, solange sie im Rahmen bleiben. Schreibtischschubladen waren nach Schmuck durchwühlt worden, und Schmuck war gefunden worden. Aber man hatte nichts gestohlen. Überall lagen Bruchstücke von Ringen und zerschmetterten Uhren herum.
In diesem Bericht gibt es mehrere Elemente, die an Gespenstergeschichten erinnern. Ich kenne viele Berichte über ähnlich willkürliche oder wütende Zerstörungen in Häusern, wo sich Poltergeister bemerkbar gemacht hatten. Das Geheimnisvolle war, daß die Polizei nicht feststellen konnte, wie die Übeltäter in das Haus eingedrungen waren.
Dann gingen Meldungen ein, daß noch ein zweites Haus in Abwesenheit der Bewohner auf "rätselhafte Weise heimgesucht" worden war. Spitzenvorhänge lagen zerfetzt herum, zwischen ihnen fand man die Reste zerschlitzter Kleider. Schmuck und Zierat waren zerstört. Nichts war gestohlen worden.
Soweit es die Polizei ermitteln konnte, hatten die Bewohner der Häuser keine gemeinsamen Feinde. Ein Wutanfall, der sich gegen Spitzenvorhänge richtet, ist schwer zu erklären, aber der Haß eines Menschen, dessen Fenster ungeschmückt sind, auf Schmuck und Putz ist leicht verständlich. Bald nachdem die Wutausbrüche diese beiden Häuser getroffen hatten, drang der unbekannte Vandale in weitere Häuser ein. Es war nicht festzustellen, wie er hineingekommen war. Er riß Spitzenvorhänge herunter und zerstörte Schmuck und Zierat, ohne etwas zu stehlen.
New York Times, 26. Januar 1873 - daß General Mayow in England auf der Fuchsjagd tot aus dem Sattel gefallen ist und daß ungefähr zur gleichen Zeit die Tochter des Bischofs von Gloucestershire ebenfalls auf der Jagd schwer verletzt wurde; und daß am gleichen Tag im Norden Englands eine Miss Cavendish bei der Jagd getötet worden sei. Nicht lange danach kam in Lincolnshire ein Geistlicher auf der Jagd ums Leben. Zur gleichen Zeit wurden in der Nähe von Sander's Gorse zwei Jäger von ihren Pferden abgeworfen und schwer verletzt.
In einer meiner unheilbaren wissenschaftlichen Anwandlungen schlage ich vor: Wenn verschiedene Zielpunkte, die einen bestimmten Faktor gemeinsam haben, auf ähnliche Weise getroffen werden, dann muß die einwirkende Kraft mit dem gemeinsamen Faktor in Beziehung stehen. Ich will damit nicht andeuten, daß irgendein greifbarer Fuchsjagdhasser durch England zog und Leute aus den Sätteln zerrte oder Pferde straucheln ließ. Andererseits ist bekannt, daß die englischen Bauern seit jeher den Fuchsjägern - die wie eine Invasionsarmee Zäune zerbrechen und Felder zertrampeln - mit großem Argwohn begegnen und nicht übel Lust hätten, den rotberockten Angreifern ein nuees Bunker Hill zu bereiten .
In der New York Evening World, 26. Dezember 1930, heißt es, der Wärter Lewis E. Lawes, der im Gefängnis Sing Sing tätig war, sei krank gewesen. Er habe sich dann wieder erholt und am Morgen des Heiligabend sein Zimmer verlassen. Wenig später habe er erfahren, daß einer seiner Freunde, ein gewisser Maurice Conway, der ihn kurz zuvor noch besucht hatte, tot in seinem Bett aufgefunden worden sei. Am Abend des gleichen Tages sei der Wärter John Hyland wegen Blinddarmentzündung operiert worden und befinde sich in kritischem Zustand im Ossining Hospital. Im gleichen Krankenhaus lag auch der Wärter John Wescott, ebenfalls wegen "Blinddarmentzündung". Der Wärter Henry Barret wartete im gleichen Krankenhaus auf seine Operation wegen "Leistenbruchs".
Der wahrscheinlich bestgehaßte Mann im Dienst der New Yorker Strafvollzugsbehörden war Asael J. Granger, der als Oberwärter im Clinton Prison in Dannemora arbeitete. Er hatte die Gefängnisrevolte vom 22. Juli 1929 niedergeschlagen. Am Heiligabend des Jahres 1930 wurde Granger im Champlain Valley Hospital in Plattsburg, US-Bundesstaat New York, wegen seiner "Blinddarmentzündung" operiert. Zwei Tage später starb er. Ungefähr zur gleichen Zeit erkrankte Harry M. Kaiser, ein Aufseher aus dem Clinton Prison, an "Bluthochdruck". Er starb drei Monate später (New York Herald Tribune, 24. März 1931).
Im März 1926 haben Londoner Zeitungen über Brände berichtet, die gleichzeitig in verschiedenen Teilen von Closes Hall, dem Wohnsitz von Captain B. Heaton, in der Nähe von Clitheroe in Lancashire ausgebrochen sind. Die Brandherde befanden sich im Gebälk unter dem Dach, und man glaubte, sie seien durch Funkenflug aus dem Küchenherd ausgelöst worden. Diese Brandherde wären einem normalen Brandstifter nicht zugänglich gewesen - die Feuerwehrleute mußten Löcher ins Dach hacken, um an sie heranzukommen. Es war nicht zu erfahren, ob es an diesen Stellen schon früher einmal gebrannt hatte. Es scheint seltsam, daß Funken aus einem Küchenherd gleichzeitig mehrere weit voneinander entfernte Punkte in einem Haus in Brand gesetzt haben sollen.
Der Brand eines Wohnhauses interessiert mich normalerweise nicht besonders: Aber dann las ich von einer Serie ähnlicher Brände. Binnen dreier Monate brachen in zehn weiteren Herrenhäusern Brände aus. "Scotland Yard hat kürzlich veranlaßt, daß alle Einzelheiten über die Wohnhausbrände an den Yard weitergeleitet werden, wo man die Angaben zu den Begleitumständen sammeln und die wahrscheinlichste Ursache für die Brände ermitteln will."
2. April 1926 - Ashley Moor, ein Herrenhaus in der Nähe von Leominster wird durch einen Brand zerstört.
Jemand oder etwas hat Herrschaftshäuser niedergebrannt. Es blieb ein Geheimnis, wie dies vor sich gehen konnte. Die Menschen waren verängstigt, und wahrscheinlich wurden die Häuser nun besser als sonst bewacht; aber sie sind auch normalerweise bereits so gut geschützt, daß man schon an eine sehr außergewöhnliche Art des Eindringens denken muß. In keinem Bericht wurde erwähnt, wie ein etwaiger Brandstifter in die Häuser eingedrungen sein könnte. Kein Diebstahl wurde gemeldet. Über Monate gerieten immer wieder Herrenhäuser in Brand. Wahrscheinlich waren die Detektive von Scotland Yard eifrig mit Aktensammeln beschäftigt.
Am 6. November 1926 meldeten die Londoner Zeitungen den dreißigsten Brand eines Herrenhauses binnen zehn Monaten.
In England schlugen Flammen aus Herrensitzen, und es gab hitzige Äußerungen.
Manchmal bin ich nicht mehr als ein Datensammler, der gierig und geizig Notizzettel stapelt, schon damit zufrieden, einfach nur den Lagerbestand zu vergrößern. Zu anderen Zeiten freue ich mich, wenn ich unverhofft auf eine ganz haarsträubende Geschichte stoße, die vielleicht nicht ganz und gar gelogen ist, oder auf eine makabre kleine Begebenheit, die den einen oder anderen Kritiker meiner mehr oder weniger guten Werke in Rage bringt. Aber immer wieder habe ich das Gefühl, daß zwischen den Ereignissen, die ich notiere, ungeklärte Beziehungen bestehen, und es ist eben dieses verschwommene, unbestimmte und oft sogar quälende Gefühl oder dieser Verdacht, der mich dazu treibt, meine Zettel immer höher zu stapeln -
Oder ich gleiche mit meinem Gefühl, daß anscheinend völlig unabhängige Ereignisse zu einem übergreifenden Thema verknüpft werden können, einem primitiven Bauern, der sich vorstellt, er könnte ein Zebra und eine Kuh zusammenspannen, die seinen Pflug ziehen -
Aber sind Zebras und Kühe nicht etwas zu alltäglich?
Ein Strauß und eine Hyäne.
Und dann ein Triumphzug - die Suche im Dschungel nach einander völlig unähnlichen Geschöpfen, die einen Pflug ziehen können - und was ein wildes Klappern von Hufen und ein Tappen von Pfoten war, wird zum Rhythmus eines Liedes - hier kommen, paarweise, die Tiere -
Oder John Doughty, der zusammen mit den beiden toten Männern in einem Park in Harlem meine Parade anführt - gefolgt von fünfundvierzig Schulmädchen aus Derby - und das Hausmädchen des Fischhändlers, das auf beiden Armen Schwämme und Badehandtücher schleppt - gefolgt von brennenden Betten, die höchst eindrucksvoll mit ihr in Verbindung stehen, wenn auch auf keine Weise, die sich ein konventioneller Denker vorzustellen vermag -
Oder die Brände der Herrensitze in England im Jahre 1926 - und mit einer letzten kleinen Anstrengung spüre ich die Verbundenheit zweier Szenen:
Im Hyde Park in London ruft ein Redner: "Wir wollen keinen König und keine Gesetze mehr haben! Und das werden wir nicht mit dem Stimmzettel, sondern mit Waffengewalt durchsetzen!"
Und weit entfernt in Gloucestershire steht plötzlich und aus ungeklärtem Grund ein elisabethanisches Herrenhaus in Flammen.
Kapitel 5
"Guten Morgen!" sagte der Hund. Dann verschwand er in feinem, grünlichem Dunst.
Ich habe den Bericht, verbürgt von einer Zeitung.
Ich kann allerdings nicht - und werde deshalb auch nicht - behaupten, daß ich Zeitungsgeschichten für besonders glaubwürdig halte.
Vielmehr biete ich offenbar alles in diesem Buch als Fiktion an. Das heißt, falls es überhaupt so etwas wie Fiktion gibt. Dieses Buch ist Fiktion in dem gleichen Sinne, wie die Pickwickier, die Abenteuer des Sherlock Holmes und Onkel Toms Hütte, Newtons Principia, Darwins Ursprung der Arten, die Genesis, Gullivers Reisen, mathematische Sätze, die Geschichte der Vereinigten Staaten und alle anderen Geschichten fiktive Werke sind. Was mich in Bibliotheken stets am meisten ärgert, ist der fromme Glaube, man könne zwischen "fiktiven" und "nicht fiktiven" Werken unterscheiden.
Dennoch haben die Geschichten, die Dickens erzählt hat, etwas an sich, das sie von den Geschichten, die Euklid erzählt hat, deutlich unterscheidet. In Dickens' grotesken Schilderungen gibt es vieles, das mit Erfahrungen korrespondiert, die wir als "Wahrheit" bezeichnen, wohingegen euklidische Charaktere wie "mathematische Punkte" leere Stellen sind, einem Verstand gemäß, der kaum Erfahrungen gemacht hat. Die Hundegeschichte ist ein Axiom. Man muß sie auf Treu und Glauben annehmen. Und selbst wenn mir das manchmal alles andere als große Bewunderung einbringt, stelle ich Fragen.
Der New York World vom 29. Juli 1908 entnehme ich, daß es in der Umgebung der Lincoln Avenue in Pittsburgh zahlreiche kleine Diebstähle gegeben hat - Detektive seien eingeteilt worden, um den Dieb zu fassen. Am frühen Morgen des 26. Juli sei ein großer schwarzer Hund an ihnen vorbeigeschlendert. "Guten Morgen!" habe der Hund gesagt. Dann habe er sich in dünnem, grünlichem Dunst aufgelöst.
Der Leser wird wissen wollen, aus welchem Grund ich diese Geschichte verwerfe, während ich so viele andere in diesem Buch akzeptiere.
Der Grund ist, daß ich nie über Wunder schreibe. Das Wundersame oder nie Gehörte überlasse ich meinen schrulligeren oder radikaleren Zeitgenossen. Alle Bücher, die ich geschrieben habe, drehen sich um recht alltägliche Ereignisse.
Wenn, sagen wir mal, im Jahre 1847 eine Zeitung in New Orleans über eine Katze geschrieben hat, die gesagt habe: "Nun, ist es Ihnen auch nicht zu kalt?", um daraufhin in Schwefeldunst zu entschwinden, wie jeder verschwinden sollte, der so etwas fragt; und wenn ich einen Zeitungsausschnitt von irgendwann im Jahre 1930 hätte, in dem von einer Maus die Rede ist, die gequiekt hätte: "Ich war gerade in der Nähe und dachte, ich schaue mal vorbei", woraufhin sie, einen Schweif purpurner Funken hinterlassend, verschwunden sei; und wenn ich etwas ähnliches im St. Helena Guardian vom 17. August 1905 und in einer Ausgabe der Madras Mail aus dem Jahre 1879 gefunden hätte - dann würde ich die Geschichte des höflichen Hundes nicht für ein Wunder halten und sie in unsere Sammlung aufnehmen.
Aber man kann nun keinesfalls sagen, daß ich ausschließlich zahlreiche Wiederholungen als Maßstab für die Zulassung ansehen würde -
Der Bursche, der die Perle in der Austernsuppe gefunden hat - die alte Fidel, die sich als Stradivari entpuppt - der Ring, der in einem See verloren und in einem gefangenen Fisch wiedergefunden wird -
Aber diese oft erzählten Geschichten sind konventionelle Geschichten.
Und praktisch alle Lügner sind Konventionalisten.
Die einzige Eigenschaft, die niedere Tiere und Menschen gemeinsam nicht haben, ist die schöpferische Phantasie. Weder ein Mensch noch ein Hund noch eine Auster haben sie je besessen. Natürlich gibt es noch eine andere Sichtweise, derzufolge alles eine Spur Schöpferkraft in sich trage. Ich kann nicht behaupten, daß die Wahrheit eigenartiger wäre als die Fiktion, weil ich mit beiden noch keine Bekanntschaft gemacht habe. Ich habe mich zwar in die gleiche Gruppe wie einige bekannte Autoren fiktiver Werke eingeordnet, muß aber akzeptieren, daß es so etwas wie einen ausschließlich fiktiv schreibenden Autor nicht gibt. Jeder Bericht eines Menschen über ein "wirkliches Ereignis" hat eine fiktive Färbung, und aus jeder erfundenen Geschichte lugt ein wenig von dem hervor, was man "Wirklichkeit" nennt. Das ist der Bindestrich-Zustand aller Wahrheit-Fiktion.
Unter den Dutzenden Geschichten über Perlen in Suppen sind wahrscheinlich ein paar, die sich tatsächlich zugetragen haben, und höchstwahrscheinlich hat sich wirklich einmal eine alte Geige als Stradivari entpuppt; und es könnte auch sein, daß irgendwann einmal tatsächlich jemand durch Vermittlung eines Fisches einen Ring zurückbekommen hat.
Wenn ich aber auf unkonventionelle Wiederholungen an weit auseinanderliegenden Orten und zu unterschiedlichen Zeiten zu sprechen komme, dann habe ich das Gefühl - auch wenn ich keine absoluten Maßstäbe kenne, nach denen ich urteilen könnte -, daß ich mich außerhalb des Betätigungsfeldes gewöhnlicher Lügner bewege.
Sogar im Fall des sprechenden Hundes glaube ich, daß der Autor wahrscheinlich etwas in der Hand hatte, auf dem sein Bericht beruhte. Wahrscheinlich hatte er etwas über sprechende Hunde gehört. Nicht, daß ich es für unmöglich hielte, daß Kriminalbeamte einem sprechenden Hund begegnen, der "Guten Morgen!" sagt. Das ist kein Wunder. Erst wenn der Hund "Guten Morgen!" sagt und anschließend in einer Wolke aus dünnem, grünlichem Dunst verschwindet, bezeichne ich es als Wunder. In der New York Herald Tribune vom 21. Februar 1928 stand ein Bericht über eine französische Bulldogge, die einer Mrs. Mabel Robinson aus Bangor, Maine, gehörte. Das Tier konnte deutlich vernehmbar das Wort "Hallo!" aussprechen.
Mrs. J. Stuart Tompkins aus der 101 West 85th Street in New York las den Bericht über dieses Tier, rief die New York Herald Tribune an und erzählte von ihrem Hund, einer Deutschen Dogge, die mindestens genauso sprachbegabt sei. Ein Reporter kam, um den Hund zu interviewen. Er brachte dem Hund ein Bonbon mit, und der Hund sagte: "Thank you!".
Im englischen Northampton - siehe die Londoner Lloyd's Weekly News vom 2. März 1922 - war ein Kriminalbeamter einem Einbrecher auf den Fersen, der in ein Eisenwarengeschäft eingebrochen war. An der Decke waren an Haken verschiedene Gegenstände aufgehängt. "Durch Zufall" fiel, gerade als der Beamte darunter vorbeiging, einer der Gegenstände herunter. Es war ein Sensenblatt. Es schnitt ihm das Ohr ab. Nun befinde ich mich wieder auf vertrautem Gebiet. In dieser Geschichte stecken Andeutungen, die den Andeutungen in anderen Geschichten entsprechen.
"Am Sonnabend wurde unter mysteriösen Begleitumständen am hellichten Tag eine Bank in Blackpool überfallen" - so heißt es im Londoner Daily Telegraph vom 7. August 1926. Die Zweigstelle der Midland Bank, um die es ging, war eines der größten Geldinstitute am Ort. Am Sonnabend gegen Mittag, kurz vor Geschäftsschluß, hatte ein Mitarbeiter des Corporation Tramways Department mit einem Sack, in dem sich 800 englische Pfund in Banknoten befanden, das Gebäude betreten. In Gegenwart von ungefähr fünfundzwanzig Zeugen legte er den Geldsack auf die Theke. Dann schloß ihm der Wächter die Vordertür auf, damit er hinausgehen und die nächste Fuhre Geld, dieses Mal Silberstücke, aus dem Automobil holen konnte. Inzwischen war aber der erste Sack von der Theke verschwunden. Es handelte sich um einen großen Lederbeutel. Man hätte ihn nicht am Körper verbergen können, ohne aufzufallen. Keine schwangere Frau war in der Nähe.
Am Nachmittag wurde der Sack in der Nähe der Bank in einer Seitenstraße gefunden und zur Polizeiwache gebracht. Der Sack hatte ein ungewöhnliches und kompliziertes Schloß, das die Polizisten nicht öffnen konnten. Man zog einen Vertreter vom Tramways Department hinzu. Der Mann kam und öffnete den Sack mit seinem Schlüssel. Im Sack war kein Geld. Wenn ein Sack aus einer Bank verschwinden kann, ohne am Türsteher vorbeizukommen, dann wundert es mich nicht, daß Geld aus einem Sack verschwindet, obwohl das Schloß möglicherweise nicht geöffnet wurde.
Nun denn, es ist nichts Wundersames dabei, wenn aus Mrs. Bradleys verschlossener Kommode Geld verschwindet. Die New York Times vom 28. Februar 1874 - Mrs. Lydia Bradley aus Peoria, Illinois, sei auf "geheimnisvolle Weise beraubt" worden. Es gab noch zwei weitere solcher Vorfälle und auch sie waren alles andere als wundersam. Bilder sind von Wänden heruntergefallen, Möbelstücke sind im Haus herumspaziert, Öfen haben mit ihren Deckeln nach Menschen geworfen. Solche Untaten werden oft in Zusammenhang mit Häusern berichtet, in denen Poltergeist-Phänomene aufgetreten sind.
Es gibt viele Aufzeichnungen zu Bildern, die nicht an Wänden hängen bleiben wollten. Stühle und Tische sind, wie man hört, ordentlich angetreten und in Dreier- und Viererreihen marschiert. In Mrs. Bradleys Haus haben sich derlei Dinge in Gegenwart des Hausmädchens Margaret Corvell ereignet. Also geriet die Haushälterin unter Verdacht, und einmal, inmitten von Kapriolen der Dinge, die normalerweise gesetzt und ruhig sind, hielt ihr jemand die Hände fest. Während ihre Hände festgehalten wurden, war ein lautes Krachen zu hören. Ein Klavier, das sich bis zu diesem Augenblick ganz manierlich verhalten hatte, schloß sich dem Reigen an. Man hat das Mädchen trotzdem angeklagt. Sie gestand alles und gab sogar zu, daß sie Geld gestohlen habe; nur die Dinge, die geschehen waren, als man ihr die Hände festgehalten hatte, gab sie nicht zu.
Es gibt Dutzende von Poltergeist-Fällen, in denen das jeweilige Mädchen - meist sind es junge Dienstmädchen - alle Einzelheiten zugegeben hat, abgesehen von den Dingen, die geschehen sind, während es festgehalten, festgebunden oder herumgestoßen worden ist. Diese Unterlassungen werden ignoriert, und die Berichte der Ermittler enden mit der befriedigenden Erklärung, daß das Mädchen gestanden habe.
In Home News (Bronx, New York) vom 25. September 1927 ist ein Bericht über "Plünderungen durch Gespenster" abgedruckt. In Barberton in Ohio trieb ein Dieb, den man einfach nicht fassen konnte, sein Unwesen. Ich lenke die Aufmerksamkeit auf etwas, manchmal Dreistigkeit und manchmal Trotz, das in vielen unserer Geschichten auftauchen wird. Es ist, als gäbe es verbrecherische und manchmal nur boshafte Kerle, die unerklärliche Dinge tun können und sich an der Verwirrung ihrer Opfer weiden, völlig sicher, daß sie nie gefaßt werden. Zehn Jahre lang ist der unfaßbare Dieb von Barberton immer wieder in Erscheinung getreten. Zu manchen Zeiten hat er, wie um seine Begabung zu demonstrieren, ein und dasselbe Haus ein halbes Dutzend Mal heimgesucht.
Im Januar 1925 war die Londoner Polizei in ungefähr dem gleichen Zustand, in dem wir uns befinden, wenn wir versuchen, ein Kreuzworträtsel zu lösen, in dem nach schottischen Slangausdrücken, veralteten Begriffen und den abenteuerlichen Namen südamerikanischer Nagetiere gefragt wird. Irgend jemand spielte ein Spiel und war so unfair, der Polizei das Leben schwerzumachen. Was er tat, entspricht ungefähr dem, was Kreuzworträtselautoren als "Variante" bezeichnen. Man nannte ihn den "Katzenmenschen". Auch nach ihm wurden viele Kleinkriminelle so genannt. Die Zeitungen konzentrierten sich hauptsächlich auf die, wie sie sagten, unheimliche Fähigkeit des Verbrechers, unbemerkt in Häuser einzudringen.
Ich denke, sie hätten sich besser auf die Frage konzentrieren sollen, warum er genau wußte, wohin er nach den Einbrüchen verschwinden mußte. Ob er nun die Fähigkeit hatte, sich unsichtbar zu machen oder nicht, die Einwohner von Mayfair klagten, sie hätten Geld und Schmuck auf so rätselhafte Weise verloren, als wäre tatsächlich ein unsichtbares Wesen durch Türen oder Fenster eingedrungen, ohne sie zu öffnen, um anschließend durchs Haus zu spazieren und sich in aller Ruhe umzutun.
Man nannte ihn den "Katzenmenschen", weil es keine konventionelle Erklärung für sein Eindringen gab, es sei denn, man wollte glauben, daß er an den Häuserwänden emporgeklettert sei - wobei er schon vorher zu wissen schien, zu welchem Fenster er hochklettern mußte -, und als sei er mit einer Geschicklichkeit geklettert, die nicht einmal eine Katze besitzt. Manchmal hieß es auch, an Regenrinnen und auf Fensterbänken seien Spuren entdeckt worden. Wenn die Polizei etwas sagen kann, dann ist das fast so gut, als würde sie tatsächlich etwas tun. Aber ich will mich, was das betrifft, hier nicht auf einen bestimmten Beruf versteifen.
Der "Katzenmensch" hat Schmuck in solchen Mengen gestohlen, daß jeder, der von teuren Klunkern träumt, zufrieden gewesen wäre. Dann ist er verschwunden. Vielleicht nicht in einer grünlichen Dunstwolke, aber immerhin auf unfaire Weise und die gleiche Ratlosigkeit hinterlassend wie die "Varianten" und die "obsoleten Begriffe", die mir die Kreuzworträtsel so schwer machen. Mag sein, daß man wirklich Spuren an Regenrinnen und auf Fensterbänken gefunden hat. Aber nur die Logiker glauben, daß irgend etwas eine eindeutige Bedeutung haben könne.
Wenn ich die Macht hätte, ungesehen in Häuser einzudringen, es aber vorzöge, falsche Fährten zu legen, dann würde ich Spuren auf Regenrinnen und Fensterbänken hinterlassen. Alles, was jemals irgend etwas zu bedeuten hatte, hat mit der gleichen Wahrhaftigkeit auch etwas anderes bedeutet. Andernfalls hätten die Experten, die man bei Prozessen in den Zeugenstand ruft, nicht die prächtigen Auftritte, mit denen sie sich so häufig hervortun.
New York Evening Post, 14. März 1928 - in einem Häuserblock im Dritten Bezirk der Stadt Wien wurden die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Sie wurden von einer "geheimnisvollen Person" heimgesucht, die in Häuser eindrang und kleine Gegenstände stahl, aber niemals Geld mitnahm und die Diebstähle wohl nur beging, um zu zeigen, wozu sie imstande war. Daraufhin wurden von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen Polizisten eingeteilt, die den Häuserblock umstellten. In den Zufahrtsstraßen wurden Polizeihunde bereitgehalten.
Nach wie vor verschwanden kleine Gegenstände von geringem Wert. Gerüchte machten die Runde, daß der "unheimliche Einbrecher, womöglich ein Verrückter" gesehen wurde, wie er "einer Eidechse gleich über mondbeschienene Dächer gerannt" sei. Ich bin der Ansicht, daß man nichts und niemand hat über Dächer rennen sehen.
Die Aufregung schlug solche Wellen, daß die "höchsten Autoritäten" der Wiener Universität ihre Geisteskräfte zur Verfügung stellten, um den ratlosen Polizisten und ihren Hunden zu helfen. Ich wünschte, ich könnte an dieser Stelle über einen intellektuellen Wettstreit zwischen Universitätsprofessoren und Hunden berichten; gut möglich, daß meine Bosheit dadurch neuen Auftrieb bekäme.
Wahrscheinlich gibt es zahlreiche Universitätsprofessoren, die hin und wieder, wenn sie Berichte über eigenartige Verbrechen lesen, Mitleid mit der Zivilisation bekommen und der Polizei unter die Arme greifen wollen. Jedoch wurde nichts weiter über die Professoren berichtet, die den Polizisten und Hunden ihre Hilfe angeboten hatten. Bleibt festzuhalten, daß es eine Herausforderung gab, die, wie ich finde, leider nicht angenommen worden ist. Es wäre ein krönender Abschluß gewesen, wenn dieser womöglich etwas okkulte Sportsmann in die Häuser einiger dieser "höchsten Autoritäten" eingestiegen wäre und das entwendet hätte, was den "höchsten Autoritäten" ihre Autorität verleiht, oder wenn er ihnen einfach die Hosen gestohlen hätte. Aber er nahm die Herausforderung nicht an.
Wenn wir mehr Daten haben, werde ich darlegen, daß er wahrscheinlich außerhalb dieses bestimmten Häuserblocks nicht arbeiten konnte. Allerdings ist er in ein Haus eingestiegen, in dem ein Polizist lebte, und hat das Schlafzimmer des Beamten betreten. Er hat dem Polizisten die Dienstwaffe gestohlen, sonst aber nichts angerührt.
Am Nachmittag des 18. Juni 1907 hat sich in den Augen der Engländer einer der aufsehenerregendsten, unverschämtesten, verächtlichsten oder herrlichsten Diebstähle in den Annalen des Verbrechens ereignet. In den Augen der Amerikaner war es ein Verbrechen, das man mit gewissem Interesse zur Kenntnis nahm. Auf dem Rennplatz Ascot war auf einer Wiese hinter der Haupttribüne der Pokal ausgestellt. Er war 13 Zoll hoch und hatte einen Durchmesser von 6 Zoll. Er bestand aus 20karätigem Gold und wog beinahe vier Pfund. Der Pokal wurde von einem Polizisten und einem Vertreter der Firma, die ihn hergestellt hatte, bewacht. Die Geschichte ist in der Londoner Times vom 19. Juni 1907 abgedruckt. Wahrscheinlich drängten sich dort viele Leute, die vom Polizisten auf Distanz gehalten wurden. Die Seriosität der Times im Jahre 1907 verbot es allerdings, allzusehr ins Detail zu gehen. Nach allem, was ich über die Religion der Pferderennen in England weiß, dürften sich dort eine Menge ergebener Jünger herumgedrückt und anbetungsvoll ihre Reliquie bewundert haben.
Nur, daß sie nicht mehr da war.
Ungefähr zur gleichen Zeit gab es einen Ort, eine Zeit und einen Schatz, der die Aufmerksamkeit jedes Zauberers verdiente und eine große Herausforderung darstellte. Ort des Geschehens war das Dublin Castle. Draußen hielten Tag und Nacht ein Polizist und ein Soldat Wache. In einer Entfernung von nicht mehr als fünfzig Metern befanden sich die Hauptwache der Stadtpolizei von Dublin, die Royal Irish Constabulary, das Hauptquartier der Dubliner Kriminalpolizei und eine Kaserne. Es war die Zeit der Irish International Exhibition in Dublin. Am 10. Juli 1907 wollten King Edward und Queen Alexandra diese Ausstellung besuchen. In einem Tresorraum des Schlosses wurden die Juwelen aufbewahrt, die der Lord Lieutenant bei Staatsakten zu tragen pflegte. Es war ein ungeheurer Stapel von Armbändern, Ringen und anderen Isignien im Gesamtwert von 250 000 Pfund.
Und natürlich sind sie zur gleichen Zeit wie der Pokal von Ascot verschwunden. Irgendwann zwischen dem 11. Juni und dem 6. Juli.
Die Ermittlungen verliefen im Sande. Vierundzwanzig Jahre lang kam nichts heraus. Am 6. Dezember 1931 meldete die New York Times dann unter Berufung auf Informationen aus London, es sei der Versuch gemacht worden, mit den Dubliner Behörden Verhandlungen aufzunehmen, und es sei ein Angebot eingegangen, daß die Juwelen unter "gewissen Umständen" zurückgegeben werden könnten. Wenn die Gerüchte zutrafen, dann ist das Bemerkenswerte daran, daß die verschiedenen Schmuckgegenstände nicht zerlegt, sondern vierundzwanzig Jahre lang intakt aufbewahrt worden waren. So sah die Geschichte aus.
Aber ich mache mir immer noch Sorgen um den großen Hund, der "Guten Morgen!" sagte und in einer grünen Dunstwolke verschwand. Ich bin mit meiner eigenen Erklärung, mit der ich ihn abgelehnt habe, nicht mehr zufrieden. Wenn ich mir einige Dinge ansehe, die ich akzeptiert habe, scheint es mir unlogisch, einen Hund abzulehnen, der "Guten Morgen!" gesagt hat - außer, daß es nur für den Puristen oder den Gelehrten eine strenge Einteilung in Logisches und Unlogisches geben kann. Wir müssen in unserer Bindestrich-Existenz mit dem Logisch-Unlogischen zu Rande kommen. Alles, was als logisch bezeichnet wird, stimmt irgendwo mit irgend etwas anderem nicht überein, und alles, was unlogisch sein soll, stimmt irgendwo mit irgend etwas anderem überein.
Ich muß mir vielleicht doch keine Sorgen wegen des großen Hundes machen, der "Guten Morgen!" gesagt hat. Wenn ich ihn aufgrund einiger meiner akzeptierten Fälle beharrlich ablehne, dann stimme ich einerseits mit etwas überein; und es hat ja andererseits auch jeder Mensch das Bedürfnis, irgend etwas abzulehnen - jeder, der etwas glaubt oder irgend etwas akzeptiert, hat das Bedürfnis, etwas anderes als albern, übertrieben, falsch, böse, unmoralisch oder kurz als Tabu anzusehen. Es ist aber nicht nötig, daß wir alle wegen der gleichen Dinge mit Abscheu, Entsetzen oder Verachtung reagieren. Manche machen Jehova und andere machen Allah zum Gegenstand ihrer Verachtung oder ihrer Heiterkeit. Um Grenzen zu setzen, in denen es den Anschein seines Daseins wahren kann, und um den Anschein durch Kontraste zu verstärken, muß sich jedes Bewußtsein im Ausschließen üben.
Ich ziehe meine Grenze bei dem Hund, der "Guten Morgen!" gesagt und sich in dünnem, grünem Dunst aufgelöst hat. Er ist ein Symbol für die falsche und willkürliche und unvernünftige und inkonsequente - aber natürlich auch für die vernünftige und konsequente - Grenze, die jeder Mensch irgendwo ziehen muß, wenn er den Anschein erwecken will, daß er existiert.
Ihr könnt mich mit dieser Hundegeschichte nicht hereinlegen.
Kapitel 6
Der Konservativismus ist unser Gegner. Aber ich hege große Sympathien für Konservative. Auch ich bin oft ziemlich faul. Besonders am Abend, wenn ich ein bißchen erschöpft bin, werde ich mit Vorliebe konservativ. Alles, was in meiner Veranlagung hervorragend und edel ist, kommt vor allem dann zur Geltung, wenn ich zu nichts Rechtem zu gebrauchen bin. Morgens bin ich bisweilen sogar ziemlich wild. Aber wenn meine Energie sich erschöpft, werde ich edler und edler und fauler und konservativer. Wenn ich lange genug im Sterben gelegen habe, wird meine letzte Bemerkung höchstwahrscheinlich ein Gemeinplatz sein. Wenn nicht, muß ich wahrscheinlich lachen.
Ich lese gern gemütlich meine Abendzeitung. Und es ist ungemütlich, in einer Abendzeitung auf eine neue Idee oder Anregung zu stoßen. Es ist eine Belästigung, und ich verstehe nicht, was das soll, und es erfordert einiges Nachdenken von mir - ach, was soll's, schneide ich's halt aus.
Aber wo ist die Schere? Nicht da. Hat jemand eine Nadel? Niemand. Es gab Zeiten, da konnte man sich bis zum Rand des Teppichs vorarbeiten, ohne vom Stuhl aufzustehen, und eine Heftzwecke aufklauben. Aber heutzutage liegen überall Läufer. Ach, lassen wir's doch lieber.
Da steht etwas über einen geheimnisvollen Haarschnippler in der Zeitung. Das ist eine neue Gruppe von Daten, wenn auch das Stehlen von Haaren mit anderen unerklärlichen Entwendungen verbunden scheint. Wo finde ich eine Nadel? Oh, na gut, an dieser Haarschnippelgeschichte ist nichts weiter dran. Ein kleiner Gauner hat Haar gestohlen, um es zu verkaufen. Natürlich. Vage Andeutungen bleiben zurück, nachdem ich verschiedene Hinweise auf "Schwarze Magie" gelesen habe - aber wenn es einen Markt für Menschenhaar gibt, dann kann man Haarschnippler erklären - und doch -
Und so könnte ich gelegentlich weitermachen, jahrelang, manchmal eine Ahnung einer neuen Idee verspürend, aber mich am gemütlichsten fühlend, wenn ich nichts weiter unternehme. Nur am Tage suche ich Bibliotheken auf, und wenn mehrmals nacheinander etwas, das mir neu ist, in Zeitungen meine Aufmerksamkeit erregt, dann bringe ich irgendwie die Kraft auf, mir eine Notiz zu machen.
Diese vagen, neuen Ideen, die in jedem Bewußtsein kurze Zeit flattern - manchmal sind sie so schwer zu fassen wie der Augenblick, in dem sie flattern. Es ist, als wollte man einen Schmetterling mit einer Nadel feststecken, ohne ihn zu fangen. Plötzlich ist die Idee wieder weg. Sie kann sich nicht entwickeln, wenn man sie nicht notiert und die Notizen sammelt. Jeder Mensch könnte ein wenig erleuchtet sein - falls das irgendwie gut für uns wäre - wenn es keine Lehnstühle gäbe. Wo finde ich eine Nadel? Ich sollte mir doch ein Stachelschwein als Haustier anschaffen. Man kann nicht viel lernen und es zugleich gemütlich haben. Man kann nicht viel lernen und zugleich andere in Ruhe lassen.
Zwei Fälle von Friseuren, deren Schaufenster zerbrochen worden sind. Falsche Zöpfe wurden gestohlen. Wahrscheinlich, um sie an andere Friseure zu verkaufen.
Ich habe das bloß als seltsame Begebenheit notiert:
Der Londoner Daily Chronicle vom 9. Juli 1913 - in Paris wurde ein wohlhabender Ingenieur namens Leramgourg verhaftet. "In Leramgourgs Wohnung fand die Polizei Haarlocken von 94 Frauen."
Ich habe diesen Bericht zu den anderen Berichten über schrullige Sammler gelegt. In Oklahoma City hat im Juli 1907 irgend jemand Ohren gesammelt. Drei männliche Leichen - die Ohren abgeschnitten. Im April 1913 hat sich ein Sammler, der Jack the Slipper-snatcher genannt wurde, in der New Yorker Untergrundbahn herumgetrieben. Ein Mädchen geht die Treppe der Untergrundbahnstation hinauf - hebt den Fuß von einer Stufe - der Schuh wird ihr weggerissen -
Das Phantastische oder das Amüsante - aber es ist so nahe am Entsetzlichen wie das Schöne am Gräßlichen -
Der Mörder des Kindes der Connors aus New York hat im Juli 1916 seinem Opfer einen Teil des Haupthaars abgeschnitten.
Ich habe nur zwei Angaben zu männlichen Opfern der Haarschnippler. Ich kann mir vorstellen, daß in früheren Zeiten weit ausladende Schnurrbärte eine Versuchung gewesen sein müssen. Woher bekommen eigentlich die Produzenten falscher Schnurrbärte ihr Material? Die beiden männlichen Opfer waren Kinder. Dann gibt es noch einen Bericht über drei Zigeunerinnen, die einen achtjährigen Jungen überfallen und ihm die Haare abgeschnitten haben. Die Tatsache, daß es Zigeunerinnen waren, mag den Gedanken an Okkultismus nahelegen, aber es kann auch einfach ein Diebstahl von etwas gewesen sein, das sich verkaufen ließ.
Ein Fall wurde in People (London) am 23. Januar 1921 gemeldet. Die Bewohner der Glenshamrock Farm in Anchenleck in der schottischen Grafschaft Ayrshire mußten eines Morgens feststellen, daß ihnen in der Nacht ein Einbrecher zahlreiche Dinge entwendet hatte. Eine junge Bewohnerin schrie in ihrer Schlafkammer. Irgend jemand hatte ihr die Haare abgeschnitten. Ich erwähne, daß dieser Fall gemeldet worden ist - doch um was für einen Fall handelt es sich eigentlich? Und der in der New York Sun vom 7. März 1928 erwähnte - was für ein Fall ist das? Ein alter Mann hatte das Haus des Angelo Nappi, 83½ Garside Street in Newark, New Jersey, betreten, und Nappis drei kleinen Töchtern die Haare abgeschnitten.
Alte und junge Menschen, Männer wie Frauen, sind beteiligt - in den Geschichten über Haarschnippler steckt etwas drin, das nichts mit dem Verkauf von Haaren zu tun hat. Wenn Jack the Slipper-snatcher mit gebrauchten Schuhen gehandelt hätte, dann hätte er den Mädchen beide Schuhe von den Füßen streifen müssen.
Ich entnehme der Medium and Daybreak vom 13. Dezember 1889 eine weitere Geschichte. Es handelt sich um den Nachdruck eines Artikels aus der Brockville Daily Times (Ontario) vom 13. November. Im Haus eines gewissen George Dagg, eines Bauern, der im Ort Clarendon in der kanadischen Provinz Quebec lebte, ist etwas passiert. Dagg wohnte dort zusammen mit seiner Frau, zwei kleinen eigenen Kindern und seiner elfjährigen Adoptivtochter namens Dina McLean, die das Ehepaar aus einem Waisenhaus geholt und bei sich aufgenommen hatte. Der Bericht, aus dem ich zitiere, ist das Ergebnis einer Untersuchung, die Percy Woodcock durchgeführt hat. Ich weiß, daß es phantastisch klingt, aber dieser Percy Woodcock war zugleich auch ein bekannter Maler. Und Mr. Woodcock war ein Spiritist. Kann sein, daß er die Geschichte genauso künstlerisch bearbeitet hat wie seine Leinwände.
Das erste "unheimliche Ereignis" - so drücken sich oft Menschen aus, die nicht wissen, wie häufig diese Ereignisse vorkommen - hat sich am 15. September zugetragen. Fensterscheiben sind geborsten. Dann sind aus unerfindlichen Gründen Brände ausgebrochen - bis zu acht an einem Tag. Steine, deren Herkunft nicht zu erklären war, wurden geworfen. Ein großer Stein traf eins der Kinder, aber "so seltsam es klingt, das Kind trug nicht den kleinsten Kratzer davon."
Ich bin nun der Ansicht, daß man in Kommentaren zu meinen Schriften meinen Irrsinn überbetont hat. Natürlich würde ich die Untersuchung eines Irrenarztes nicht überstehen - aber könnte das ein Irrenarzt? Doch wenn ich auf Details stoße wie dieses in einer Zeitung aus Ontario, daß ein Stein einen Menschen trifft, ohne Schaden anzurichten, und wenn ich mir das gleiche Detail aus einer Zeitung aus Konstantinopel notiert habe, und wenn ich außerdem in Zeitungen aus Adelaide, Südaustralien, und der englischen Grafschaft Cornwall und anderen Orten darauf gestoßen bin - und wenn ich feststelle, daß dies kein Standarddetail von Gespenstergeschichten ist, so daß wahrscheinlich keiner der Schreiber jemals zuvor etwas in dieser Art gehört hatte - dann halte ich mich für geistig gesund und vernünftig, wenn ich diesen Dingen nachgehe, soweit es jedenfalls überhaupt so etwas wie geistige Gesundheit und Vernunft gibt.
"Eines Nachmittags spürte die kleine Dina an ihrem Haar, das in einem langen Zopf auf ihrem Rücken lag, einen plötzlichen Ruck. Sie schrie, und als ihre Eltern kamen, sahen diese, daß der Zopf des Mädchens fast ganz durchtrennt war und nur noch an ein paar Strähnen hing. Am gleichen Tag sagte ihr kleiner Bruder, daß etwas ihn ständig an den Haaren gezogen hätte. Die Mutter konnte sofort sehen, daß auch aus seinem Haar große Büschel herausgeschnitten worden waren."
Woodcock sagte, man habe eine Stimme gehört. Das ist ein Element, das bei den meisten anderen Poltergeist-Phänomenen nicht zu beobachten ist. Die Daggs hatten mit den benachbarten Wallaces Streit, und die "Stimme" warf Mrs. Wallace vor, ihn oder sie oder es oder was auch immer ausgeschickt zu haben, um an den Daggs Rache zu üben. Die meiste Zeit haben sich zahlreiche Menschen im Haus befunden. Als diese Beschuldigung zu hören war, suchten einige Farmer das Haus der Wallaces auf und kehrten mit Mrs. Wallace zurück. Dem Bericht ist zu entnehmen, daß "die Stimme" abermals Mrs. Wallace beschuldigte, dann aber derart unzusammenhängende Äußerungen machte, daß man ihr nicht mehr glaubte. Die Stimme sagte obszöne Dinge, und Mr. Woodcock war schockiert. Er redete vernünftig mit ihr und wies darauf hin, daß Frauen anwesend seien. Daraufhin schämte die Stimme sich. Sie sang ein frommes Lied und verstummte.
Ich nehme eine Geschichte aus dem Religio-Philosophical Journal vom 4. Oktober 1873 und den folgenden Ausgaben, die in der Durand Times (Wisconsin) und in anderen Zeitungen nachgedruckt worden ist. Schauplatz ist die Wohnung von Mr. Lynch, der damals 14 Meilen außerhalb von Menomonie, Wisconsin, lebte. Er war ein paar Jahre zuvor aus Indiana dorthin verzogen und lebte nun mit seiner zweiten Frau und vier Kindern aus erster Ehe zusammen. Seine erste Frau war kurz nach dem Umzug gestorben. Eines Tages ging Lynch in die Stadt und kaufte ein Kleid für seine Frau. Kurze Zeit später wurde das Kleid völlig zerfetzt in der Scheune gefunden. Aus dem ganzen Haus verschwanden Gegenstände. Lynch kaufte ein zweites Kleid. Auch dieses Kleid wurde - so klein zurechtgeschnitten, daß es einem der Kinder paßte - in der Scheune gefunden. Eier stiegen von Tischen auf, Teetassen hüpften, und ein Topf mit Schmierseife wanderte von Zimmer zu Zimmer. Eins der Kinder, ein sechsjähriger Junge, geriet in Verdacht, die Streiche ausgeheckt zu haben, weil die Phänomene vor allem auftraten, wenn er in der Nähe war. Niemand versohlte ihn, und er gestand auch nicht, aber er wurde an einen Stuhl gefesselt - und die Teetassen zeigten sich so lebhaft wie zuvor.
Es herrschte die übliche Übersichtlichkeit. Keine mitternächtlichen Geheimnisse in einem Spukhaus. Schaulustige kamen in so großer Zahl, daß sie im Haus keinen Platz mehr fanden. Ein paar Hundert trieben sich draußen herum, saßen auf Zäunen, lehnten sich an alles an, was ihr Gewicht halten wollte, und hielten sich bereit, ins Haus zu spurten, sobald sich dort etwas tat.
"Eines Tages stand eins der Kinder, es hieß Rena, dicht neben Mrs. Lynch. Das Haar des kleinen Mädchens wurde bis auf die Kopfhaut abgeschoren und verschwand."
Es gab Einzelfälle, und es gab Fälle von mehrfachem Haareschnippeln, die als "massenpsychologische Phänomene" erklärt wurden. Mir sind auch einige Fälle bekannt, in denen Mädchen beschuldigt wurden, sich die Haare selbst abgeschnitten zu haben, weil sie hofften, auf diese Weise in die Zeitung zu kommen. Mein Grund, Zweifel zu hegen, sind die befriedigenden Wendungen dieser Geschichten, die stets darauf hinausliefen, daß die Mädchen gestanden hätten.
Am 2. Dezember 1922 und am 10. Dezember 1922 erschienen in Londoner Zeitungen Berichte über etwas, das östlich und westlich von London sein Unwesen trieb. In Uxbridge in der Grafschaft Middlesex hätte eine Frau plötzlich festgestellt, daß ihr Zopf abgeschnitten worden war. Sie konnte nicht sagen, wann dies geschehen war, vermochte sich aber daran zu erinnern, daß ihr inmitten einer Menschenmenge der Hut über die Augen geschoben worden sei.
Wie aus den Berichten hervorgeht, wurden die Frauen von einem "verschwindenden Mann" in Angst und Schrecken versetzt. Er könne "wie durch Zauberei verschwinden", hieß es. Es handelt sich hier wohl wieder um einen Unfaßbaren, um einen trotzigen Kerl, der in aller Offenheit zu Werke geht, als wäre er völlig sicher, daß er nicht erwischt wird. Man beachte, daß wir es hier nicht mit Gespenstergeschichten zu tun haben. Es sind Berichte über menschliche Wesen, die anscheinend gespenstische Eigenschaften oder Kräfte besitzen.
Die 17jährige Doris Whiting sah, als sie sich ihrem Wohnhaus im Dorf Orpington näherte, einen Mann am Tor lehnen. Als sie an ihm vorbeiging, packte er sie und schnitt ihr die Haare ab. Sie kreischte, und ihr Vater und ihr Bruder kamen ihr zu Hilfe. Sie suchten nach dem Mann, aber der Schnippler war nicht zu finden.
Eine Magd, die bei einer Mrs. Glanfield in Crofton Hill in Orpington angestellt war, wurde von einem Mann überfallen, der ihr eine Handvoll Haare abschnitt und verschwand. In Orpington, das die Endstation einer Buslinie war, herrschte große Aufregung. Ein Mädchen rief, ihm sei ein großer Teil der Haare abgeschnitten worden. Das allein scheint noch nicht rätselhaft; vermutlich hätte es ein geschickter Bursche bewerkstelligen können, ohne von den anderen Fahrgästen gesehen zu werden. Aber auch andere Mädchen sagten das, was Mädchen eben sagen, wenn sie merken, daß ihnen die Haare abgeschnitten worden sind. In Enfield befand sich ein Mädchen namens Brand, das als Schreibkraft im Constitutional Club beschäftigt war, eines Morgens gegen acht Uhr in der Nähe des Clubhauses, als ein Mann es packte und ihm die Haare abschnitt. "Man fand keine Spur des Täters, obwohl die Suche unmittelbar nach der Schandtat begann."
Ich habe mir einige Ereignisse aus London notiert, die den Anschein erwecken, als hätte es ein Verlangen nicht nach Haar allgemein oder nach irgend jemandes Haar, sondern nach dem Haar und nach immer mehr Haar des immer gleichen Opfers gegeben. Siehe den Londoner Kensington Express vom 23. August 1907. Einem Mädchen ist zweimal das Haar abgeschnitten worden. In einer Straße in London spürte es zum dritten Mal einen Schnitt. Das Mädchen beschuldigte einen Mann. Er wurde verhaftet und im Mansion House angeklagt. Weder das Mädchen noch irgend jemand sonst hatte ihn beim Schnippeln gesehen, aber er hatte sich "raschen Schrittes entfernt", und als man ihn zur Rede stellen wollte, war er sogar davongerannt. Kein Wort darüber, daß man etwa eine Schere oder Haare in nennenswerten Mengen bei ihm gefunden hätte. Das Haar, das abgeschnitten worden war, wurde nicht gefunden. Aber "man fand einige Haare auf seiner Jacke", und so wurde er für schuldig befunden und mit einer Geldstrafe belegt.
Ich habe Angaben zu einem weiteren Fall von "massenpsychologischen Phänomenen". Ich bin der Ansicht, daß der Begriff "massenpsychologisches Phänomen" in genau dem Maße zutreffend ist, in dem die Bezeichnung "horizontale Unzulänglichkeit" oder "Mittelhandknochenlumineszenz" oder irgendeine andere Idee oder eine Kombination von Ideen auf irgend etwas anderes paßt. In einer Bindestrich-Existenz ist es nicht möglich, völlig falsch - oder völlig richtig - zu liegen. Deshalb ist es so schwer, etwas zu lernen. Es ist schwer, das, was nicht ganz und gar falsch sein kann, mit Hilfe dessen zu überwinden, was nicht ganz und gar richtig sein kann. Es wird der Tag kommen, an dem ich mich weigern werde, überhaupt noch etwas zu lernen, weil ich genug Irrtümer angesammelt habe.
Im Spiritualist vom 21. Juli 1876 wurde eine Geschichte über "erregte Massen" in Nanking und in anderen chinesischen Städten veröffentlicht. Unfaßbare, die nicht einmal sichtbar waren, schnitten den Chinesen die Zöpfe ab, und die Menschen gerieten in Panik. Im Artikel wurden noch weitere Einzelheiten erwähnt, aber ich entnehme die Berichte lieber den örtlichen Zeitungen. Ich zitiere die Einzelheiten, wie ich sie in mehreren Ausgaben des North China Herald vom 20. Mai bis zum 16. September 1876 gefunden habe.
In Nanking und anderen Städten brach eine Panik aus, die auch Schanghai erfaßt hat - die Menschen glaubten, Unsichtbare schnitten ihnen die Zöpfe ab. Es hieß, man könne die Geschichten über die Unsichtbaren nehmen, wie man wolle, auf jeden Fall seien eine ganze Reihe von Zöpfen abgeschnitten worden, und als Folge davon seien die Menschen sehr unruhig geworden. "Viele Chinesen haben ihre Zöpfe verloren, und wir können kaum annehmen, daß die angeblichen Geister reale Menschen mit Stahlscheren sind, denn es ist fast unbegreiflich, warum bisher noch niemand beim Schneiden erwischt worden ist. Die wahrscheinlichste Erklärung ist die, daß die Täter, wer sie auch sind, mit einer Art von starker Säure arbeiten."
Die Panik erfaßte auch Hangchow - "Zahlreiche Fälle werden gemeldet, aber nur wenige entsprechen den Tatsachen." - "Jeden Tag werden neue Fälle gemeldet."
In den Straßen von Schanghai legten sich Männer, die Angriffe von hinten fürchteten, ihre Zöpfe auf die Brust. Quacksalber machten Reklame für Talismane. Wahrscheinlich reagierten die angesehenen Ärzte, die auf ihre eigenen Beschwörungen zurückgriffen, mit Empörung. Der Militärkommandant postierte Soldaten in verschiedenen Stadtteilen. "Es soll ausreichen zu sagen, daß es trotz vieler fragwürdiger Berichte Grund zu der Annahme gibt, daß einige Kinder tatsächlich einen Teil ihres Zopfes verloren haben."
Die Verkäufer von Talismanen gerieten unter Verdacht, die Zöpfe abgeschnitten zu haben, um ihr Geschäft anzukurbeln - dann wurden ungezogene Kinder und schließlich gar Missionare verdächtigt, so daß antichristliche Plakate an öffentlichen Plätzen auftauchten - es gab Gerüchte, "unsichtbare Täter" hätten Passanten Tintentropfen ins Gesicht gespritzt, und die so behandelten Personen seien gestorben - die Einwohner von Woosin und Soochow seien panisch vor Angst - verdächtige Personen wurden gelyncht - Verhaftungen und Folterungen. Die Menschen ließen die Arbeit liegen und bildeten Patrouillen. In Soochow ging die "Zerquetschungspanik" um, oder der Glaube, daß des Nachts Menschen in ihren Betten erdrückt würden. Man verlegte sich darauf, Gongs zu schlagen, die Gonglager wurden leergekauft, und wer noch einen Gong bekommen wollte, mußte warten, bis ein neuer hergestellt worden war.
Die standardisierte Art und Weise, über so einen Schrecken zu berichten, besteht darin, sich über die extremen Ereignisse auf dem Höhepunkt der Erregung auszulassen und die Vorfälle, die vorangegangen sind, zu ignorieren oder nur oberflächlich zu behandeln. In China gab es eine Panik oder eine Manie. Vielleicht. Ich habe keinen Bericht eines Chinesen gefunden.
Mag sein, daß 1929, als viele Menschen vor der Papageienkrankheit Angst hatten, ein Chinese, der bei seiner Zeitung einen Bericht abzuliefern hatte, gemeldet hätte, wir würden Gongs anschlagen, nachdem er gesehen hatte, wie ein Hausmeister den Staub vom Deckel eines Ascheneimers abklopfte.
Wahrscheinlich beruht ein großer Teil aller Aufregung auf falscher Wahrnehmung. Dennoch scheint es akzeptabel zu sagen, daß es unerklärliche Haarschnippeleien gegeben hat.
Kapitel 7
Tollwütige Vampire - und Schaum vor den blutverschmierten Mäulern. Siehe die New York Times, 5. September 1931 - Tollwut bei Vampirfledermäusen, gemeldet von der Insel Trinidad. Oder ein nächtlicher Dschungel - Dunkelheit und Feuchtigkeit, Pflanzengewirr und Finsternis - und kleine weiße Streifen, deutlich sichtbar in der Dunkelheit - weißer Schaum vor den blutverschmierten Mäulern fliegender Fledermäuse - oder, daß es nichts gibt, was sich, weiß und schön, vor dunklem Pflanzengewirr abheben könnte, das nicht durch den Schaum vor dem Maul einer Vampirfledermaus symbolisiert wird.
Ich bemerke, daß es zehn nach neun Uhr morgens ist. Um zehn Minuten nach neun heute abend, falls mir diese Angelegenheit wieder einfällt - und falls ich einen Bleistift zu fassen kriege, ohne mich aus meinem Sessel erheben zu müssen - wenngleich ich manchmal etwas mit dem Ende eines abgebrannten Streichholzes kritzeln kann -, werde ich mir wahrscheinlich eine Notiz machen, die tollwütigen Fledermäuse mit dem Schaum vor den blutverschmierten Mäulern wieder zu streichen. Ich werde streng und korrekt vorgehen, wenn ich heute abend nach den Mühen des Tages erschöpft bin und meine Pferdestärken für die Nacht im Stall untergebracht sind. Wenn meine Energie sinkt, ist die bessere Seite meines Ich im Aufsteigen begriffen. Diese sensationellen Fledermäuse sind eine Beleidigung für meine literarischen Maßstäbe.
Ich habe jetzt eine Theorie, daß unsere Existenz als Ganzes ein sehr alter Organismus ist - ein kugelförmiges Etwas mit einer sternenbesetzten Hülle, das in einer Super-Existenz treibt, in der es unzählige andere Organismen gibt - und daß wir als in das Gefüge eingebaute Zellen von einer alles durchdringenden Senilität betroffen und beherrscht sind. Die Theologen haben erkannt, daß das Ideal die Imitation Gottes ist. Wenn wir ein Teil eines solchen organischen Wesens sind, dann ist dieses Ding für uns der Gott, so wie ich der Gott der Zellen bin, aus denen mein Körper zusammengesetzt ist. Wenn ich sehe, wie ich selbst, genau wie Katzen und Hunde, mit fortgeschrittenem Alter die Unberechenbarkeit in meinem Verhalten verliere und mich einem Zustand der Makellosigkeit nähere, dann sehe ich auch, daß das, was uns adelt, die Senilität ist. Ich schließe daraus, daß Tugendhaftigkeit, Strenge und Anstand in unserer Existenz als Ideal gelten, weil sie Imitationen des Zustandes einer umfassenden Existenz sind, die sehr alt, gut und über jeden Vorwurf erhaben ist. Sanftmut ist das Ideal, oder Demut oder der halb invalide Zustand der Alten. Jahr um Jahr werde ich edler und edler. Wenn ich leben kann, bis ich gebrechlich genug bin, werde ich ein Heiliger sein.
Vielleicht gibt es außer Vampirfledermäusen noch andere Vampire. Ich habe mir so meine Gedanken über den spezialisierten Appetit gemacht, der Vampiren in den üblichen Geschichten zugeschrieben wird. Wenn es Blut sein muß, warum kann es dann nicht das Blut von Rindern und Schafen sein? Es gibt viele Geschichten über unerklärliche Angriffe auf Menschen, aber es gibt auch unzählige Hinweise auf Übergriffe gegenüber Tieren.
Möglich, daß die fernen Vorfahren des Menschen Affen waren, auch wenn mir noch kein Evolutionsforscher erklären konnte, warum nicht umgekehrt die Affen aus den Menschen hervorgegangen oder degeneriert sind. Trotzdem will ich gern glauben, daß die Menschen möglicherweise von den Affen abstammen, weil die Menschenaffen ganz offen Menschen imitieren, als wäre ihnen bewußt, daß es einen höheren Bewußtseinszustand gibt, während die Menschen, die sich wie Affen benehmen, dies meist verleugnen, sobald sie deswegen kritisiert werden. Wenn Vieh gerissen und aufgeschlitzt wird, dann ist das vielleicht ein Rückfall in die Affenzeit. Aber selbst wenn es heißt, daß in der britischen Kolonie Kenia Paviane manchmal Vieh verstümmeln, kann man eigentlich nicht viel gegen sie vorbringen. Die Londoner Daily Mail schreibt am 18. Mai 1925, über mehrere Jahre seien regelmäßig im April auf Viehfarmen in Kenia in erschreckender Zahl Schafe gemeuchelt und Rinder gerissen worden. Man gab den Eingeborenen die Schuld, aber dann fand man heraus, daß auch deren Vieh angegriffen worden war. Schließlich hieß es, man habe nachweisen können, daß Bärenpaviane die Übeltäter waren. Vielleicht war aber auch dieser Vorwurf gegen die Paviane unberechtigt. Was wäre dann? Bei den Verletzungen handelte es sich um tiefe, lange Schnitte, als hätte jemand wild mit einem Messer zugestochen. Man hat es damit erklärt, daß die Paviane ihre Beute töteten, indem sie sie mit dem Daumennagel aufschlitzten.
Der bekannteste Fall von Verstümmelungen von Vieh ist jener, in den ein junger Anwalt namens George Edalji verwickelt war. Er war der Sohn eines Hindu, der im Dorf Wyrley in der englischen Grafschaft Staffordshire als Geistlicher tätig war. Die ersten Vorfälle haben sich in der Nacht auf den 3. Februar 1903 ereignet. Ein wertvolles Pferd wurde aufgeschlitzt. Dann gab es mit gewissen Pausen bis zum 27. August Verstümmelungen von Pferden, Kühen und Schafen. Edalji geriet in Verdacht, weil er in anonymen Briefen beschuldigt wurde.
Nachdem am 27. August wieder ein Pferd mißhandelt worden war, wurde Edalji verhaftet. Die Polizei durchsuchte sein Haus und fand nach eigenen Angaben einen alten Mantel mit Blutflecken. In Gegenwart von Edaljis Eltern und seiner Schwester erklärten die Polizisten, auf dem Mantel hätten sich Pferdehaare befunden. Der Mantel wurde zur Polizeiwache gebracht, wo Dr. Butler, der Gerichtsmediziner, eine Untersuchung durchführte und erklärte, er habe neunundzwanzig Pferdehaare finden können. Die Polizisten führten weiterhin aus, daß die Schuhe, die Edalji trug, genau zu den Spuren auf dem Feld paßten, wo das Pferd verstümmelt worden war. Sie erfuhren, daß der junge Mann am fraglichen Abend nicht daheim gewesen war, sondern "einen Spaziergang gemacht" habe, wie er selbst erklärte. Die Indizien, die gegen Edalji sprachen, überzeugten die Jury, die ihn für schuldig befand und zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilte.
Ich habe jetzt eine Theorie, daß unsere Existenz ein Phantom ist - das schon vor langer Zeit wahrscheinlich an Altersschwäche gestorben ist -, daß das Ganze also ein Gespenst ist. Daher die Irrealität seiner Bestandteile - die Phantomjustiz und die eingebildeten Jurys und die unglaublichen Richter. Eine gespenstische Justiz scheint im Gewand des alten Spuks überlebt zu haben und dessen Vorliebe für gelegentliche öffentliche Auftritte zu teilen. Wenn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit groß genug ist, wird die Gerechtigkeit siegen. Im Fall Dreyfus, wo die ganze Welt aufmerksam zusah, kam nach großer Verzögerung und in gewisser Weise doch noch die Gerechtigkeit zum Vorschein. Wahrscheinlich haben zusammen mit Edalji andere Menschen im Gefängnis gesessen, die ungefähr zur gleichen Zeit hineingeschickt worden waren. Sie blieben drin. Aber Sir Arthur Conan Doyle hat unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit Edaljis Fall wieder aufgerollt. In seinem Bericht, der unter dem Namen Great Stories of Real Life erschienen ist, erklärt Doyle, als der Polizeiinspektor den alten Mantel gefunden und erklärt hatte, es befänden sich Pferdehaare darauf, hätten Mrs. Edalji und Miss Edalji den Mantel untersucht und abgestritten, daß Pferdehaare darauf waren. Edaljis Vater habe gesagt: "Sie können den Mantel mitnehmen. Ich bin sicher, daß keine Pferdehaare darauf sind." Doyle erläutert, irgendwo in der Nähe der Polizeiwache müsse es einen Pferdestall gegeben haben. Was die Aussage angeht, daß Edaljis Schuhe genau zu den Spuren auf der Weide gepaßt hätten, wo das Pferd mißhandelt wurde, so erklärt Doyle, daß der Tatort unmittelbar neben einer großen Kohlengrube liege, wo Hunderte von Bergleuten herumliefen, so daß es unmöglich gewesen sei, eine bestimmte Spur zu isolieren. Auf der Grundlage von Doyles Erkenntnissen - so sagt man -, oder auch, weil die Öffentlichkeit aufmerksam geworden war, bestellte die Regierung einen Ausschuß, der Nachforschungen anstellen sollte. Der Ausschuß kam in seinem Bericht zu dem Ergebnis, daß Edalji zu Unrecht verurteilt worden sei.
Manchmal sind Viehaufschlitzer gefaßt worden. Nach einer Erklärung gefragt, sagten sie, sie hätten einem "unwiderstehlichen Drang" gehorcht. Die gebildeteren unter denen, die nicht widerstehen konnten, benutzen anstelle des unfeinen Wortes "Viehaufschlitzer" das Wort "Vivisektionist", und statt sich nachts auf eine Weide zu schleichen, arbeiten sie ganz offen daheim in ihrem Labor. Manch einer zerbricht sich vielleicht den Kopf darüber, wie es um die geistige Verfassung der Menschen früherer Zeiten bestellt gewesen sein muß, als die Folter von Mitmenschen noch rechtens war. Zum Ruhme Gottes wurden einem Mann die Eingeweide herausgerissen. Die "abdominale Exploration" eines Hundes geschieht zum Ruhme der Wissenschaft.
Die geistige Verfassung früherer Zeiten unterscheidet sich freilich nicht wesentlich von der heutigen, und die unangenehmen Begleiterscheinungen vieler Dinge werden übergangen, solange die Aussichten im großen und ganzen noch erfreulich sind.
Da also die englische Regierung das Urteil gegen Edalji widerrief, wurde der Viehaufschlitzer von Wyrley nicht gefaßt. Im Sommer 1907 gab es in der gleichen Gegend abermals Mißhandlungen von Vieh.
22. August 1907 - ein Pferd wurde in der Nähe von Wyrley verstümmelt. Es hieß, an den Hörnern einer Kuh sei Blut gefunden worden, und das Pferd sei aufgespießt worden. Fünf Tage später wurden auf einem anderen Feld zwei weitere Pferde so zugerichtet, daß sie starben. 8. September - ein Pferd in Breenwood in der Grafschaft Staffordshire wurde aufgeschlitzt. Ein junger Metzger namens Morgan wurde angeklagt, doch er konnte nachweisen, daß er zur betreffenden Zeit daheim gewesen war. Ungefähr einen Monat lang wurden immer wieder Verletzungen von Pferden gemeldet. Die Verletzungen seien durch "Stacheldraht" oder von "aus Zäunen vorstehenden Nägeln" verursacht worden.
Kapitel 8
Irgendwann im Jahre 1867 ist ein Fischerboot von Boston ausgelaufen. Einer der Matrosen, ein Portugiese, nannte sich "James Brown". Zwei Besatzungsmitglieder wurden vermißt. Man hat nach ihnen gesucht. Der Kapitän stieg in den Frachtraum. Er hob seine Laterne und sah die Leiche eines der Vermißten. "Brown" hatte seine Klauen in ihn geschlagen und saugte ihm das Blut aus. In der Nähe lag die Leiche des zweiten Matrosen. Sie war blutleer. "Brown" wurde angeklagt, für schuldig befunden und zum Tod durch Erhängen verurteilt. Präsident Johnson milderte das Urteil zu einer lebenslänglichen Haftstrafe ab. Im Oktober 1892 wurde der Vampir aus dem Staatsgefängnis von Ohio ins National Asylum in Washington, D.C., verlegt, und seine Geschichte wurde noch einmal von den Zeitungen aufgegriffen. Siehe den Brooklyn Eagle, 4. November 1892.
In der Ottawa Free Press vom 17. September 1910 wird berichtet, daß in der Nähe der portugiesischen Stadt Galazanna ein totes Kind auf einem Acker gefunden worden sei. Die Leiche war blutleer. Das Kind sei zuletzt mit einem Mann namens Salvarrey gesehen worden. Er wurde verhaftet und gestand, daß er ein Vampir sei.
In der New York Sun, 14. April 1931, ist ein Bericht über einen Mörder abgedruckt, der neun Menschen, bis auf eine Ausnahme alles Frauen, umgebracht hat. Er hat im Jahre 1929 die Einwohner von Düsseldorf in Angst und Schrecken versetzt. Der Mörder namens Peter Kürten wurde schließlich gefaßt. Bei seiner Verhandlung verteidigte er sich nicht und bezeichnete sich selbst als Vampir.
Ich habe eine Sammlung von Geschichten über Kinder, die sich nachts kleine Verletzungen zugezogen haben. Es ist erstaunlich, wenn man berücksichtigt, daß ich ein Theoretiker bin, aber ich habe mich nicht sofort auf die Schlußfolgerung gestürzt, daß diese Geschichten Daten über Vampire seien, sondern ich habe mich mit der Erklärung zufriedengegeben, daß Bisse von Ratten die Ursache waren.
Aber im Yorkshire Evening Argus vom 13. März 1924 stieß ich auf eine Geschichte über Ratten, die mir seltsam vorkommt. Gerichtliche Untersuchung des Todes der Martha Senior aus der New Street in Batley, die im Alter von 68 Jahren verstorben war. "An Zehen und Fingern befanden sich zahlreiche Verletzungen, die mit ziemlicher Sicherheit von Rattenbissen herrühren." Es hieß, die kleinen Verletzungen konnten nichts mit dem Tod der Frau zu tun gehabt haben, die nach Angaben des Gerichtsmediziners an einem Herzklappenfehler gelitten hatte. Die einzige Erklärung, die der Gerichtsmediziner akzeptieren wollte, war die, daß die Frau, bevor die Polizei gerufen worden war, schon eine ganze Weile tot gewesen sein mußte, und daß Ratten währenddessen die Leiche verstümmelt hätten. Aber Mrs. Elizabeth Lake, eine Nachbarin, sagte aus, sie habe Mrs. Senior am Boden liegen sehen, und Mrs. Senior habe ihr gesagt, sie liege im Sterben. Diese Aussage bedeutete, daß die Frau, bevor sie starb, von etwas angegriffen worden war. Der Gerichtsmediziner wies dies mit der Bemerkung zurück, die Frau müsse schon beträchtliche Zeit tot gewesen sein, bevor die Leiche gefunden wurde, und Mrs. Lake müsse sich geirrt haben, als sie glaubte, daß Mrs. Senior zu ihr gesprochen habe.
Der Spaß bei allem in unserer komödiantisch-tragischen Existenz - und ich habe der Geschichte über verängstigte Chinesen mißtraut, wie sie von englischen Reportern erzählt wurde, weil es eine Geschichte über eine Panik war, in welcher keine Scherze vorgekommen sind - eine Manie ohne Lächeln. Jede teuflische Begebenheit, die mit den Umständen knirscht und ihre Einzelheiten in das Opfer schlägt, winkt auch mit einem Scherz. Im Juni 1899 gab es in vielen Gegenden der USA zahlreiche Vergnügungen. In New York City, Washington und Chicago hat irgend etwas die Menschen in die Krankenhäuser gebracht. Ich empfehle nicht das Gongschlagen, um ein höllisches Biest zu vertreiben, aber ich glaube, diese Behandlung wäre genauso klug wie der Versuch, ihm einen witzigen Namen zu geben. Die Krankenhäuser von Ann Arbor, Michigan, Toledo, Ohio, Rochester, New York, Reading, Pennsylvania -
"Der Kußkäfer" wurde er genannt.
Die Geschichte über den schrecklichen "Kußkäfer" nahm ihren Anfang, als am 19. Juni 1899 ein Zeitungsreporter aus Washington hörte, daß eine ungewöhnlich große Zahl von Menschen zur Behandlung von "Insektenstichen" das Unfallkrankenhaus aufgesucht hatte. Er recherchierte und erfuhr, daß "eine beachtliche Anzahl von Patienten" an Schwellungen litt, vornehmlich auf den Lippen, die "anscheinend die Folge von Insektenstichen" waren. Nach einem Beitrag von Dr. L. O. Howard in Popular Science Monthly, 56-31, gab es in den Vereinigten Staaten sechs Insektenarten, die einem Menschen gefährliche Stiche zufügen konnten, aber alle kamen nur selten vor. Dr. Howard verwarf die Erklärung, es handele sich um Insektenstiche. Seiner Meinung nach waren die Menschen grundlos verängstigt, ähnlich wie in früheren Zeiten, als zahlreiche hysterische Menschen sich in Südeuropa einbildeten, sie seien von Taranteln gestochen worden.
Da haben wir wieder die "Massenpsychologie" - oder die Tabu-Erklärung. So groß mein Widerspruchsgeist auch ist, so unmöglich ist es mir andererseits, jemand ganz und gar zu widersprechen. Ich schließe mich Dr. Howards Ansicht an, daß der Schrecken der "Kußkäfer" etwas ähnliches war wie die Heimsuchung durch die Taranteln. Es ist allerdings möglich, daß einige jener Menschen in Südeuropa sich nicht nur eingebildet haben, von etwas gestochen worden zu sein. Wenn jemand gern mal ein Buch schreiben würde und es geht ihm so wie Millionen anderer Menschen, die gern mal ein Buch schreiben würden, die glücklicherweise aber nicht wissen, worüber sie schreiben sollen, dann schlage ich eine Studie solcher Heimsuchungen vor, die aufzeigen könnte, daß sie nicht ganz und gar auf Hysterie und Massenpsychologie beruht haben und daß es vielleicht tatsächlich Gründe gegeben hat, sich zu ängstigen.
New York Herald Tribune, 9. Juli 1899 - die Namen und Adressen von elf Personen, die am Vortag, am 8. Juli 1899, entweder ihre Körper so erschreckt hatten, daß diese Schwellungen produzierten, oder die von etwas gebissen worden waren, an dessen Existenz die Wissenschaftler nicht glauben wollten. Manche Menschen, die gebissen wurden, fingen Insekten ein. Entomological News, September 1899 - unter den Insekten, die an die Academy of Natural Sciences of Philaldelphia geschickt wurden, waren Stubenfliegen, Bienen, Käfer und sogar ein Schmetterling. Wir werden mit wissenschaftlichen Artikeln eingewickelt. Was Tabu ist, wird von Dr. E. Murray-Aaron in seinem Artikel vom 22. Juli 1899 in Scientific American verteidigt - von Richmond, Virginia, bis Augusta, Maine, sei nichts als Sensationsmacherei im Spiel gewesen.
In Cincinnati hat ein Pferd Aufsehen erregt. Sein Kiefer ist angeschwollen. Ist ein vierjähriges Kind zu jung für "massenpsychologische Phänomene"? Ich glaube nicht. Ich will nicht abstreiten, daß viel Massenpsychologie im Spiele war. Cedar Falls, Iowa - ein vierjähriges Kind wurde gestochen. Trenton, New Jersey - die zweijährige Helen Lersch wurde gestochen - und starb. Bay Shore, Long Island - ein zweijähriges Kind wurde gestochen.
Ich werde später noch Beispiele für größere Wunden geben, die am Körper von Menschen erschienen sind; aber in diesem Kapitel geht es mir nur um winzige Einstiche, die weder Bisse von Ratten noch Insektenstiche gewesen sein können. Ein Bericht in der Chicago Tribune vom 11. Juli 1899 legt den Gedanken an traditionelle Vampirgeschichten nahe. Eine Frau war gestochen worden. "Man konnte die Spuren von zwei kleinen Schneidezähnen sehen."
Ich weiß nicht, ob ich grausame und blutdürstige Neigungen habe oder nicht. Wahrscheinlich habe ich sie, aber höchstens in dem Maße, wie sie jeder andere Historiker hat. Oder ich bin, den Bedingungen unserer Existenz entsprechend, liebenswürdig-blutdürstig. In meiner Sehnsucht nach Vampiren, die in keiner Weise eine abartige Sehnsucht ist, insofern, als ich eine Theorie habe, daß es Vampire gibt, war ich mit dem "Kußkäfer" nicht zufrieden: Ich habe nach einem Bericht über Einlieferungen in Krankenhäuser gesucht, die nicht aus dem Sommer stammten. Die Insektenerklärung ist, auch wenn sie nicht durch ein Tabu gestützt wurde, vor allem im Sommer heimisch. Ich brauchte einen Bericht, der nicht aus dem Sommer stammte, um meine Datensammlung zu vervollständigen. Jeder Sammler wird verstehen, wie ich mich gefreut habe, als ich auf die Londoner Daily Mail, 20. April 1920 gestoßen bin - ein Bericht über menschliches Leiden. "Zahlreiche Menschen, die auf dem Lande leben, wurden von einem geheimnisvollen Geschöpf gebissen, das sehr gefährliche Giftzähne haben muß. Giftige Bisse oder Stiche treten vor Beginn des Sommers nur sehr selten auf, und praktisch immer ist bekannt, welches Tier der Übeltäter war. In diesem Frühling mußten die Ärzte zahlreiche Patienten behandeln, die unter plötzlichen, schmerzhaften Schwellungen litten, wobei aber vom Stich selbst kaum etwas zu sehen war." Ich besitze Aufzeichnungen zu mehreren Fällen im Winter. Siehe La Nature (Ergänzungsband), 16. Januar 1897 - daß ein Concierge, als er in einem Haus in der Rue de la Tour in Paris Kohle in einen Ofen schaufelte, plötzlich einen Stich im Arm spürte. Der Arm schwoll an, der Mann wurde ins Krankenhaus gebracht und starb dort. Die Menschen im Haus erklärten, sie hätten gesehen, wie riesige Wespen durch den Kamin ins Haus eingedrungen seien.
Aber der geheimnisvollste unter den Fällen von Insektenstichen oder angeblichen Insektenstichen ist der einer kleinen Wunde, die Lord Carnarvon das Leben kostete, soweit man akzeptieren will, daß sein Tod und der Tod von vierzehn weiteren Menschen auf irgendeine Weise mit der Öffnung oder Verletzung der Grabkammer Tutanchamuns in Verbindung stand. Lord Carnarvon wurde von etwas gestochen, das er für ein Insekt hielt. Er bekam etwas, das man als Blutvergiftung bezeichnet. Darauf folgte das, was man als eitrige Lungenentzündung bezeichnet.
Die Geschichten über den "Kußkäfer" unterscheiden sich von Vampirgeschichten dadurch, daß die Opfer schmerzhafte Verletzungen davongetragen haben. Aber am 7. Mai 1909 gab es am Upper Broadway, New York City, einen Vorfall, der vielleicht besser paßt. Es scheint denkbar, daß eine Frau in einer Menschenmenge mit einer Hutnadel mehrere Menschen böse sticht, ohne erwischt zu werden; aber es kommt mir nicht wahrscheinlich vor, daß sie einen Spaziergang machen und mindestens fünf Männer und eine Frau stechen könnte, ohne zur Rede gestellt zu werden. Ein Polizist, der auf dem Broadway Dienst tat, erfuhr, daß jemand eine kleine Verletzung wie von einer Hutnadel davongetragen habe. Vier weitere Männer und eine Frau gesellten sich dazu und erklärten, sie seien auf ähnliche Weise verletzt worden. Der Polizist verhaftete die vermeintliche Täterin, die sich Mary Maloney nannte und eine falsche Adresse angab.
Vielleicht hatte sie überhaupt keine Adresse. Vielleicht war sie schuldig, aber vielleicht war auch ihr Äußeres schäbig. Wenn schon jemand verhaftet werden muß, dann ist es klug, sich jemanden herauszupicken, der nicht so aussieht, als würde er sich groß wehren. "Bekennen Sie sich schuldig, dann kommen Sie mit einem blauen Auge davon." Wenn man sieht, wie Polizisten "Verdächtige" manchmal noch eine geschlagene Stunde nach der Tat aufgabeln, weil sie offenbar glauben, daß jemand, der ein Verbrechen begeht, in der Nähe bleibt, bis man ihn verdächtigt, scheint es gefährlich, sich am Schauplatz eines Verbrechens aufzuhalten.
Ich bin noch nie mit einer Hutnadel gestochen worden, aber ich habe mich schon auf spitze Gegenstände gesetzt, und meine Reaktionen fielen so heftig aus, daß ich vermute, mindestens sechs Personen wußten nichts von einem Stich mit einer Hutnadel, bis die Stecherin gefaßt worden war. Wir werden später Daten sehen, aus denen hervorgeht, daß Menschen manchmal - auf welche Weise, können wir zur Zeit noch nicht sagen - verletzt werden und dies erst später bemerken. Auch die Tatsache, daß eine Frau beschuldigt wurde, läßt mich glauben, daß der wirkliche Übeltäter wahrscheinlich nie gefaßt worden ist. Frauen tun solche Dinge nicht. Ich habe eine lange Liste von Missetätern, von Aufschlitzern über Würger bis zu Eierwerfern und Tintenspritzern, und Mary Maloney ist die erste Frau in dieser Sammlung. Frauen tun solche Dinge nicht. Sie hecken andere Teufeleien aus.
Am 4. Dezember 1913 spürte Mrs. Wesley Graff, die im Lyric Theatre in New York City in der Loge saß, wie etwas an ihrer Hand kratzte. Sie spürte einen Stich wie von einer Wespe, rutschte von ihrem Stuhl und brach zusammen. Sie beschuldigte dann einen jungen Mann, der neben ihr gesessen hatte. Der Manager des Theaters hielt den jungen Mann fest und rief die Polizei. Die Polizisten sahen sich um und fanden auf dem Boden eine gewöhnliche Stopfnadel. Sie vertraten die Ansicht, der junge Mann sei ein Mädchenhändler, der mit Hilfe einer Injektion versucht hätte, sein Opfer willenlos zu machen. Wahrscheinlich wartete draußen ein Taxi, zu dem er sie unter dem Vorwand, sie sei seine Begleiterin, geschleppt hätte. Auf Mrs. Graffs Arm wurden Spuren gefunden, die aber dem Vernehmen nach nicht von einer Stopfnadel stammten.
Die Polizei ließ die Nadel, die man für vergiftet hielt, von einem Chemiker untersuchen. Zu meinem Erstaunen muß ich berichten, daß der Chemiker weder Droge noch Gift finden konnte. Ein seltsamer Umstand ist, daß eine Stopfnadel an einem Ort gefunden wurde, wo eine Frau von etwas wie einer Stopfnadel verletzt worden war, was auf eine alltägliche Erklärung hinzuweisen schien.
Dann machte die Geschichte die Runde, in der Stadt sei eine Bande von Mädchenhändlern unterwegs. Aber die Zeitungen brachten Interviews mit Ärzten, die erklärten, ihnen sei keine Droge bekannt, mit der man Frauen so beeinflussen konnte, daß sie sich ohne weiteres entführen ließen, weil der Schmerz der Injektion mehrere Minuten lang, bevor das Opfer hilflos wurde, eine deutliche Warnung wäre. Es ist aber möglich, daß etwas oder jemand unterwegs war und auf geheimnisvolle Weise Frauen verwundet hat. Im Brooklyn Eagle vom 6. Dezember heißt es, binnen zwei Wochen seien in New York City ein Dutzend Anzeigen wegen geheimnisvoller geringfügiger Angriffe auf Frauen eingegangen, und man habe Nachforschungen angestellt, jedoch in keinem einzigen Fall etwas Konkretes herausfinden können.
Blättern Sie zu der Geschichte über die Frau aus Chicago und die "Spuren von zwei kleinen Schneidezähnen" zurück. Auf Mrs. Graffs Arm waren zwei kleine Einstiche zu sehen. 29. Dezember - ein Mädchen namens Marian Brindle sagte, etwas habe sie gestochen. Auf ihrem Arm waren zwei kleine Einstiche.
Es kann sein, daß in der Zeit, als dieser Schrecken, der sich erstmalig im November 1913 bemerkbar gemacht hat, in New York City umging, ein Vampir unterwegs war. Es ist aber denkbar, daß wir seine Spur sogar schon ein Jahr vorher aufnehmen können. Im Oktober 1912 lebte die 67jährige Miss Jane Milne allein in ihrem Haus in West Ferry im schottischen Dundee. Die Londoner Times berichtete am 5. November 1912, daß man sie tot aufgefunden habe. Die Frau war, vermutlich mit einem Feuerhaken, geschlagen worden. Nach Angaben der Times wurde der Feuerhaken gefunden, doch es hieß, daß ihr Schädel, obwohl sie Schläge auf den Kopf bekommen hatte, nicht gebrochen gewesen sei. Deshalb konnte man die Todesursache nicht mit letzter Sicherheit klären. Am 24. November 1912 waren im Londoner Weekly Dispatch weitere Einzelheiten zu lesen: Man habe an der Leiche Perforationen der Haut festgestellt, die aussahen, als stammten sie von einer Gabel.
Am späten Abend des 2. Februar 1913 wurde in der Nähe der Station Kensington High Street auf den Gleisen der Londoner U-Bahn eine Frauenleiche gefunden. Die Frau war überfahren worden, der Kopf war abgetrennt. Man konnte die Tote als Maud Frances Davies identifizieren, die allein auf einer Weltreise war. Früher am gleichen Tag war sie mit einer Fähre in London angekommen. Sie hatte Freunde und Verwandte in South Kensington; wahrscheinlich war sie unterwegs gewesen, um sie zu besuchen. Aber die Erklärung der gerichtlichen Untersuchung (Londoner Times, 6. Februar 1913) lautete, sie habe wahrscheinlich den Hals auf eine Schiene gelegt und auf diese Weise Selbstmord begangen.
"Dr. Townsend sagte, er habe über dem Herzen eine Reihe von kleinen Stichwunden gefunden. Mehr als ein Dutzend davon hätten die Muskeln durchdrungen, und eine habe sogar die Herzkammer erreicht. Diese Stichwunden seien durch einen spitzen Gegenstand wie beispielsweise eine Hutnadel, entstanden, als sie noch gelebt habe. Sie seien nicht schwer genug gewesen, um den Tod zu verursachen, und sie seien gewiß einige Stunden vor dem Tod entstanden."
Am 29. Dezember 1913 wurde eine Frau, die man "Scotch Dolly" nannte, in ihrem Zimmer in der Ethan Street Nr. 18 im Südosten Londons tot aufgefunden. Ein Mann, der mit ihr zusammengelebt hatte, wurde verhaftet, aber er wurde wieder freigelassen, weil er nachweisen konnte, daß er sich nicht in der Nähe aufgehalten hatte, als der Tod eingetreten war. Ihr Gesicht wies Schwellungen auf, aber sie war selten nüchtern gewesen, und der Mann, der Williams hieß, hatte sie, bevor er gegangen war, geschlagen. Der Spruch lautete, daß sie "aufgrund eines Schocks" an Herzversagen gestorben sei.
Auf einem Bein der Toten wurde eine Reihe von 38 kleinen, doppelten Wunden gefunden. Man konnte sie nicht erklären. "Der Leichenbeschauer: 'Haben Sie schon einmal so etwas gesehen?' Dr. Spilsbury: 'Nein, so etwas habe ich noch nie gesehen.'"
Kapitel 9
Am 16. April 1922 wurde ins Londoner Charing Cross Hospital ein Mann mit einer Halsverletzung eingeliefert. Es hieß, er habe nichts über sich selbst sagen wollen, außer daß er gestochen worden sei, als er in der Coventry Street um eine Ecke bog. Ein paar Stunden später kam ein zweiter Mann, ebenfalls mit einer Halsverletzung, ins Krankenhaus. Er sprach mit ausländischem Akzent und erzählte, er sei auf der Coventry Street verletzt worden. In der Aufnahme des Krankenhauses ließ er sich unter dem Namen Pilbert registrieren, wollte aber, wie man hörte, keinerlei weitere Angaben zu dem Angriff machen. Später am gleichen Tag wurde ein weiterer verletzter Mann ins Krankenhaus gebracht. Aus den Unterlagen geht hervor, daß er nicht aussagen wollte, was ihm zugestoßen war. Er erklärte nur, er sei in den Hals gestochen worden, als er in der Coventry Street um eine Ecke bog.
In den Taschen eines der Männer fand man Wettabschnitte. Die Polizei kam auf die Erklärung, daß möglicherweise alle drei die Opfer eines Bandenkrieges auf der Rennbahn geworden seien.
Es ist, betrachtet man zahlreiche andere Daten, durchaus vorstellbar, daß die Männer sich nicht geweigert haben, etwas zu erzählen, sondern daß sie nicht in der Lage waren, etwas zu sagen, daß diese Unfähigkeit aber so ungewöhnlich war, daß die Mitarbeiter des Krankenhauses sie als Weigerung auslegten. Siehe den Londoner Daily Express, 17. April 1922, und People, 23. April 1922.
In einem Londoner Krankenhaus haben aus dem Rahmen fallende Berichte kaum eine Chance, und wahrscheinlich wäre in keiner Londoner Zeitung die Mutmaßung eines Reporters gedruckt worden, an einer Biegung der Coventry Street treibe sich ein unsichtbares, mörderisches Wesen herum. Aber in der Londoner Daily Mail vom 26. September 1923 wurde ein ganz ähnlicher Bericht, wenn auch aus fernen Landen, abgedruckt. Der Bericht war in scherzhaftem Ton gehalten. Mordlustige Wesen werden seit jeher mit einem gewissen Schmunzeln betrachtet. Oder mit Wohlwollen. Von diesem hier wurde keine Adresse veröffentlicht; sonst wären womöglich noch Briefe von Frauen eingegangen, die es heiraten wollten. Aus der Geschichte ging hervor, daß im September 1923 in Indien ein Mumiai umgegangen sei. Mumiais sind Unsichtbare, die Menschen entführen. Sie haben keinen Sinn für das Mystische. Sie leben nicht in Zauberwäldern und greifen sich ihre Opfer nicht in alten Türmen oder Ruinen. Auch für die Mitternacht haben sie keine besondere Vorliebe. Sie greifen sich die Menschen am hellichten Tage auf offener Straße. Kulis, die in Lahore arbeiteten, glaubten, ein Mumiai ginge um. In Lahore brach eine Panik aus, und allenthalben schrien Rikschafahrer, die glaubten, das Wesen hätte sie gepackt.
Wahrscheinlich hat die Daily Mail diese Geschichte nur veröffentlicht, weil sie geeignet war, an Londoner Frühstückstischen ein gewisses Vergnügen hervorzurufen. Normalerweise sieht man den Nutzen von Kulis nur darin, daß sie bereit sind, für ein paar Cents am Tag zu arbeiten. Ich habe aber so eine Ahnung, daß sie noch eine weitere Funktion haben: Gäbe es nicht die Kulis und ihren albernen Aberglauben, der uns anderen ein gewisses Gefühl der Überlegenheit gibt, dann würden Millionen von uns anderen sich niederlegen und vor Kummer sterben. Irgendwann einmal werde ich eine Theorie der Evolution des Adels entwickeln und erklären, daß manche Wesen nur deshalb Austern, Löwen und Hyänen aus sich selbst gemacht haben, weil sie es amüsant fanden, von sich sagen zu können, daß sie wenigstens keine Elefanten, Würmer oder Menschen seien. Ich weiß ja selbst, wie das ist, und auch ich genieße meine Schadenfreude, wenn ich an die albernen, leichtgläubigen Menschen denke, die sich vorstellen, ein Hund hätte "Guten Morgen!" gesagt und sich in dünnem, grünem Dunst aufgelöst.
Damals im Jahre 1890 waren die Japaner Kulis. Dann entwickelten sie eine solche Begabung fürs Abschlachten anderer Menschen, daß sie heute überall geachtet werden. Aber im Jahre 1890 durften die Japaner kaum mehr sein als eine Nation von Künstlern. Eine Geschichte über eine Panik in Japan, das war etwas, das Anlaß zu einem überlegenen Lächeln gab. Ich ziehe eine Geschichte aus dem Religio-Philosophical Journal vom 17. Mai 1890 heran, die aus Tageszeitungen nachgedruckt worden ist. Die Menschen in Japan glaubten, ein unsichtbares Wesen greife sie manchmal auf der Straße und manchmal in ihren Häusern an. Sie dachten, auf den Körpern von Menschen seien plötzlich Schnittwunden von jeweils einem Zoll Länge aufgetaucht. Sie glaubten, zur Zeit des Angriffs selbst hätten die Menschen praktisch keinen Schmerz gespürt.
Vielleicht hat einmal ein Japaner, der das besaß, was man gemeinhin als Bildung bezeichnet, ganz eigene Vorstellungen von der Identität und der geographischen Verteilung von Kulis entwickelt und ein paar amerikanische Zeitungen durchgesehen, in denen er Berichte über eine Serie von Ereignissen finden konnte, die sich im Winter 1891-1892 in New York City zugetragen haben. Vielleicht hat er sich dabei über die Geheimnisse amüsiert, die die New Yorker Reporter hinter den Geschichten der Menschen vermuteten, die in den Straßen New Yorks verletzt worden waren. Die Journalisten haben über einen "unsichtbaren Mann" berichtet. Der Mörder sei "auf wundersame Weise verschwunden". Wie die New York Sun am 14. Januar 1892 schreibt, sind fünf Männer von einem unbekannten Angreifer gestochen worden. Es gab noch weitere Angriffe. Man machte der Polizei Vorwürfe, und in den Innenstadtrevieren war eine Weile der wichtigste Tagesbefehl der, den Messerstecher zu fassen.
17. Januar 1892 - "Messerstecher gefaßt." Die Polizei machte sich auf, ihn zu schnappen, und ein Beamter erwischte einen gar nicht gefährlich aussehenden kleinen Burschen namens Dowd. Es hieß, er sei ertappt worden, als er einen Mann mit dem Messer angreifen wollte.
Angesichts der Verwickeltheit aller Situationen kann man gar nicht anders als gute Gründe dafür zu finden, etwas Bestimmtes zu glauben oder nicht zu glauben. Sagen wir mal, wir wollten gern glauben - oder akzeptieren -, daß da nicht der "unsichtbare Messerstecher" gefaßt worden war, sondern jemand anders, weil er der Polizei gerade recht gekommen ist. In diesem Falle nehmen wir zur Kenntnis, daß zwanzig Minuten vorher ein anderer Polizist einen anderen Mann gefaßt hatte, der laut Aussage des Polizisten im Begriff war, auf ihn einzustechen. Oder wir gehen in den Juni 1899 - zwei Männer zogen aus, den "Kußkäfer" zu fangen - einer von ihnen fing einen Käfer, der zweite hat einen Schmetterling verhaftet. Der Polizist, der den ersten Fang gemeldet hatte, wurde ignoriert, Dowds Häscher wurde zum Unterwachtmeister befördert.
Dowd plädierte auf nicht schuldig. Er sagte, er habe mit den anderen Angriffen nichts zu tun gehabt, sondern nur in einem einzigen Fall im Streit sein Messer gezogen. Sein Anwalt plädierte auf nicht schuldig, aber geisteskrank. Dowd wurde für geistesgestört erklärt und in ein Heim für geistesgestörte Kriminelle in Auburn im US-Bundesstaat New York eingewiesen.
Die Angriffe in New York hörten auf. Brooklyn Eagle, 12. März 1892 - eine Meldung aus Wien - "Immer noch hält die Stadt wegen der geheimnisvollen Morde den Atem an. Das letzte Opfer war Leopold Buchlinger, dem ein bislang noch nicht gefaßter Mörder auf einem großen Platz in Wien einen Messerstich ins Herz versetzt hat. Damit haben wir insgesamt fünf solcher Tragödien zu verzeichnen, und in der Bevölkerung wächst die Angst."
Stellen wir uns mal ein altes Schloß vor, das irgendwo versteckt im Wald auf dem Balkan liegt - jemand wird nachts verletzt - spürt aber, eingeschläfert von den Schwingen des Vampirs, keinen Schmerz. Das wäre eine ganz normale unglaubliche Geschichte.
Im November 1891 erzählte eine Frau in Kiel einem Polizisten, sie sei, während sie eine Straße entlangging, auf unerklärliche Weise verletzt worden. Sie habe keine Schmerzen gespürt. Sie konnte den Vorfall nicht erklären.
Die Polizei konnte ihn wahrscheinlich erklären. Falls ein Arzt hinzugezogen wurde, konnte er den Vorfall wahrscheinlich mit gelehrten Worten erklären.
Eine weitere Frau - insgesamt etwa dreißig Frauen - "eigenartige und unerklärliche Angriffe". Ungefähr achtzig Menschen wurden von einem Unergreifbaren - einem Unsichtbaren - im Freien auf der Straße mit Messerstichen traktiert - oder vielleicht ist die beste Beschreibung auch die, daß auf den Körpern von Menschen in Kiel Verletzungen aufgetaucht sind. Siehe die Londoner Daily Mail, 7. Dezember 1901 - "Das Außergewöhnliche an diesem Rätsel ist, daß ein unglaublich scharfes Instrument verwendet worden sein muß, weil die Opfer anscheinend erst mehrere Minuten später bemerkt haben, daß sie verletzt worden waren."
Ich glaube aber, daß sich in der Erinnerung jedes Mannes an seine Kindheit eine ansatzweise Erklärung für diese boshaften Kerle finden läßt - an fremden Türen schellen, um Nachbarn zu ärgern - eine Schnur über Gehwege spannen, um Hüte abzustreifen - und weitere lästige Streiche. Es geht nicht nur um den "Spaß", sondern an jedem dieser Streiche ist auch die Phantasie beteiligt. Ich werde zu der Auffassung kommen, daß sich Phänomene entwickeln, die der Leser für unglaublich hält oder nicht akzeptieren kann, soweit er nicht erkennt, welch alltägliche Vorgänge in Wahrheit ablaufen, sobald die stärkere und zielstrebigere Phantasie eines erwachsenen Menschen auf ähnliche Weise eingeschaltet und eingesetzt wird wie die eines Kindes.
Wir haben Geschichten über Serien von Unfällen gehört, und vielleicht wurde mein Verdacht, daß es keine reinen Zufälle waren, vom geneigten Leser zumindest mit etwas Toleranz aufgenommen. Ich habe Daten über drei Automobilunfälle, die sich binnen relativ kurzer Zeit ereignet haben, und ich bemerke in Zusammenhang mit dieser Serie eine scheinbare Verbindung zu geringfügigen Angriffen auf andere Automobile und auf Menschen, so daß ich an die Untaten eines einzigen Kriminellen denke. Wenn dies der Fall ist, wird man ihn eine okkulte Erscheinung nennen müssen, ob wir nun mit Vorliebe diesen Begriff verwenden oder ihn voller Abscheu von uns weisen.
Am Abend des 9. April 1927 fuhren Alexander Nemko und Pearl Devon mit ihrem Automobil durch den Londoner Hyde Park. Ihr Auto rollte einen Hang hinunter und landete in der "Serpentine", einem Teich. Der Wagen versank in fünfzehn Fuß tiefem Wasser. Obwohl erschrocken und selbst schon am Ertrinken, besaß Nemko noch die Geistesgegenwart, die Tür des Autos zu öffnen, seine Begleiterin herauszuziehen und mit ihr ans Ufer zu schwimmen.
Nichts in der Anlage des Parks ringsum konnte den Vorfall erklären. Die Zeitungen meldeten, an dieser Stelle habe es noch nie einen Unfall gegeben. "Anscheinend hat die Lenkung versagt", lautete Nemkos Erklärungsversuch. Vielleicht ist es seltsam, daß genau an dieser Stelle, so nahe an einem Gewässer, das Lenkgetriebe entzweiging; aber isoliert betrachtet, wie die meisten Rätsel eben betrachtet werden, gibt es gegen Nemkos Erklärung nicht viel einzuwenden.
Zwei Tage später fuhr gegen Abend in Walton ein Taxi in die Themse. Der Fahrgast ist ans Ufer geschwommen, aber der Fahrer ist, wie es scheint, ertrunken. Man hat mit Schleppnetzen seine Leiche gesucht, konnte sie aber nicht finden. Der Fahrgast, der offenbar so sehr durchgeschüttelt worden war, daß sein Erinnerungsvermögen getrübt wurde, vermochte nur noch zu sagen, am Flußufer seien die Hinterräder des Autos in eine tiefe Rinne geraten, und das Auto sei in den Fluß geschleudert worden.
Am 3. Mai 1927 - siehe den Londoner Evening Standard vom 6. Mai - fuhren William Farrance und Beatrice Villes aus der Linomroad im Londoner Vorort Clapham in der Nähe von Tunbrige Wells mit ihrem Auto. Plötzlich sprang der Wagen auf eine Hecke am linken Straßenrand zu. Farrance konnte die Lenkung gerade noch nach rechts reißen. Wieder wurde der Wagen zur Hecke gedrückt. Farrance hatte nicht genug Kraft, den Unfall zu verhindern, der Wagen brach durch die Hecke und überschlug sich, und das Mädchen kam ums Leben.
Die Schülerin Beryl de Maza wurde von einem Unbekannten und Unsichtbaren erschossen, als sie in der Nähe ihres Elternhauses im Londoner Stadtteil Hampstead auf der Straße spielte.
In Sheffield hat sich etwas ereignet, das man als blutrünstige Geschichte bezeichnen kann. Unheimlich war es nicht, aber ich werde darauf aufmerksam, weil es mich an andere teuflische Begebenheiten denken läßt, mit denen es in Verbindung stehen könnte. In den Soho Grinding Works stellte man am Morgen des 29. April fest, daß die Schleifscheiben angeschlagen und die Antriebsbänder von den Achsen gezogen worden waren. Nägel waren mit den Spitzen nach oben durch die Sitzflächen der Stühle getrieben worden, auf denen die Schleifer saßen. Werkzeuge waren in Motoren geworfen worden, und dann hatte jemand den Strom angestellt und großen Schaden verursacht. All dies sieht nach Sabotage aus - böswillig gewiß, aber kaum "teuflisch". Doch in einem benachbarten Gebäude hatte sich etwas zugetragen, das man durchaus mit diesem Wort beschreiben könnte. Hühner waren gequält worden, die Kämme abgerissen, die Beine gebrochen und der Kopf eines Huhns verbrannt. Weitere Tiere waren verstümmelt, und die verletzten Stellen waren mit weißer Farbe übermalt worden.
Am 5. Mai meldete der Londoner Evening Standard: "Vier geheimnisvolle Schießereien." Ein Junge, der im Mitcham Park in London spielte, wurde, wie man glaubte, mit einem Luftgewehr beschossen. Allerdings konnte man keine Luftgewehrmunition finden. Im Park von Tooting Bec durchschlug angeblich eine "Luftgewehrkugel" - obschon man nicht meldete, daß eine Luftgewehrkugel gefunden wurde - die Windschutzscheibe eines Kraftwagens. In Stamford wurden zwei Männer von einem unbekannten Angreifer erschossen. Der Londoner Sunday Express berichtete am 8. Mai, ein Mr. George Berlam aus Leigh-on-Sea sei mit dem Auto von London nach Southend gefahren und habe unterwegs einen Einschlag gehört, woraufhin seine Windschutzscheibe gesplittert sei. In den Meldungen über die durchschossene Windschutzscheibe in Tooting Bec wurde der Fahrer des Autos zitiert, der gesagt habe, daß er einen Einschlag und zugleich ein Lachen gehört hätte, "obwohl zu der Zeit niemand in der Nähe war."
Wunden sind auf den Körpern von Menschen aufgetaucht. Normalerweise ging die Erklärung dahin, daß sie mit Messern gestochen worden seien. Gegenstände wurden beschädigt. Fensterscheiben und Windschutzscheiben sind anscheinend von Kugeln durchschlagen worden, die aber nicht gefunden werden konnten. Ganz ähnlich die Untaten des "Phantomschützen von Camden" im US-Bundesstaat New Jersey. Der Täter hat sich erstmalig im November 1927 bemerkbar gemacht: Aber der erste Zeitungsausschnitt, den ich über ihn habe, ist aus der New York Evening Post vom 26. Januar 1928. Eine Schaufensterscheibe sei von einer Kugel durchschlagen worden - die achte derartige Meldung. Später war in den Berichten von einem "Phantomschützen" und seinen "Phantomkugeln" die Rede.
New York Herald Tribune, 9. Februar 1928 - ein Bericht über Ereignisse in Collingswood, New Jersey, am 8. Februar 1928 - "Der 'Phantomschütze', falls es wirklich das Werk des rätselhaften Schützen aus South Jersey war, hat heute abend seinen aufsehenerregendsten Angriff überhaupt durchgeführt. In William T. Turnbulls Haus ging ein Fenster durch, wie es schien, einen Schrotschuß zu Bruch.
Zunächst vermutete die Polizei einen Mordanschlag, aber es wurde, genau wie in allen anderen Fällen, keine Kugel gefunden.
Turnbull, ein Börsenmakler aus Philadelphia und der ehemalige Präsident des Collingswood Borough Council, der lesend in der Nähe des Fensters gesessen hat, wurde mit Glassplittern überschüttet. Er sagte, ein paar Minuten davor habe ein Automobil vor seinem Haus angehalten. Rätselhaft ist vor allem die Tatsache, daß im Haus keinerlei Schrotkugeln gefunden wurden."
Ich habe Nachforschungen angestellt und Briefe an alle Personen geschrieben, die in den verschiedenen Berichten erwähnt wurden. Ich habe keine einzige Antwort bekommen. Vielleicht würden manche Leser nun gern glauben wollen, daß es diese Menschen überhaupt nicht gibt. Andererseits gebe ich zu Protokoll, daß kein einziger meiner Briefe als unzustellbar zurückgekommen ist.
Die Angriffe setzten sich bis zum 28. Februar 1928 fort. Fensterscheiben und Windschutzscheiben von Automobilen wurden von etwas durchschlagen, ohne daß Schüsse knallten oder Kugeln gefunden wurden. Etwas oder jemand, der unsichtbar blieb, sorgte zwischen Philadelphia und Newark in einem halben Dutzend Städten für Aufsehen. Selbst wenn ich mich zu der Ansicht durchringen könnte, daß ich mit meinen Ansichten manchmal etwas zu phantasievoll bin, wären die anscheinend wahren Berichte über die Existenz von kugellosen Gewehren interessant. Die Behörden der Städte in New Jersey, die verfolgten, in welch weitem Umkreis sich der Übeltäter bewegte, hatten vor allem ein scharfes Auge auf Autofahrer; doch ich bin der Ansicht, daß er für seine Reisen nichts gebraucht hat, was auf Rädern fuhr. Ich bemerke bei den Geschehnissen in England im April und im Mai 1927 einen ähnlich großen Einzugsbereich.
Die Schüsse, die das "Camden-Phantom" abgefeuert hat, waren eine Art Demonstration. Niemand wurde verletzt. Vom 1. November 1930 an war in Boston jedoch ein gefährlicherer Bursche unterwegs. Ich glaube, daß diese Sportsmänner, die möglicherweise sentimentale Einwände gegen die Jagd auf Federwild und Rehe haben und ihre eigene Grausamkeit auf eine Art und Weise zum Ausdruck bringen, die ihnen weniger verdammenswert vorkommt, unterteilt werden können in die okkultistisch nicht Begabten und die phantasievolleren Menschen, die einen Weg gefunden haben, ihren Neigungen insgeheim nachzugehen. Auch in Boston wurde eine geräuschlose Waffe benutzt, aber dieses Mal wurden binnen zwei Wochen zwei Männer und eine Frau schwer verletzt. Aus den Wunden wurden kleinkalibrige Geschosse entfernt. Diese Angriffe haben die Menschen so aufgeschreckt, daß mit Schrotflinten bewaffnete Polizisten, die den Befehl hatten, den "lautlosen Heckenschützen" zu fassen, südlich von Boston an den Straßen postiert wurden. Die Angriffe setzten sich etwa bis Mitte Februar 1931 fort. Niemand wurde gefaßt.
Eine Weile später (12. November 1931) war eine Meldung aus Bogota in Kolumbien in den Zeitungen zu lesen, derzufolge es dort eine "rätselhafte Welle von Verbrechen" gäbe. Fünfundvierzig Menschen mit Stichverletzungen befänden sich in Krankenhäusern. "Was wie ein Großangriff aussah, konnte nicht aufgeklärt werden, obwohl mehr als 200 Menschen verhaftet wurden."
Der New York Herald hat am 2. Februar 1916 über "Phantomkugeln" in New Jersey berichtet. Mr. und Mrs. Charles F. Repp aus Glassboro waren mit "Phantomkugeln" beschossen worden. Es war ein gezielter Angriff auf ein einziges Haus. Man hörte Glas splittern, und in Fensterscheiben fand man Löcher wie von Gewehrkugeln, konnte aber, abgesehen von den Fensterscheiben selbst, keine weiteren Spuren finden. Die Begleitumstände entsprechen denen, die in den Berichten über den "Scharfschützen von Camden" erwähnt wurden. Es ist, als hätte jemand mit einer Waffe gefeuert, die keine oder unsichtbare Kugeln benutzte, dabei aber die Absicht gehabt, nur Fenster zu durchlöchern und sich ganz bewußt auf genau diese Beschädigung beschränkt. Statt mir vorzustellen, daß auf Fensterscheiben geschossen worden ist, denke ich mir deshalb lieber, daß einfach Löcher in Fensterscheiben aufgetaucht sind. Niemand im Haus wurde verletzt, doch Mr. und Mrs. Repp bekamen Angst und flohen. Mitglieder des Township Committee führten eine Untersuchung durch und berichteten, daß man zwar keine Kugeln habe finden können, daß die Scheiben aber "so geborsten sind, wie man es gewöhnlich zu erwarten hat, wenn eine Kugel hindurchfliegt."
Das war die Geschichte. Als Zeugen wurden I. C. Soddy und Howard R. Moore benannt. Ich wollte der Sache nachgehen und habe Briefe an alle Personen geschickt, deren Namen erwähnt wurden, bekam aber keine einzige Antwort. Dafür sind mehrere Erklärungen denkbar. Eine ist die, daß Menschen, die solche Erlebnisse haben wie die, die ich in diesem Buch schildere, derart viele Briefe von "Verrückten" bekommen, daß sie überhaupt nicht antworten. Ich Ärmster - früher habe ich mich über diese Verrückten amüsiert und mich überlegen gefühlt. Heute bin ich selbst ein "Verrückter". Wie die meisten Autoren habe auch ich etwas von einem Moralisten in mir, und deshalb möchte ich Sie warnen - passen Sie auf, über wen Sie sich amüsieren, denn es könnte Sie selbst treffen.
Es kommt mir unwahrscheinlich vor, daß eine Frau über den Upper Broadway gehen und fünf Männer und eine Frau mit einer Hutnadel stechen kann, ehe sie erwischt wird. Es hat eine ganze Reihe von Theorien zu solch außergewöhnlichen Verletzungen gegeben. In Lloyd's Weekly News (London) vom 21. Februar 1909 finde ich einen Bericht über eine Panik in Berlin. Auf den Straßen der Stadt waren zahlreiche Frauen gestochen worden. Es hieß, man habe den Angreifer gesehen. Er wurde beschrieben als "junger Mann, der immer verschwand". Wenn er wirklich gesehen wurde, dann ist er einer der "Unfaßbaren". In der gleichen Zeitung hieß es am 23. Februar, angeblich seien 73 Frauen gestochen worden. Mit Ausnahme von vier Frauen wären alle nur leicht verletzt worden.
Wir haben Daten gesehen, die den Gedanken nahelegen, daß es neben menschenähnlichen Gestalten wie dem portugiesischen Matrosen noch andere Arten von Vampiren gibt. Aber die frechen und in Serien ausgeführten Angriffe auf Männer und Frauen - manchmal mörderisch, manchmal geringfügig - gehören in eine andere Gruppe. Mir scheinen es die Taten phantasievoller Krimineller zu sein, die Menschen stechen, um Verwunderung und Unruhe auszulösen. Ich glaube, ich kann ihre Motive verstehen, weil ich früher auch selbst einmal ein phantasievoller Krimineller war. Ich war einmal ein kleiner Junge. Als ich ein kleiner Junge war, fing ich einmal viele Fliegen. Daran war nichts Kriminelles oder Boshaftes, aber mir scheint, ich gewinne dadurch ein gewisses Verständnis für die "Phantome", die gestochen und geschossen haben. Ich habe die Rücken der Fliegen rot angemalt und sie wieder freigelassen. Ich hatte große Freude an der Vorstellung, daß die Fliegen, die mein Zeichen trugen, Aufmerksamkeit erregten. Die Leute würden sich Gedanken machen, wenn die von mir markierten Fliegen an weit entfernten Orten auftauchten.
In manchen unserer Geschichten deutet vieles darauf hin, daß es keinen "verschwindenden Mann" gegeben hat - und daß die Verletzungen der Menschen genauso aufgetaucht sind, wie die Verletzung am Kopf des Matrosen aufgetaucht ist oder angeblich aufgetaucht ist. Schlagen Sie zu der Geschichte zurück, die der Kapitän der Brechsee erzählt hat. Oder, daß Menschen aus heiterem Himmel verletzt und von Polizisten untersucht worden sind, die die Opfer mehr oder weniger gedrängt haben, irgendeine Beschreibung des Angreifers zu liefern. Manche Geschichten über den "verschwindenden Mann" sehen dagegen so aus, als könnte er dennoch existieren. Es mag mehrere Möglichkeiten geben, solche Dinge zu vollbringen. Anfang 1907 wurde aus der englischen Stadt Winchester ein "verschwindender Mann" gemeldet. Ich beziehe mich auf den Londoner Weekly Dispatch vom 10. Februar 1907. Frauen in Winchester haben sich über einen "Unfaßbaren" beklagt, der sich kleine Übergriffe erlaubte, indem er beispielsweise ihre Hände schüttelte. "Ein rätselhafter Begleitumstand dieser Angelegenheit ist die Tatsache, daß der Mann wie durch Zauberei verschwindet."
Der "Phantomstecher" von Bridgeport, Connecticut, machte sich erstmalig am 20. Februar 1928 bemerkbar. Der letzte Angriff, zu dem ich Angaben habe, geschah am 1. Juni 1928. Eine lange Zeit für einen Täter, der nicht erwischt werden will. Meistens tagsüber, selten auch nachts, erlitten Mädchen Stichverletzungen. Es geschah in aller Öffentlichkeit wie etwa in Geschäften oder im Eingang einer Bibliothek. Die Beschreibungen des Angreifers waren unbestimmt. In fast allen Fällen erlitten die Opfer nur kleine Verletzungen. Eine dieser Geschichten, die ich der New York Herald Tribune vom 27. August 1927 entnehme, hat sich wie gewohnt in der Öffentlichkeit zugetragen und zeigt, daß der Angreifer sicher gewesen sein muß, nicht gefaßt zu werden. Wenn man meine Geschichten als Gespenstergeschichten einordnen will, dann ist das Neue an ihnen die gespenstische Umgebung von belebten Durchgangsstraßen - einer lauert auf der Coventry Street in London, und auf dem Broadway in New York schleicht sich ein anderer Unsichtbarer an. Ich erwarte geradezu, gelegentlich von einem Spuk in der Untergrundbahn zur Stoßzeit zu hören. Edgar Allan Poe würde von mir sagen, daß ich kein Künstler bin. Ich weiß wirklich nicht, wie man Atmosphäre erzeugt. Man könnte meinen, ich hätte noch nie etwas von unheimlichen dunklen Nächten an einsamen Orten gehört.
Manche der Geschichten scheinen ein verzweifeltes Ringen um Beachtung anzudeuten. Ich kenne eine Geschichte über seltsame Vorgänge, sie sich nicht auf einem Friedhof, sondern in einem Warenhaus zugetragen haben. Bridgeport, Connecticut: Die Bühne ist eine Treppe, Hunderte Menschen sehen zu, ein sehr theatralischer Auftritt. Eine Kritik des Melodrams war in der Herald Tribune zu lesen -
"Der Messerstecher, der Bridgeport seit nunmehr dreißig Monaten terrorisiert, ist heute nachmittag wieder aufgetaucht und hat in einem stark frequentierten Kaufhaus in der Innenstadt sein dreiundzwanzigstes Opfer angegriffen. Das Opfer war die vierzehnjährige Isabelle Pelskur, die in der Main Street Nr. 539 wohnt und als Botenmädchen in D. M. Reads Kaufhaus arbeitet. Das Mädchen wurde an ihrem Arbeitsplatz im Kaufhaus verletzt.
Der Vorfall hat sich um 16.50 Uhr ereignet, nur zwei Minuten vor Ladenschluß. Einige Türen waren bereits versperrt. Der größte Teil der Kunden hatte das Geschäft schon verlassen. Die Angestellten verließen ihre Verkaufskarrees, und das Opfer ging gerade aus seiner Abteilung im Erdgeschoß zum Umkleideraum der Frauen hinauf.
Das Mädchen war höchstens ein halbes Dutzend Stufen hinaufgestiegen, da wurde es von einem Unbekannten angegriffen. Er stieß ihm eine scharfe Klinge in die Seite und verletzte es schwer."
Er konnte entkommen. Niemand hat ihn fliehen sehen. Das Mädchen konnte nur eine "ungenaue" Beschreibung geben.
Kapitel 10
Relativ zu den Prinzipien der modernen Wissenschaft dürfen Werwölfe nicht existieren. Aber ich kenne kein Prinzip, das etwas anderes als eine Tautologie oder eine bloße Näherung wäre. Es sind Mythen. Wenn in Relation zu einer Gruppe von Phantomen Werwölfe nicht existieren können, dann gibt es zumindest einen negativen Grund zu denken, daß sie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit existieren.
In Relation zu den Prinzipien, oder fehlenden Prinzipien, der ultramodernen Wissenschaft gibt es nichts, was es nicht gibt, auch wenn nicht klar ist, wie überhaupt etwas sein kann.
Ich akzeptiere also - oder ziehe die Pseudo-Schlußfolgerung -, daß Werwölfe ziemlich wahrscheinlich-unwahrscheinlich sind.
Vor langer Zeit einmal, als wir von der Pillentheorie der Materie beduselt waren, hieß es, Werwölfe seien physikalisch unmöglich. Ganz winzige Kügelchen, hieß es damals, seien die kleinsten Bausteine der Materie. Man glaubte sie verstanden zu haben, und die Leute glaubten zu wissen, was Materie ist. Aber die Pillen sind weggerollt. Jetzt erfahren wir, daß die kleinsten Teilchen Wellen sind. Es ist unmöglich, sich eine Welle losgelöst vorzustellen. Man muß sich etwas vorstellen, das sich wellt. Wenn jemand sich ein Verbrechen, eine Tugend oder eine Farbe unabhängig von jemand vorstellen kann, der kriminell, tugendhaft oder farbig ist, dann kann dieser Denker - oder was er auch ist - mit Fug und Recht von sich behaupten, daß er weiß, wovon er spricht, wenn er die Existenz von irgend etwas aus physikalischen Gründen bestreitet. Zu behaupten, die "Elementarwellen" seien elektrischer Natur, bringt uns einer sinnvollen Aussage nicht näher. Wenn man Elektrizität nicht besser definieren kann als durch die Erklärung, es sei eine Form der Bewegung, dann haben wir, nicht sehr erhellend, gesagt, daß die "Elementarwellen" sich bewegende Bewegungen sind.
Ich habe den Verdacht, daß wir alles auf den Kopf gestellt haben; oder daß alle Dinge, die den Segen der Wissenschaftler haben oder sich in Übereinstimmung mit ihren Mythen befinden, in Wirklichkeit Gespenster sind, während die Dinge, die man "Gespenster" nennt, die mehr fast-realen Dinge sind, weil sie sich eben nicht in Übereinstimmung mit den Gespenstern der Wissenschaft befinden. Ich vermute inzwischen, daß die Spiritisten in genau umgekehrtem Sinne recht haben - daß es eine Gespensterwelt gibt - die aber in Wahrheit unsere Existenz ist - und daß Gespenster, wenn sie sterben, zu Menschen werden.
Ich habe jetzt eine Theorie, daß wir vor langer Zeit einmal real und lebendig waren, daß wir uns aber in diesen Zustand, den wir "Existenz" nennen, abgesetzt haben - daß wir aus unserer realen Existenz, in der wir gestorben sind, eine Vorstellung von Wahrheit und von Axiomen und Prinzipien und Verallgemeinerungen mitgenommen haben - Ideen also, die etwas Reales bedeutet haben, als wir real gelebt haben, die aber jetzt, in unserer Gespensterexistenz - die man mit einer beliebigen Röntgenaufnahme unseres Körpers nachweisen kann - nur eine Phantombedeutung haben können - woraus unsere niemals endende aber immer frustrierte Suche nach der verlorenen Realität resultiert. Wir stoßen auf Chimären und Mystifizierungen, aber wir halten am Glauben fest, der ein Überbleibsel aus einer Zeit ist, in der es noch Dinge gab, an die man glauben konnte. Ich würde nicht sagen, daß wir allesamt Gespenster sind. Die meisten Menschen sind womöglich die Nachkommen derer, die sich aus der realen Existenz verabschiedet haben und die sich in unserer Gespensterwelt pseudo-fortgepflanzt haben.
Es hat einmal vor langer Zeit - in unserer eigenen Zeit - zwei angebliche Wunder gegeben, die zum Anlaß für ungewöhnliche Verachtung oder große Belustigung unter den Wissenschaftlern geworden sind. Es handelt sich dabei um die Transformation eines Elements in ein anderes und um die Transformation menschlicher Tiere in andere Tiere.
Die Geschichte der Wissenschaft ist eine Geschichte der Transformation von Verachtung und Belustigung.
Ich glaube, die Idee, es gebe Werwölfe, ist eine ausgesprochen alberne, einfältige und abergläubische Idee, und deshalb bin ich ihr respektvoll zugetan. Sie ist so lächerlich, daß es mir völlig ernst damit ist.
In Europa und den Vereinigten Staaten sind in Ansiedlungen oder in deren Nähe häufig wilde, räuberische Tiere auf unerklärliche Weise aufgetaucht. Die Erklärung, die Tiere seien aus Menagerien geflohen, war oftmals unbefriedigend oder entbehrte jeder Grundlage. Ich habe Notizen zu diesen Vorfällen unter dem Stichwort Teleportationen gesammelt, aber es könnte sich auch um Lykanthropie handeln.
Kein Mensch kann absolut vernünftig sein, und mir ist es unmöglich, absolut unvernünftig zu sein. Und wenn ich es mir in den Kopf setzte oder auf die Idee käme, ein Märchen über Werwölfe zu erfinden, ich könnte keines erzählen, das ganz und gar ein Märchen ist.
Was unterscheidet denn die Geschichte eines Mannes, der sich in einen Affen oder eine Hyäne verwandelt, von der Geschichte einer Raupe, die sich in einen Schmetterling verwandelt? Oder die rücksichtslosen Menschen, die, wenn sie beinahe verhungert sind, auf einmal lernen, den Standpunkt eines Menschenfreundes zu verstehen? Es gibt schäbige junge Ärzte und Geistliche, die, kaum daß sie den Dialekt der Altruisten gelernt haben, so gerissen vorgehen, daß sie an noch ganz andere Tiere erinnern. Oder die Serie mit Porträts von Napoleon Bonaparte - der so sehnsüchtig zu klassischen Vorbildern emporgeblickt hat - und die Transformation des dürren jungen Mannes in ein Ebenbild des römischen Kaisers Augustus.
Es ist allgemein bekannt, daß der Mensch von Tieren abstammt, die als "niedriger" gelten. Es müssen nicht unbedingt Affen sein, aber die Affentheorie scheint am besten zu passen und ist die bekannteste. Warum soll nicht hin und wieder mal ein Mensch zurückfallen? Daten über solche Rückfälle nicht von Individuen sondern von ganzen Arten sind in der Biologie Gemeinplätze.
Ich bin auf zahlreiche Hinweise auf "Leopardenmenschen" und "Hyänenmenschen" gestoßen, wie sie bei afrikanischen Stämmen bekannt sind, aber die beeindruckendste Geschichte, die ich kenne, ist ein Artikel von Richard Bagot im Cornhill Magazine vom Oktober 1918 über die angeblichen Kräfte der Eingeborenen im Norden Nigerias, die, wie es hieß, die Gestalt niederer Tiere annehmen konnten. In der Zeitschrift wird ein Erlebnis geschildert, das Captain Shott, D.S.O., zugeschrieben wird. Wildernde Hyänen, heißt es dort, seien von Selbstschußfallen verletzt worden. In allen Fällen konnte man die Fährte bis zu einem Punkt verfolgen, an dem die Hyänenspuren aufhörten und menschliche Fußabdrücke begannen, die in eine Stadt in der Umgebung führten. Eine Eigenart der traditionellen Werwolfgeschichten besteht darin, daß die Wunde im entsprechenden Körperteil des ursprünglichen Menschen erscheint, wenn ein Werwolf verletzt wird. Bagot berichtet über Captain Shotts Erfahrung oder angebliche Erfahrung, was auch immer, und erzählt, ein "riesiges Biest" sei angeschossen worden und habe sich davongemacht. Es habe Spuren hinterlassen, denen man gefolgt sei. Die Jäger hätten schließlich eine Stelle erreicht, wo sie den Kiefer des Tiers in einer Blutlache fanden. Man konnte die Spuren bis zu einer Stadt in der Nähe verfolgen. Am nächsten Tag starb dort ein Eingeborener. Sein Kiefer war durch einen Schuß zertrümmert worden.
Schon viele Male sind Tiere aufgetaucht, deren Auftauchen man sich nicht hat erklären können - aber dann bin ich am Horizont dieses Feldes von Daten aufgetaucht. Es scheint mir, als seien meine Ansichten zu Teleportationen in den meisten Fällen recht annehmbar - das heißt, daß es eine Kraft gibt, die für die Verteilung von Lebensformen und anderen Phänomenen zuständig ist und die ein Tier, sagen wir mal, aus einem Dschungel in Madagaskar in einen Hinterhof irgendwo in Nebraska versetzen kann. Aber meine Theorien sind nicht von göttlichem Rang und wollen anderen Theorien nicht ihr Existenzrecht nehmen. Ich könnte nicht dogmatisch werden und eindeutig behaupten, daß irgendwann einmal ein Lemur auf magische Weise von Afrika nach Nebraska transportiert worden ist. Möglicherweise ist auch jemand in Lincoln, Nebraska, in einen Lemuren verwandelt worden oder war ein Werlemur.
Wie die Erklärung auch lauten mag, die Geschichte wurde am 12. November 1931 in der New York Sun veröffentlicht. Dr. E. R. Mathers aus Lincoln, Nebraska, hat ein seltsames kleines Tier, das sich eigenartig benahm, in seinem Hof entdeckt. Am nächsten Tag war das Geschöpf tot. Die Tierleiche wurde zu Dr. I. H. Blake von der University of Nebraska gebracht, der das Tier als afrikanischen Lemuren aus der Gruppe der Galuga identifizierte. Ein Lemur ist ein affenähnliches Tier mit einer langen Schnauze.
Ich schrieb Dr. Mathers in dieser Angelegenheit einen Brief, und sehr zu meiner Überraschung, weil meine "verrückten" Briefe ja meist ignoriert werden, bekam ich unter dem Datum des 21. November 1931 eine Antwort. Dr. Mathers hat die Geschichte bestätigt. Der ausgestopfte und hergerichtete Lemur ist jetzt im Museum der State University in Lincoln zu besichtigen. Man konnte nicht in Erfahrung bringen, von wo das Tier gekommen war. Nirgendwo war ein Tier entwichen, das diese Begegnung im Hinterhof hätte erklären können. Großformatige Schlagzeilen mit Zeichnungen waren am 23. Oktober 1931 im Lincoln State Journal und am 25. Oktober 1931 im Sunday State Journal erschienen, aber da überhaupt keine Reaktionen kamen, mußte man folgern, daß das Tier nicht einmal in einem anderen Hinterhof gesehen worden war. Ich habe leider vergessen zu fragen, ob zu der Zeit, als der Lemur aufgetaucht ist, in Lincoln ein Einwohner vermißt wurde.
Nehmen wir an, ich sollte auf einer Sitzung der National Academy of Sciences einen Vortrag über die Transformation eines Menschen in eine Hyäne halten. Es gäbe nur eine einzige Art und Weise, das zu tun. Ich empfehle dies allen verkannten Genies, die anders keine Chance bekommen, angehört zu werden: Es müßte in Form einer Geiselnahme geschehen.
Aber als Dr. Richard C. Tolman bei der Tagung der Akademie der Wissenschaften in New Haven, Connecticut, am 18. November 1931 die Behauptung aufstellte, Energie lasse sich in Materie verwandeln, brauchte er keine Waffe zu ziehen.
Wenn man sich schon nicht vorstellen kann, daß sich ein Mann in eine Hyäne verwandelt, wie soll man sich dann die Bewegungen eines Objekts vorstellen, daß sich in ein Objekt verwandelt?
Ich bin der Ansicht, daß es in unserer Bindestrich-Existenz, in unserem intermediären Zustand zwischen sogenannten Gegensätzen, weder Energie noch Materie gibt, sondern daß es Materie-Energie gibt, die sich unterschiedlich betont mal auf die eine und mal auf die andere Weise manifestiert:
Daß es nicht vorstellbar ist, daß Energie sich in Materie verwandelt, daß es aber vorstellbar ist, daß Energie-Materie, indem der Akzent verschoben wird, sich in Materie-Energie verwandelt -
Oder, daß es keinen Menschen gibt, der nicht auch das Hyänenelement in sich trägt, und daß es keine Hyäne gibt, die nicht wenigstens in geringem Maße auch menschlich ist - oder, daß man wenigstens vorbringen kann, daß sich, wenngleich nicht durch absolute Transformation, so doch durch eine Verlagerung der Betonung - eine Mann-Hyäne in einen Hyänen-Mann verwandeln kann.
Das Jahr 1931 - und überall, aber vor allem in den USA, hat es solche Verlagerungen und Rückschläge des Zustandes gegeben, den man "Zivilisation" nennt, daß man darüber diskutierte, die Gesetze zu widerrufen, die das Tragen von Waffen untersagten, damit die Menschen sich bewaffnen und schützen konnten - gerade so, als wären Städte wie New York und Chicago Grenzstädte im Wilden Westen. Aus Polizisten waren - in jeglicher Hinsicht außer in bezug auf ihre physische Erscheinung - Wölfe geworden, die des Nachts Frauen auflauerten. In den Straßen von New York City wurden Wilde gehetzt. Schakale in Jurys pickten die Reste von dem auf, was die größeren Tiere gerissen hatten, und heulten ihre Schakal-Urteile.
New York Times, 30. Juni 1931 - "Die Polizisten in Mineola jagen ein affenähnliches Wesen - ein behaartes Tier von ungefähr vier Fuß Größe."
Aus Richtern waren Schweine geworden.
Bezirksrichter W. Bernard Vause wurde für schuldig befunden, die Post für Betrügereien mißbraucht zu haben. Sechs Jahre Gefängnis in Atlanta. Bundesrichter Grover M. Moscowitz wurde vom Repräsentantenhaus zurechtgewiesen. Die Stadträte Mancuso, Ewald, McQuade, Goodman, Simpson traten zurück, weil ihnen Korruptionsprozesse drohten. Vitale wurde aus dem Amt entfernt. Crater verschwand einfach. Rosenbluth ging aus gesundheitlichen Gründen.
Und in der Nähe von Mineola, Long Island, wurde ein Gorilla gesichtet.
Die Aufregung entstand in der Baumschule Lewis & Valentine - die Geschichte wird von einem halben Dutzend Zeugen bestätigt - ein Affe sei aus dem Wald gekommen, habe sich umgesehen und sei wieder verschwunden. Anscheinend hatte die Polizei noch nichts von "massenpsychologischen Phänomenen" gehört und mußte die Sache deshalb weniger gelehrt erklären. Ein paar Tage später fand man Neuauflagen dieser Geschichte so beeindruckend, daß ein halbes Dutzend Mitglieder des Nassau County Police Department mit Schrotflinten bewaffnet auf Affenpatrouille geschickt wurden.
Zu dieser Zeit war kein Zirkus in der Nähe von Mineola unterwegs, und aus keinem Zoo und keiner Privatmenagerie war das Entweichen eines Affen gemeldet worden. Wenn man mal annimmt, daß kein Tier entwischt ist und daß nichts Großes, Wildes und Behaartes aufgetaucht ist, sondern daß einfach von einem Affen die Rede ist - dann kann man, wenn die Leute Angst vor einem Affen haben, damit rechnen, daß Kühe als Gorillas gemeldet werden. Bäume, Schatten und Lichtungen nehmen Affengestalt an. Aber - New York Herald Tribune, 27. Juni 1931 - Mrs. E. H. Tandy vom Star Cliff Drive in Malverne meldete einen Vorfall, als hätte sie vom umgehenden Affen nichts gehört. Sie rief die Polizei an, weil sich auf ihrem Hinterhof ein Löwe herumtreibe. Der Polizist, der ihre Meldung ungläubig anhörte, wartete darauf, daß ein Kollege zur Wache zurückkehrte, dem er den Witz erzählen konnte. Zusammen warteten sie dann auf einen dritten Ungläubigen. Die drei ungläubigen Polizisten machten sich schließlich, mehrere Stunden nach dem Telefonanruf, auf den Weg. Inzwischen war in Mrs. Tandys Hinterhof nichts mehr zu finden, was irgend jemandes konventionellen Glauben hätte erschüttern können.
Es gab kein wilderndes Tier. Die Geschichten handelten bloß von einem großen, behaarten Biest, das auftauchte und wieder verschwand -
In den weitläufigen Dschungeln in der Nähe von Mineola, Long Island, waren Stinktiere unterwegs, die sich aus Anwälten entwickelt hatten. Ein paar wurden erwischt und mittels Entziehung der Zulassung unschädlich gemacht. Ein paar Dutzend medizinische Hyänen, die ihren Lebensunterhalt im Gefolge von Schwarzbrennern verdient hatten, wurden geschnappt. Es ist möglich, daß ein gewisses Ereignis in New Jersey überhaupt nichts Besonderes, sondern bloß der Ausdruck eines allgemeinen Rückfalls in einen annähernd affenähnlichen Zustand war. Die Anwärter auf die Posten im Schuldienst von Irvington wurden geprüft. In Mathematik wurde keine Frage gestellt, die über die Arithmetik hinausging, in Rechtschreibung wurde kein ungewöhnliches Wort abgefragt. Hundertsechzehn Bewerber haben die Prüfung gemacht, und alle sind durchgefallen. Von 100 möglichen Punkten wurden im Durschnitt nicht mehr als 31,5 erreicht. Die Sehnsucht nach dem Dschungel ließ die Menschen ihre Kleider abstreifen. An vielen Orten sind Nudisten aufgetaucht. Und später im gleichen Jahr hat sich der erbittertste Gegner aller Enthüllungen im Namen anständiger Verpackungen zu Wort gemeldet - Papst Pius XI. hat sich geweigert, Mahatma Gandhi zu empfangen, falls dieser keine Hosen anzöge.
Am 29. Juni hat man die Geschichte über den Affen schließlich in Mineola so ernst genommen, daß der Police Captain Earle Comstock ein Dutzend motorisierte Streifen ausschickte. Die Beamten waren mit Revolvern und abgesägten Schrotflinten bewaffnet, sie hatten scharfe Munition und wurden von Sergeant Berkley Hyde angeführt. Die Bürger stellten einen Suchtrupp auf, dem sich zwanzig Mitarbeiter der Baumschule zugesellten, die mit Sicheln, Prügeln und Mistgabeln bewaffnet waren. Man fand zahlreiche Fußabdrücke. "Die Abdrücke schienen ausschließlich von den Hinterpfoten zu stammen und hatten in etwa die Form und die Größe einer Männerhand, auch wenn der Daumen etwas weiter hinten ansetzte, als es bei einer menschlichen Hand der Fall gewesen wäre." Man konnte jedoch keinen Affen finden. Was frühere Beobachtungen anging, so konnte der Polizist Fred Koehler, der mit den Nachforschungen betraut worden war, auf die Aussagen von zehn Personen verweisen.
Das Tier ist Ende Juni verschwunden. Am 18. Juli wurde es wieder gesichtet und von Menschen gemeldet, die miteinander nicht in Verbindung gestanden hatten. Dieses Mal ließ es sich in der Nähe von Huntington, Long Island, blicken. Ein Mitarbeiter einer Baumschule namens Stockman rief die Polizei an und erklärte, mehrere Mitglieder seiner Familie hätten ein Tier, das einem Gorilla ähnelte, durchs Gebüsch laufen sehen. Dann rief ein Farmer namens Bruno an, der drei Meilen entfernt lebte. Auch er wollte ein seltsames Tier gesehen haben. Polizisten suchten beide Orte auf und fanden Spuren, die sich jedoch im Wald verloren. Das Tier wurde nicht wieder gesichtet.
Ich glaube, ich werde irgendwann einen Brief von jemand aus Long Island bekommen, der mich bittet, seinen Namen nicht zu nennen, wenn es nicht unbedingt sein muß, und der mir versichert, daß von allen Theoretikern, die versucht haben, den Affen von Mineola zu erklären, nur ich wirklich Einsicht und echten Scharfblick besitze -
Oder, daß er aufgrund einer Eingebung im Juni 1931 in Bäume geklettert ist und geschnattert und seine Nachbarn verspottet hat - und dann ein Gedächtnisverlust. Er ist aus einer Trance erwacht und hat auf seinem Teppich Fußspuren "mit einem großen Daumen" gefunden. Ein eigenartiger, grünlicher Schlamm. Er ist in die Baumschule von Lewis und Valentine gegangen und hat dort diesen Schlamm vorgefunden, den es sonst nirgendwo gab.
Und wenn ich diesen Brief nicht ernst nehme, den ich wahrscheinlich irgendwann von jemand aus Long Island bekommen werde, dann werde ich von jemand anders hören, daß er um keinen Preis im Licht der Öffentlichkeit stehen will, daß er aber zum Wohle der Wissenschaft persönliche Erwägungen hintanstellen müsse - und daß, wie es in den Zeitungen gemeldet wurde, jemand einen Ziegelstein geschmissen und den sich zurückziehenden Affen getroffen hat, worauf er am nächsten Morgen nicht habe gerade sitzen können.
Aber ich sehe hier eine neue Idee aufkeimen. Ich habe mich schon gefragt, wie man mit okkultistischen Mitteln einen Geldsack aus einer Bank stehlen kann. Aber das ist noch gar nichts gegen die überhaupt nicht okkulten Fähigkeiten der allseits respektierten Unternehmer, die ganze Banken stehlen. Oder das mediale Ausrenken einer Schulter, um auf kleinliche Weise Rache zu üben - wohingegen aufgrund der edelsten und idealistischsten Prinzipien ganze Nationen ausgehebelt werden. Was aber das wundersame Wesen von Mineola angeht, so spüre ich, wie sich ein Nutzeffekt zeigt -
Oder die Gründung einer neuen Religion - so solide begründet wie jede andere Religion -
Und wir, die wir der Welt müde sind - unzufrieden mit bloßem Nudismus, der uns nicht weit genug zurückreißt - unzufrieden mit der Dekadenz in Glaubensbekenntnis und Politik, die durchaus noch erheblich primitiver werden könnten - wir stellen uns vor, daß die Verwirrung in den Wissenschaften letzten Endes vielleicht doch keine Umnachtung ist und daß die Höhlenmalereien am Ende doch etwas darstellen - ihr alle, die ihr euch nach einer drastischeren Degeneration sehnt - und die mögliche Antwort auf euer Gebet -
"O Herr, mach mich wieder zum Affen!"
Was ich brauche, wenn ich einigermaßen zufrieden bleiben und das Interesse an meiner Arbeit nicht verlieren will, ist Widerspruch. Wenn er überheblich und akademisch ist, um so besser. Wenn er mit heiligen Worten proklamiert wird, habe ich besonders großes Glück. Ich denke, man kann das vielleicht auch bedauern, aber so sehr ich einerseits ein Erbauer bin, kann ich als Autor nicht glücklich werden, wenn ich nicht hin und wieder auch mal etwas zertrümmere. Wahrscheinlich habe ich etwas von einem Werwolf in mir. Aber die Wissenschaft der Physik, von der man einst glaubte, sie habe ein für alle Mal mit Werwölfen, Vampiren, Hexen und meinen anderen Lieblingstieren aufgeräumt, kommt heute dem Versuch einer Systematisierung der Prinzipien der Magie so nahe, daß ich kaum noch bedeutende Professoren finde, mit denen ich uneins sein kann. Mit Hilfe der Prinzipien der Quantenmechanik kann man heute praktisch jedes Wunder als etwas ganz Vernünftiges darstellen - beispielsweise das Betreten eines verschlossenen Raumes, ohne die Wände zu durchdringen, oder einen Sprung von einem Platz an einen anderen, ohne die Strecke dazwischen überwinden zu müssen. Der einzige Grund dafür, daß die Vertreter der ultramodernen Mechanik ernster genommen werden als ich, ist der, daß meine Leser nicht so tun müssen, als wüßten sie, wovon ich rede. Einige Wissenschaftler, die versuchen, ihre Vorstellungen von Magie auf das Verhalten von elektronischen Partikeln oder Wellen zu beschränken, sind sehr beunruhigt. Doch in der Physical Review vom April 1931 wurden Briefe von Professor Einstein, Professor R. C. Tolman und Dr. Boris Podolsky veröffentlicht, aus denen hervorgeht, daß diese wundervolle Idee nicht haltbar ist. Professor Einstein wendet das Prinzip der Relativität nicht nur auf Atome, sondern auch auf Ereignisse wie das Öffnen und Schließen einer Blende in einer Kamera an.
Es kann keine Wissenschaft oder angebliche Wissenschaft geben außer auf der Grundlage einer idealen Sicherheit. Alles andere ist in gewissem Maße Raterei. Als Mutmaßer will ich nicht zugeben, daß ich einem Wissenschaftler, Schwachkopf oder Kaninchen unterlegen wäre. Die Position dessen, was man die Wissenschaft der Physik nennt, ist heute so verzweifelt und so unklar, daß ihre Vertreter versuchen, beide früheren Prinzipien samt ihrer Widerlegung in einem einzigen System unterzubringen. Der Versuch, das Prinzip der Relativität - oder das Prinzip der Prinzipienlosigkeit - in die Wissenschaft einzuführen, das ist ungefähr so, als wollten die Theologen, die das Wort Gottes predigen, auch den Atheismus in ihre Lehrsätze aufnehmen.
Als Intermediarist finde ich, daß das Prinzip der Relativität nicht befriedigend formuliert ist. Meine eigenen Ansichten beruhen dank der Sicherheit-Unsicherheit auf den prinzipiellen-prinzipienlosen Regeln-Regellosigkeiten unserer Pseudo-Existenz -
Oder daß wir, auch wenn bewiesen scheint, daß noch niemals ein Mensch in eine Hyäne verwandelt worden ist, am Ende doch nicht mehr als sicher-unsicher sein können.
Am 1. Januar 1849 ist ein Arbeiter auf einem Friedhof in Paris auf Teile einer menschlichen Leiche gestoßen, die auf den Wegen verstreut waren. In den winterlich kahlen Bäumen hingen Leichenteile. Er gelangte an ein frisches Grab, aus dem während der Nacht die Leiche einer Frau ausgegraben worden war. Die Leiche war in blinder Wut in Stücke gerissen und die Teile waren verstreut worden. Einzelheiten finden Sie in Galignani's Messenger (Paris) vom 10. März, 23. März und 24. März 1849.
Ein paar Nächte danach ist auf einem anderen Pariser Friedhof etwas Ähnliches passiert.
Daraufhin wurden Männer mit Hunden eingeteilt, um die Friedhöfe in Paris zu bewachen, aber der Leichenfledderer entwischte ihnen und grub auch weiterhin Frauenleichen aus. In der Nacht auf den 9. März 1849 bemerkten die Wächter außerhalb des Friedhofs St. Parnasse, wie jemand oder etwas die Friedhofsmauer emporkletterte. Das Gesicht eines Wolfs oder eine Hyäne in Kleidern - sie konnten es nicht beschreiben. Sie schossen darauf, aber es entkam.
Dann bauten sie neben einem frischen Grab in St. Parnasse eine Selbstschußanlage auf. Sie wurde mit so Nägeln und Eisenbrocken geladen, daß sich die Ladung weit verteilen mußte. Eines Morgens im März stellte man fest, daß die Selbstschußanlage in der Nacht ausgelöst worden war. Ein Fetzen von einer Uniform wurde gefunden.
Ein Totengräber hörte von einem Soldaten, der in ein Pariser Krankenhaus eingeliefert worden sei und erzählt habe, ein unbekannter Angreifer habe ihn angeschossen. Es hieß, er sei von einer Ladung aus Nägeln und Eisenstücken getroffen worden.
Der Soldat hieß Francis Bertrand. Es schien unmöglich, ihn zu verdächtigen. Er war ein fünfundzwanzigjähriger junger Mann, der in der Infanterie bereits bis zum Rang eines Oberfeldwebels aufgestiegen war. "Er kam aus gutem Hause und galt als anständiger Mann und ausgezeichneter Soldat."
Aber seine Uniform wurde untersucht, und das Stück Tuch, das man auf dem Friedhof gefunden hatte, paßte in ein Loch im Ärmel der Uniform.
Das Verbrechen, das der Ghul begangen hatte, war nach französischem Recht unbekannt oder kam in den Gesetzen nicht vor. Bertrand wurde für schuldig befunden und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das war die Höchststrafe für das einzige Vergehen, das ihm tatsächlich nachgewiesen werden konnte. Er war nicht in der Lage, irgend etwas zu erklären und konnte nur sagen, er sei einem "unwiderstehlichen Impuls" gefolgt. Aber es gibt ein Detail in seiner Aussage, das mir ganz besonders auffällt. Nach jeder Entweihung überkam ihn nämlich ein weiterer "unwiderstehlicher Impuls". Es war das Bedürfnis, einen Unterschlupf zu suchen - eine Hütte, einen Graben auf einem Acker, ganz egal - und in Trance liegen zu bleiben, um sich vom leichenschänderischen Unhold in den Soldaten zurückzuverwandeln.
Ich habe noch eine weitere Meldung gefunden. Sie wurde am 27. Juni 1874 im San Francisco Daily Evening Bulletin abgedruckt - "Bertrand der Ghul ist noch am Leben; er wurde von seiner schrecklichen Krankheit geheilt und gilt jetzt als Vorbild an Sanftmut und Anständigkeit."
Kapitel 11
Verdammt sei das Partikel, aber der Masse winkt die Erlösung.
Eine Windbö ist wild und frei, aber der Sturm trägt Handschellen.
Während des Weltkrieges war es natürlich unmöglich, den Weg einer einzelnen Kugel exakt vorauszusagen, aber ein fähiger Mathematiker hätte die Gleichungen des gesamten Konflikts aufschreiben können.
Dies ist der Versuch der Theologen der Wissenschaft, das Prinzip der Relativität gleichzeitig zuzugeben und aufzuheben. Aus ähnlichem Grund die Wissenschaftler der Theologie:
Die einzelnen Aufzeichnungen in der Bibel mögen nicht allzu exakt sein, aber das gute, alte Buch als Ganzes repräsentiert die Unsterbliche Wahrheit.
Es spricht Dr. C. G. Darwin in New Conceptions of Matter:
"Wir vermögen nicht genau zu sagen, was mit einem einzelnen Elektron geschieht, aber wir können mit einiger Sicherheit die Wahrscheinlichkeiten bestimmen. Wenn wir mit tausend Elektronen ein Experiment durchführen, dann wird, was für eines nur eine Wahrscheinlichkeit war, für die vielen zur Gewißheit. Die theoretische Physik kann zuverlässig voraussagen, daß sich die Millionen und Abermillionen Elektronen in unserem Körper sogar noch regelmäßiger bewegen, und daß wir, um eine erhebliche Abweichung vom Durchschnitt zu finden, eine Zeitspanne warten müssen, die länger ist als das geschätzte Alter des Universums."
Diese Überlegungen beruhen auf der wissenschaftlichen Illusion, daß es absolute Körper oder Ganzheiten gebe.
Arthur B. Mitchell aus der McAllister Avenue 472 in Utica, US-Bundesstaat New York, geht am Abend aus. Wir können nicht mit Sicherheit vorhersagen, was mit einer einzelnen Zelle in Mr. Mitchells Körper geschehen wird, aber jedes Augenzwinkern oder ein Kratzen am Ohr oder am Leib insgesamt kann vorausgesagt werden.
Nun werden wir aber mit Blick auf den Körper, den wir als Ganzes betrachtet haben, den Standpunkt wechseln. Mr. Mitchell wird nun als eine von vielen Einheiten in der Gemeinde namens Utica betrachtet. Jetzt gilt das Zugeständnis, daß Mr. Mitchell sich ein wenig unregelmäßig verhalten mag, daß wir aber mit der Politik der Stadt Utica insgesamt niemals eine Überraschung erleben werden.
Aber es werden überraschende Dinge aus Utica gemeldet. Nun gut. Utica ist nur eine der vielen Gemeinden, aus denen der Staat New York besteht. Aber der Staat New York ist seinerseits -
Ich bin der Ansicht, daß unsere Existenz eine intermediäre ist, die gleichsam zwischen zwei nicht endgültig zu verwirklichenden Extremen schwebt oder pendelt, die man Positivität und Negativität nennen kann. Es ist ein Bindestrich-Zustand zwischen Gut-Schlecht, Kälte-Wärme, Gleichgewicht-Ungleichgewicht, Sicherheit-Unsicherheit. Ich stelle mir unsere Existenz als einen Organismus vor, in dem positivierende und negativierende Manifestationen oder Konflikte verarbeitet werden. Gewißheit oder Regelmäßigkeit existiert in hohem Maße in den Bewegungen der Planeten, wenn auch nicht absolut, weil es kleine, mit Formeln nicht faßbare Abweichungen gibt. Negativität existiert in hohem Maße in den Launen eines Zyklons, wenn auch nicht absolut, weil man sich immer noch wildere Ausgelassenheiten vorstellen kann.
Ich bin der Ansicht, daß es Dinge, Wesen und Ereignisse gibt, die auf verblüffende Weise mit regelhaften Verallgemeinerungen in Übereinstimmung sind, daß es aber auch ungeheuerliche, alberne, teuflische, bizarre, idiotische und monströse Dinge, Wesen und Ereignisse gibt, die genauso eingängig die Allgegenwärtigkeit von Schwachsinn, Verbrechen, Unbestimmbarkeit oder Phantasie beweisen.
Am 31. März 1908 haben die Londoner Zeitungen eine Geschichte gedruckt, die zu Beginn in etwa so ausgesehen hat: "Was der Leichenbeschauer in South Northumberland als den außergewöhnlichsten Fall bezeichnete, in dem er je ermittelt hat." Die Geschichte drehte sich um eine Frau aus Whitley Bay in der Nähe der englischen Stadt Blyth. Nach eigenen Angaben hat diese Frau ihre Schwester, die auf einem nicht einmal angesengten Bett verbrannt war, tot aufgefunden. Es war das Gegenstück zu den alten Geschichten über "spontane Selbstverbrennung menschlicher Körper". Es hieß, der Leichenbeschauer sei angesichts dieser Geschichte zunächst verwirrt gewesen. Dann aber habe er erfahren, daß die Frau, die sie erzählt hatte, betrunken gewesen sei. Er brachte sie dazu zuzugeben, daß sie die an Brandwunden sterbende Schwester in einem anderen Teil des Hauses gefunden und ins Schlafzimmer geschleppt habe.
Wenn ich mir aber meine Erfahrungen mit dem Tabu ansehe, dann sehe ich allzu viele Notizen über Leichenbeschauer, die dafür gesorgt haben, daß die Zeugenaussagen so aussahen, wie sie auszusehen hatten, und viele Berichte über Brände, die nach allem, was man über chemische Prozesse weiß, nicht hätten ausbrechen dürfen. Ich fühle mich zwischen dem, was hätte passieren oder nicht passieren dürfen, recht verwirrt und kann nur sagen, daß eine Geschichte über eine Frau, die auf einem unbeschädigten Bett verbrannt sein soll, möglich-unmöglich ist.
Wenn ich die Daten durchgehe, dann bemerke ich einen Bericht, der mit der Geschichte über die verbrannte Frau im nicht versengten Bett nichts zu tun hat, der aber immerhin von seltsamen Bränden handelt, oder besser, von Bränden, die seltsam wären, wenn es nicht so viele Geschichten über solche Brände gäbe. Ein Fall interessiert mich ganz besonders, weil er an die Erlebnisse der Emma Piggott und des John Doughty erinnert. Etwas ist passiert, und darauf hat sich etwas anderes ereignet, das mit dem ersten Vorfall in Verbindung zu stehen scheint. Geht man aber vom allgemein verbreiteten Wissen aus, dann kann man nicht behaupten, daß zwischen dem ersten Vorfall und den folgenden Ereignissen eine Beziehung besteht. Der größte Teil der Geschichte wurde am 21. August 1856 in der Londoner Times berichtet. Doch wo immer es möglich ist, greife ich zu Lokalzeitungen, um das zu suchen, was ich "Daten" nenne. Ich beziehe mich hier auf verschiedene Ausgaben der Bedford Times und des Bedford Mercury.
Am 12. August 1856 war ein Einwohner von Bedford namens Moulton nicht daheim. Er befand sich auf einer Geschäftsreise in Irland. In seinem Haus haben sich Mrs. Moulton und das Hausmädchen Anne Fennimore aufgehalten. Um das Haus auszuräuchern, hat das Mädchen in einer Tonschale, die auf dem Boden stand, Schwefel verbrannt. Der brennende Schwefel ist auf den Boden gelaufen und hat einen Brand verursacht. Dieser Brand wurde gelöscht.
Ungefähr eine Stunde später stellte man fest, daß in einem anderen Zimmer eine Matratze brannte. Aber das Feuer, das vom Schwefel ausgegangen war, hatte nur ein Zimmer erfaßt, und die fragliche Matratze befand sich in einem ganz anderen Teil des Hauses. Dann stieg Rauch aus einer Kiste auf. Später kam Qualm aus einem Schrank, und die Wäsche im Schrank brannte. Weitere isolierte Brände brachen aus. Man benachrichtigte Moulton, der am Abend des 16. August zurückkehrte. Er zog seine feuchte Kleidung aus und ließ sie auf den Boden fallen. Am nächsten Morgen standen seine Kleider in Flammen. In der Folge brachen ungefähr vierzig Brände an Vorhängen, in Schränken und Schubladen aus. Nachbarn und Polizisten kamen zu Besuch und fürchteten um ihr Leben. Nicht nur die Gegenstände im Haus begannen zu brennen, sondern auch die Taschentücher der Besicher.
Es gab so viele Zeugen und soviel Gerede in der Stadt, daß man die Angelegenheit untersuchen mußte. Angesichts der Tatsache, daß keine Menschen verletzt wurden, scheint es seltsam, daß ein amtlich bestellter Leichenbeschauer die Ermittlungen führte; jedenfalls war der Leichenbeschauer der Beamte, der die Ermittlungen aufgenommen hat. Zeugen erzählten Ereignisse wie: Sie hätten ein Kissen hochgehoben und wieder weggelegt - das Kissen brannte lichterloh. Es gab einen Versuch, die Sache mit gewöhnlichen Begriffen zu erklären - aber es ließ sich nichts finden, was den Verdacht auf Brandstiftung hätte bestätigen können, und Moulton hatte weder das Haus noch die Möbel versichert. Die größte Verwirrung ergab sich aus der Frage, ob ein gewöhnlicher Brand auf irgendeine Weise mit den Bränden, die darauf gefolgt waren, in Verbindung stehen konnte, aber auch dafür ließen sich keine Anhaltspunkte finden. Der Spruch der Jury lautete schließlich, das Feuer, das der brennende Schwefel ausgelöst hatte, sei durch einen Unfall entstanden, und es gebe keine Hinweise darauf, wie die folgenden Brände entstanden wären.
Die Geschichte erregte in London Aufsehen. Nach dem ersten Bericht in der Times begann ein umfangreicher Briefwechsel. Im Rahmen der gerichtlichen Untersuchung hatten zwei Ärzte ihre Meinung kundgetan, daß der brennende Schwefel die Ursache der anderen Brände gewesen sei - dergestalt, daß entzündliche Schwefeldämpfe sich wahrscheinlich in Moultons gesamtem Haus ausgebreitet hätten. Aber die Jury weigerte sich, diese Erklärung zu akzeptieren, weil ihr Zeugenaussagen vorlagen, nach denen Stühle und Sofas nach draußen auf den Hof getragen worden wären und dort immer noch zu brennen begonnen hätten. Die Brände brachen über eine Zeitspanne von fünf Tagen immer wieder aus. Wahrscheinlich hätte man es bemerkt, wenn sich über so lange Zeit immer noch Schwefeldämpfe ausgebreitet hätten. In der Erörterung in der Times hieß es außerdem, Schwefeldämpfe seien Oxide und nicht entflammbar.
Ich komme jedoch zu einem weiteren Brand, mit dem ich womöglich diesen hier erklären kann.
Der Abend des 21. Januar 1909. An diesem Abend trieb eine Frau aus einer Kleinstadt einen Hotelportier in New York in den Wahnsinn. Ich kann ihr ungewöhnliches Verhalten vielleicht erklären, wenn ich mir vorstelle, daß sie, da sie aus einem kleinen Ort gekommen war, sich die Gefahren der Großstadt ausgemalt und zugelassen hat, daß ihre Phantasien zur Besessenheit wurden. Bei der Frau handelte es sich um Mrs. Mary Wells Jennings aus Brewster, US-Bundesstaat New York. Der Schauplatz war das Greek Hotel Ecke 30th Street East und 42nd Street. Sie können den Vorfall im Brooklyn Eagle vom 22. Januar 1909 nachlesen. Mrs. Jennings bat den Nachtportier, ihr ein anderes Zimmer zuzuweisen, weil sie Angst vor Feuer habe. Der Portier gab ihr ein anderes Zimmer. Nicht lange danach - ob er ihr ein anderes Zimmer geben könnte? Sie bekam ein anderes Zimmer. Und wieder belästigte sie den Portier. Abermals ein neues Zimmer. Ein paar Stunden später brach in einem nicht belegten Zimmer, wo aufgrund von Umbauarbeiten Farbe gelagert war, ein Feuer aus.
St. Louis Globe-Democrat, 16. Dezember 1889 - "Aus irgendeinem rätselhaften Grund brach im Mahagonischreibtisch, der mitten im Büro des Kriegsministers in Washington, D.C., stand, ein Feuer aus. Einige offizielle Dokumente sind verbrannt, aber es hieß, sie hätten keinen sehr großen Wert gehabt und könnten ersetzt werden. Minister Proctor kann sich nicht erklären, wie der Brand ausgebrochen ist, da er nicht raucht und im Schreibtisch keine Streichhölzer aufbewahrt."
Es ist möglich, daß es noch weitere Fälle gab, in denen "auf rätselhafte Weise" Papiere verbrannt sind, die nicht besonders wertvoll waren und ersetzt werden konnten. Am 16. September 1920 berichteten die Londoner Zeitungen über drei Brände, die gleichzeitig in verschiedenen Abteilungen des Government Office in der Tothill Street in Westminster ausgebrochen seien. Es wurde nicht gemeldet, daß Papiere von geringem Wert verbrannt seien, aber es hieß, daß man sich die gleichzeitig ausgebrochenen Brände nicht erklären konnte. Der Londoner Sunday Express vom 2. Mai 1920 - "Am Abend des 28. April ist im Archiv des Kriegsministeriums in Konstantinopel ein Feuer ausgebrochen. Die Eisentüren waren verschlossen, und es war erst am folgenden Nachmittag möglich, das Gebäude zu betreten. Viele wichtige Dokumente sind vernichtet worden."
Die Leiche eines Mädchens - und die Leiche einer Krähe - und das unbestimmte Gefühl eines Zeitungsreporters, es gebe einen unbekannten Zusammenhang -
Eine Frau, die nicht daheim war -
In der Nacht auf den 7. April 1919 - siehe den Dartford Chronicle aus der englischen Grafschaft Kent vom 7. April - hielt sich Mr. J. Temple Thurston allein in seinem Haus Hawley Manor in der Nähe von Dartford auf. Seine Frau war zu dieser Zeit in Übersee. Einzelheiten, was die Abwesenheit seiner Frau anging oder Gründe, die zur Abwesenheit seiner Frau geführt hatten, werden nicht genannt. Irgend etwas hatte die Hausbewohner getrennt. Die Diener waren entlassen worden. Thurston war allein.
Am Morgen des 7. April um 2.40 Uhr wurde die Feuerwehr nach Hawley Manor gerufen. Außerhalb von Thurstons Zimmer stand das ganze Haus in Flammen. Innerhalb seines Zimmers war kein Brand zu sehen. Thurston war tot. Seine Leiche war versengt, aber an seiner Kleidung fanden sich keine Brandspuren.
Kapitel 12
Der Geschichte über J. Temple Thurston entnehme ich, daß dieser Mann so verbrannt ist, daß der Tod durch Herzversagen eintrat, daß der Brand aber die Kleidung, die der Mann trug, nicht beschädigt hat. Als die Leiche um etwa drei Uhr morgens gefunden wurde, war sie voll bekleidet. Thurston hatte nicht irgendwo bequem gesessen und etwas getrunken. Es gab keine Hinweise darauf, daß er gelesen hätte. In der gerichtlichen Untersuchung wurde die Tatsache als seltsam bezeichnet, daß er um drei Uhr morgens munter und voll angekleidet war. Das Untersuchungsergebnis lautete auf Tod durch Herzversagen nach einer Rauchvergiftung. Bei den Brandwunden handelte es sich um große rote Flecken auf Ober- und Unterschenkeln. Es sah beinahe so aus, als hätte der Mann, an einen Pfahl gebunden, in einem Feuer gestanden, dessen Flammen nicht sehr hoch gestiegen waren.
Obwohl das ganze Haus in Flammen gestanden hatte, war in Thurstons Zimmer nichts angebrannt. Man konnte nichts finden - etwa verkohlte Reste eines Schlafanzuges -, aus dem hervorgegangen wäre, daß Thurston um drei Uhr morgens von einem Brand irgendwo im Haus aufgeschreckt worden war, sein Zimmer verlassen, sich Brandverletzungen zugezogen hatte und in sein Zimmer zurückgekehrt war, um sich anzukleiden und dann das Bewußtsein zu verlieren.
Möglicherweise war sein Tod schon Stunden vor Ausbruch des Brandes im Haus eingetreten.
Es erschien mir als das Treffendste, alle Berichte in diesem Buch als "Geschichten" zu bezeichnen. Das Phantastische oder das, was wir als "unwahr" bezeichnen, durchdringt die Berichte. Unsere Geschichten waren nicht realistisch. Und die Geschichte des J. Temple Thurston hat etwas an sich, das sie in meinen Augen als überarbeitete Geschichte erscheinen läßt. Es ist, als hätte ein Autor beschlossen, eine Person auf der Bühne durch Verbrennen sterben zu lassen, wie es Schreiber manchmal tun, hätte dann aber einige Unstimmigkeiten bemerkt wie etwa eine verbrannte Leiche, ohne daß ein Feuer irgendwo im Haus erwähnt worden war - so daß er im nachhinein ein Feuer im Haus dazugeschrieben hat - wobei sich freilich die amateurhaften Unterlassungen des Autors der Geschichte an der Tatsache zeigten, daß das gleichsam nachgereichte Feuer nicht erklärt wurde.
Die Feuerwehrleute fanden den Brand im Haus so unerklärlich wie der Leichenbeschauer die verbrannte Leiche in nicht verbrannten Kleidern. Als die Feuerwehrleute in Hawley Manor eindrangen, stellten sie fest, daß das Feuer vor Thurstons Zimmer wütete. Kein Kamin war in der Nähe, keine elektrischen Leitungen, in denen ein Kurzschluß einen Funken hätte erzeugen können. Es roch nicht nach Paraffin und nach nichts anderem, was an Brandstiftung - beziehungsweise an gewöhnliche Brandstiftung - hätte denken lassen. Es war nichts gestohlen worden. In Thurstons Hosentaschen fand man Geld und seine Uhr. Das Feuer, das aus unbekanntem Grund ausgebrochen war, schien sich gegen Thurstons Zimmer zu wenden, als wollte es dort den verbrannten Körper in den nicht verbrannten Kleidern ganz und gar verzehren. Die Außenseite der Zimmertür brannte schon, als die Feuerwehrleute eintrafen.
Wir haben noch andere Geschichten über unerklärliche Verletzungen gehört. Aus ihnen ging hervor, daß Männer und Frauen mit Messern gestochen wurden, aber erst später bemerkt haben, daß sie verletzt worden waren. Es gab keinen Hinweis darauf, daß Thurston wußte, daß er in Brand geraten war und versucht hätte zu fliehen oder um Hilfe zu rufen.
Ich kenne einige Geschichten über Menschen, die mit Schußwunden tot aufgefunden wurden, wobei die Kleidung keine Löcher hatte. Die Erklärung der Polizei lautete in solchen Fällen immer, die Betreffenden seien unbekleidet getötet und von ihren Mördern angekleidet worden. New York Times, 1. Juli 1872 - ein geheimnisvoller Mordfall in Bridgeport, Connecticut. Captain Colvocoress - Schuß durchs Herz - Kleidung nicht durchlöchert. Brooklyn Eagle 8. Juli 1891 - Carl Gros in der Nähe von Maspeth, Long Island, tot aufgefunden - keine Spuren in der Kleidung zu finden, die mit den Verletzungen in Einklang zu bringen wären. Am 14. Februar 1912 wird in Paris ein Toter gefunden - Schußverletzung - kein Zeichen dafür, daß die Kugel die Kleidung durchschlagen hätte.
Ich bin auf so viele Geschichten über Steinhagel in geschlossenen Räumen gestoßen, die keine Spuren des Durchgangs durch Decken oder Wände hinterlassen haben, daß ich an der Vorstellung, Kugeln oder Messer könnten einen Körper verletzen, ohne die Kleidung darüber zu beschädigen, kaum noch etwas Seltsames finden kann. Es gibt Geschichten über Kugeln, die in geschlossene Zimmer eingedrungen sind, ohne Spuren in Wänden oder Decken zu hinterlassen.
Eine Meldung, die am 3. März 1929 im San Francisco Chronicle erschienen ist - Miriam Allen de Ford aus San Francisco hat mir den Ausschnitt geschickt - "Newton, New Jersey - Die Mitarbeiter des Bezirksstaatsanwalts stehen vor dem größten Rätsel ihrer Laufbahn. Tagelang sind im Büro der örtlichen Autowerkstatt, einem kleinen Raum mit nur einer Tür und einem Fenster, in regelmäßigen Abständen Schrotkugeln heruntergekommen. An Wänden und Decke sind keine Spuren zu entdecken, und es gibt keine Löcher im Raum, durch welche die Schrotschüsse hätten eindringen können."
Ungefähr zwei Jahre später, ich habe es meist nicht sehr eilig, solche Dinge zu klären, schrieb ich an den Bezirksstaatsanwalt in Newton und bekam eine von Mr. George R. Vaughan unterschriebene Antwort - "Diese Vorfälle haben sich als Streich erwiesen, den ein paar Scherzbolde aus dem Ort ausgeheckt haben."
Im Charleston News and Courier (South Carolina) vom 12. November 1886 finde ich eine Geschichte nicht über Gewehrkugeln, die in einem geschlossenen Raum herunterkommen, sondern über in anderer Hinsicht unerklärliche Kugeln - zwei Männer arbeiten in der Nähe von Walterboro, Colleton County, South Carolina, auf einem Feld - eine Ladung Schrot geht um sie herum nieder. Sie hielten es für den Fehlschuß eines Jägers, aber der Bleiregen hörte nicht auf. Sie sammelten ein paar Proben ein und brachten sie in die Redaktion der Colleton Press. Im Religio-Philosophical Journal vom 6. März 1880 ist ein Bericht des Cincinnati Inquirer nachgedruckt - daß die Einwohner des Ortes Lebanon, Ohio, sehr aufgeregt wären, weil in John W. Lingos Kaufhaus Schauer von Vogelschrot von der Decke fielen. Ein Untersuchungsausschuß wurde eingesetzt, laut dessen Bericht das Phänomen bestätigt werden konnte: Langsam fallende Schrotladungen, von einem anderen Kaliber als diejenigen, die im Geschäft verkauft wurden, tauchten an einem nicht erkennbaren Punkt auf. Es gab noch einen weiteren Umstand, und es mag sein, daß wir schon zuvor auf dieses Phänomen gestoßen sind: Ungefähr fünf Jahre zuvor war jemand des Nachts in das Geschäft eingedrungen und von Lingo angeschossen worden. Der Einbrecher war unerkannt entkommen.
Im Religio-Philosophical Journal vom 24. April 1880 beschreibt ein Korrespondent namens J. H. Marshall, der von Lingos Erlebnissen gelesen hatte, seine eigenen Erfahrungen im Sommer 1867. In allen Zimmern seines Hauses seien Kugeln heruntergeprasselt, aber nicht mit der Geschwindigkeit eines Gewehrschusses - grober Vogelschrot - hellichter Tag - Niederschläge, die jeweils eine Stunde oder länger dauerten, mit kurzen Pausen dazwischen. Es seien viele Geschosse aufgetaucht, aber wenn Marshall sie einsammeln wollte, konnte er nie mehr als ein halbes Dutzend finden. Gleichzeitig mit dem Kugelhagel waren Klopfgeräusche zu hören.
Die Frage, wie Geschosse in geschlossene Räume eindringen können, ist nicht geheimnisvoller als die Frage, wie Houdini aus Gefängniszellen ausbrechen kann, auch wenn es nach allem, was man über Mauern wußte, hätte unmöglich sein müssen. In Rußland ist Houdini aus einem Gefängniswagen geflohen, ohne Expertenwissen oder besondere Geschicklichkeit im Umgang mit Schlössern benutzt zu haben. Er wurde in den Wagen gesperrt, und die Tür wurde zugelötet. Er ist draußen aufgetaucht, und die Polizisten nannten die Sache einen unfairen Wettstreit, weil er ein Gespenst gewesen sein mußte, um durch massive Wände hindurchzukommen. Diese Geschichte wird von Will Golston, dem Präsidenten des Londoner Zaubererclubs, erzählt.
Ich kenne eine Geschichte über ein Pferd, das in einem Raum aufgetaucht ist, der für jedes gewöhnliche Pferd ein unzugänglicher Raum hätte sein müssen. Das kann einen schon nervös machen. Man sieht sich um und wundert sich bald nicht mehr, daß da irgendein verdammtes Ding auf einem Stuhl hockt und einen anstarrt. Ich wünsche mir Leser, die über derlei Gedanken erhaben sind und vor allem dem Impuls, einen solchen Blick zu tun, Widerstand leisten können. Die Geschichte vom Pferd ist in der Londoner Daily Mail am 28. Mai 1906 abgedruckt worden. Wenn jemand nun vorbringen will, wir hätten es hier mit Märchen und Lügen zu tun, dann denke ich mir, daß es recht bequem ist, so zu argumentieren. Eines Morgens im Mai 1906 ging der Müller J. C. Playfair von der Furnace Mill in Lambhurst in der englischen Grafschaft Kent in seinen Stall. Er stellte fest, daß zwei Pferde verkehrt herum standen und eines fehlte. Wenn jemand etwas verloren hat, dann kann man vernünftigerweise annehmen, daß er an allen möglichen Orten sucht und schließlich, wenn er verzweifelt genug ist, auch an Orten zu suchen beginnt, wo das Vermißte eigentlich gar nicht sein kann. Neben dem Stall war ein Heuschober, und der Durchgang war gerade breit genug, daß ein Mann hindurchpaßte. Vermutlich mit einem ähnlichen Gefühl wie jemand, der einen Elefanten verloren hat und im Küchenschrank nachsieht, betrat Mr. Playfair den Heuschober, nachdem er keine Spur von seinem fehlenden Pferd hatte finden können. Das Pferd war im Heuschober. Man mußte eine Trennwand niederreißen, um es herauszubekommen.
Es hat noch weitere Ereignisse gegeben, die sich nicht hätten ereignen dürfen. Schwere Fässer mit Kalk wurden, als offensichtlich niemand in ihrer Nähe war, eine Treppe hinuntergestoßen. Dies ist tagsüber geschehen. Gelegentlich schleiche ich mit unseren Daten zwar auch nachts umher, aber den größten Teil unserer Geheimnisse finden wir bei Tageslicht. Die Mühle stand allein auf weitem Feld, und niemand - wenigstens niemand, der sichtbar war - konnte sich ihr unbemerkt nähern. Es gab dort zwei Wachhunde. Ein großes Wasserfaß, so schwer, daß ein Mensch es nicht bewegen konnte, wurde umgekippt. Verschlossene und verriegelte Türen gingen auf. Ich sollte noch erwähnen, daß der Müller einen kleinen Sohn hatte.
Mitte März 1901 - daß eine Frau in einem Roman erstochen wurde - oder in einer Szene in der Phantasie, die nicht zu dem gehört, das wir als "Realität" bezeichnen. Auch die Geschichte der Lavinia Farrar sieht so aus, als sei sie "überarbeitet" worden, und zwar von einem amateurhaften oder nachlässigen oder auf unbekannte Weise gehemmten "Autor", der bei dem Versuch, sein Verbrechen zu vertuschen, schlimm gepatzt hat - oder, daß diese Frau auf eine Art und Weise getötet worden ist, die mit gewöhnlichen Begriffen nicht zu erklären ist, und daß später, wenn auch ungeschickt oder beinahe blind, Maßnahmen ergriffen wurden, die den Mord in Begriffen gewöhnlicher menschlicher Erfahrungen verständlich machen sollten, die aber das Rätsel nur vergrößert haben.
Am 16. März 1901 schrieb die englische Zeitung Cambridge Daily News, Lavinia Farrar, eine 72jährige blinde und "finanziell unabhängige" Frau sei mit übel zugerichtetem Gesicht und gebrochener Nase auf dem Fußboden ihrer Küche tot aufgefunden worden. Neben der Leiche fand man ein mit Blut verschmiertes Messer und auf dem Boden ein paar Blutstropfen. Die Tote war bekleidet, und man konnte erst bei einer Obduktion feststellen, wie sie zu Tode gekommen war. Zwei Ärzte sagten bei der gerichtlichen Untersuchung aus, daß die Frau ins Herz gestochen worden war, daß jedoch ihre Kleidungsstücke, von denen sie vier übereinander trug, nicht beschädigt seien. Es war ausgeschlossen, daß die Frau sich ausgezogen, sich selbst erstochen und dann wieder angekleidet hatte, weil sie fast sofort gestorben war. Es war auch nicht möglich, daß der Stich durch Öffnungen in der Kleidung geführt worden war, weil sich die Öffnungen nicht übereinander, sondern an verschiedenen Stellen befanden.
Auf dem Boden lag ein Messer, und auf dem Boden war Blut. Aber wie es scheint, stammte das Blut nicht aus der Verletzung der Frau. Die Wunde hatte kaum geblutet. Nur eines ihrer Kleidungsstücke, das unterste, war mit Blut befleckt, und auch das nur leicht. Es war nichts gestohlen worden. Die Jury konnte sich nicht auf einen Spruch einigen.
Am Abend des 9. März 1929 - siehe die New York Times vom 10. und 11. März 1929 - bügelte Isidor Fink in der East 132nd Street Nummer 4 in New York City ein Kleidungsstück. Er war der Besitzer einer Wäscherei in der Fifth Avenue. Ein heißes Bügeleisen stand auf dem Gasofen. Er war wegen der damals sehr häufigen Überfälle etwas besorgt und hatte die Fenster verschlossen und die Tür verriegelt.
Eine Frau, die Schreie und Geräusche wie von Schlägen, aber keine Schüsse hörte, rief die Polizei. Ein Beamter namens Albert Kattenborn kam, konnte aber nicht in die Wohnung gelangen. Er hob einen Jungen durchs Oberlicht über der Tür, der ihm dann von innen aufsperrte. Auf dem Boden lag Fink mit zwei Schußwunden in der Brust und einer im linken Handgelenk. An diesem Handgelenk fand man Schmauchspuren. Der Mann war tot. Er hatte Geld in den Taschen, und die Registrierkasse war nicht angerührt worden. Man fand keine Waffe. Der Mann war sofort oder fast sofort tot gewesen.
Es hieß, der Mörder sei durchs Oberlicht geklettert. Ein Scharnier der Klappe war gebrochen, aber es gab keine Hinweise darauf, daß dieser Bruch aus jüngster Zeit stammte. Das Oberlicht war so schmal, daß der Polizist Kattenborn einen Jungen durchklettern lassen mußte. Man hätte sich schon vorstellen müssen, daß der Mörder, nachdem er lautlos durchs Oberlicht eingedrungen war, den Raum auf die gleiche Weise verlassen hatte, statt einfach die Tür aufzusperren. Mag sein, daß der Mörder nur hochgeklettert ist und durchs Oberlicht geschossen hat. Aber Finks Handgelenk wies Schmauchspuren auf, was bedeutete, daß der Schuß aus nächster Nähe abgegeben worden war. Mehr als zwei Jahre später bezeichnete Police Commissioner Mulrooney diesen Mord in einem versperrten Zimmer in einem Radiointerview als "unlösbares Geheimnis".
Kapitel 13
Wenn ein Mann verbrannt ist, obwohl an seiner Kleidung keine Brandspuren zu entdecken waren, dann ist es auch möglich, daß die Frau aus Whitley Bay, die erzählte, sie habe ihre Schwester mit tödlichen Brandverletzungen auf einem nicht einmal angesengten Bett gefunden, wahrheitsgemäß berichtet hat. Wenn die Frau gestand, sie habe gelogen, dann ist das Geheimnis damit aufgeklärt, und wir werden neugierig. Die Erklärung, daß jemand, der von der Polizei oder einem Leichenbeschauer bearbeitet worden ist, ein Geständnis abgelegt habe, hat ungefähr die gleiche Bedeutung wie die Erklärung, daß ein Apfel unter Druck Apfelsaft produziert. Aber an diesem Punkt bricht die Analogie zusammen. Ich habe nämlich noch nie von einem Apfel gehört, der, wenn er nur richtig gepreßt wird, wahlweise und je nach Wunsch Apfelsaft oder Ginger Ale oder Bier produziert.
Früher einmal, als mein Mißtrauen noch nicht richtig entwickelt war und ich mich noch von der Kleinlichkeit der Dogmatiker blenden ließ, habe ich mir trotzdem hier und dort Notizen zu Ereignissen gemacht, die mir wie unerklärliche Phänomene vorgekommen sind. Halbherzigkeiten liegen mir nicht, und manchmal liebe ich es, mich auf verschiedene Arten gleichzeitig dem Vergnügen hinzugeben: Ich tue so, als wollte ich aus einem Etwas ein Alles machen.
Die Suche nach dem Unerklärten wurde zur Besessenheit. Ich nahm es auf mich, alle wissenschaftlichen Zeitschriften oder wenigstens ihre Register vom Jahr 1800 an durchzusehen, soweit die Publikationen in englischer oder französischer Sprache erschienen sind und in den New Yorker und Londoner Bibliotheken erhältlich waren. Während ich dies tat und meine kleinen Zweifel noch in den Kinderschuhen steckten, sind neue Themen aufgetaucht - eigenartige Dinge in Zusammenhang mit Hagelschauern - das Seltsame und Unerklärliche bei archäologischen Entdeckungen und Forschungsreisen in die Arktis.
Als ich meine "große Tour" beendet hatte, wie ich meinen Streifzug durch alle verfügbaren Periodika nannte, um ihn von gezielten Nachforschungen zu unterscheiden, war mein Interesse an so vielen Themen erwacht, die erst später aufgetaucht waren oder die ich zunächst übergangen hatte, daß ich die Tour gleich noch einmal begann - und dann machte ich noch einmal die gleiche Erfahrung und mußte abermals auf die Tour gehen - und so weiter - und heute bin ich der Ansicht, daß auf jedem Gebiet, auf dem Phänomene beobachtet werden - in späteren Jahren habe ich noch zahlreiche weitere Themen dazugenommen, indem ich mich hauptsächlich auf die Lektüre von Zeitungen verlegte -, irgendwo das Unerklärliche, das Unvereinbare oder das Rätselhafte zu finden ist - in den durch Formeln nicht zu beschreibenden Bewegungen der Planeten ebenso wie in Vulkanausbrüchen, Mordfällen, Hagelschauern, Tarnfarben der Insekten; in chemischen Reaktionen, im Verschwinden von Menschen ebenso wie in Sternen, Kometen, Geschworenengerichten, Krankheiten, Katzen, Laternenpfählen, frisch verheirateten Paaren, Kathodenstrahlen, Schwindeleien, Hochstapeleien, Kriegen, Geburten und Todesfällen.
Überall steckt das Tabuisierte oder Vernachlässigte. Die Mönche der Wissenschaft hüllen sich in gemütliche Selbstgefälligkeiten und verbarrikadieren sich vor dem Ereignisdschungel. Zumindest einige tun das. Heute mischen sich viele von ihnen wieder unter die Eingeborenen. Es gibt wissenschaftliche Derwische, die Amok wirbeln und wilde Behauptungen schwenken; aber meist wirbeln sie nicht sehr weit von ihrem Ausgangsort entfernt, und ihre Erregung ist nichts weiter als eine überdrehte Version der althergebrachten Selbstzufriedenheit.
Die zahlreichen Fälle, die ich erwähnt habe, lenkten meine Aufmerksamkeit auf das Thema des Feuers. Wenn man ein paar hundert Berichte über Brände liest, wird man darunter eine ganze Reihe finden, die etwas Geheimnisvolles an sich haben; doch die vorherrschende Ansicht ist die, daß das Unerklärliche mit Hilfe von Unfällen, Nachlässigkeit oder Brandstiftung erklärbar wäre, wenn man nur alle Begleitumstände in Erfahrung bringen könnte. Aber wenn man dem Thema auf der Spur bleibt, wird man, wie auf jedem anderen Gebiet, wo Phänomene auftreten, auf Fälle stoßen, die mit dem Herkömmlichen unvereinbar sind.
Glasgow News, 20. Mai 1878 - auf John Shattocks Bauernhof in der Nähe von Bridgewater hat sich etwas getan. Aus unerklärlichen Gründen sind Brände ausgebrochen. Ein Polizeiinspektor hat die Ermittlungen aufgenommen und eine 12jährige Magd namens Ann Kidner verdächtigt, weil ein Heuhaufen zu brennen begann, als sie vorbeiging. Man hörte auch ein lautes Klopfen. Im Haus haben sich Gegenstände wie Geschirr und Brotlaibe bewegt. Der Polizist ignorierte, was er nicht erklären konnte, und verhaftete das Mädchen. Er warf ihr vor, brennende Streichhölzer geschnippt zu haben. Aber der Richter setzte sie wieder auf freien Fuß, weil die Beweise nicht ausreichten.
Im Quebec Daily Mercury vom 6. Oktober 1880 finde ich eine Geschichte über "teuflische Manifestationen". Im Hudson Hotel im Ort Hudson am Ottawa River hat sich das Mobiliar zwei Wochen lang unschicklich benommen. Die Betten waren anscheinend besonders temperamentvoll. In einer Box im Stall war ein Feuer ausgebrochen. Das Feuer konnte gelöscht werden, aber ein weiterer Brand brach aus. Man schickte nach einem Priester, der den Stall mit Weihwasser besprenkelte. Der Stall brannte nieder.
Es gibt mehrere Berichte über solche Feuer, die dazu geführt haben, daß ganze Gebäude niedergebrannt sind, doch die meisten dieser Geschichten haben die Tatsache gemeinsam, daß die Brände auf bestimmte Orte beschränkt geblieben sind und sich nicht ausgebreitet haben. Am häufigsten ist die Rede davon, daß Mädchen im Alter von 12 bis 20 Jahren zugegen waren.
Die Feuer brechen nur selten nachts aus, wo sie besonders gefährlich wären. Das ist eigenartig. Schlagen Sie zu den Bränden in jenem Haus in Bedford zurück. Wenn es sich um gewöhnliche Brände gehandelt hätte, dann hätte das Haus eigentlich abbrennen müssen. Aber es ist die Rede von isolierten Bränden in einer Umgebung, die nicht von den Flammen angegriffen worden ist.
New Zealand Times, 9. Dezember 1886 - der Nachdruck eines Berichts aus dem San Francisco Bulletin vom 14. Oktober - daß der zwölfjährige Willie Brough in Turlock im Madison County, Kalifornien, für Aufregung gesorgt hätte, indem er Gegenstände "mit einem Blick" zum Brennen bringen konnte, woraufhin man ihn wegen eben dieser Streiche von der Schule in Turlock verwiesen hatte. Seine Eltern hatten ihn verstoßen, weil sie glaubten, er sei vom Teufel besessen, aber ein Bauer hatte ihn aufgenommen und zur Schule geschickt. "Am ersten Tag sind fünf Brände in der Schule ausgebrochen: Einer an der Decke, einer im Pult der Lehrerin, einer in ihrem Wandschrank und zwei an der Wand. Der Junge hat sie alle entdeckt und vor Angst geschrien. Die Schulpflegschaft hielt eine Sitzung ab und sprach noch am gleichen Abend einen Schulverweis aus." Einen weiteren Bericht finden Sie im New York Herald vom 16. Oktober 1886.
Wenn Kinder das Pult oder den Schrank einer Lehrerin anzünden, dann kann man das verstehen, und als Zwölfjähriger hätte ich das ganz besonders verständlich gefunden. Aber wenn man von dem ausgeht, was boshafte Kinder normalerweise anstellen, kann man keine Erklärung dafür finden, daß die Decke oder die Wände in Brand geraten sind. Mir scheint, ein Geschichtenerfinder hätte sich solche Einzelheiten nicht einfallen lassen, oder wenn sie ihm eingefallen wären, dann hätte er es vermieden, seine Geschichte mit ihnen unglaubwürdig zu machen.
Ich kenne noch andere Berichte, in denen ähnliche Dinge gesagt werden. Dieses Detail, daß Brände in Wänden ausbrechen, kommt in den standardisierten Geschichten über unheimliche Ereignisse nicht vor. Da die Schreiber, die über spätere Ereignisse berichtet haben, vermutlich nie von Willie Brough gehört haben, finde ich es unwahrscheinlich, daß einige von ihnen etwas so Unwahrscheinliches erfunden haben oder erfunden haben sollen. Nun bin ich aber der Ansicht, daß unter gewissen Umständen etwas, das höchst unwahrscheinlich ist, sehr wahrscheinlich geschehen wird. Das hat John Stuart Mill übersehen.
Am 6. August 1887 sind in einem kleinen zweistöckigen Fachwerkhaus in der Victoria Street in Woodstock, New Brunswick, wo Reginald C. Hoyt, seine Frau, ihre vier Kinder und zwei Nichten lebten, zahlreiche kleine Brände ausgebrochen. Schlagen Sie es in der New York World vom 8. August 1887 nach. Binnen weniger Stunden hat man ungefähr vierzig Feuer gezählt. Sie haben sich nicht auf die jeweilige Umgebung ausgebreitet, weil sie entweder sofort gelöscht wurden oder weil sie aus unbekannten Gründen an der Ausbreitung gehindert wurden. "Die Feuer lassen sich nicht auf menschliche Einwirkung zurückführen, und selbst die skeptischsten Beobachter stehen vor einem Rätsel. Hier brach ein Vorhang, hoch und außer Reichweite, in Flammen aus, in einem anderen Zimmer brannte die Tagesdecke auf dem Bett. Ein Korb voller Kleidung, der auf einem Schuppen stand, begann ebenso zu brennen wie ein Mädchenkleid, das an einem Haken hing."
New York Herald, 6. Januar 1895 - Brände im Haus des Asam Colwell in der Guernsey Street Nr. 84 in Greenpoint, Brooklyn - daß im Laufe von 20 Stunden bis zum 5. Januar, als Colwells Fachwerkhaus völlig niederbrannte, zahlreiche Feuer ausgebrochen seien. Polizisten waren geschickt worden, um zu ermitteln. Sie hatten gesehen, wie Möbel plötzlich in Flammen standen. Polizisten und Feuerwehrleute hatten gemeldet, die Feuer seien aus unbekannten Gründen ausgebrochen. Der Branddirektor sagte: "Es ist denkbar, daß das Mädchen Rhoda zwei der Brände gelegt hat, aber an den anderen kann sie nicht beteiligt gewesen sein, weil einige von ihnen ausbrachen, während sie verhört wurde. Ich möchte nicht als jemand zitiert werden, der an übernatürliche Dinge glaubt, aber ich kann nicht sagen, aus welchen Gründen die Brände ausgebrochen und die Möbel herumgeworfen worden sind."
Aus Colwells Bericht geht hervor, seine Frau und seine 16jährige Stieftochter Rhoda hätten am 4. Januar ein Krachen gehört. Ein großer, leerer Wohnzimmerofen war umgefallen. Dann fielen vier Bilder von den Wänden. Colwell war zu diesem Zeitpunkt nicht daheim. Als er zurückgekehrt war und über die Geschehnisse unterrichtet wurde, roch er plötzlich Qualm. Ein Bett brannte. Er rief Wachtmeister Daly zu Hilfe, der das Feuer löschte und danach aus nicht näher erläuterten Gründen im Haus blieb. Wie es hieß, konnte der Wachtmeister dann mit eigenen Augen sehen, wie neben der Schulter von Colwells Sohn Willie die Tapete zu brennen begann. Dann traf Sergeant Dunn ein. Ein weiteres Feuer brach aus, und eine schwere Lampe fiel von einem Haken. Das Haus brannte nieder, und die Colwells, die nicht sehr begütert waren, haben alles außer den Kleidern, die sie am Leibe trugen, verloren. Die Familie wurde auf die Polizeiwache gebracht.
Captain Rhoades von der Wache Greenpoint sagte: "Die Personen, die wir festgenommen haben, hatten mit den seltsamen Bränden nichts zu tun. Je länger ich die Sache untersuche, desto größer wird das Rätsel. Bisher kann ich mir keinen anderen Grund denken als das Einwirken übernatürlicher Kräfte. Die Brände sind sogar vor den Augen der Männer ausgebrochen, die ich mit Ermittlungen beauftragt hatte."
Sergeant Dunn - "Vor meinen eigenen Augen sind Dinge geschehen, die ich nicht für möglich gehalten hätte."
New York Herald, 7. Januar 1895 - "Polizei und Feuerwehr von hübschem jungen Mädchen an der Nase herumgeführt."
Mr. J. L. Hope aus Flushing, Long Island, hatte Captain Rhoades angerufen und ihm mitteilt, daß Rhoda bei ihm als Dienstmädchen gearbeitet hatte und daß in seinem Haus zwischen dem 19. November und dem 19. Dezember vier unerklärliche Brände ausgebrochen waren. "Jetzt war der Captain von ihrer Schuld überzeugt, und das sagte er ihr auch." - "Sie war verängstigt, und man hielt sie an, die Wahrheit zu sagen."
Rhoda erzählte, wozu man sie "angehalten" hatte. Sie erklärte "schluchzend", sie selbst habe die Brände gelegt, weil sie die Gegend, in der sie wohnte, nicht mochte und fortziehen wollte. Sie habe Bilder von den Wänden gerissen, als ihre Mutter in einem anderen Zimmer war, und brennende Streichhölzer auf Betten geworfen. Sie hätte mit ihren Tricks auch dann nicht aufgehört, als Polizisten, Detektive und Feuerwehrleute eingetroffen seien.
Die Colwells waren arme Leute. Sie hatten nur das obere Stockwerk des Hauses bewohnt, das niedergebrannt war. Colwell, ein gelernter Tischler, war schon seit zwei Jahren arbeitslos, und die ganze Familie lebte vom bescheidenen Einkommen des Sohnes. Über Versicherungen wurde nichts berichtet.
Die Schlußfolgerung des Police Captain ging dahin, daß die Brände, die ihm "übernatürlich" vorgekommen waren, auf natürliche Weise erklärt werden konnten, denn da Rhoda, als sie in Flushing gewesen war, Dinge in Brand gesteckt hatte, konnte man die Brände in ihrem Elternhaus auf die gleiche Weise erklären. Statt eine langwierige Untersuchung der Brandursachen in Flushing in die Wege zu leiten, gab der Captain der Polizei dem Mädchen das, was man wohl für einen vernünftigen, ehrlichen Rat halten mußte. "Hübsche junge Mädchen" hatten mehr als einmal Polizisten und Feuerwehrleute zum Narren gehalten. Ein halbes Dutzend anfälliger Männer hätten das hübsche junge Mädchen wohl anstarren können, ohne zu sehen, wie es ein Streichholz anriß und in Möbelstücke warf; aber ein geworfenes Streichholz konnte keine Tapete in Brand setzen. Dieser Fall gleicht dem der Emma Piggott. Man konnte die Feuer nur mit einem einzigen Menschen in Verbindung bringen, aber dieser Mensch konnte manche der Feuer beim besten Willen nicht gelegt haben.
Wie die Zeitungen am 10. Mai 1931 berichteten, sprach Dr. Hastings H. Hart von der Russell Sage Foundation die folgenden Worte: "Schwachsinnige können überwiegend sogar äußerst nützliche Mitbürger sein, und in den Vereinigten Staaten werden tatsächlich viele wichtige Arbeiten von solchen geistig behinderten Menschen verrichtet."
Dr. Hart hat reichlich Platz zur Darlegung seiner Ansichten bekommen, die sich als recht populär erwiesen. Mit einer Aussage, die so interpretiert werden kann, daß sie auf alle anderen paßt, kann man niemand beleidigen. Insofern, als meine eigene Nützlichkeit allgemein nicht eben anerkannt ist, fühle ich mich allerdings ein wenig geschmeichelt. Die Ereignisse, die Sie als Daten in diesem Buch finden, zu leugnen, ins Lächerliche zu ziehen oder auf vernünftige Weise zu erklären, wäre das, was ich als nützlich bezeichne. Würde allgemein akzeptiert werden, daß diese Dinge existieren, dann wäre dies beunruhigend. Ich bin ebensosehr ein Bösewicht wie alle anderen, die früher Daten gesammelt haben, die im Gegensatz zur Orthodoxie ihrer jeweiligen Zeit gestanden haben. Aus dem Wunsch, das Tabu zu stützen, entstehen manchmal die nützlichsten Werke. In jedem Stamm von Wilden wird ein Bruch des Tabus womöglich tödliche Krankheiten nach sich ziehen. Was die Tabus der Wilden angeht, so habe ich den Eindruck, daß diese Menschen gerade durch ihre Tabus daran gehindert werden, zivilisiert zu werden und daß konsequenterweise ein einziger Fetisch den gleichen Wert hat wie hundert Missionare.
Einen Bericht über "rätselhafte Brände" werde ich dem St. Louis Globe-Democrat vom 19. Dezember 1891 entnehmen. Ich werde dann aus einer kanadischen Zeitung zitieren, um Dr. Harts Beobachtung zu stützen. Reporter, Wissenschaftler, Polizisten, Spiritisten - alle haben sie die Phänomene in Zusammenhang mit den "Poltergeist-Mädchen" im Grunde auf die gleiche Weise untersucht wie ein kanadischer Reporter - sie haben nämlich das herausgepickt, was mit ihren vorgefaßten Ansichten oder ihren geistigen Behinderungen oder ihrem gesellschaftlichen Nutzen übereinstimmte und alles andere vernachlässigt.
Aus der Geschichte im St. Louis Globe-Democrat geht hervor, daß sich im Haus des Robert Dawson, eines Farmers aus Thorah in der Nähe der kanadischen Stadt Toronto, "außergewöhnliche Dinge" ereignet haben. Im Haus lebten seine Frau und eine Adoptivtochter, ein vierzehnjähriges englisches Mädchen namens Jennie Bramwell. In diesen Fällen erregen Adoptivtöchter und Hausmädchen meine besondere Aufmerksamkeit. Das Mädchen war krank gewesen. Es war in Trance gefallen und hatte gerufen: "Seht euch das an!" und hatte zur Decke gedeutet. Die Decke brannte. Bald darauf erschreckte das Mädchen Mr. und Mrs. Dawson noch einmal, indem es auf ein weiteres Feuer deutete. Am nächsten Tag sind zahlreiche Brände ausgebrochen. Sobald einer gelöscht war, begann der nächste. Während Mrs. Dawson und das Mädchen beisammen saßen und eine Wand anblickten, begann die Tapete zu brennen. Mrs. Dawson verbrannte sich die Hände, als sie versuchte, das Feuer zu löschen. Eine ganze Woche lang brachen immer wieder Brände aus. Ein Kätzchen stand plötzlich in Flammen. Im Gegensatz zu dem Fall in Bedford aber begannen die Möbel, die nach draußen getragen worden waren, im Hof nicht mehr zu brennen.
Ein Bericht im Toronto Globe vom 9. November 1891 stammt von einem Reporter, der sich äußerst nützlich gemacht hat. Er schrieb über verkohlte Flecken in der Tapete, die aussahen, als hätte jemand eine brennende Lampe daran gehalten. Die Bedingungen waren ungünstig. Alle Möbelstücke waren auf den Hof hinausgetragen worden. Weil man ihm die Brände zuschrieb, war das Mädchen wieder ins Waisenhaus zurückgeschickt worden, wo es vor der Adoption gewesen war. Danach hatten die Phänomene aufgehört. Der Reporter beschrieb die vermeintliche Brandstifterin als "geistesschwaches Mädchen, das herumlief und alles mögliche in Brand steckte". Er war sich nicht sicher, was er von der Information halten sollte, daß ein Kätzchen in Brand geraten sei, und bat darum, es sehen zu dürfen. Er schrieb, es sei ein normales Kätzchen, auf dessen Rücken ein paar Haare leicht versengt seien. Aber die größte Schwierigkeit bestand darin, die Brände an der Decke und den Wänden zu erklären.
Ich will nicht experimentieren, aber ich vermute, daß ich den ganzen Tag lang Streichhölzer gegen die Wände werfen könnte, ohne daß die Tapete zu brennen beginnt. Der Reporter fragte Mrs. Dawson, ob das Mädchen etwas von Chemie verstünde. Seinen Angaben nach lautete die Antwort, daß dieses 14jährige Mädchen, das in einem Waisenhaus aufgewachsen war, "in den Grundlagen dieser Wissenschaft recht versiert war".
Auf Grundlage seiner Ermittlungen und die Tatsache vergessend, daß er die versierte kleine Chemikerin zuvor als "schwachsinnig" bezeichnet hat, oder vielleicht auch, weil er weltklüger war, als ich es mir vorstellen kann und zwischen wissenschaftlichen Kenntnissen und Schwachsinn keinen Widerspruch zu sehen vermag, brauchte der nützliche Reporter schließlich nur noch ein paar Daten, um das Rätsel zu lösen.
Er erkundigte sich in der Stadt und erfuhr, daß die versierte schwachsinnige kleine Chemikerin außerdem eine "unverbesserliche kleine Diebin" war. Er ging in den Drug Store und bekam dort zu hören, daß das Mädchen mehrmals mit kleinen Aufträgen hingeschickt worden war. Das Rätsel war gelöst: Das Mädchen hatte "eine Chemikalie gestohlen und an verschiedenen Stellen im Haus der Dawsons verteilt."
Sehen wir uns Ereignisse jüngeren Datums an. In der Londoner Daily Mail vom 13. Dezember 1921 finde ich eine Geschichte über einen Jungen aus Budapest, in dessen Gegenwart Möbel in Bewegung geraten sind. Der Junge war 13 Jahre alt. Ungefähr seit seinem 12. Geburtstag waren in seiner Gegenwart immer wieder Feuer ausgebrochen. Beunruhigte Nachbarn oder "mißtrauische" Nachbarn, wie sie im Bericht genannt wurden, hatten ihn und seine Mutter aus ihrer Wohnung vertrieben. Wie es weiter hieß, seien, während er schlief, Flammen über seinen Körper gezüngelt und hätten sein Kopfkissen versengt.
In der New York Times, 25. August 1929, steht ein Bericht über aufregende Ereignisse auf der Karibikinsel Antigua. In dieser Geschichte werden ein paar Einzelheiten, die wir aus anderen Geschichten kennen, auf den Kopf gestellt. Es ist die Geschichte eines Mädchens, dessen Kleider in Flammen aufgegangen sind, während der Körper unversehrt blieb. Das Mädchen, eine Schwarze namens Lily White aus dem Dorf Liberta, brannte lichterloh, während es durch die Straßen ging. Aber auch wenn das Kind daheim war, begannen seine Kleider oft zu brennen. Die Kleine mußte sich bei ihren Nachbarn Kleidungsstücke leihen. Wenn sie im Bett war, hieß es in der Geschichte, brannte das Bettzeug, doch sie selbst kam nicht zu Schaden.
Anfang März 1922 erreichte unter Führung von Dr. Walter Franklin Prince eine aus Zeitungsreportern und Photographen bestehende Expedition ein verlassenes Haus, das von Schneewehen umgeben war. Aus den Schneehaufen standen geschwärzte Rückwände, Beine und Armlehnen verbrannter Möbel hervor. Die Zeitungen hatten berichtet, daß in diesem Haus in der Nähe von Antigonish in Nova Scotia unheimliche Dinge vorgingen, und sie hatten sich besonders auf die Tatsache gestürzt, daß Alexander MacDonald samt Familie "mitten im Winter von rätselhaften Bränden", unerklärlichen Geräuschen und wanderndem Geschirr aus dem Haus vertrieben worden sei. Die Phänomene traten gehäuft auf, wenn Mary Ellen, MacDonalds Adoptivtochter, in der Nähe war. Mit dem Gedanken, daß es im Haus spukte, traten die Expeditionsteilnehmer ein, machten es sich gemütlich und achteten darauf, daß Notizblock und Kamera griffbereit waren. In den meisten Berichten über Poltergeistfälle kann ich nichts finden, was mich denken läßt, daß die Mädchen - manchmal auch Jungen - Medien sind oder von Geistern beherrscht werden. Die Phänomene scheinen vielmehr auf okkulten Kräften der Jugendlichen zu beruhen. In MacDonalds Haus stießen die Forscher auf nichts, was die Gegenwart von Gespenstern nahegelegt hätte. Mary Ellen und ihr Vater oder ihr Adoptivvater wurden aufgefordert, ins Haus zurückzukehren, doch es geschah immer noch nichts. Normalerweise sind die Phänomene, wenn Poltergeist-Mädchen beteiligt sind, nicht von Dauer. Dr. Prince befragte die Nachbarn und notierte ihre Aussagen, daß in Gegenwart des Mädchens Dutzende von Bränden ausgebrochen seien. Verblüffender als jede Zeugenaussage aber war der Anblick der geschwärzten Möbel, die draußen vor dem Haus aus Schneewehen ragten.
New York Sun, 2. Februar 1932 - eine Meldung aus Bladenboro, North Carolina. "Brände, die anscheinend aus dem Nichts entstanden sind und C. H. Williamsons Hausrat verzehrten, haben in der Stadt für eine gewisse Aufregung gesorgt. Am Sonnabend sind in Williamsons Haus ein Fensterladen und ein Vorhang verbrannt. Seitdem sind in fünf Zimmern Brände ausgebrochen. Fünf Fensterläden, Bettdecken, Tischdecken und anderer Hausrat sind plötzlich unter den Augen von Beobachtern aufgeflammt. Williamsons Tochter stand mitten auf dem Flur, kein Feuer in der Nähe. Plötzlich begann ihr Kleid zu brennen. Damit war das Maß voll, und man hat die Einrichtung aus dem Haus geräumt."
In der New York Sun vom 1. Dezember 1882 steht ein Bericht über die okkulten Kräfte des A. W. Underwood, eines 24jährigen Negers aus Paw Paw, Michigan. Der Bericht, der aus den Michigan Medical News nachgedruckt ist, wurde von Dr. L. C. Woodman aus Paw Paw geschrieben. Dr. Woodman hat dort erläutert, er sei sicher, daß die von Underwood erzeugten Phänomene echt seien. "Er kann irgend jemandes Taschentuch nehmen, es sich vor den Mund halten und heftig reiben, während er es anhaucht, und daraufhin beginnt es zu brennen und hört nicht auf, bis es ganz verbrannt ist. Er war bereit, sich auszuziehen, seinen Mund gründlich auszuspülen und sich einer intensiven Untersuchung zu unterziehen, um jede Möglichkeit eines Schwindels auszuschalten, und dennoch ist er in der Lage, Papier oder Tuch, indem er seinen Atem darüber streichen läßt, zum Brennen zu bringen. Wenn er auf der Jagd ist, kann er trockenes Laub sammeln, sich niederlegen und ein Feuer anzünden, indem er die Blätter anhaucht."
In der New York Sun vom 9. Juli 1927 finde ich einen Bericht über den Besuch von Vizepräsident Dawes in Memphis, Tennessee. In dieser Stadt lebte ein Autoschlosser, der zugleich ein Zauberer war. "Er nahm General Dawes' Taschentuch und hauchte es an, und es begann zu brennen."
Aus dem Fall des Negers, der mit seinem Atem trockene Blätter anzünden konnte, schälen sich die Umrisse einer allgemeinen Ansicht heraus, die ich später weiter entwickeln will. Die Phänomene kommen mir vor wie überlieferte Kräfte, die früher zur Zeit unserer primitiven Vorfahren noch weiter verbreitet waren. Die Fähigkeit, trockenes Laub mit dem Atem zum Brennen zu bringen, war früher sicherlich ein höchst wertvoller Zauber. Ich spekuliere, wie diese Gabe sich hat entwickeln können. Höchstwahrscheinlich waren die Menschen niemals intelligent genug, sich den Nutzen des Feuers vorzustellen, als der Nutzen des Feuers noch nicht allgemein bekannt war. Wenn wir uns unsere Existenz aber als ein Ganzes vorstellen - vielleicht als eine unter unzähligen Existenzen im Kosmos -, als einen sich entwickelnden Organismus, dann können wir uns vorstellen, daß in manchen Menschen automatisch eine Feuer erzeugende Kraft auftaucht, sobald dies für die Entwicklung des Phänomens "Mensch" notwendig scheint. Es sind also Feuerkünstler erschienen. Ich meine damit Menschen, die dem Wissen um das Feuer nicht ausweichen konnten, weil sie nichts dagegen tun konnten, daß sie Dinge in Brand gesteckt haben.
Ich stelle mir diese Feueragenten in Urzeiten als höchst wertvolle Glieder einer Gemeinschaft von Wilden vor: Wahrscheinlich sind sie zunächst als Mißgeburten verachtet worden. Dann fanden sie Anerkennung und haben für ihre Dienste soviel verlangt, daß die Menschen lernen mußten, Stöcke zu reiben und ohne diese Spezialisten zurechtzukommen - damit wurden jene dann wieder unwichtig, und ihre Zahl nahm ab, so daß sie heute nur noch sehr selten vorkommen -, aber einige von ihnen werden dennoch von der Natur, gleichsam als Rückversicherung, am Leben erhalten, weil man nie wissen kann, ob wir nicht doch eines Tages wieder ins Urzeitliche zurückfallen und vergessen, wie man Feuer macht - woraufhin die Feuermacher wieder zu Ehren kommen und die Zivilisation sich abermals entwickeln kann - um wiederum von Kriegen und Korruption, Ärzten, Anwälten und anderen Gaunern, bestechlichen Richtern und feigen Geschworenen zerstört zu werden - worauf wieder ein neuer Abstieg beginnt, der womöglich erst kurz vor der Entwicklungsstufe eines Wurms sein Ende findet.
Gelegentlich leiste ich einige Beiträge für die nicht sehr fortschrittliche Wissenschaft der Biologie, und nachdem ich die Existenz atavistischer Personen in der Gesellschaft erklärt habe, möchte ich nun einige Vorschläge zu überalterten Organen im menschlichen Körper machen - nämlich, daß diese überkommenen Körperteile keine bloßen Relikte sind, sondern vielleicht eine Art Versicherung - daß der rudimentäre Schwanz eines Menschen kein funktionsloses Überbleibsel ist, sondern eine Vorkehrung für die Zeiten, wenn wir zurückfallen und wieder Felle tragen und ein Hilfsmittel brauchen, um schwanzwedelnd unsere Emotionen kundzutun. Stellen Sie sich vor, wir fallen ein gehöriges Stück zurück, und überlegen Sie, daß durch eine bloße Akzentverschiebung im Existierenden Horden von Werwölfen, Werstinktieren und Werhyänen durch die Straßen von New York City streifen.
Die meisten unserer Daten weisen darauf hin, daß gelegentlich mal ein Mensch feuererzeugende Kräfte besitzt. Aber es sieht aus, als wäre es nicht damit getan zu sagen, daß in Gegenwart der Negerin Lily White Brände ausgebrochen sind. Es sieht aus, als wären diese Brände Angriffe auf sie selbst gewesen. Männer und Frauen sind, zu Tode verbrannt, aufgefunden worden, und die Erklärungen der amtlichen Leichenbeschauer waren nicht zufriedenstellend. Es gibt Berichte, daß Menschen direkt und wütend von Flammen angegriffen worden sind.
Annual Register, 1820-13 - daß die 10jährige Elizabeth Barnes vom Weißwarenhändler John Wright aus dem Londoner Stadtteil Mary-le-bon angezeigt und gerichtlich belangt wurde, weil sie mehrmals und "mit außerordentlichen Mitteln" die Kleidung von Wrights Mutter in Brand gesteckt habe, woraufhin diese sich so schwere Verbrennungen zugezogen habe, daß man befürchten müsse, sie werde die Verletzungen nicht überleben. Das Mädchen hatte als Dienerin in Wrights Haushalt gearbeitet.
Am 5. Januar war aus unerklärlichen Gründen ein Feuer ausgebrochen. Am 7. Januar hatten Mrs. Wright und das Mädchen in der Küche am Herd gesessen. In dem Bericht wird nichts über das Verhältnis zwischen den beiden gesagt. Mrs. Wright habe sich von ihrem Stuhl erhoben und sei hinausgegangen. Dabei habe sie bemerkt, daß ihre Kleider brannten. Am 12. Januar befand sie sich abermals mit dem Mädchen in der Küche. Sie war ungefähr acht Fuß vom Herd entfernt, in dem ein "ganz kleines Feuer" brannte. Plötzlich flammten ihre Kleider auf. Am nächsten Tag hörte Wright aus der Küche, wo sich seine Mutter aufhielt und wo auch das Mädchen war, Schreie. Er rannte in die Küche und sah seine Mutter in Flammen stehen. Einen Augenblick zuvor hatte das Mädchen die Küche verlassen, und dieses Mal machte Wright ihr Vorhaltungen. Aber Mrs. Wright war der Überzeugung, das Mädchen habe nichts mit diesen Unglücksfällen zu tun, sondern sie selbst sei den Angriffen von "etwas Übernatürlichem" ausgesetzt. Mrs. Wright schickte nach ihrer Tochter, die kam, um die Mutter zu bewachen. Sie glaubte nach wie vor, daß das Mädchen nichts mit den Bränden zu tun hatte und ging in die Küche, wo sich das Mädchen aufhielt. Abermals "fing sie aus unbekannten Gründen Feuer. Sie hat sich so schlimme Verbrennungen zugezogen, daß man sie ins Bett stecken mußte." Als sie eingeschlafen war, verließen ihr Sohn und ihre Tochter den Raum - und wurden sofort zurückgerufen, weil die Mutter, in Flammen gehüllt, laut schrie. Nun forderte man das Mädchen auf, das Haus zu verlassen. Sie ging, und von diesem Augenblick an brachen keine Brände mehr aus. Die Schlußfolgerung schien zwingend, und die Wrights ließen sie einsperren. Bei der Anhörung erklärte der Richter, er habe keinen Zweifel an der Schuld des Mädchens, könne das Urteil aber erst verkünden, wenn Mrs. Wright sich so weit erholt habe, daß sie selbst aussagen könne.
In Cosmos, 3-6-242, finde ich den Bericht eines Arztes über einen Fall. Es handelt sich um eine Mitteilung von Dr. Bertholle an die Société Medico-Chirurgicale:
Daß die Polizei von Paris am 1. August 1869 Dr. Bertholle eingeschaltet habe, weil man eine Frau gefunden hatte, die an Brandverletzungen gestorben war. Unter dem verbrannten Körper war der Fußboden verkohlt, aber es gab nichts, was den Ursprung des Feuers hätte erklären können. Nichts im Raum, weder Bettwäsche, Matratzen, Vorhänge, noch sonst etwas, wies Brandspuren auf. Nur die Leiche war verbrannt, als hätte sie mitten in einer Hitze von der Intensität eines Hochofens gesteckt. Dr. Bertholles Bericht war sehr technisch und sehr ausführlich: linker Arm völlig verbrannt, die rechte Hand völlig verkohlt, keine Spur mehr von inneren Organen und Brustkorb zu erkennen, die Organe im Bauchraum unkenntlich. Die Frau hatte nicht geschrien, die anderen Bewohner des Hauses hatten keine Geräusche gehört. Wieder die Beschränkung oder Spezialisierung auf einen Ort - eine verbrannte Leiche in einem ansonsten fast völlig unbeschädigten Raum.
Am Abend des 23. Dezember 1916 - siehe den New York Herald vom 27. und 28. Dezember 1916 - wurde Thomas W. Morphey, der Inhaber des Lake Denmark Hotels, das sieben Meilen von Dover in New Jersey entfernt ist, durch ein Stöhnen geweckt. Er ging die Treppe hinunter und fand seine Haushälterin Lilian Green, die mit schweren Brandverletzungen im Sterben lag. Auf dem Boden unter ihr war eine kleine verkohlte Stelle, aber sonst war, außer an ihrer Kleidung, keine Spur eines Brandes festzustellen. Sie starb, ohne eine Erklärung abgegeben zu haben.
Eine meiner Methoden, wenn ich nach den Dingen suche, die ich Daten nenne, besteht darin, in Überschriften oder Katalogen oder Indizes Schlüsselworte oder Schlüsselbegriffe zu markieren, wie ich sie nenne: beispielsweise "Rätsel gelöst" oder die Versicherung, jemand habe eine Erklärung gefunden. Wenn ich lese, daß der gesunde Menschenverstand triumphiert habe und daß wieder einmal ein Aberglaube widerlegt worden sei, dann finde ich das anregend und werde sehr geschäftig -
Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte der betrunkenen Frau aus Whitley Bay in der Nähe von Blyth, die erzählt hatte, sie habe ihre Schwester mit tödlichen Brandwunden auf einem nicht angesengten Bett gefunden. Sie hat ihre Aussage widerrufen, und nachdem ich gelesen hatte, daß dieses Rätsel zufriedenstellend gelöst worden sei, habe ich mir eine Ausgabe der Blyth News besorgt.
Die Geschichte in der Lokalzeitung stimmt mit der Geschichte in den Londoner Zeitungen weitgehend überein, aber mir kommen gewisse Zweifel, und ich glaube, es lohnt sich, die Geschichte noch einmal zu erzählen.
Der Bericht erwähnt zwei pensionierte Lehrerinnen namens Margaret und Wilhelmina Dewar, die in der Nähe von Blyth in Whitley Bay lebten. Am Abend des 22. März 1908 rannte Margaret Dewar zum Nachbarhaus und erzählte, sie habe ihre Schwester mit tödlichen Brandverletzungen aufgefunden. Die Nachbarn begleiteten sie zu ihrem Haus zurück. Auf einem Bett, das keinerlei Brandspuren aufwies, lag die verkohlte Leiche der Wilhelmina Dewar. Margaret erklärte, sie habe die Tote nicht angerührt und wiederholte diese Aussage bei der gerichtlichen Untersuchung. Nirgendwo sonst im Haus waren Brandspuren zu entdecken.
Soweit die Aussage der Frau. Der Leichenbeschauer sagte, er könne ihr nicht glauben. Er rief einen Polizisten, der aussagte, die Frau sei zu der Zeit, als sie die Leiche gefunden habe, so betrunken gewesen, daß sie nicht mehr wußte, was sie redete. Der Polizist wurde nicht gefragt, wie er zwischen Anzeichen von Erregung und Schrecken oder Trunkenheit unterscheiden könne. Allerdings gab es keine Vorwürfe, die Frau sei auch bei ihrer Aussage im Zeugenstand, wo sie die Geschichte wiederholte, betrunken gewesen. Der Leichenbeschauer drängte sie, ihre Darstellung zu widerrufen. Sie sagte, sie könne ihre Aussage nicht abändern.
Wenn man eine derart unglaubliche Geschichte wie die der Frau, die auf einem nicht versengten Bett verbrannt ist, ernst nimmt oder erlaubt, daß sie allen Ernstes erzählt wird, dann heißt das nichts anderes, als daß die "schwarze Magie" oder die Hexerei in die englische Rechtsprechung Einzug halten darf. Der Leichenbeschauer versuchte beharrlich, die Frau zu bewegen, ihre Geschichte abzuändern. Sie blieb bei ihrer Weigerung. Der Leichenbeschauer verschob die Untersuchung abrupt auf den 1. April.
Am 1. April legte Margaret Dewar ein Geständnis ab. Zunächst einmal kann man keinen Grund dafür erkennen, daß sie eine Lüge erzählen sollte. Aber es gibt gewichtige Gründe für die Annahme, daß sie schließlich erzählt hat, was sie erzählen sollte. Die Lokalzeitung war gegen sie. Wahrscheinlich hat der Leichenbeschauer sie eingeschüchtert. Höchstwahrscheinlich waren auch die Nachbarn gegen sie, und ihre Ängste waren die Ängste eines Menschen in einer kleinen Stadt, der sich von feindseligen Nachbarn umgeben sieht. Als die Untersuchung fortgesetzt wurde, gestand Margaret Dewar, ihre Aussage sei nicht genau genug gewesen. Sie habe ihre Schwester mit Verbrennungen, aber noch lebend im unteren Stockwerk des Hauses gefunden und ihr geholfen, das Schlafzimmer im Stockwerk darüber zu erreichen, wo sie dann gestorben sei. In dieser neuen Version gab es keinen Versuch, den Brand zu erklären, aber der Leichenbeschauer war zufrieden. Nirgendwo im unteren Stockwerk des Hauses gab es Anzeichen dafür, daß ein Brand ausgebrochen wäre. Aber die gewünschte Zeugenaussage war zu den Akten genommen worden. Man untersuchte auch nicht, warum Margaret Dewar anfangs überhaupt erst gelogen hatte. Es gibt Tausende gerichtlicher Untersuchungen, in denen Zeugen die passenden Geschichten erzählen.
Madras Mail, 13. Mai 1907 - eine Frau im Dorf Manner in der Nähe von Dinapore - Flammen verzehren ihren Körper, aber nicht ihre Kleidung - zwei Wachtmeister hatten die Leiche in einem Zimmer, in dem kein anderer Gegenstand Brandspuren aufwies, gefunden und den noch schmorenden Körper in den nicht versengten Kleidern direkt zum Bezirksgericht gebracht. Toronto Globe, 28. Januar 1907 - eine Meldung aus Pittsburgh, Pennsylvania - daß Albert Houck die Leiche seiner Frau "zu einer Kruste verbrannt" auf einem Tisch liegend vorgefunden habe - Brandspuren waren weder auf dem Tisch noch sonstwo im Haus zu finden. New York Sun, 24. Januar 1930 - amtliche Leichenbeschau in Kingston, US-Bundesstaat New York, wegen des Todes der Ehefrau eines gewissen Stanley Lake. "Obwohl die Leiche schwere Verbrennungen aufwies, war die Kleidung nicht einmal angesengt."
Kapitel 14
Der Geschichte der "tollwütigen Fledermäuse von Trinidad" entnehmen wir, daß der Entdecker dieser Tiere viele rätselhafte Todesfälle von Mensch und Vieh hat aufklären können. "Dr. Pawan, ein Wissenschaftler aus Trinidad, hat entdeckt, daß die tollwütigen Fledermäuse eine neue Spielart der Tollwut übertragen haben."
Aber die Existenz der Tollwut ist so fragwürdig, und diese Krankheit tritt selbst bei Hunden so selten auf, daß die Geschichte der "tollwütigen Fledermäuse von Trinidad" anmutet wie ein Resultat der wissenschaftlichen Sensationsgier, die uns heute so große Hemmnisse in den Weg legt und mit der verglichen ich selbst nur hin und wieder ein klein wenig toll bin.
Wahrscheinlich sind die Todesfälle von Menschen und Tieren in Trinidad niemals richtig aufgeklärt worden. Früher einmal hätte die Erklärung gelautet: "Hexerei". Heute sind es "tollwütige Vampirfledermäuse". Die alte Hexe auf dem Besenstiel gibt lange nicht so viel her wie die verrückten Blutsauger.
Die Theorie, Krankheiten würden durch Keime übertragen, unterscheidet sich vermutlich kaum von allen anderen Theorien, ausgehend von Moses und Newton bis zu Einstein hinunter oder vielleicht auch hinauf oder kreuz und quer bis hin zu meinen eigenen oder denen eines anderen Menschen. Viele Fälle lassen sich mit einer Erklärung zusammenfassen, aber es muß Ausnahmen geben. Es gibt keinen Fall, der rein oder homogen wäre. Jeder Fall kann in verschiedene Gruppen einsortiert werden. Es hat viele Krankheiten und Todesfälle gegeben, die sich mit Hilfe der medizinischen Begriffe, die jeweils gerade in Mode waren, nicht befriedigend erklären ließen, die aber vermutlich nach einer Weile aus der Mode kommen werden.
Heutzutage redet jedermann altklug über den Fortschritt und denkt an die alten Zeiten, als die Ärzte getrocknete Kröten gegen Krankheiten verschrieben haben. Ich hätte hier etwas für diejenigen, die nach uns altklug reden wollen. Die Zeitungen vom 14. Januar 1932 - eine wichtige medizinische Entdeckung - getrockneter Schweinemagen ist ein Heilmittel gegen Anämie.
Ich habe eine Theorie, daß das, was man gemeinhin Evolution nennt, in Wirklichkeit der Mode folgt - daß es irgendwo droben ein Gegenstück zu Paris gibt, wo früher einmal die Ausstattungen von Käfern und Würmern und dann die Kostüme von Vögeln und Säugetieren entworfen worden sind; wo man den Giraffen den Hals grotesk gestreckt hat, um als Gegengewicht die Flußpferde genauso unvernünftig zu komprimieren; die gleiche Abwechslung auf geistigem Gebiet, wo Hemmungslosigkeit mit Puritanismus wechselt, manchmal nett und geschmackvoll, aber oft überladen und schwülstig, und daß Religionen, Philosophien und Wissenschaften den Modesklaven der Erde als letzter Schrei in Sachen Theorie angedreht werden.
In der New York Sun vom 17. Januar 1930 hat Dr. E. S. Godfrey vom New York State Department of Health in einem Interview über geheimnisvolle Todesfälle auf einem Schiff berichtet. Im Laufe von vier Jahren sind siebenundzwanzig Offiziere und Matrosen von einer Krankheit dahingerafft worden, die als "Typhus" bezeichnet wurde. Nachdem er seine Wissenschaft aus der Sonntagszeitung bezogen hatte, in der eine ganzseitige Geschichte über eine gewisse "Typhus-Mary" abgedruckt gewesen war, ging ein wissenschaftlicher Detektiv mit seinem Mikroskop bewaffnet an Bord des Schiffes und konnte natürlich bald verkünden, daß er einen der Matrosen als "Typhusüberträger" identifiziert hatte.
Eine solche Spurensuche kommt einer modernen Hexenjagd gleich. Es gibt heutzutage im US-Bundesstaat New York Verfolgungen, die in manchen Fällen so tödlich verlaufen wie die Hexenverfolgungen früherer Zeiten. "Im Staat New York sind 188 Frauen und 90 Männer als Typhusüberträger registriert." Es ist offensichtlich, warum es doppelt so viele Frauen wie Männer sind: Die "Typhus-Mary" im Sinn, haben diejenigen, die nach Überträgern gesucht haben, wahrscheinlich in erster Linie nach Frauen gesucht.
In Zeiten großer Arbeitslosigkeit ist es schwer, wenn nicht gar unmöglich, den Beruf zu wechseln, wenn man im Lebensmittelhandel arbeitet oder Molkereiprodukte verkauft. Aber diese 278 "Typhusüberträger", die von medizinischen Gegenstücken Sherlock Holmes' aufgespürt worden sind, nachdem diese etwas über "Typhusüberträger" gelesen hatten, dürfen jetzt keine Lebensmittel mehr verkaufen und müssen sich alle drei Monate beim Gesundheitsamt melden.
Aber das soll ja bloß dem Schutz von uns anderen dienen. Nur, daß die Hexenjäger das auch schon gesagt haben. Die Ritterlichkeit wird nicht untergehen, solange es Tyrannen gibt: Jeder Tyrann ist darauf aus, jemand oder etwas zu beschützen. Es ist ein Segen unserer Zeit, daß wir mit so vielen Entsetzlichkeiten, Ungeheuerlichkeiten und lästigen kleinen Unannehmlichkeiten geschlagen sind, daß wir kaum auf die Gefährlichkeit der Krankheitskeime achten können, die medizinische "Sucher" uns einreden würden, wenn es keine so starke Konkurrenz unter ihnen gäbe. Mit einigem Erfolg haben sie im Jahre 1929 die Angst vor der Papageienkrankheit bekannt gemacht. Daraufhin wurden in Parks und vor Hauseingängen erfrorene Papageien gefunden, die mitsamt ihren Käfigen ausgesetzt worden waren. Wahrscheinlich konnte die Angst vor der Papageienkrankheit nicht die Ausmaße wie bei anderen Seuchen erreichen, weil die Laien-Alarmschläger Schwierigkeiten hatten, den medizinischen Namen, Psittakose, richtig auszusprechen.
Es muß etwas dran sein an der Keimtheorie der Krankheiten, sonst wären die Pflegeberufe und der Arztberuf nicht so überlaufen. Es muß etwas dran sein an der Keimtheorie der Krankheiten, weil an jeder Theorie etwas dran ist.
Ich habe den Fall der "Typhus-Mary" nachgeschlagen. Mit den Vorbehalten, die jeder hat, wenn er Berichten nachgeht, habe ich etwas gesucht, auf dem ich herumhacken konnte. Und wenn unsere Existenz eine Existenz der Gerechtigkeit-Ungerechtigkeit ist, dann konnte ich sicher sein, etwas zu finden, auf dem ich herumhacken konnte. Und natürlich fand ich heraus, daß der Fall der angeblichen Keimträgerin "Typhus-Mary" lange nicht so eindeutig war, wie es die "Sucher" von heute glauben.
Im Jahre 1906 bemerkte man, daß in mehreren Häusern in New York City, wo Mary als Köchin gearbeitet hatte, Krankheiten ausgebrochen waren, die man als Typhusfälle bezeichnete. Man ging der Sache nach und wendete das an, was im Jahre 1906 als medizinisches Wissen galt. Die Keimtheorie der Krankheiten war die dominante Idee. Man hat keinen Gedanken auf die Beziehung zwischen der Frau und ihren Opfern verschwendet. Hatte es Streit gegeben, bevor die Menschen, die im gleichen Haus lebten wie sie, erkrankt waren? Von welcher Gemütsart war die Frau? Es gibt Millionen Frauen und Männer, die schwer arbeiten müssen und schlecht bezahlt werden und die, besieht man sich ihren Gemütszustand, gefährlicher sind als Keime. Aber Marys mögliche Boshaftigkeit war nicht Gegenstand der Untersuchung. Man "fand heraus", daß sie, obwohl selbst immun, Typhusbazillen verteilte. Drei Jahre lang wurde sie von den Gesundheitsbehörden von New York City in einem Krankenhaus festgehalten.
Was ist nun aus Marys Keimen geworden? Eine Untersuchung ergab, daß sie sie in sich trug. Eine andere Untersuchung ergab, daß sie sie nicht in sich trug. Nach drei Jahren wurde Mary noch einmal untersucht, und alle Tests ergaben, daß sie keine Keime in sich trug. Sie wurde freigelassen und bekam die Auflage, sich regelmäßig im Gesundheitsamt zu melden.
Wahrscheinlich, weil sie sehr lebhafte Erinnerungen an ihre "Verwahrung" hatte, hielt Mary sich nicht an die Auflage. Sie nahm unter verschiedenen falschen Namen Arbeit als Köchin an.
Ungefähr fünf Jahre später sind fünfundzwanzig Personen im Sloane Maternity Hospital an etwas erkrankt, das man für Typhus hielt. Zwei von ihnen sind gestorben. Siehe Outlook, 109-803. Mary hat in diesem Krankenhaus als Köchin gearbeitet. Die Gesundheitsbehörden nahmen sie wieder in "Verwahrung", weil der Zusammenhang, wie es hieß, "offensichtlich" war. Ich kenne Dutzende von Fällen, die in einer Hinsicht offensichtlich und in anderer Hinsicht sonnenklar sind. Zwingende Schlußfolgerungen nach Ansicht des einen Theoretikers, eindeutig nachgewiesene Tatbestände nach Ansicht der gegnerischen Theoretiker.
Sie hatte Keime, wenn man die Theorie stützen wollte, daß sie welche hätte. Sie hatte keine, wenn es zu kostspielig wurde, sie weiterhin zu "verwahren". Sie hatte sie - sie hatte sie nicht - aber es scheint, daß diese Frau in gewisser Hinsicht mit dem Auftreten der manchmal tödlich verlaufenden Krankheit zu tun hatte.
Der bekannteste aller Keimverteiler war Dr. Arthur W. Waite, der im Jahre 1916 die ganze medizinische Wissenschaft in Verlegenheit brachte. Er hatte in seinem bakteriologischen Labor Millionen von Keimen. Waite plante, seinen Schwiegervater John E. Peck, wohnhaft am Riverside Drive Nr. 435 in New York City, umzubringen. Er fütterte den alten Mann mit Diphteriekeimen. Nichts passierte. Er verleitete Peck, ein Nasenspray zu benutzen, das er mit Kolonien von Tuberkulose-Erregern verseucht hatte. Kein Husten. Er gab dem alten Mann Kalomel , um seine Widerstandskraft zu schwächen. Dann ließ er Horden von Typhuskeimen auf ihn los, anschließend versuchte er es mit Grippe-Erregern. Voller Verzweiflung verzichtete er schließlich darauf, als Mörder Außergewöhnliches zu leisten und griff zu gewöhnlichen Mitteln. Er benutzte Arsen. Die altmodische Methode hatte Erfolg. Man hat den Eindruck, daß der Verzehr und das Inhalieren von Keimen, wenn überhaupt, der Gesundheit eher dienen könnte.
Ich will nun die Keimtheorie der Krankheiten nicht als völligen Unsinn hinstellen. Ich halte mich da zurück, weil ich mir keine Theorie vorstellen kann, die mehr als nur teilweise unsinnig ist. Ich bin da großzügig. Sollen die Konventionalisten ihre Theorie behalten, daß Krankheiten durch Keime verursacht werden, und mögen ihre Gegner an der Theorie festhalten, daß Krankheiten Keime verursachen oder Keime anlocken. Es gibt neben diesen noch genug Raum für ein Dutzend weiterer Theorien.
Unter der Überschrift "Invalidität" habe ich 43 Fälle von Menschen gesammelt, die alle krank waren, manche nur vorübergehend und manche sterbenskrank, während in ihren Häusern unheimliche - oder eher doch ganz gewöhnliche - Dinge vorgegangen sind. Auf diese Fälle paßt keine konventionelle Theorie. Aber die Geschichten, die ich gesammelt habe, sind nur Bruchstücke.
Eines Tages im Juli 1890 im Haus des Mr. Paddock in der Hafer Road im Londoner Stadtteil Clapham - siehe das Londoner Echo vom 16. Juli 1890 - die Tochter des Hauses lag im Sterben. Steinsalven, deren Ursprung nicht feststellbar waren, schlugen durchs Glas des Wintergartens. Höchstwahrscheinlich war im Jahre 1890 - so wenig wie 1930 - kein Londoner Arzt - jedenfalls kein Arzt, der etwas auf seinen guten Ruf gehalten hat - bereit, die Möglichkeit einzuräumen, daß zwischen einem sterbenden Mädchen und Steinen, die Scheiben zerbrachen, ein Zusammenhang bestehen konnte.
Aber warum sollte auch irgendein Arzt in London im Jahre 1890 oder zu irgendeiner anderen Zeit akzeptieren, daß zwischen der Bombardierung eines Hauses und einem sterbenden Mädchen ein Zusammenhang bestehen kann? Er könnte genausogut von Zufall reden, wie es die frühen Paläontologen getan haben, als sie riesige Knochen fanden, die in einiger Entfernung von einem relativ kleinen Schädel lagen - daß der Schädel nur zufällig neben den anderen Knochen gelegen hätte. Von Dinosauriern hatten sie da noch nichts gehört. Nachdem sie oft genug auf ähnliche Schädel neben ähnlichen Knochen gestoßen waren, weigerten sich ein paar von ihnen, weiterhin an Zufälle zu glauben, aber die akademisch gebildeteren dachten trotz der herausfordernden neuen Gedanken in ihren alten Bahnen weiter und verleumdeten alle gemeldeten Fälle als Erfindung, Fälschung, Hochstapelei und Unfug.
Das sterbende Mädchen - die Steinhagel -
New York Sun, 22. und 30. Dezember 1883 - daß in einem geschlossenen Raum eines Hauses in Jordan im US-Bundesstaat New York, wo ein Mann im Sterben lag, Steine heruntergefallen sind.
Im Haus des Alexander Urquhart in Aberdeen in Schottland lebte ein kranker Junge. In Londoner Zeitungen wurden Anfang Januar 1920 Berichte über gewisse Vorgänge in diesem Haus veröffentlicht. Der Junge wurde einfach als "kranker Junge" beschrieben, dessen Krankheit den Ärzten anscheinend kein Kopfzerbrechen machte. Niemand vermutete einen anderen als einen rein zufälligen Zusammenhang zwischen dem, was mit ihm los war, und den Phänomenen, die sich in seiner Umgebung ereignet haben, während er im Bett lag. Es war, als wäre er mit unsichtbaren Geschossen bombardiert worden. Explosionsgeräusche, die das ganze Haus erschütterten, schienen über seinem Kopf zu entstehen, und den Berichten der Polizisten ist zu entnehmen, daß das Bett heftig bebte. Die Polizisten meldeten auch, daß sich im Zimmer des Jungen Gegenstände bewegt hätten -
Die Londoner Daily News, 10. Januar 1920 - "Das Gespenst von Aberdeen ertappt - alltägliche Erklärung für seltsame Geräusche - nichts als ein Stück Holz, das an der Hauswand im Wind geklappert hat."
Das hat wahrscheinlich die Londoner Leser überzeugt, die es lieben, wenn solche Geschichten mit Hilfe von "Mäusen hinter der Fußleiste" aufgeklärt werden. Aber im Glasgow Herald vom 13. Januar 1920 war nach wie vor die Rede von einem "Pochen, das das Haus erschütterte und das Geschirr klappern ließ."
Die Daten sind die Überbleibsel von Beerdigungen. Die Leiche eines Mädchens - die Leiche einer Krähe. Jemand stirbt - und es gibt feindselige Äußerungen, die man mit konventionellen Mitteln nicht erklären kann. Wenn es verbindende Elemente gab, dann können wir sie heute nicht mehr aufdecken. Es heißt, es gebe eine Wissenschaft der vergleichenden Anatomie, mit deren Hilfe man anhand eines beliebigen Tierknochens das ganze Skelett nachbilden kann. Auf diese Weise formuliert, ist dies wohl eine der phantastischen Geschichten der Wissenschaft. Der "Vater" der Wissenschaft der vergleichenden Anatomie hat nie etwas rekonstruiert, es sei denn auf konventionelle Weise.
Die Paläontologen haben Unmengen von Skeletten nachgebildet, die jetzt als Beweise für die Evolution ausgestellt werden. Aber Cuvier hat nicht nur niemals etwas Neues rekonstruiert, sondern er ist außerdem auch noch als leidenschaftlicher Gegner der Anhänger der Evolutionstheorie bekannt. Eine Rekonstruktion kann es nur geben, wo ein Modell als Vorlage dient. Wir können eine vergleichende Anatomie unserer brüchigen Existenz entwickeln, falls es uns gelingt, die Bruchstücke in ein Modell einzufügen, das unserer Situation entspricht. Vielleicht bauen wir gerade langsam eines auf. Aber etwas von der Art unserer altmodischen, absoluten Wissenschaft ist nicht das, wovon ich träume.
Dem Port of Spain Mirror und der Port of Spain Gazette aus Trinidad entnehme ich eine Geschichte über Phänomene, die erstmalig am 12. November 1905 in Mrs. Lorelheis Pension in der Queen Street in Port of Spain beobachtet worden sind. Das Haus wurde mit Steinen beworfen. Ein boshafter Nachbar geriet in Verdacht, aber dann haben sich innerhalb des Hauses Dinge ereignet, die man nicht auf das physische Einwirken eines anderen Menschen hat schieben können. Gegenstände wurden herumgeworfen. Stühle sind umgekippt, haben sich wieder aufgerichtet und sich um sich selbst gedreht. Aus einem Korb sind Kartoffeln herausgeflogen. Steine sind von unsichtbaren Punkten ausgehend in Zimmern heruntergefallen. Ein Arzt wurde dahingehend zitiert, daß er einige dieser Vorfälle selbst gesehen habe. Er habe ein krankes Mädchen in diesem Haus besucht.
Im Religio-Philosophical Journal, 15. Juli 1882, ist ein Artikel aus der New York Sun nachgedruckt, in dem es ebenfalls um eine Pension geht. Mrs. William Swifts Pension in der Willoughby Street Nr. 52 in Brooklyn - die Bewohnerin des hinteren Zimmers war erkrankt. Man hörte Klopfgeräusche. Mehrere Male ist ein schwebender, dunstiger Körper aufgetaucht, der wie ein Rugby-Ball geformt war. Das Objekt hat der kranken Bewohnerin so etwas wie einen elektrischen Schlag versetzt.
Im Religio-Philosophical Journal vom 12. März 1883 sind Meldungen über das "verhexte" Haus Church Street Nr. 33 in New Haven, Connecticut, abgedruckt. Geräusche wie Schritte waren zu hören - Gegenstände sind herumgeflogen. Im Haus war eine Frau erkrankt. Während sie Arznei in einer Tasse zubereitete, flog der Löffel weg. Klingt fast so, als hätte jemand Hey, diddle, diddle gesungen. Dann schien es, als hätte ein okkulter Feind auf die Frau geschossen. Ein nicht auffindbares Geschoß durchlöcherte ein Glas.
In der englischen Zeitung Bristol Mercury, 12. Oktober 1889, und im Northern Daily Telegraph, 8. Oktober 1889, finde ich Berichte über laute Geräusche unbekannten Ursprungs, die in einem Haus im Dorf Hornington in der Nähe von Salisbury gehört worden sind. Dort war ein neunjähriges Kind namens Lydia Hewlett "von einer geheimnisvollen Krankheit niedergestreckt worden. Sie lag im Bett, konnte nicht sprechen und sich nicht bewegen und befand sich offenbar an der Schwelle des Todes." Es hieß, weil das Mädchen im Garten eines Nachbarn eine Zigeunerin beim Stehlen von Gemüse erwischt hatte, habe es deren Feindschaft auf sich gezogen.
Ein anderer Fall von "geheimnisvollen Krankheiten in der Familie", die mit Poltergeist-Phänomenen einhergegangen sind, wurde am 5. März 1903 vom Guernsey Star gemeldet. Im Haus eines Bewohners der Insel Guernsey, eines Mr. B. Collinette, seien mehrere Familienmitglieder erkrankt. Gegenstände seien herumgeflogen.
Anfang 1893 - so lese ich in der New York World vom 17. und 19. Februar 1896 - hat sich ein älterer Mann namens Mack mit seiner kranken Frau und seiner Tochter Mary in Bellport, Long Island, US-Bundesstaat New York, niedergelassen und im großen Erdgeschoß seines Hauses einen kleinen Süßwarenladen eröffnet. Im Bericht der New York World heißt es, die Familie habe unter Nachstellungen gelitten und die Feindschaft und den Haß anderer Geschäftsleute auf sich gezogen, "weil das Geschäft gut lief". Von "Straßengören" wurden Steine auf das Haus geworfen. Ein paar Jungen wurden festgenommen, aber es gab keine Beweise gegen sie. Während eines der Bombardements hat sich Mary auf der Veranda des Hauses befunden. Ein großer Hund ist aufgetaucht. Er rannte fort, prallte gegen sie und warf sie um. Ihre Wirbelsäule wurde dabei verletzt, und sie blieb für den Rest ihres Lebens verkrüppelt. Im Zeitungsartikel ist nur von den Nachstellungen der Nachbarn die Rede, und nichts darin läßt an irgend etwas Okkultes denken. Unbekannte Personen haben mit Steinen geworfen.
Als das verängstigte Mädchen im Bett lag, sind Steine über ihm aufs Dach geprallt, und es hat sich voller Furcht verkrampft. In einem dieser Krämpfe ist es gestorben. Der Artikel sagt nichts über Macks Erlebnisse vor seiner Ankunft in Bellport. Die Tochter wurde zum Krüppel und starb an ihrer Furcht. Er war mit einer kranken Frau nach Bellport gekommen.
In seiner Biographie des Bischofs von Sansibar (Frank, Bishop of Zanzibar) - ich entnehme dies einer Besprechung im Londoner Daily Express vom 27. Oktober 1926 - berichtet Dr. H. Maynard Smith, der Kanonikus von Gloucester, von aufdringlichen Poltergeistern in der Nähe der Missionsstation in Weti. Erdklumpen unbekannten Ursprungs bombardierten ein Haus, in dem ein Mann mit seiner Frau lebte. Auch innerhalb des Hauses sind Brocken heruntergekommen. Als der Bischof der Sache nachging, wurde er selbst von einem solchen Brocken getroffen. Im Innern des Hauses sah er Schlamm unter einer Decke erscheinen. Die Tür stand offen, doch dieser Teil der Decke war an einer Stelle, die von jemand, der von draußen etwas hereingeworfen hätte, nicht hätte getroffen werden können. Fenster standen nicht offen.
Der Bischof kam am nächsten Morgen noch einmal, um eine Zeremonie durchzuführen und den vermeintlichen Geist feierlich zu exorzieren. Ich glaube allerdings nicht, daß solche Geschichten ein Beweis für die Existenz von Gespenstern sind. Es scheint mir aber, daß der Bischof einen gewissen Eindruck hinterließ, denn die Schlammwerferei hörte auf. Aber dann wurde die Frau, die im Haus lebte, wieder krank.
Wie ich der Londoner Daily Mail vom 19. August 1920 entnehme, hat am 9. August 1920 ein Schauer kleiner Steine die Fenster im oberen Stock der Wellington Villa in der Grove Road im Londoner Stadtteil South Woodford zerbrochen. Dort wohnte der Amerikaner H. T. Gaskin, der Erfinder des nach ihm benannten Rettungsbootes. Es gab zahlreiche Steinschauer aus unbekannter Quelle. Am Abend des 13. August 1920 bezogen Polizisten Posten im Haus, auf der Straße, auf Dächern und in Bäumen. Das obere Stockwerk des Hauses wurde mit Steinen bombardiert, aber man konnte nicht herausfinden, woher sie kamen. Der Abend des 14. August 1920 - eine Prozession. Vierzig Polizisten, einige aus der Gegend, einige von Scotland Yard, marschierten die Grove Road hinunter, stiegen auf Dächer oder kletterten auf Bäume. Steinschauer kamen, aber vierzig Polizisten erfuhren nicht mehr, als zuvor die kleineren Ermittlungstrupps herausgefunden hatten. Dennoch schienen sie einen gewissen Eindruck hinterlassen zu haben. Die Phänomene hörten auf.
Das Prasseln von Steinen - und Polizisten auf Dächern und Polizisten in Bäumen, die Straßen voller Schaulustiger - eine Stelle, an der etwas Aufregendes passiert - aber darum herum geschieht nichts. Ich kann keine Spur einer Beziehung zwischen irgend jemand im Haus und irgend jemand draußen entdecken.
In einem Zimmer lag ein Kranker. Mr. Gaskin litt an einer Krankheit, die man als Ischias diagnostiziert hatte. In einem Interview erklärte er, daß er sich die Angriffe gegen seine Person oder das Haus nicht erklären könne und daß er, soweit er es sagen konnte, keine Feinde habe.
In manchen dieser Fälle habe ich versucht, ins Unbekannte vorzustoßen. Ich habe Belanglosigkeiten geschaufelt. Ich habe Mr. und Mrs. Gaskin geschrieben, habe aber keine Antwort bekommen. Ich bin den Index der Londoner Times für die Zeit vor und nach dem August 1920 durchgegangen und habe nach irgend etwas gesucht, beispielsweise nach einem Bericht über ein Gerichtsverfahren oder über sonst jemand, der feindselige Gefühle gegen Mr. Gaskin hegen mochte, aber ich habe nichts finden können.
Kapitel 15
Ich habe jetzt eine Theorie, daß unsere Existenz ein Hermaphrodit ist -
Oder, daß sie unproduktiv ist in dem Sinne, daß die Geschöpfe und Seen und Häuser und Bäume und Früchte der Bäume, ihre "unsterblichen Wahrheiten" und ihre "Felsen in der Brandung", die sie hervorzubringen scheint, nur ein Flattern sind, das uns wie etwas tatsächlich Produziertes vorkommt, weil wir die Bewegungen gleichsam in Zeitlupe sehen.
Meine Interpretation der Theologie geht dahin, daß sie, obwohl durch Mythen sehr verwirrt, ein Bewußtsein der Ganzheit unserer Existenz ist - vielleicht ein Bewußtsein einer von unzähligen Existenzen im Kosmos - und daß ihre Verzerrungen, als Ganzes gesehen, auf dem intuitiven Wissen um die mangelnde Produktivität dieser einen Existenz beruhen - und daß daher ihre Visionen von einer göttlichen Sterilität herrühren, die in Gestalten blonder Hermaphroditen zum Ausdruck kommt. Natürlich gibt es vereinzelte Legenden über männliche Engel, aber diese Geschichten sind nur Symbole für die Inkonsequenz, die neben der Konsequenz allen Dingen im Reich der Phänomene zu eigen ist -
Oder, daß die Jungfernzeugung das wesentliche Prinzip aller Dinge, Geschöpfe, Gedanken und Zustände im Reich der Phänomene ist.
Man würde mir peinliche Fragen stellen, wenn ich behaupten wollte, die Leidenschaft einer Romanze zwischen zwei Menschen führe zur Jungfernzeugung; aber die Menschheit als Ganzes erhält sich durch Selbstbefruchtung. Abgesehen von gelegentlichen, unbestimmten Geschichten über Anreicherungen von außen gibt es keine Aufzeichnungen über Auffrischungen, die der Menschheit von Gorillas, Hyänen oder Schweinen zuteil geworden wären. Elefanten befruchten Elefanten. Ich kann mir keine bizarre kleine, zur Fortpflanzung führende Liebesgeschichte zwischen einem Rhinozeros und einem Kolibri vorstellen. Zwar liegt mir eine ehrwürdige kleine Geschichte vor - der Bericht wurde mir von Mr. Ernest Doerfler aus dem New Yorker Stadtteil Bronx geschickt -, in der es um einen Wissenschaftler des achtzehnten Jahrhunderts geht, der die Theorie entwickelt hatte, Frauen könnten durch Pollen befruchtet werden. Der Wissenschaftler hat Experimente durchgeführt und eine dralle Frau den Launen des Westwindes ausgesetzt und konnte natürlich seine Theorie beweisen. Abgesehen davon habe ich aber keine weiteren Hinweise auf Vereinigungen zwischen Menschen und Pflanzen, so daß dieser dokumentierte Vorfall als eines der Wunder gelten muß, von denen ich mich in diesem Buch über nicht ungewöhnliche Ereignisse fernhalten will.
Die selbstbefruchtenden Triumphe des menschlichen Intellekts sind zirkuläre Dummheiten. Die Mathematiker haben in ihren Eingebungen über den Zustand eines Ganzen das, was für den Gläubigen das Göttliche ist, mit Hilfe des Kreises dargestellt, der in ihren Augen eine "vollkommene Figur" ist, der zugleich aber das Unvermögen symbolisiert, irgendwo anzukommen.
Viele Argumente in diesem Buch beruhen auf unserer Akzeptanz, daß nichts in unserer Existenz real ist. Das Ganze könnte Realheit sein. Aus seinen Phänomenen produziert es möglicherweise als Nachkommen neue Realheiten. Aber das ist nicht unser Thema. Freilich erhebt sich nun die Frage: Wenn auf der Ebene der Phänomene nichts real ist, sind dann alle Phänomene ganz und gar irreal? Wenn ich akzeptiere, daß auf der Ebene der Phänomene nichts real ist, dann kann ich aber auch nicht akzeptieren, daß dort irgend etwas ganz und gar irreal sein soll. In Übereinstimmung mit unserer allgemeinen Philosophie des Bindestrichs akzeptiere ich deshalb, daß alle für uns wahrnehmbaren Dinge real-irreal sind. Je nach ihrem scheinbaren Grad an Individualität schwanken sie zwischen diesen beiden Extremen. Wenn jemand von sich denkt, er sei ein reales Wesen - mit Realheit meine ich Individualität, oder nennen Sie es meinetwegen auch Wesentlichkeit oder Beziehungslosigkeit -, dann soll er versuchen zu erklären, warum er seiner eigenen Meinung nach in realem Sinne existiert. Erinnern Sie sich an die berühmteste aller Jungfernzeugungen der Geschichte, an den Versuch, diesen Nachweis zu führen:
Ich denke, also bin ich.
Wir müssen akzeptieren, daß ein Denker, der denken will, vor seinem Gedanken existieren muß.
Warum denke ich?
Weil ich bin.
Warum bin ich?
Weil ich denke.
Die größten Triumphe des menschlichen Intellekts sind ungefähr so intelligent wie die Beschreibung eines Hauses anhand seines Dachs, während doch die Beschreibung anhand des Kellers oder des Badezimmers genauso intelligent wäre. Das ist Newtonismus - oder eine Beschreibung der Dinge anhand eines ihrer Aspekte, sprich: der Gravitation. Es ist Darwinismus - die Beschreibung allen Lebens in Begriffen der Auslese, das heißt, anhand nur eines Aspekts. Die Gravitation ist nur ein anderer Name für Anziehungskraft. Sir Isaac Newtons Beitrag zum ruhmreichen Wissen der Menschheit bestand darin, daß ein Apfel fällt, weil er plumpst. Alle Lebewesen werden durch ihre Umgebung der Selektion unterworfen, sagte Darwin. Als er einen anderen Aspekt behandelte, sagte er aber auch, daß alle Dinge, die eine lebendige Umwelt ausmachen, selektiert werden. Der Darwinismus - daß die Selektion selektiert.
Die Materialisten erklären alle Dinge außer denen, die sie auf Grundlage des Materiellen verleugnen oder vernachlässigen. Die Immaterialisten, beispielsweise die absoluten und subjektiven Idealisten, erklären alle Dinge in Begriffen des Immateriellen. Meine Ansicht beruht auf der Kontinuität zwischen dem Materiellen und dem Immateriellen - oder, daß eines dieser Extreme nur die Akzentuierung der einen Seite ist, während das andere Extrem bloß die Akzentuierung der anderen Seite unseres Bindestrich-Zustands im Materiellen-Immateriellen darstellt.
Ich bin ein Wesen, das denkt: Deshalb bin ich ein Wesen, das denkt. In dieser zirkulären Dummheit steckt etwas Schlichtes und Allumfassendes, das sie für konventionelle Anhänger des Guten, Wahren und Schönen anziehend macht.
Ich denke nicht. Ich hatte noch nie einen Gedanken. Also dieses oder jenes. Ich denke nicht, sondern Gedanken tauchen auf in dem, was angeblich "mein" Bewußtsein ist - aber anstatt da "im" Bewußtsein zu sein, sind sie das Bewußtsein - genau wie die Bewohner nicht in einer Stadt auftauchen, sondern die Stadt sind. Es gibt eine vorherrschende Tendenz unter diesen Gedanken, wie es sie auch unter den Menschen in einer Gemeinde gibt oder in den Bewegungen der Planeten oder der Anordnung der Zellen, aus denen eine Pflanze oder ein Tier besteht. Soweit ich mir "meiner Selbst" bewußt bin, habe "ich" keine Seele, kein Selbst, kein Wesen, auch wenn "ich" mich manchmal, wenn so etwas wie eine Harmonisierung "meiner" Elemente auftritt, einem Zustand des einheitlichen Seins annähere.
Wenn ich sehe - "ich" will das der Bequemlichkeit halber so ausdrücken, auch wenn es kein Ich gibt, das etwas anderes wäre als eine sehr unvollkommen koordinierte Ansammlung von Erfahrungszuständen, die manchmal sogar wild gegeneinander kämpfen, obschon überwiegend eine Art von Zivilisiertheit aufrechterhalten wird - wenn ich also sehe, daß meine Gedanken von Tendenzen beherrscht werden, die harmonisieren, organisieren oder koordinieren und dazu neigen, zu integrieren, abzutrennen, aufzuspalten und ein Gleichgewicht herzustellen - dann bin ich mir bloßer mechanischer Prozesse bewußt, die für die Anordnung meiner Ideen keine größere Bedeutung haben als für die Anordnung meiner Knochen. Ich käme so wenig auf die Idee, meine Ideen als unsterbliche Wahrheiten zu präsentieren, wie ich auf die Idee komme, Röntgenaufnahmen meiner Knochen als etwas Unvergängliches darzustellen. Aber die organisierende Tendenz, die allen Dingen zu eigen ist - hinzu kommt die desorganisierende Tendenz, die allen Dingen zu eigen ist - hat sich auf bewundernswerte Weise in der Struktur zum Ausdruck gebracht, die mein Skelett ist. Das glaube ich jedenfalls. Ich habe keinen Grund zur Annahme, daß mein Skelett dem Skelett von jemand anders irgendwie unterlegen wäre. Ich glaube, wenn ich meine Ideen genauso kunstfertig anordnen könnte, wie irgend etwas meine Knochen angeordnet hat, dann hätte ich die Rechtfertigung gefunden, nach der jeder Autor sucht, wenn er sich dafür entschuldigen will, daß er ein Buch schreibt.
Aber ich glaube nicht, daß die Mechanik alles ist, was es in unserer Existenz gibt. Nur der altmodische Absolutist stellt sich vor oder behauptet sich vorzustellen, daß unsere Existenz etwas absolut Mechanisches sei. In allen Dingen gibt es etwas Individuelles, das nichts mit mechanischen Beziehungen zu tun hat, weil Individualität gleichbedeutend ist mit Beziehungslosigkeit. Ich stelle mir unsere Existenz als positiv-negativ vor oder als mechanisch-nichtmechanisch.
Aber meine Methoden sind die überwiegend mechanischen Methoden, die jedermann und jedes Ding benutzt, wenn es ums Harmonisieren oder Organisieren geht. Eine dieser Methoden ist die Klassifizierung. Ich bin gezwungen, mein Material unter Überschriften einzusortieren - genau wie der Wind herabgefallene Blätter verschiedener Größe zu Gruppen sortiert oder wie ein Magnet bestimmte Dinge aus einem Haufen von Gegenständen herauszieht. Wenn ich also sehe, daß meine Gedanken von konventionellen Prozessen in Bahnen gezwungen werden, dann kann ich mir vorstellen, daß meine Gedanken nichts weiter als die Produkte von Zwängen sind. Ich will diesen Sklaven also nicht die Ehre antun, ihnen zu glauben. Sie beeindrucken mich nur so weit, als ich einige von ihnen vorübergehend akzeptiere.
Voller Umsicht oder auch bloß aus intellektuellen Erwägungen habe ich eine Reihe von Notizen unter dem Titel "Explosionen" gesammelt. Einige dieser Vorfälle muten an, als wären auf irgendeine okkulte Art und Weise Menschen angegriffen und durch Explosionen verletzt worden; oder als wären mediale Bomben von Unsichtbaren auf Menschen oder ihr Hab und Gut geworfen worden.
In der New York Tribune vom 7. Januar 1900 finde ich einen Bericht über Poltergeist-Phänomene in einem Haus in Hyde Park, Chicago. Der inzwischen gut bekannten und manchmal zu beobachtenden Eigenart von Stühlen und Tischen entsprechend, sind diese Gegenstände entweder herumgehüpft oder haben sich würdevoller bewegt. Es war, als hätte sich ein unsichtbarer Mörder ins Haus geschlichen, dessen Attentat aber gescheitert ist. Schlagen Sie zu den Berichten über sichtbare, aber fehlgegangene Geschosse zurück. Immer wieder waren Geräusche wie Revolverschüsse zu hören. Es fiel dabei auf, daß die Schüsse stets "ungefähr in Schulterhöhe eines Mannes" abgefeuert worden seien. In ihrer Broschüre A Disturbed House and its Relief berichtet Ada M. Sharpe über eine anscheinend mediale Bombardierung ihres Hauses in Tackley bei Oxford in England. Vom 24. April 1905 an waren in diesem Haus während der nächsten drei Jahre immer wieder Explosionen zu hören, als seien Bomben explodiert. Am 1. Mai 1911 (Lloyd's Weekly News, 30. Juli; Wandsworth Borough News, 21. Juli) sind im Haus des Mr. J. A. Harvey in der York Road Nr. 356 im Londoner Stadtteil Wandsworth aus unerklärlichen Gründen Brände ausgebrochen. Diesen Bränden seien Explosionen vorausgegangen, deren Ursprung nicht zu ermitteln war. Im Januar 1892 (Peterborough Advertiser, 10. Januar 1892) wurde das Haus der Familie Rimes in Peterborough in England mehrmals erschüttert, als würde es bombardiert, sei jedoch nicht getroffen worden. Niemand wurde verletzt, und man konnte keine Schäden feststellen.
Im Religio-Philosophical Journal vom 25. Dezember 1880 ist ein Artikel aus der Owatonna Review aus Minnesota nachgedruckt. Es heißt dort, eine möglicherweise mediale Bombe sei in Owatonna durch die Wand eines Hauses geworfen worden und habe die Wand durchdrungen, ohne Spuren ihres Durchgangs zu hinterlassen. In diesem Haus wohnte eine Familie Dimant. Es hatte dort schon vorher kleinere Belästigungen durch einen Unfaßbaren gegeben: beispielsweise beharrliches Schellen an der Türklingel. Eines Abends, als die Familie in einem Zimmer beisammen saß, gab es eine Explosion. Mrs. Dimant wurde bewußtlos. Man fand Splitter eines Glaszylinders, aber alle Fenster waren geschlossen gewesen, und es war kein Weg vorstellbar, auf dem der Gegenstand ins Haus gekommen sein konnte.
Ich bemerke eine gewisse Übereinstimmung zwischen unseren Ansichten, die sich jetzt entwickeln - Ansichten, denen wir verschiedene Namen geben werden, wobei aber der Begriff "praktisch" nicht vorkommen wird -, und den Experimenten von Erfindern, die versucht haben, sehr praktisch vorzugehen. Es heißt, Erfinder seien in der Lage gewesen, mit Hilfe von "Strahlen" über gewisse Entfernungen Explosionen auszulösen. Wenn man mit bestimmten Mitteln oder mit unauffälligen "Strahlen" über gewisse Entfernungen Explosionen auslösen kann, dann könnten die praktisch Denkenden sehr effektiv das tun, was sie tun wollen - vorausgesetzt, die Daten in diesem Kapitel bedeuten tatsächlich, daß es Explosionen gegeben hat, die die Folge von Methoden oder Kräften waren, welche derzeit noch ein Geheimnis sind.
Es gibt Geschichten über strahlend leuchtende Objekte, die "Kugelblitze" genannt werden und die in Häusern erschienen sind und sich herumbewegt haben, bevor sie explodiert sind, als besäßen sie eine eigene Intelligenz oder als würden sie aus der Ferne gesteuert. Diese Geschichten können Sie ohne weiteres in Büchern über Blitze und die Launen von Blitzen finden. Ich greife einen Bericht aus einer Zeitschrift heraus. Anscheinend besteht hier keine Verbindung zu gewöhnlichen Blitzen. Im English Mechanic, 90-140, berichtet Colonel G. T. Plunket über eine Erfahrung, die er im Juli 1909 in seinem Haus im Londoner Stadtteil Wimbledon gemacht hat. Er und seine Frau saßen in einem Zimmer, als seine Frau plötzlich sah, wie sich ein leuchtendes Objekt in ihre Richtung bewegte. Es näherte sich einem Stuhl und schien einen Moment lang auf der Lehne zu ruhen. Dann ist es explodiert. Colonel Plunket hat das Objekt nicht gesehen, aber er hat die Explosion gehört. Um der Erklärung zu begegnen, es könnte ein Blitz gewesen sein, schreibt er, es sei ein schöner Abend gewesen.
Die Londoner Daily Mail, 23. Juli 1925 - "Rätselhafte Explosion - geheimnisvolle Verletzungen eines Jungen." - "Nachdem sich im Haus seiner Mutter in der Riverhall Street in South Lambert im Londoner Südwesten gestern morgen eine rätselhafte Explosion ereignet hat, wurde der 5jährige Charley Orchard mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Er hat Verletzungen im Gesicht und auf der Brust davongetragen, und ihm wurden mehrere Finger abgerissen.
Seine Mutter hatte ihn gerade zum Frühstück gerufen, als sich die Explosion ereignete.
Nachbarn, die den Knall gehört hatten, glaubten, es sei ein Feuer ausgebrochen und riefen die Feuerwehr.
Obwohl sich die Ermittlungen über den ganzen Tag hinzogen, konnte die Ursache der Explosion nicht festgestellt werden."
Die Londoner Zeitungen meldeten am 26. September 1910 eine gewaltige, unerklärliche Explosion in einem Haus im Londoner Stadtteil Willesden. Ich beziehe mich auf die Lokalzeitung Willesden Chronicle vom 30. September: "Ein höchst rätselhafter Brand ... man kann für seine Entstehung absolut keine Ursache finden. Auf das Feuer folgte eine schreckliche Explosion, die das Gebäude buchstäblich in Trümmer gelegt hat." Aber in keinem Bericht wird gesagt, daß es zuerst ein Feuer gab und daß die Explosion eine Folge des Feuers war. Ein Polizist, der in der Nähe an einer Ecke stand, sah das Haus in der Walm Lane Nr. 71 in Willesden brennen und explodieren. "Die Fenster und Türen der Rückfront des Hauses wurden bis zu 60 Fuß weit geschleudert." - "Bei der Untersuchung des Geländes stellte man fest, daß die beiden Gaszähler unter der Treppe abgestellt waren. Damit war klar, daß die Explosion nicht durch Gas ausgelöst worden ist. Abgeordnete des Rettungsdienstes und der Baubehörde nahmen die Ermittlungen auf, konnten aber nichts Konkretes finden. Man vermutet, daß womöglich Chemikalien oder Benzinvorräte explodiert sind."
Die Bewohner des Hauses, eine Familie namens Reece, waren zur fraglichen Zeit nicht in der Stadt. Sie befanden sich auf einem Wochenendausflug. Mr. Reece wurde benachrichtigt, und er erklärte, im Haus habe sich nichts befunden, das hätte explodieren können.
Willesden Chronicle, 7. Oktober 1925 - "Das Rätsel ist gelöst. Ein angekohltes Sofa aus dem Ankleidezimmer und andere Spuren liefern den Beweis für die Ursache des Feuers." Bevor er am Samstagmorgen (am 24. September 1925) das Haus verließ, hätte Mr. Reece sich, während er eine Pfeife rauchte, über das Sofa gebeugt. Funken aus seiner Pfeife seien aufs Sofa gefallen. 36 Stunden lang habe das Feuer nur geschmort, bis offene Flammen ausgebrochen seien. Im Zimmer hätten zwei gewöhnliche Spirituslampen gestanden. Sie seien während des Brandes gleichzeitig explodiert.
Der Autor dieser Erklärung zieht die Überreste eines Sofas aus einem wirren Haufen verkohlter Möbel. Er läßt Reece sich über das Sofa beugen, weil dadurch seine Erklärung so funktioniert, wie sie funktionieren soll. Reece hat keine derartige Aussage gemacht und wurde auch nicht zitiert. Die Explosion zweier Spirituslampen kann natürlich einigen Schaden anrichten, aber die Explosion, um die es hier geht, war gewaltig. Das Haus wurde zertrümmert. Die Wände, die noch standen, waren so wacklig, daß man die Ruine vollends einreißen mußte.
Die gezackten Mauern dieses zertrümmerten Hauses stehen im Nichts. Wir stellen sie uns in einer Umgebung vor, in der nichts anderes existiert. Vielleicht hatte irgendwo ein Hexer oder ein Zauberer die Hände im Spiel.
Am 13. Juni 1885 saß ein Einwohner von Pondicherry, Madras, in Indien in einem geschlossenen Raum. Plötzlich erschien neben ihm ein Dunst. Zur gleichen Zeit war eine laute Explosion zu hören. Der Mann, dessen Name André war, schickte einen Bericht an die Französische Akademie der Wissenschaften. Ich beziehe mich hier auf einen Artikel in L'Astronomie, 1886-310. Monsieur André versuchte, sein Erlebnis mit konventionellen Begriffen zu erklären und erwähnte, daß sich zur gleichen Zeit ein Sturm zusammengebraut und daß es eine Stunde später heftig geregnet habe.
In noch früheren Zeiten hätte man den Dunst als teilweise materialisierte Gestalt eines Feindes beschrieben, der seine Bosheit explosionsartig zum Ausdruck gebracht hat. Irgendwann in der Zukunft könnte dies die wahrscheinlichste Erklärung sein.
Oder der Dunst war so etwas wie der teilweise sichtbare, qualmende Zünder einer unsichtbaren Bombe, die aus einiger Entfernung von einer Hexe oder einem Zauberer gezündet worden ist. Das scheint mir kein größeres Wunder zu sein als die Fähigkeit, auf größere Entfernung eine Ladung Dynamit ohne verbindende Drähte in die Luft zu jagen.
In der New York Herald Tribune vom 29. November 1931 finde ich einen Bericht über das Wirken des Kurt Schimkus aus Berlin, der in Chicago eingetroffen war, um den Beweis dafür anzutreten, daß er mit Hilfe von etwas, das er als "Antikriegsstrahlen" bezeichnete, Sprengstoff aus der Ferne zum Explodieren bringen konnte. Nach Berichten aus Deutschland hatte Schimkus auf diese Weise bereits Seeminen und unterirdische Munitionslager gesprengt. Ich glaube, Herr Schimkus wird zu Ruhm und Ehren kommen. Er weiß, daß nichts, was groß ist und der Menschheit dient, jemals ohne entsprechende Schmiermittel erreicht worden ist. Er hat erklärt, daß ihm nichts ferner liege als das Töten von Menschen. Er fördere den Frieden auf der Erde und wolle der ganzen Menschheit dienen, denn indem er mit Hilfe seiner "Antikriegsstrahlen" die Munition der Feinde zur Explosion brachte, machte er jeden Krieg unmöglich. Ich spekuliere unschuldig über die mögliche Nutzanwendung von "medialen Bomben" zum Sprengen von Baumstümpfen zur Erschließung neuer Weidegründe.
In der New York Herald Tribune vom 31. März 1931 finde ich eine Geschichte über eine Explosion, die möglicherweise durch eine Art von "Strahlen" ausgelöst wurde, die wir derzeit noch nicht verstehen. Es ist die Geschichte einer Explosion, die das Segelschiff Viking vor Horse Island nördlich von New Brunswick in ein Wrack verwandelt hat. Dies erinnert mich an die Frau, die, in einem New Yorker Hotel abgestiegen, Angst vor Bränden hatte. Das Schiff war für ein Filmprojekt unterwegs. Varrick Frissell, ein Filmproduzent, der sich an Bord befand, dachte über die Pulverfässer nach, die sich an Bord befanden, und wurde etwas ängstlich. Er wollte ein Warnschild malen und es vor die Tür der Pulverkammer hängen. In diesem Augenblick flog das Schiff in die Luft.
New York Herald Tribune, 13. Dezember 1931 - ein Bericht über ein Unglück, das nacheinander den beiden Frauen eines Mannes zugestoßen ist - keine Angaben zu seinen Beziehungen oder früheren Beziehungen zu anderen Menschen. Im Jahre 1924 ist die Frau eines gewissen W. A. Baker, eines Ölmagnaten aus Pasadena, Kalifornien, erkrankt. Es hieß, sie habe an Krebs gelitten. Sie wurde erhängt in ihrem Haus gefunden. Man sagte, die Hoffnungslosigkeit habe sie in den Selbstmord getrieben. Im Jahre 1926 heiratete Baker wieder. Am Abend des 12. Dezember 1931 gab es irgendwo unter dem Bett der zweiten Mrs. Baker oder im Raum darunter eine Explosion. Das Bett wurde gegen die Decke geschleudert, und Mrs. Baker wurde getötet. Es war eine gewaltige Explosion, aber sonst kam niemand im Haus zu Schaden.
Sprengstoffexperten nahmen die Ermittlungen auf. Sie kamen zu dem Schluß, daß keine bekannten Explosivstoffe verwendet worden seien. Sie sagten, es sei kein Gas ausgetreten. "Die gesamte Kraft der Explosion war anscheinend fast direkt unter Mrs. Bakers Zimmer konzentriert."
In den Jahren 1921 und 1922 und Anfang 1923 gab es in England und anderen Ländern Explosionen von Kohle, wie sie noch nie beobachtet worden waren. In einem Haus in Guildford in der Nähe von London ist ein Kamin explodiert. Dabei wurde eine Frau getötet, und mehrere Wände des Hauses wurden zerstört (nach der Londoner Daily News, 16. September 1921). Es gab in diesem Jahr noch weitere Kohleexplosionen, aber 1922 haben sich die Fälle besonders gehäuft.
In dieser Zeit gab es große Unruhe unter englischen Bergleuten. Man äußerte sogar den Verdacht, manche Bergleute hätten Dynamit unter die Kohle gemischt. Aber ob wir nun glauben, daß die Bergleute etwas mit diesen Explosionen zu tun hatten oder nicht, die Verdachtsmomente gegen sie wurden dadurch widerlegt, daß es keinen einzigen Bericht darüber gab, daß Dynamit in der Kohle gefunden worden wäre; und während des unsanften Transports der Kohle hatte es keinerlei Explosionen gegeben.
Dann sind Berichte aus Frankreich eingegangen. Später sind Öfen, in denen britische Kohle verbrannt wurde, in Frankreich, Belgien und in der Schweiz in die Luft geflogen. Der Höhepunkt kam am 1. Januar 1923, als es an einem einzigen Tag in Paris und in drei englischen Städten mehrere solcher Explosionen gegeben hat.
Am 1. Januar 1921 hat Mr. T. S. Frost aus der Ferristone Road Nr. 8 in Hornsey bei London eine Fuhre Kohle gekauft. In seinem Haus befanden sich drei Kinder: Gordon, Bertie und Muriel. Ich entnehme die Daten den Londoner Zeitungen, vor allem den Lokalzeitungen Hornsey Journal und North Middlesex Chronicle. Die Kohle ist in den Öfen des Hauses explodiert. Auch Kohle, die in Eimern aufbewahrt wurde, ist explodiert. Ein Polizist wurde hinzugerufen. Er hat in seinem Bericht erwähnt, daß Kohle nicht nur explodiert, sondern auch aus Öfen gehüpft und über Fußböden gepoltert sei. Das war so außergewöhnlich, daß ein Polizeiinspektor die Ermittlungen übernahm. Nach Angaben einer Zeitung hat dieser Inspektor erklärt, er habe ein Stück Kohle in die Hand genommen, das in drei Brocken zerbrochen und dann aus seinen Händen verschwunden sei. Es hieß, brennende Kohle sei aus Öfen gesprungen und in Schauern in anderen Räumen niedergegangen, nachdem sie durch Wände gedrungen war, ohne jedoch Spuren ihres Durchgangs zu hinterlassen. Bügeleisen, Kohleneimer und andere Gegenstände haben "getanzt". Ein Topf, der an einem Dreibein hing, begann zu pendeln, obwohl niemand in der Nähe war. Die Phänomene sind vor allem in Gegenwart eines der Jungen aufgetreten, manchmal aber auch in Anwesenheit des zweiten Jungen.
Es gibt keinen Poltergeist-Fall, der besser untersucht worden wäre als dieser. Ich wüßte nicht, daß irgendein Ermittler die Phänomene in Abrede gestellt hätte. Einer der Zeugen war Reverend A. L. Gardiner, der Pfarrer von St. Gabriel's im Londoner Stadtteil Wood Green. "Es kann keinen Zweifel hinsichtlich dieser Phänomene geben. Ich habe sie selbst gesehen." Ein weiterer Zeuge war Dr. Herbert Lemerle aus Hornsey. Dr. Lemerle berichtete von einer Uhr, die auf geheimnisvolle Weise verschwunden sei. Am 8. Mai fand in Hornsey eine öffentliche Versammlung statt, auf der über die Phänomene diskutiert wurde.
In den Zeitungen herrschte die Neigung vor, die Ereignisse als Streiche der Kinder im Haus zu erklären.
Das Mädchen Muriel, das vor den Geschehnissen Angst hatte, ist am 1. April gestorben. Einer der Jungen, Gordon, bekam vor lauter Angst einen Nervenzusammenbruch und mußte ins Lewisham Hospital eingeliefert werden.
In allen Fällen hat es sich um Kohle aus britischen Bergwerken gehandelt. Die Zeitungen, die über die Explosionen berichtet haben, berichteten auch über die Verbitterung und die Rachsucht britischer Bergarbeiter wegen ihrer schwierigen Lage und weil die Löhne gesenkt worden waren, was selbst für sie mit ihren schlimmen Erfahrungen schwer hinzunehmen war -
Oder blicken Sie zurück -
Im Londoner Hyde Park ist ein wütender Ruf zu hören - und weit entfernt in Gloucestershire beginnt ein altes Herrenhaus zu brennen.
Kapitel 16
Aber warum dieses unablässige Bemühen, Rätsel zu lösen? Wo wir doch der Ansicht sind, daß in endgültigem Sinne auf der Ebene der Phänomene nichts existiert - oder daß wir uns in einem Zustand des Etwas-Nichts befinden - so daß alle Probleme lediglich lösbar-unlösbar sind - oder, daß die meisten gesellschaftlichen Probleme, die wir heute haben, früher einmal als Lösungen der vorherigen Probleme gedacht waren - oder, daß jeder Moses sein Volk aus Ägypten in womöglich viel schlimmere Gefahren führt - in das Gelobte Land, wo wäßrige Milch und verlängerter Honig fließen - warum also die ewigen Versuche, etwas auflösen zu wollen?
Aber chirurgische Operationen an Wärtern im Gefängnis Sing Sing, die verlorene Ordnung von Spitzenvorhängen, der verschwundene Mann in Berlin, die "Typhus-Mary" und ein chinesischer Haarschnippler, Explosionen von Kohle und die Leichen auf Bänken in einem Park in Harlem -
Robert Brownings Absicht war, drei Töne zu nehmen und keinen vierten, sondern einen Stern daraus zu machen.
Mit sieben Farben kein Geschmier erzeugen, sondern ein Bild malen.
Sieben Millionen Amerikaner, Russen, Deutsche, Iren, Italiener und so weiter, soweit es die Geographie eben hergibt, nicht zu einer Masse versammeln, sondern ihnen eine Organisation schaffen, die mehr oder weniger New York City gleicht.
Schwefel und Lava auf einer öden Ebene, eine Salzsäule, die einer Frau ähnelt - verwitterte Felsen weit über der Wasserlinie - ein Meteor, der einen Busch zum Brennen brachte - die unterschiedlichen Sprachen der Menschen - und all die anderen Elemente, die zum Ersten Buch Moses geronnen sind.
Daten über Variationen und Erbe und Anpassung, von Ausbreitung und Rückgang und über die Lehre des Malthus , über erworbene Merkmale und deren Übertragung - und all dies hat zu Darwins Entstehung der Arten geführt.
Genau wie früher einmal Mineralien, die eine Affinität zueinander besaßen, zusammengefunden und geometrische Formen entwickelt haben.
Oder all die Theorien - theologische, wissenschaftliche und philosophische - und daß sie ein und denselben organisierenden Prozeß repräsentieren - aber daß selbstbewußte Theoretiker, statt zu erkennen, daß Gedankenformen in ihren Köpfen entstanden sind, wie in anderen Bereichen der Existenz kristalline Strukturen gewachsen sind, geglaubt haben, sie hätten die unsterbliche Wahrheit erkannt.
Sauerstoff und Schwefel und Kohlenstoff -
Oder Emma Piggott und Ambrose Small und Rose Smith -
Oder wir wollen uns eine kleine, unbedeutende Ansicht oder Organisation bilden, eine kleine Komposition, um die Daten der Poltergeist-Mädchen zu arrangieren. Die Elemente dieser Synthese sind bewegliche Objekte, Feuer, Mädchen in seltsamen Umgebungen, Jugend und der Atavismus der Jugend.
Der Fall der Jennie Bramwell - sie war eine Adoptivtochter. Das Mädchen aus Antigonish war eine Adoptivtochter. Siehe den Fall Dagg - eine Adoptivtochter. "Adoption" ist nicht selten ein beschönigendes Wort für den Versuch, kleine Mädchen dazu zu bringen, für wenig mehr als nichts zu arbeiten. Wichtig scheint mir nicht so sehr die Tatsache, daß so viele Poltergeist-Mädchen Hausmädchen und "Adoptivtöchter" waren, sondern eher, daß sie sich nicht in ihren Elternhäusern befunden haben: verlorene, hilflose Jugendliche, zu harter Arbeit verpflichtet und in fremder Umgebung -
Oder das erste unsichere, vorsichtige Erscheinen menschlicher Wesen auf dieser Erde - es gab das Bedürfnis, sie zu haben, und sie bekamen Nahrung und Schutz und wurden behütet, ganz anders als in unseren Zeiten, in denen es von Lebewesen wimmelt und ein Bedürfnis nach Eliminierung entsteht -
Ein Mädchen, das im Wald der Urzeit verloren geht - sein großer Wert, mit dem sich kein Genie, kein König und kein Bezwinger von Königen heute messen könnte -
Daß Objekte sich in Gegenwart des Mädchens bewegt haben - Früchte sind von Bäumen heruntergefallen und neben ihm gelandet - Büsche haben sich geschüttelt und Beeren für es abgestreift - und dann die Nacht und die Kälte - Reisigbündel tanzten mit verflochtenen Zweigen um es herum - türmten sich auf - knisternde Flammen, die es wärmten -
Oder, daß bis auf den heutigen Tag die Bocksprünge von Stühlen und die Tänze von Sofas und die vermeintlichen Launen der Flammen Überreste einer Zusammenarbeit sind, die einstmals sogar die Bäume mitfühlend handeln ließ, wenn sich ein Kind im Wald verlaufen hatte.
Die alten Mathematiker haben ihre Gedanken hauptsächlich nach ästhetischen Gesichtspunkten beurteilt. Sie haben Theoreme und Rechenverfahren um ihrer "Eleganz" willen erfunden und die praktische Anwendung mit Verachtung betrachtet. Aber praktisch alles, was sie um der "Eleganz" willen hervorgebracht haben, ist von Astronomen, Navigatoren und Landvermessern praktisch angewendet worden. Ich sammle und stelle das zusammen, was ich als Daten bezeichne, aber ich bin sehr deprimiert, weil sie möglicherweise, wie ich fürchte, eine über sie selbst hinausgehende Bedeutung haben oder sogar nützlich sein könnten.
Zumindest einen Künstler gibt es heute auf der Erde. Professor Albert Einstein hat so unterschiedliche Elemente wie elektromagnetische Wellen und Unregelmäßigkeiten in der Bahn des Planeten Merkur, den Fall eines Steins aus einem Zug auf die Böschung, die Geometrie des Hyperraums, beschleunigte Koordinatensysteme, die Lorentz-Transformation und die Positionsveränderungen von Sternen bei Finsternissen zu einem, wie er sagte, organischen Ganzen zusammengefügt -
Und die Ausbeutung aller Dinge durch etwas anderes, oder, nicht ganz so unmittelbar - durch alles andere - das Bedürfnis der Astronomen nach dem Einsteinismus, weil er so ermutigend unvernünftig war, während Schuljungen bereits begannen, den Newtonismus zu zerpflücken - und im Jahre 1918 wurde verkündet, daß der nützliche Einstein Positionsveränderungen von Sternen anhand seiner Theorie vorausgesagt habe und daß seine Voraussagen bestätigt werden konnten.
Um die Bestätigung erneut zu bekräftigen - oder vielleicht ganz ohne die Absicht, irgend etwas zu bestätigen, oder wenigstens nicht in der bewußten Absicht, das zu beobachten, was erwünscht war -, hat das Lick Observatorium eine Expedition ausgesandt, die die Positionsveränderungen der Sterne während der Sonnenfinsternis im Oktober 1922 untersuchen sollte. Die Astronomen, die an dieser Expedition teilgenommen haben, stimmten darin überein, daß die Positionsveränderungen die Aussagen des Propheten Einstein bestätigt hätten.
Einstein galt als nützlich, und in Kalifornien haben weiß gekleidete Schulkinder ähnlich Unverständliches für ihn gesungen. In New York haben berittene Polizisten nur mühsam die Menge von ihm fernhalten können und schienen dem Mann nachzueifern, der, um sein Denksystem auf die Reihe zu bringen, viele astronomische Daten bewußtlos geprügelt hat. Er hatte in sein Denksystem die Unregelmäßigkeiten des Planeten Merkur aufgenommen, die Unregelmäßigkeiten des Planeten Venus jedoch ausgelassen. Die Menschen nahmen seinetwegen Urlaub, vergaßen aber zu fragen, was das alles denn eigentlich sollte.
Am 12. Juni 1931 berichtete Professor Erwin Freundlicher dem Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin, nach seinen Beobachtungen während der Finsternis am 9. Mai 1929 hätten die Sterne nicht, wie sie es laut Einstein hätten tun sollen, ihre Position verändert - oder, daß der Einsteinismus außerhalb seiner selbst bedeutungslos ist.
Es gab wegen dieser Tragödie oder Komödie keine Aufregung, weil die Intellektuellen der Erde überwiegend nur dann aufmerksam sind, wenn man ihnen sagt, daß sie aufmerksam sein sollen. Außerdem schien es der Orthodoxie der Erde am klügsten, wenn die Denker der Erde nicht weiter darüber nachdachten. Professor Freundlicher wußte auch die Ergebnisse der Lick-Expedition zu erklären, genau wie ich alle Astronomen zu erklären weiß. Er vertrat die Ansicht, daß sie Einstein hätten bestätigen können, weil "sie Beobachtungen unberücksichtigt ließen, die nicht zu den Resultaten paßten, die sie erhalten wollten."
Wenn ich noch mehr Zustimmung dieser Art erfahre, werde ich mir ein paar neue Ketzereien suchen müssen. Einen Artikel über Professor Freundlichers Bericht finden Sie in der New York Herald Tribune vom 14. Juni 1931.
Außerhalb seiner selbst hat der Einsteinismus keine Bedeutung.
Als wertloses Ding - als beziehungsloses Ding - gleicht sein Zustand jener Erfahrung, von der alle Künstler träumen, die nach dem Absoluten suchen - es ist der Traum von der Kunst um ihrer selbst willen, von "l'art pour l'art".
Bis zum 6. Dezember 1931 habe ich mir Professor Einsteins Theorien als etwas Einsames oder nahezu erhaben Wertloses vorgestellt. Aber dann schrieb die New York Times am 6. Dezember 1931 - Wissenschaftler der Universität von Kalifornien hätten Phosphor in Schweinefutter gemischt, um leuchtende Schweine zu erhalten. "Wozu das gut sein soll, haben sie jedoch nicht erklärt."
Ich träume davon, für die anderen Menschen nicht einmal soviel wert zu sein wie ein Stern, der seine Position verändert hat. Ich protestiere und wende ein, daß hinsichtlich der Angaben in diesem Buch mein einziges Motiv das Zusammenstellen selbst ist - aber mir kommt der Verdacht, daß ich zuviel protestiere.
Die Andeutungen verdichten sich - daß es "Strahlen" gibt, die subtiler sind als alles, was bisher über Radioaktivität bekannt ist und daß sie entwickelt werden können, bis sie nützlich sind. Der Pokal von Ascot und die Juwelen aus Dublin - und wenn sie mit Hilfe eines Transportmittels weggeschnappt worden sind, das heute noch nicht allgemein bekannt ist, dann könnte das allgemeine Wissen um dieses Mittel für Geschäfts-, Erholungs- und Forschungsreisen von ungeheurem Nutzen sein.
Während ich dieses Buch schreibe, versuchen Wissenschaftler in Kalifornien, Schweine zum Leuchten zu bringen. Ein anderer Wissenschaftler, der noch nichts Nützliches vorweisen kann, hat Heidelbeersträucher mit entrahmter Milch gegossen. Kann sein, daß irgend jemand dieses oder jenes von Grund auf umgestalten wird.
Kapitel 17
Der Londoner Daily Chronicle schrieb am 30. März 1922: "Es ist unglaublich, aber man hat immer noch nichts von Holding gehört."
Seit drei Wochen war eine Suche im Gange - Radfahrer, Polizisten, Bauern, Leute aus den Dörfern waren beteiligt.
Um halb elf Uhr am Morgen des 7. März 1922 war der Fliegeroffizier B. Holding von einem Flugplatz in der Nähe der englischen Stadt Chester zu einem, wie er glaubte, kurzen Flug nach Wales gestartet. Um elf Uhr wurde er in der Nähe des walisischen Ortes Llangollen gesichtet, wie er umkehrte und in Richtung Chester zurückflog -
Holding ist weit vom Meer entfernt und über dicht besiedeltem Land verschwunden. Eine meiner Aufgaben hat darin bestanden, alle Ausgaben von sechs Londoner Zeitungen aus den Jahren 1919 bis 1926 durchzusehen. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß ich es übersehen haben könnte, wenn später noch etwas über den Verbleib von Holding veröffentlicht worden ist. Ich habe keine Daten, auf deren Grundlage ich Spekulationen über Holdings geheimnisvolles Verschwinden anstellen könnte. Allerdings habe ich eine Geschichte über zwei Männer gefunden, deren Spuren auf dem Land so abrupt abgebrochen sind, wie Holdings Spur in der Luft aufgehört hat, und dieses Mal fällt mir ein Begleitumstand auf. Die Geschichte dieser Männer ist umrankt von Rachegelüsten von der Intensität orientalischer Fanatiker.
Am 24. Juli 1924, als in Arabien Feindseligkeiten ausgebrochen waren, wurden Flight-Lieutenant W. T. Day und sein Copilot D. R. Stewart vom britischen Hauptquartier zu einem Aufklärungsflug über einer Wüste in Mesopotamien ausgesandt. Ihrem Flugplan zufolge sollten sie nicht länger als einige Stunden unterwegs sein. Ich habe die Berichte dem Londoner Sunday Express vom 21. und 28. September 1924 entnommen.
Als die Männer nicht zurückkehrten, begann man, nach ihnen zu suchen. Das Flugzeug wurde bald in der Wüste gefunden. Die Frage war nur, warum es überhaupt gelandet war. "Im Tank war noch Benzin. Das Flugzeug war nicht defekt. Es konnte sogar zum Flugplatz zurückgeflogen werden." Aber die Männer waren nicht da. "Soweit wir es sagen können, hat es keine Wetterbedingungen gegeben, die sie zur Landung hätten zwingen können." Es gab keine Spuren, die darauf hindeuteten, daß das Flugzeug beschossen worden wäre. Vielleicht gibt es eine derzeit nur sehr wenigen Menschen bekannte Möglichkeit, Flugzeuge vom Himmel zu pflücken. Wenn man sich den Rest der Geschichte ansieht, gibt es aber womöglich eine Methode, Menschen aus der Wüste zu pflücken.
Im Sand, rings um die Maschine, waren die Fußabdrücke von Day und Stewart zu sehen. "Man konnte die nebeneinander herlaufenden Spuren ungefähr vierzig Yards weit verfolgen. Dann aber, so plötzlich, als wären die Männer über eine Klippe gesprungen, brachen die Spuren ab."
Es war nicht zu ermitteln, warum die Maschine überhaupt gelandet war. Aber nachdem man dieses kleinere Geheimnis hingenommen hatte, hat man die Tatsache, daß die Fußspuren von Day und Stewart so abrupt abbrachen, damit erklärt, daß sie von feindlichen Beduinen geschnappt worden seien. Die Beduinen hätten vierzig Yards vom Flugzeug entfernt die Spuren im Sand verwischt. Aber da feindliche Beduinen nicht unendlich weit Spuren verwischen können, suchte man nach dem erneuten Beginn der Spuren.
Flugzeuge, gepanzerte Wagen und berittene Polizisten schwärmten aus. Belohnungen wurden ausgesetzt. Patrouillen von Eingeborenen suchten vier Tage ohne Pause. Jenseits der Stelle, wo die Fußspuren abrupt geendet hatten, waren keine weiteren Spuren zu finden. Der späteste Bericht, den ich gelesen habe, stammt aus der Londoner Sunday News vom 15. März 1925 - das Geheimnis um die verschwundenen britischen Flieger sei immer noch nicht gelüftet.
Die Londoner Evening News schrieb am 28. September 1923: "Leutnant Morand ist während einer Schießübung in Gadaux, Frankreich - er selbst schoß auf ein Ziel am Boden, während ein Sergeant die Maschine steuerte - plötzlich zurückgekippt. Er rief dem Piloten zu, er sei verwundet und man müsse landen. Wie sich herausstellte, hatte er sich eine schwere Schulterverletzung zugezogen. Er wurde mit einem Sanitätsflugzeug ins Krankenhaus von Bordeaux gebracht." Dort hieß es, er sei angeschossen worden. "Aber man konnte keine Hinweise darauf finden, wer den Schuß abgefeuert hatte."
Dieser Fall springt mir besonders ins Auge, weil zu jener Zeit auch andere französische Flieger unter "Unfällen" zu leiden hatten. Die anderen "Unfälle" sind allerdings anders verlaufen, weil sie zum einen nicht in Frankreich geschehen sind und weil es sich zum anderen nicht um Schußverletzungen gehandelt hat. Ich kenne keinen Fall, der in allen Einzelheiten dem Verschwinden von Day und Stewart gleichkommt, aber es gibt Aufzeichnungen über Flieger, die über einem Land, wo ihr Anblick Haßgefühle geweckt hat, auf unerklärliche Weise vom Himmel gepflückt worden sind.
Im Sommer des Jahres 1923 haben französische Flieger von unerklärlichen Unglücksfällen und erzwungenen Landungen berichtet, während sie über deutsches Gebiet geflogen waren. Die Fälle haben sich so sehr gehäuft, daß man zu glauben begann, die Deutschen probierten "geheime Strahlen" an französischen Flugzeugen aus. Ausgehend von einer allgemeinen Ansicht zur Existenz von Rationalität-Irrationalität, können wir uns vorstellen, daß die Deutschen es ganz bestimmt vor Frankreich hätten geheimhalten wollen, wenn sie an französischen Flugzeugen etwas erprobt hätten - falls sie die Möglichkeit dazu besessen haben. Aber ich glaube, sie besaßen sie nicht - oder sie haben sie offiziell nicht besessen. Es kann sein, daß ein den deutschen Behörden unbekannter Experimentator im geheimen gearbeitet hat.
Ein Beitrag über dieses Thema ist am 1. September 1923 in der Londoner Daily Mail erschienen. "Zwei Theorien sind formuliert worden. Eine geht dahin, daß mit Hilfe gebündelter Funkstrahlen der Magnetzünder der Flugzeuge beeinflußt wird. Die zweite besagt, daß ein neuer Strahl, der gewisse Metalle schmelzen kann, entdeckt wurde. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß die meisten der erzwungenen Landungen französischer Flugzeuge, die auf dem Weg von Straßburg nach Prag waren, in der Umgebung eines deutschen Flugplatzes nahe der Stadt Fürth stattgefunden haben." Es hieß, man habe in der deutschen Funkstation bei Nauen eine Zeitlang mit Richtfunk experimentiert und das Ziel verfolgt, Strahlen auf einer engen Bahn gezielt auszusenden wie die Strahlen eines Suchscheinwerfers. Die Behörden in Nauen bestritten, daß sie irgendein Wissen besäßen, das die französischen Flugzeuge auf die beschriebene oder vermutete Art und Weise hätte beeinflussen können. Man konnte Automobile mit drahtloser Kontrolle anhalten, wenn sie mit bestimmten Magnetzündern ausgerüstet waren; sonst funktionierte es aber nicht. Sir Oliver Lodge wurde von der Daily Mail dahingehend zitiert, daß er von keinen Strahlen wüßte, die einen Motor, der nicht eigens dazu hergerichtet worden ist, zum Stehen bringen könnten. Professor A. M. Low hat die Ansicht vertreten, man könne eines Tages Motoren aus der Ferne anhalten - "Ich bin sicher, daß so etwas in fünfzig oder sechzig Jahren möglich sein wird." Professor Low sagte, er wisse von Laborexperimenten, bei denen über eine Entfernung von zwei Fuß so starke Strahlen gesendet worden sind, daß eine kleine Metallspule geschmolzen ist. Aber was die aus Deutschland gemeldeten "Unfälle" anging, erklärte Professor Low: "Zwischen dem Aussenden einer solchen Kraft über eine Entfernung von ein oder zwei Fuß und über eine Entfernung von ein- oder zweitausend Yards besteht ein großer Unterschied."
In der Daily Mail, 5. April 1924, wurde ein Bericht über unsichtbare Strahlen abgedruckt, die Mr. H. Grindell-Mathews entdeckt hatte. Die Strahlen waren stark genug, um unter Laborbedingungen den Motor eines Motorrades aus fünfzig Fuß Entfernung anzuhalten.
Natürlich nehmen die ehrenhaften Lügen der Regierungen unter den Tugenden einen hohen Rang ein. Ich weiß nicht, ob es tugendhaft gesagt oder akkurat wiedergegeben wurde, aber es wird erzählt oder berichtet, daß die britische Regierung im Jahre 1929 500 000 Dollar für die Erforschung von angeblich über weite Entfernungen wirkenden "Todesstrahlen" ausgegeben hat, jedoch nichts entwickeln konnte, was irgendwie nützlich gewesen wäre. Es wird gesagt oder berichtet, daß die italienische Marine sich von einem Erfinder vorführen ließ, was man mit "Todesstrahlen" anfangen konnte, daß die Vorführung aber zu nichts geführt hat. Wir haben keine Daten für die Annahme, daß im Jahre 1929 irgendeine Regierung im Besitz von weitreichenden "Todesstrahlen" war. Die erzwungenen Landungen französischer Flugzeuge im Sommer 1923 bleiben ungeklärt.
Es könnte mächtige Strahlen geben, die nicht elektromagnetischer Natur sind. Vielleicht sind die französischen Flieger nicht durch eine Kraft zur Landung gezwungen worden, die man "physikalisch" nennen könnte - allerdings weiß ich auch kein klares Unterscheidungsmerkmal zwischen dem, was physikalisch und dem, was geistig genannt wird. Schlagen Sie zu der Serie von geheimnisvollen "Angriffen" im April und Mai 1927 in England zurück. Als stünden sie unter einem unbekannten Einfluß, haben Automobile dreimal ein unerklärliches Verhalten an den Tag gelegt.
Unsere Daten drehen sich um "Unfälle", die nicht befriedigend aufgeklärt werden konnten. Es hat Vorfälle gegeben, die den Effekten ähnlich sind, die Erfinder zum Zwecke der Kriegführung mit mechanischen Mitteln zu erzielen versucht haben. Diese Experimentatoren sind ganz praktische Menschen. Es kann aber sein, daß wir einem unauffälligeren Gemetzel auf der Spur sind. Es sieht aus, als hätte im April und Mai 1927 ein Mensch, der ganz allein im Besitz eines Geheimnisses war, das man "okkult" nennen könnte, in England willkürlich oder boshaft seine Macht an Automobilen ausprobiert. Er war ein Verbrecher. Aber ich bin ein praktisch denkender Mensch und ein nützlicher Bürger, und ich bin effizienten Dingen auf der Spur, die dem zweiten von Gott erwählten Volk zur Verfügung stehen sollen - denn das müssen wir sein, wenn man sieht, mit welchen Plagen wir heute geschlagen sind, während ich dieses Buch schreibe - ich meine damit eine Kraft, die von unserer großen Nation nur auf rechtschaffene Weise eingesetzt würde, soweit man überhaupt in der Lage ist, zwischen Rechtschaffenheit und Ausbeutung und Tyrannei zu unterscheiden.
Eine Widersinnigkeit unserer Existenz, die mich wütend macht und die der Mathematik jegliche Aussagekraft raubt, ist die Tatsache, daß ein Verbrechen, so man es millionenfach wiederholt, Patriotismus genannt wird. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Kraft, die in der Lage ist, Flugzeuge vom Himmel zu pflücken, schrecklich genug wäre, um Kriege zu verhindern, weil mir sofort die Idee kommt, man könnte mit Abwehrmaßnahmen die Pflücker pflücken. Wenn wir neue Schrecklichkeiten erfinden könnten, die so unbezweifelbar schrecklich sind, daß die schmierigen Kerle verstummen, die einen Massenmord planen, um ein Gemetzel zu verhüten - aber das ist nur ein Traum in unserer vom Bindestrich, dem Symbol der Heuchelei, dominierten Existenz.
New York Times, 25. Oktober 1930 - daß in Sachsen, auf der Straße zwischen Riesa und Wurzen, bei ungefähr vierzig Automobilen eine Stunde lang der Motor ausgefallen sei.
Die ungefähr vierzig Wagenlenker haben sich vermutlich lautstark zu Wort gemeldet, und wenn die deutsche Regierung mit "Geheimstrahlen" experimentiert hat, dann waren sie ein ziemlich öffentliches Geheimnis. Am 27. Oktober wurde in der Times der Mathematiker und frühere französische Premierminister Paul Painlevé zitiert: "Kein bisher durchgeführtes Experiment würde es uns erlauben, einem solchen Bericht Glauben zu schenken oder auch nur zu vermuten, daß so etwas in nächster Zukunft verwirklicht werden könnte."
Am 26. Mai 1925 - siehe die Londoner Daily Mail vom 28. Mai 1925 - hat in Andover in der englischen Grafschaft Hampshire ein Gefreiter einen Übungssprung mit dem Fallschirm gemacht. Er kam bei dem Sturz aus dem in 1900 Fuß Höhe fliegenden Flugzeug ums Leben. Es gibt keine Daten, die uns auf die Idee bringen, zwischen diesem Vorfall und den anderen, die in diesem Kapitel erwähnt worden sind, könnte es eine Verbindung geben. Aber eine Assoziation bietet sich an. Zur Zeit dieses Unfalls, oder wie immer man das nennen will, was diesem Mann zugestoßen ist, waren am gleichen Ort Flight Sergeant Frank Lowry und Flugoffizier Kenneth Smith als Pilot in einem Flugzeug unterwegs und führten Tests mit Funkgeräten durch. Sie waren ungefähr fünfzehn Minuten in der Luft, als Smith seinem Begleiter etwas zurief. Als er keine Antwort bekam, drehte er sich um und sah im hinteren Teil des Cockpits Rauch aufsteigen. Es sah aus, als sei Lowry zusammengebrochen.
Lowry war tatsächlich tot. "Flight Lieutenant Cyril Norman Ellen sagte, in der Maschine habe es nichts gegeben, wodurch ein Mann hätte zu Tode kommen können. Lowry sei möglicherweise mit elektrischem Strom in der Luft in Berührung gekommen. Weitere ähnlich gelagerte Fälle sind nicht bekannt."
In der Daily Mail vom 14. Oktober 1921 berichtet T. Gifford von einer Stelle an einer Straße in Dartmoor, wo es viele "Unfälle" gegeben habe. Die Geschichte ähnelt dem Bericht über die Serien von "Automobilunfällen" in England im April und Mai 1927, nur daß die "Unfälle" hier auf einen bestimmten Ort beschränkt geblieben sind.
Gifford schreibt in seinem Artikel, im Juni 1921 habe ein Arzt, der mit seinem Motorrad unterwegs war, an diesem Punkt an der Straße in Dartmoor plötzlich zu seinen beiden Kindern, die im Seitenwagen mitfuhren, gesagt, sie sollten herausspringen. Die Maschine geriet ins Schleudern, der Arzt fand den Tod. Ein paar Wochen später geriet an der gleichen Stelle ein Bus ins Schleudern, und mehrere Fahrgäste wurden hinauskatapultiert. Am 26. August 1921 wurde an der gleichen Stelle ein Captain M. - ich möchte mich für ihn entschuldigen - es kommt nicht oft vor, daß ein Mr. X oder ein Captain M. in meinen Aufzeichnungen erscheint - von seinem Motorrad heruntergeschleudert. Von Gifford befragt, erklärte er nach einigen Ausflüchten, daß irgend etwas, das er als "unsichtbare Hände" beschrieb, seine Hände gepackt und ihn gezwungen hätte, die Maschine auf eine Wiese zu lenken.
Weitere Einzelheiten sind in der Daily Mail vom 17. Oktober desselben Jahres veröffentlicht worden. Der Schauplatz dieser "Unfälle" lag an einer Landstraße in der Nähe des Ortes Post Bridge in Dartmoor. Im ersten Fall war das Opfer Dr. E. H. Helby gewesen, der als Arzt im Gefängnis von Princeton tätig war.
In Light, 26. August 1922, berichtet ein Korrespondent über einen weiteren "Unfall" an dieser Stelle. Einzelheiten des vierten "Unfalls" wurden am 12. September 1926 vom Londoner Sunday Express verbreitet. Das Opfer sei mit dem Motorrad gefahren. "Plötzlich wurde der Mann unsanft von seinem Fahrzeug gehoben und verlor das Bewußtsein. In einer Hütte, in die man ihn nach seinem Zusammenbruch gebracht hatte, kam er wieder zu sich." Der Verletzte hatte keine Erklärung für den Vorfall.
Kapitel 18
Ich gebe zu Protokoll, daß früher einmal ein Schauer von Jungfrauen vom Himmel gefallen ist.
Natürlich waren es keine richtigen Jungfrauen. In einer so unbestimmten Existenz wie der unsrigen kann ich nichts als real akzeptieren.
Siehe English Mechanic, 87-436 - ein Schauer großer Hagelkörner in Remiremont in Frankreich am 26. Mai 1907. Auf einigen der Hagelkörner war eindeutig das Abbild der Heiligen Jungfrau der Einsiedler abgedruckt.
Früher war es mal Mode, den Wahrheitsgehalt solcher Geschichten schlicht und ergreifend zu bestreiten und sie als fromme Erfindungen der Priester zu bezeichnen. Aber heute sind die Ungläubigen mit ihren Anschuldigungen nicht mehr ganz so freigebig und einfallslos und denken eher, daß in Remiremont äußerst ungewöhnliche Hagelkörner niedergegangen sind, in deren Unregelmäßigkeiten oder Verfärbungen die frommen Einwohner des Ortes Heiligenbilder gesehen zu haben glauben.
Ich selbst glaube, daß die Heiligenbilder auf diesen Hagelkörnern der Phantasie entsprungen sind, aber nur in dem Sinne, wie es auch bei den Zeichnungen in einem Buch der Fall ist; und daß die Einwohner von Remiremont sie sich nicht einfach nur vorgestellt haben, oder daß sie jedenfalls nicht mehr Phantasie haben walten lassen als der Betrachter einer Zeichnung in einem Buch, der die dunklen Flecken phantasievoll als Bilder interpretiert.
Die Geschichte der Hagelkörner von Remiremont ist in meinen Aufzeichnungen einzigartig. Ich habe freilich gesagt, daß unsere Daten sich um Dinge drehen, die nicht extrem ungewöhnlich sind. Aber am Anfang dieses Buches habe ich betont, daß zwei nicht zueinander passende Farben mit Hilfe anderer Farben in Harmonie gebracht werden können, und daß ich mir keine Daten vorstellen kann, die nicht mehr oder weniger elegant koordiniert werden können, wenn man geschickt an ihnen herumdoktert; oder, daß sie mühelos mit dem Alltäglichen in Übereinstimmung gebracht werden können, wenn das wünschenswert scheint.
Ich bin ein Jesuit. Ich verlagere den Akzent von Hagelkörnern mit Bildern darauf hin zu Bildern auf Hagelkörnern - und fahre fort mit Geschichten über Bilder auf anderen ungewöhnlichen Materialien.
Einigen Berichten - es sind Nachdrucke von Zeitungsartikeln im Spiritual Magazine, 7-360 und im Religio-Philosophical Journal, 29. März 1873 - entnehme ich, daß es am 12. März 1872 in Baden-Baden eine noch größere Aufregung als in Remiremont gegeben hat. Am Morgen dieses Tages haben die Menschen Bilder gesehen, die auf unerklärliche Weise und ohne Wissen der Bewohner auf die Fensterscheiben von Häusern gemalt worden waren. Zuerst handelte es sich bei den Abbildungen nur um Kreuze, aber dann sind auch andere Figuren aufgetaucht. Die Behörden in Baden-Baden verfügten, die Fenster müßten geputzt werden, aber die Bilder ließen sich nicht entfernen. Man versuchte es, ohne Erfolg, sogar mit Säure. Zwei Tage später sind auf Fensterscheiben in Rastatt Kreuze und Totenköpfe aufgetaucht.
In Boulay, das fünf Landmeilen von Metz entfernt ist, brach eine Epidemie aus. Da der französisch-preußische Krieg noch nicht sehr lange zurücklag, waren die örtlichen Behörden sehr beunruhigt. Kreuze und andere religiöse Symbole sind auf Fensterscheiben erschienen - zahlreiche verschiedene Abbilder - Totenköpfe, Adler, Regenbogen. Eine Patrouille preußischer Soldaten wurde zu einem Haus geschickt, um eine Scheibe zu zerschlagen, auf der eine Gruppe französischer Infanteristen mit ihren Flaggen abgebildet war. Es hieß, die Bilder seien nachts unsichtbar. Aber die Soldaten wollten die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen und haben eine ganze Reihe Fensterscheiben zertrümmert. Am nächsten Morgen sah es aus, als habe eine Schlacht stattgefunden. Inmitten des Durcheinanders aber ließen die französischen Infanteristen immer noch ihre Banner flattern.
Diese Geschichte wurde, das sollte ich noch ergänzen, ins Standardrepertoire vieler Zeitungen aufgenommen. Ich habe eine ganze Sammlung von Geschichten über Bilder, die auf Fensterscheiben aufgetaucht sind. Diese Geschichten wurden ab März 1872 eifrig in allen amerikanischen Zeitungen nachgedruckt und fanden im Jahre 1890 weite Verbreitung.
Man kann allerdings nicht sagen, daß alle Geschichten, die in den Vereinigten Staaten über dieses Phänomen oder über dieses angebliche Phänomen erzählt worden sind, ausschließlich Nachahmungen der aus Europa gemeldeten Ereignisse waren, weil solche Geschichten, obgleich nicht in derart großer Zahl, auch schon vor dem März 1872 in den USA die Runde gemacht haben. New York Herald, 20. August 1870 - das Abbild eines Frauengesichts ist auf einer Fensterscheibe in einem Haus in Lawrence, Massachusetts, erschienen. Der Bewohner des Hauses fühlte sich durch die Scharen von Schaulustigen so belästigt, daß er, nachdem er das Bild nicht hatte abputzen können, den ganzen Fensterrahmen entfernte.
Human Nature, Juni 1871 - Nachdruck eines Artikels der Chicago Times - ein von zwei Mietern namens Horner und Ashley bewohntes Haus in Milan, Ohio. Auf den Fensterscheiben sind Flecken erschienen, als sei Wasser mit Teer oder Rohöl vermischt worden - Umrisse menschlicher Gesichter schälten sich heraus. New York Times, 18. Januar 1871 - in Sandusky und Cincinnati, Ohio, seien Bilder von Frauen auf Fensterscheiben erschienen.
Man könnte nun denken, daß alle diese Geschichten auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, und zwar auf die Kontroverse um die Geisterphotographien, die um 1870 sowohl in Europa als auch in Amerika Gegenstand inbrünstigen Glaubens beziehungsweise Unglaubens war. Obwohl sich mittlerweile das verhängnisvolle Wissen um die Möglichkeiten von Doppelbelichtungen herumgesprochen hat, wurde in dieser Kontroverse, die bis heute nicht beendet ist, nicht geklärt, ob die menschliche Phantasie eine photographische Platte beeinflussen kann.
Ich neige zu der Ansicht, daß fast alle Geisterphotographien Fälschungen waren, daß es aber einige wenige vielleicht doch nicht waren - daß keine Geister zugegen waren, sondern daß gelegentlich oder sehr selten ein ganz und gar ungespenstisches Medium aufgrund seines tiefen Glaubens an Geister aus seinen Visualisierungen heraus etwas Gespensterähnliches hervorgebracht hat, das von der Kamera festgehalten worden ist.
Gegen die Erklärung, daß die Geschichten über Bilder auf Fensterscheiben wahrscheinlich ihren Ursprung in den Narrheiten in Zusammenhang mit der Gespensterphotographie hatte, möchte ich einwenden, daß ähnliche Geschichten schon Jahrhunderte vor der Erfindung der Photographie in Umlauf waren. Einen Bericht über Zeichnungen von Kreuzen, die nicht auf Fensterscheiben, sondern auf der Kleidung von Menschen erschienen sind, finden Sie in Notes and Queries vom 2. April 1892, das sich auf Joseph Grünpechs Werk Speculum Naturalis Coelestis beruft.
"Nach dem Tod des Dekan Vaughan aus Llandaff ist an der Wand der Kathedrale von Llandaff plötzlich ein großer feuchter Fleck erschienen, vielleicht auch aus winzigen Pilzen bestehend, der sich zu einem lebensechten Bildnis des Gesichts des Dekans entwickelt hat" (Notes and Queries, 8. Februar 1902).
In diesem ganzen Buch richten sich meine Ansichten oder Voreingenommenheiten oder Scheinheiligkeiten gegen Gespenster- Interpretationen oder die Versicherung, daß Geister längere Zeit unabhängig vom menschlichen Körper existieren könnten. Ich kann mir aber vorstellen, daß Geistesinhalte sich vorübergehend vom Körper lösen, und das kommt einem Akzeptieren der Existenz von Gespenstern sehr nahe.
Ich bin der Ansicht, daß Dekan Vaughan verstorben ist und sich spurlos aufgelöst hat wie ein geschmolzener Eisberg oder wie eine erloschene Flamme, daß aber intensive Visualisierungen seiner Person durch Angehörige seiner Gemeinde sich womöglich in Form eines Abbildes an der Wand der Kirche niedergeschlagen haben.
Von den Berichten ausgehend, die am 17. Juli 1892 und am 20. Juli 1892 im Londoner Daily Express erschienen sind, könnte jeder, der sich das gern vorstellen will, auf die Idee kommen, daß im Sommer 1923 in England ein künstlerisch begabter Zauberer unterwegs war, der hier und dort seine Begabung unter Beweis gestellt hat. Jemand oder etwas hat möglicherweise in Kirchen Bilder auf Wände und Säulen gedruckt. Der erste Bericht besagte, daß an einer Wand der Christ Church in Oxford das Bildnis eines berühmten und schon lange verstorbenen Kirchenmannes aus Oxford, Dekan Liddell, erschienen war. Aus Bath, Bristol und Uphill, Somerset, sind weitere Berichte eingegangen. In Bath - es handelte sich um die alte Abtei von Bath - ist das Abbild eines Soldaten erschienen, der sein Marschgepäck trug. Die Verwalter der Abtei haben das Bild abgekratzt, aber das Porträt in Oxford wurde nicht angetastet.
Im Londoner T. P.'s and Cassell's Weekly vom September 1926 ist eine Beschreibung des Porträts an der Wand der Christ Church in Oxford abgedruckt, wie es drei Jahre später ausgesehen hat. Es sei eine "getreuliche und unverkennbare Darstellung des Antlitzes des verstorbenen Dekan Liddell, der im Jahre 1898 verstorben ist." - "Man braucht gar nicht viel Phantasie, um den ganzen Kopf daraus zu rekonstruieren. Es ist ohne Schnörkel auf die Wand gemalt, wie es ein großer Künstler wohl vermocht hätte. Aber es ist nicht eingeätzt; und es ist nicht nur eine Zeichnung und auch keine Skulptur, sondern auf die Fläche gemalt und für jedermann zu sehen."
Es scheint fast so, als würden wir, nachdem wir mit einer Geschichte über Jungfrauen begonnen haben, schließlich doch noch zum Wundersamen kommen. Akzeptieren Sie, daß es eine ganz alltägliche Art von Hexerei gibt, die Telepathie genannt wird und mit deren Hilfe Bilder von einem Kopf in einen anderen transportiert werden können, und schon haben wir die unglaublichen Geschichten über die Abbilder auf Hagelkörnern, Fensterscheiben und anderen Materialien aufs Alltägliche reduziert.
Wir stellen uns vor, daß manche Menschen vielleicht gelernt haben, den telepathischen Prozeß zu erweitern, so daß sie nunmehr auch Bilder auf verschiedene Materialien transportieren können. Soweit meine eigenen Erfahrungen gefragt sind, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob Telepathie existiert. Wenn ich mir die vielen Aufzeichnungen ansehe, die ich zu flüchtigen Eindrücken gemacht habe, die gekommen und gegangen sind, während ich an etwas anderes gedacht habe, dann möchte ich es fast glauben. Ich habe oft damit experimentiert. Wenn ich dazu neige zu glauben, daß Telepathie existiert, dann überzeugen mich die Experimente, daß sie existiert. Wenn ich die Experimente noch einmal durchdenke und zu der Ansicht neige, daß sie nicht beweiskräftig sind, dann weisen sie darauf hin, daß es Telepathie nicht gibt.
New York Sun, 16. Januar 1929 - Hunderte von Menschen stehen oder knien nachts vor der Tür der St. Ann's Roman Catholic Church in Keansburg, New Jersey. Auf der dunklen Eichentür haben sie die Gestalt einer Frau gesehen oder zu sehen geglaubt. Die Frau habe wehende weiße Gewänder getragen und von innen heraus gestrahlt. Der Pastor der Kirche, Reverend Thomas A. Kearney, wurde befragt. "Ich glaube nicht, daß es ein Wunder ist oder daß es einen übernatürlichen Hintergrund gibt. Wie ich es sehe, handelt es sich ohne Zweifel um eine umrißhaft dargestellte menschliche Gestalt in weißen Gewändern, die ein Licht ausstrahlt. Es ist wie ein sehr schwacher Kinofilm, der unzureichend belichtet wurde und auf dem die Umrisse der dargestellten Person und die Einzelheiten kaum auszumachen sind. Aber es scheint eindeutig zu existieren."
Oder die Bilder auf den Hagelkörnern - und die Verletzungen, die auf den Körpern von Menschen aufgetaucht sind. Im Namen des ewigen Wenn, das die Ernsthaftigkeit jeder Theorie in jedem Lehrbuch in Frage stellt und gar nicht so weit von allen meinen Daten entfernt daheim ist - wir können uns vorstellen, daß mit Hilfe imaginativer Mittel, die zur Zeit noch nicht verstanden werden, in Japan und Deutschland und beim Abbiegen von der Coventry Street in London auf den Körpern von Menschen Verletzungen erschienen sind, falls wir akzeptieren können, daß auf vergleichbare Weise Bilder auf Hagelkörnern, Fensterscheiben und an anderen Stellen erschienen sind. Und wir können uns vorstellen, daß Bilder auf Hagelkörnern erschienen sind, falls wir uns vorstellen können, daß in Japan und an anderen Orten auf den Körpern von Menschen Verletzungen erschienen sind. Gelobt sei der Zirkelschluß!
Soweit es die Lösbarkeit-Unlösbarkeit von Problemen zuläßt, entspricht es meiner Methode, nicht zu versuchen, Probleme in dem spezialisierten Bereich zu lösen, in dem ich auf sie stoße; wenn ich beispielsweise auf ein Rätsel stoße, das die Spiritisten für sich in Anspruch genommen haben, sehe ich mich vielmehr aufmerksam nach Daten aus chemischen, zoologischen, meteorologischen, soziologischen oder entomologischen Quellen um, die von Bedeutung sein könnten - und natürlich werde ich immer fündig, weil sich zu allen elektrischen oder planetarischen Phänomenen Analogien in biologischen, ethischen oder politischen Phänomenen finden lassen. Wir werden eine weitere Reise machen und sogar ungeborene Kinder betrachten, um Hagelkörner vernünftig erscheinen zu lassen.
So viele Ketzereien stecken in mir - neben meinen beinahe unglaublichen Glaubwürdigkeiten - oder Pseudo-Glaubwürdigkeiten, da ich doch mein Bewußtsein vom Glauben befreit habe -, daß ich meine Anwandlungen von Unglauben oder auch Erleuchtung meist nicht zu ihren Ursprüngen zurückverfolgen kann. Aber ich erinnere mich noch genau, wie ich an der konventionellen Wissenschaft zu zweifeln begann, weil sie die Existenz von pränatalen Muttermalen bestritten hat. Ich habe Dr. Weismanns Buch über das Thema gelesen, und die Argumente, die er gegen die Möglichkeit vorgeburtlicher Male ins Feld führte, haben mich davon überzeugt, daß sie wohl ohne weiteres vorkommen können.
Dieser Abfall vom Glauben hat mich einiges gekostet. Bevor ich Dr. Weismanns Buch gelesen hatte, hatte ich mich Bauern oder dem "Mann auf der Straße", wie Philosophen ihn nennen, überlegen gefühlt, weil diese einfachen Menschen glauben, eine schwangere Frau, die sich ängstigt, könne auf ihre ungeborenen Kinder die Abbilder von Ratten, Spinnen oder was auch sonst übertragen; oder daß sie beispielsweise, wenn sie einen Heißhunger auf Erdbeeren bekommt, ihre Leibesfrüchte entsprechend kennzeichnet, was früher einmal Anlaß zu großer Melodramatik gegeben hat.
Ich weiß nichts von Ratten und Erdbeeren, aber Dr. Weismann hat von einer Frau mit einem auffällig mißgestalteten Ohr berichtet, deren Kind ähnlich gekennzeichnet war. Er brachte das Argument vor, daß Tausende von Frauen auf unterschiedliche Weise entstellt sind und daß Tausende von Kindern entstellt sind, so daß es nicht seltsam sei, wenn die Entstellung eines Kindes derjenigen eines Elternteils entspricht. Mit diesem Argument hat er bemerkenswerte Fälle erledigt, und das hat bei mir einen Bewußtseinszustand erzeugt, den ich später noch oft erlebt habe: Er beruht auf der Vorstellung, daß ein großer Teil der geistigen Entwicklung einen Aufstieg hinab zum Bäuerlichen darstellt.
Wenn es vorgeburtliche Zeichen gibt und soweit ich Dr. Weismanns Einwände richtig deute, muß es sie geben - und wenn sie geistigen Ursprungs sind, dann ist mein Bewußtsein offen für die Idee, daß andere - noch nachdrücklicher verdammte Geschichten über eigenartige Zeichen - auf ähnliche Weise erklärbar sind. Wenn ein konventioneller Arzt mit Verachtung reagiert, sobald er von einem Kind hört, das vor der Geburt gezeichnet worden sei, dann würde ich gern seine Ansicht zu einer Geschichte hören, die ich dem Londoner Daily Express vom 14. Mai 1921 entnehme. Ein in der französischen Stadt Nizza geborenes Kätzchen - auf dem weißen Bauch ist in grauen Zahlen deutlich die Jahreszahl 1921 zu erkennen - die Katzenmutter hatte wahrscheinlich intensiv einen Kalender angestarrt, der dieses Datum zeigte. "Oder eine Zeitung gelesen?" fragt der erwähnte Doktor voller Verachtung und erklärt mir, wenn ich schon daran glaube, daß es sprechende Hunde gibt, dann sei es sowieso nur noch eine kleine "Erweiterung", wie ich es nenne, zu denken, daß es gebildete Katzen gibt, die über das Tagesgeschehen auf dem laufenden bleiben wollen.
Die Londoner Sunday News vom 3. August 1926 - "Die vier Jahre alte Dorothy Parrot, die Tochter von R. S. Parrot aus Winget Mill in Georgia, hatte einen großen roten Fleck auf dem Körper. Aus diesem Fleck haben sich die drei Buchstaben R, I und C gebildet. Die Ärzte haben keine Erklärung dafür."
Der Londoner Daily Express vom 17. November 1913 - Phänomene in Zusammenhang mit einem 12jährigen Mädchen, das im Dorf Bussus-Bus-Suel in der Nähe von Abbeville in Frankreich lebte. Wenn man ihr Fragen stellte, haben sich die Antworten in Form von Buchstaben auf Armen, Beinen und Schultern abgezeichnet. Auf ihrem Leib sind Abbilder einer Leiter, eines Hundes und eines Pferdes erschienen.
Im September 1926 wurde das rumänische Mädchen Eleonore Zegun zur Beobachtung in das Londoner National Laboratory for Psychical Research eingewiesen. Gräfin Wassilko-Serecki, die das Mädchen nach London gebracht hatte, sagte in einem Interview des Londoner Evening Standard vom 1. Oktober 1926, sie habe das Wort Dracu auf einem Arm des Mädchens erscheinen sehen. Dracu ist das rumänische Wort für "Teufel".
Oder nehmen wir die Flammenschrift an der Wand - und warum rücke ich nicht gleich mit allen oder jedenfalls einer ganzen Reihe der Geschichten aus der Bibel heraus? Auf diese Weise werde ich gewiß einen Ehrentitel bekommen: Verteidiger wenigstens eines Teils des Glaubens.
Ich habe in den letzten Jahren vieles bemerkt, was bei mir den Eindruck hinterlassen hat, daß die Vertreter der Religion zahlreiche Phänomene als ausschließlich ihrem Bereich zugehörig in Beschlag genommen haben - worauf sie die Phänomene verfälscht und mit ihren emotionalen Erklärungen diskreditiert haben; ich denke aber, daß manche Ereignisse eines Tages vor den theologischen Interpretationen und Ausbeutungen gerettet werden und die Grundlage bilden werden für -
Neue Erleuchtungen und neue Dogmen, neue Fortschritte, Täuschungen, Freiheiten und Tyranneien.
Ich neige dazu, viele Geschichten über Wunder zu akzeptieren, aber ich denke mir, daß diese Wunder auch geschehen wären, wenn die Erde von Atheisten bewohnt wäre.
Für mich ist die Bibel Folklore und deshalb keine reine Phantasie, sondern eine Zusammenstellung vieler Dinge, die eines Tages rehabilitiert sein werden. Aber zugleich existiert die Bibel für mich nicht. Ich meine damit, daß ich in meinen früheren Schriften im Jahre 1800 eine Grenzlinie für meine Daten gezogen habe. Wahrscheinlich werde ich die Grenze bis ins Jahr 1850 oder sogar bis 1900 anheben.
Ich will mich prinzipiell nicht mit Wundern beschäftigen. Ich beschäftige mich mit Wiederholungen oder mit dem mitunter beinahe Alltäglichen. Ich habe nicht den Wunsch, in uralte Zeiten zurückzugehen, um Daten zu gewinnen, weil diese Daten, soweit die Phänomene nicht heute noch auftreten, nur von historischem Interesse sind. Es gibt derzeit schon viel zuviel Geschichte.
Eine Schrift an der Wand - ich habe mehrere Berichte darüber: Aber wenn jemand neugierig genug ist, in dieser Angelegenheit selbst nachzulesen, dann wird er einen fast akzeptablen Bericht in der Aussage der Esther Cox aus Amherst, Nova Scotia, finden. Ihr Fall ist sehr bekannt geworden, und man kann sagen, daß er sehr gut überprüft worden ist, soweit man überhaupt sagen kann, daß jemals ein Fall von irgend etwas mehr als nur flüchtig betrachtet oder mehr als peinlich genau untersucht und gründlich studiert worden ist, um jemandes Theorie zu stützen.
Wenn ich von einer Frau erzählen sollte, die durch geistige Abbildungen nicht nur den Körper ihres ungeborenen Kindes gezeichnet, sondern sich sogar selbst das Aussehen eines Tigers oder eines Laternenpfahls gegeben hat - oder von einem Zauberer, der begonnen hat, Waldszenen auf Fensterscheiben zu malen und dabei gelernt hat, sich in einen Werhirsch oder einen Werbaum zu verwandeln -, dann würde ich von einer Art Hexerei erzählen, die ein recht häufiges Phänomen war.
Ich habe ein Exemplar. Es ist ein Wandelndes Blatt aus Ceylon. Es ist ein Wer-Blatt. Die Ähnlichkeit dieses Insekts mit einem Blatt ist so verblüffend groß, daß man nicht mehr von einer zufälligen Ähnlichkeit reden kann.
Es gibt Schmetterlinge, die mit geschlossenen Flügeln einem vertrockneten Blatt so ählich sehen, daß sie schon aus ein paar Fuß Entfernung nicht mehr vom Laub zu unterscheiden sind. Es gibt Baumheuschrecken, die aussehen wie Dornen, es gibt Stabheuschrecken, Aschekäfer und Spinnen, die aussehen wie knospende Blüten. Sie sind alle äußerst realistische Nachbildungen, durchaus dem vergleichbar, was der Autor, der das Porträt des Dekan Liddell an der Wand der Kirche beschrieb, als Meisterwerk bezeichnet hat.
Es gibt für dieses Wunder so viele Beispiele, daß ich jetzt die Theorie entwickle, daß die Menschen sich nicht aus niederen Tieren entwickelt haben, sondern daß in früheren Zeiten, als vieles in Bewegung war, ein menschliches Wesen von irgendwo auf der Erde erschienen ist und daß viele Arten von Tieren es als Vorbild nahmen und ungeschickt und grotesk seine Erscheinung nachgebildet haben, so daß heute die Affen im Kongo und in Chicago bloße Karikaturen und wir anderen bestenfalls halbwegs passable Nachbildungen echter menschlicher Wesen sind.
Die konventionelle Erklärung für das Wandelnde Blatt ist beispielsweise die, daß vor langer Zeit einmal eine Insektenart den Blättern der Bäume geähnelt hat und daß die Exemplare, die den Blättern am ähnlichsten waren, die größten Überlebenschancen hatten und daß in den folgenden Generationen eine noch bessere Annäherung einen noch besseren Schutz vor den getäuschten Feinden geboten hat.
Eine Intelligenz von irgendwo, die nicht besonders vertraut mit menschlichen Wesen ist - oder was auch immer wir sind -, die aber die Bildergalerien der Erde kennt, könnte, vom Darwinismus ausgehend, den Ursprung der Bilder auf ähnliche Weise erklären - daß Leinwände mit zufälligen Farbgebungen aufgetaucht sind; daß die Färbungen, die am ehesten etwas darzustellen schienen, besonders gut geschützt waren und daß noch bessere Annäherungen noch bessere Chancen hatten, so daß sich schließlich höchst realistische Bilder entwickelt haben, obwohl die Maler überhaupt keine bestimmte Absicht verfolgt und mitnichten gewußt haben, was sie taten -
Was natürlich im Gegensatz zu unserem Wissen über Maler steht, die nicht nur bewußt tun, was sie tun, sondern die wahrscheinlich auch allen anderen bewußt machen wollen, was sie selbst bewußt vollbracht haben.
Es ist nicht damit getan, daß die Hände von Künstlern Bilder auf Leinwand gemalt hätten, sondern es ist vielmehr so, daß Künstler auf Leinwand ihre inneren Bilder verwirklicht haben. Aber auch ohne Beteiligung von Künstlerhänden sind verblüffend realistische Bilder und hervorragend nachempfundene Formen entstanden. Es kann sein, daß wir für Kreuze auf Fensterscheiben, Bilder auf Hagelkörnern, Gesichter auf Kirchenwänden, vorgeburtliche Zeichen, Stigmata, telepathische Übertragungen von Bildern und blattförmige Insekten eine gemeinsame Ansicht finden.
Für den Kirchenmann, der die Geschichte der Hagelkörner in Remiremont erzählt hat, war der wichtigste Aspekt der, daß der Stadtrat ein paar Tage vorher einen religiösen Umzug verboten hatte und daß es, als die Hagelkörner niedergegangen sind, in Remiremont religiöse Unruhen gegeben hat.
English Mechanic, 87-436 - Abbé Gueniot aus Remiremont berichtet folgendes:
Daß sich der Abbé am Nachmittag des 26. Mai 1907 in seiner Bibliothek aufgehalten hat. Ihm sei bewußt gewesen, daß draußen ein Hagelschauer niederging, doch er habe nicht weiter darauf geachtet, bis ihn eine seinem Haushalt angehörende Frau gerufen habe, er möge sich die außergewöhnlichen Hagelkörner ansehen, die da herunterkamen. Sie habe ihm berichtet, daß auf den Hagelkörnern die Abbilder einer bestimmten Schutzheiligen zu sehen wären.
"Um sie zufriedenzustellen, habe ich einen flüchtigen Blick auf die Hagelkörner geworfen, die sie in der Hand hatte. Aber da ich nichts zu sehen beabsichtigt habe und ohne meine Brille sowieso nichts erkennen konnte, wollte ich mich wieder meinem Buch zuwenden. Doch sie drängte mich: 'Ich bitte Euch, setzt doch Eure Brille auf.' Ich tat es und sah auf der Vorderseite der Hagelkörner, die im Zentrum leicht konvex und an den Rändern etwas unregelmäßig waren, ganz deutlich das Bildnis einer Frau. Sie trug ein Gewand, das unten umgeschlagen war wie der Talar eines Priesters. Vielleicht sollte ich das Bildnis etwas genauer beschreiben und sagen, daß die Frau unserer Jungfrau der Einsiedler ähnlich sah. Rings um die Bilder lief eine Art Rinne, als seien sie mit einem Stempel aufgeprägt worden, aber sie waren kräftig gezeichnet. Mademoiselle André wollte mich auf gewisse Details der Kleidung aufmerksam machen, doch ich habe mich geweigert, es mir länger anzusehen. Ich schämte mich wegen meiner Leichtgläubigkeit, denn ich war sicher, daß die Heilige Jungfrau sich wohl kaum mit solchen Photographien auf Hagelkörnern beschäftigen würde. Ich sagte: 'Aber sehen Sie nicht, daß diese Hagelkörner auf Pflanzen gefallen sind und dort Abdrücke bekommen haben? Schaffen Sie sie fort, ich kann damit nichts anfangen.' Ich wandte mich wieder meinem Buch zu, ohne weiter darüber nachzudenken. Nur über die einzigartige Form der Hagelkörner machte ich mir gewisse Gedanken. Ich hob dann noch einmal drei von ihnen auf, ohne näher hinzusehen. Sie wogen zwischen sechs und sieben Unzen. Eines von ihnen war vollkommen rund. Es kam mir vor wie ein Ball, mit dem Kinder spielen. Rundherum lief eine Naht, als wäre es in einer Form gegossen worden."
Dann die Schlußfolgerungen des Abbé:
"Und wenn ihr Weisen euch noch soviel Mühe gebt, diese Tatsachen mit natürlichen Ursachen zu erklären, ihr werdet keinen Erfolg haben." Er glaubt, die himmlische Artillerie sei gegen den unfrommen Stadtrat gerichtet worden. Aber Menschen mit Kohl im Garten haben mehr Schaden erlitten als unfromme Zeitgenossen.
"Besonders bemerkenswert erschien die Tatsache, daß die Hagelkörner, die entsprechend der Gesetze der Fallbeschleunigung hätten herunterprasseln müssen, allem Anschein nach aus einer Höhe von nur wenigen Yards herabgefallen sind." Aber andere, nicht markierte Hagelkörner haben beim gleichen Sturm erheblichen Schaden angerichtet. Der Abbé sagt, viele Menschen hätten die Bilder gesehen. Er hat die Unterschriften von fünfzig Personen gesammelt, die versicherten, daß sie den Vorfall bezeugen könnten.
Mir fallen hier mehrere Details auf. Einmal das Hagelkorn mit einer Naht rundherum, als wäre es in einer Form gegossen worden. Das sieht aus, als hätte ein Schwindler oder ein besonders frommer Mensch - der gut vorbereitet war und wie ein Prophet im voraus wußte, daß ein Schauer mit außergewöhnlich großen Hagelkörnern kommen würde - Eisbrocken in einer Form gepreßt und bedruckt.
Allerdings gibt es noch zahlreiche andere Berichte über große Hagelkörner, die Rinnen oder Nähte hatten.
Ein weiteres Detail betrifft eine Tatsache, von welcher der Abbé Gueniot vermutlich noch nie gehört hat. Langsam fallende Gegenstände spielen in vielen Geschichten über okkulte Ereignisse eine Rolle, aber obwohl ich seit mehr als zehn Jahren verstärkt auf solche Berichte achte, habe ich unter Hunderten oder Tausenden Meldungen zu Hagelschauern nur ein halbes Dutzend Angaben zu langsam fallenden Hagelkörnern gefunden.
In English Mechanic, 87-507, steht noch mehr zu diesem Thema. Es heißt, nach Angaben der Zeitungen aus Remiremont hätten sich die "Abdrücke" im Innern der Hagelkörner oder auf den Bruchflächen gespaltener Hagelkörner befunden. 107 Personen hätten dies beim Bischof von Sainte-Dié bezeugt. Mehrere Wissenschaftler, darunter Monsieur de Lapparent, der Sekretär der Adadémie Française, seien konsultiert worden. Monsieur de Lapparent vertrat die Ansicht, ein Blitz hätte ein Medaillon der Jungfrau Maria getroffen und ihr Abbild auf die Hagelkörner vervielfältigt.
Ich bin noch nie auf die Mutmaßung gestoßen, daß ein Blitz zahlreiche Abbilder oder Abdrucke herstellen kann. Die Geschichten über Blitzbilder sind unbefriedigend, weil es sich meist nur um die vermeintlichen Abbilder der Blätter eines Baumes handelt, die sich, wenn man nachforscht, als gegabelte Maserungen entpuppen, die einem Blatt überhaupt nicht ähnlich sehen.
Ich kann keine weiteren Angaben zu Hagelkörnern finden, die von Blitzen oder sonst etwas mit Bildern versehen worden wären. Es wäre schon ein großer Zufall, wenn zur Zeit einer religiösen Auseinandersetzung in Remiremont ein Blitz den einzigen bekannten oder berichteten Fall von Bildern auf Hagelkörnern produziert und dabei ausgerechnet religiöse Motive gewählt hätte. Aber daß die religiöse Aufregung eine Menge mit den religiösen Bildern auf den Hagelkörnern zu tun hatte, das kann ich mir gut vorstellen.
Kapitel 19
Die Astronomen geben Erklärungen über Dinge ab, die man mit Teleskopen nicht sehen kann. Die Physiker geben Erklärungen über Entdeckungen ab, die man unter dem Mikroskop nicht sehen kann. Ich frage mich, ob man mir wirklich vorwerfen kann, daß meine Geschichten sich um Unsichtbares drehen.
Ich bin sensationslüstern.
Und da soll man glauben, daß die moderne Wissenschaft, die mein wichtigster Gegner sein soll, sich von mir und meinen Methoden stark unterscheidet.
Im Dezember 1931 gab Dr. Humason vom Mount Wilson Observatory seine Entdeckung bekannt, daß zwei Nebel sich mit einer Geschwindigkeit von 15 000 Meilen pro Sekunde von der Erde weg bewegten. Das war rasend schnell. Professor Hubble hatte im Jahre 1930 mit der Bekanntgabe seiner Entdeckung begonnen, daß zwei Nebel sich mit - oh, bloß mit 2000 oder 3000 Meilen pro Sekunde entfernen würden. Im März 1931 hielt jemand den Rekord mit einem Nebel, der 8000 Meilen pro Sekunde schaffte. Während ich dies schreibe, liegt Dr. Humason vorn.
Wenn ein Reporter eines Sensationsblatts erklärt, er habe sich mit Methoden, die eigentlich nicht dazu geeignet sind, "vergewissert", daß mehr oder weniger schemenhafte Zeitgenossen irgend etwas getan hätten, dann nennt man das Sensationsjournalismus.
Ich stelle fest, daß Dr. Hubble und Dr. Humason ihre Verkündigungen auf einer Grundlage formuliert haben, die eigentlich nicht dazu geeignet war.
In der New York Herald Tribune vom 6. Januar 1932 hat man Dr. Charles B. Davenport von der Abteilung für Genetik am Carnegie Institut nur vier Zoll Platz für eine jener Gefahren eingeräumt, die sonst ganze Titelseiten einnehmen: Eine unbekannte Krankheit, die womöglich die ganze Menschheit auslöschen wird. "Irgendwann in der Zukunft werden unsere stolzen Wolkenkratzer vielleicht von Fledermäusen bewohnt sein, und die Schließfächer in den Tresorräumen unserer Städte werden wilden Tieren als Höhle dienen." Die unbekannte Krankheit gehört einer antiquierten Art des Journalismus an. Ich blicke zu meiner eigenen Ansicht über das Auftauchen von Werwesen in den Straßen von New York zurück -
Ich habe hier eine kleine Geschichte, die mir gefällt - nicht so sehr, weil ich glaube, daß ich endlich meinen professoralen Rivalen eins auswischen kann, sondern weil ich glaube, an ihr genau jene detektivischen Fähigkeiten erproben zu können, die jeder Mensch, professionelle Dektive eingeschlossen, angeblich besitzt. Meinen Fähigkeiten entsprechend, rekonstruiere ich einen Vorfall, der sich am 1. Dezember 1890 in der Nähe der englischen Stadt Wolverhampton zugetragen hat. Der Teil der Geschichte, zu dem ich keine Angaben habe - das ist der hypothetische Teil - sieht so aus, daß zu dieser Zeit in der Nähe von Wolverhampton ein junger Mann gelebt hat, der große Qualen litt. Er war ein anständiger junger Mann. Natürlich war er das nicht wirklich, weil nichts wirklich ist. Aber er war nahe daran. Obwohl er seit Monaten keine Reisen unternommen hatte, war er von einer Szene, die er sich ausmalte, wie besessen. Er sah sich selbst in einem Eisenbahnabteil mit einer Frau unschickliche Dinge anstellen. Es gab noch ein anderes Rätsel. Jemand hatte ihn aufgefordert zu erklären, wo er sich am 1. Dezember aufgehalten habe, während er selbst sicher war, überhaupt nicht gereist zu sein - und doch - aber er konnte die beiden Rätsel nicht zusammenbringen.
Am Donnerstag vor dem 6. Dezember 1890 - schlagen Sie es in der Birmingham Daily Post vom 6. Dezember nach - reiste eine Frau allein in einem Abteil eines Zuges von Wolverhampton nach Snow Hill. Meiner Rekonstruktion zufolge begann sie, über schändliches Verhalten wollüstiger Männer gegenüber allein reisenden Frauen in Eisenbahnabteilen nachzudenken.
Der Teil der Geschichte, den ich der Birmingham Post entnehme, besagt, daß aus einem Zug, der gerade durch den Bahnhof Soho gefahren war, eine Frau gestürzt sei. Sie gab ihren Namen als Matilda Crawford an und erklärte, ein junger Mann habe sie belästigt. Ein seltsames Detail war ihre Behauptung, sie sei nicht selbst aus dem Zug gesprungen, sondern der Angreifer habe sie durch ein Fenster hinausgestoßen.
Im Nachbarabteil hatte ein Detektiv gesessen. Er sagte im Rahmen der Ermittlungen aus, daß - soweit er zusteigende und aussteigende Fahrgäste hatte beobachten können - niemand zusammen mit dieser Frau im Abteil gewesen sei.
Am 23. Januar 1932 veröffentlichte die New York Herald Tribune eine Erklärung von Dr. Frederick B. Robinson, dem Präsidenten des New York City College, über einige von uns sensationslüsternen Zeitgenossen:
"'Professoren stehen im Licht der Öffentlichkeit meist nicht besonders gut da', sagte Dr. Robinson. 'Sie führen ein behütetes Leben', fuhr er fort, 'und sehnen sich nach öffentlicher Anerkennung. Manchmal verschaffen sie sich derlei auf Kosten ihres College. Gewiß wurde der Ruf einer großen Bildungseinrichtung in Neuengland nicht gemehrt, als sich einer ihrer Professoren zu einer Reihe von öffentlichkeitswirksamen Taten hinreißen ließ, deren erste darin bestand, jungen Männern den feierlichen Rat zu geben, sich wie Snobs zu gebärden.'"
Auf einer Sitzung der American Chemical Society in Buffalo, New York, am 3. September 1931 hat Dr. William Engleback von Fällen berichtet, in denen durch Verabreichung von Drüsenextrakten die Größe zwergwüchsiger Kinder um ein oder zwei Zoll zugenommen habe. Er bekam für die Verkündigung dieses schönen kleinen Wunders ein paar Zoll Platz in der Zeitung. New York Times, 16. Dezember 1931 - eine Sitzung des Institute of Advanced Education im Roerich Museum in New York - ein etwas größeres Wunder. Ich habe nachgemessen. Dr. Louis Berman hat elf Zoll Platz in der Zeitung bekommen. Dr. Berman hat erklärt, die Hexenmeister seines Kultes - die Endokrinologen - könnten Menschen von 16 Fuß Größe erzeugen.
Eine Sitzung der American Association for the Advancement of Science in New Orleans im Dezember 1931 - Bericht über die Arbeit des Dr. Richard P. Strong von der Harvard Medical School in der Frage der Fadenwürmer, die in menschlichen Körpern hausen - und ein Versuch, die Angelegenheit interessanter zu machen. Ein altes Rätsel sei gelöst worden - die biblische Geschichte über die feuerspeienden Schlangen sei endlich aufgeklärt. Zwischen den winzigen Würmern und den großen feuerspeienden Biestern, die, wie wir hören, Menschen geschnappt haben, besteht keine größere Ähnlichkeit als zwischen einer Raupe und einem rotglühenden Elefanten. Aber die Fadenwürmer waren als die feuerspeienden Ungeheuer der Antike "identifiziert" worden, und das galt als gute Geschichte, die viel Platz in den Zeitungen bekam. Andererseits können Sie einen wenig schmeichelhaften Kommentar in der New York Herald Tribune vom 5. Januar 1932 finden.
In gewisser Weise finde ich Bestätigung. New York Sun, 9. Oktober 1931 - daß Captain Neil Curry kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg von Liverpool nach San Francisco gesegelt ist. Das Schiff geriet ungefähr 1500 Meilen vor der Westküste Mexikos in Brand. Der Kapitän, seine Frau und zwei Kinder sowie zweiunddreißig Besatzungsmitglieder wechselten in drei kleine Boote und versuchten, das Festland zu erreichen. Dann lesen wir Details über den Wassermangel.
"Ein wahres Wunder!" Mitten auf dem Meer befanden sie sich plötzlich in einer Ansammlung von Süßwasser.
Ich notiere die Aussage, daß Captain Curry das Süßwasser nicht aufgrund irgendeiner Bewegung im Wasser gefunden hat, sondern weil es grün gefärbt war und sich vom blau gefärbten Salzwasser abgehoben hat.
Ich habe an Captain Curry geschrieben, der zu dieser Zeit in Emporia, Kansas, gelebt hat, und bekam unter dem 21. Oktober 1931 eine Antwort von ihm. Er schrieb mir, der Bericht in der Sun sei korrekt, nur der Zeitpunkt sei falsch wiedergegeben worden, da sich dieses Ereignis im Jahre 1881 zugetragen habe.
Ein ganz anderes und zugleich auch verblüffend ähnliches Erlebnis entnehme ich Dr. Richardsons Journal, aus dem Sir John Franklin in Narrative of a Journey to the Polar Sea auf Seite 157 zitiert - die Geschichte dreht sich um einen jungen Chippewa-Indianer. Seine Frau war gestorben, und er versuchte, sein neugeborenes Kind zu retten. "Um das schreiende Kind zu beruhigen, legte er es sich an die Brust und betete ernsthaft zum großen Herrn des Lebens, ihm beizustehen. Die leidenschaftliche Kraft der Anrufung zeigte in diesem Fall eine gewisse Wirkung, wie es auch schon in anderen aufgezeichneten Fällen geschehen ist: Aus seiner Brust floß tatsächlich Milch."
Ein dringendes Bedürfnis nach Wasser - und es kann sein, daß als Reaktion auf das Leiden der Menschen das Wasser transportiert worden ist. Aber es gibt andere Fälle, wo Menschen dringend Wasser gebraucht haben und dennoch gestorben sind. Vielleicht hat es auch Situationen gegeben, in denen flehende Gebete um Wasser eher auf den Tod als aufs Leben gezielt haben.
New York Sun, 4. Februar 1892 - daß die Verwandten der Frances Burke aus Dunkirk, New York, das Mädchen nach der Beerdigung exhumieren ließen, weil sie glaubten, es sei nur in Trance gewesen. Das Mädchen war tot, aber der Sarg war voller Wasser. Der Leichenbeschauer vertrat die Ansicht, das Mädchen sei bei lebendigem Leibe begraben worden und im Sarg ertrunken. Es wird nicht spekuliert, woher das Wasser gekommen sein könnte.
Kapitel 20
Die Bedeutung des Unsichtbaren -
Daß ich inmitten von Eßbarem verhungern könnte, wenn es nicht die unsichtbare Fähigkeit der Beweglichkeit gäbe, dank derer ich gehen und es mir holen kann, und wenn es nicht die unberührbaren und unsichtbaren Vorgänge gäbe, mit denen ich es verdaue -
Daß ein störrischer, entschiedener Materialist, der alles Unsichtbare und Unberührbare zurückweist, in einer Phantom-Existenz lebt, aus der er scheiden müßte, wenn er nicht durch Unsichtbares am Leben gehalten würde -
Die Körperwärme - und er hat die Wärme noch nie gesehen.
Seine eigenen unsichtbaren Gedanken, mit denen er die Existenz des Unsichtbaren in Abrede stellt.
Niemand hat bisher Dampf gesehen. Elektrizität ist unsichtbar. Die Physik ist als Wissenschaft der reinste Okkultismus. Experten für die Nutzanwendung von Dampf und Elektrizität sind Hexer. Wir bezeichnen ihre Praktiken meist nicht als Hexerei, aber wir sind uns sicher, was man in den früheren Stadien des Mittelalters, in dem wir leben, über sie gesagt hätte.
Mit dem "Okkulten" oder dem, was man das "Übernatürliche" nennt, meine ich etwas wie die Erfahrungen, die einige meiner Bekannten einmal gemacht haben.
Ein Nachbar hat Tauben gehalten, die auf meiner Fensterbank herumgelaufen sind. Sie wären gern hereingekommen, haben aber wochenlang nur die Hälse gereckt und waren zu ängstlich. Ich wollte, daß sie hereinkämen. Ich bin vier Blocks weit gelaufen, um Sonnenblumenkerne zu besorgen. Ich lege zwar Tausende Meilen zurück, um Daten zu beschaffen, aber es ist höchst ungewöhnlich, daß ich aus irgendeinem anderen Grund vier Blocks weit laufe - hin und zurück sogar acht. Einmal habe ich drei Tauben gefunden, die durch ein offenes Fenster hereingeflogen waren. Sie saßen in der Wohnung vor einem anderen, geschlossenen Fenster. Ich habe mich ihnen langsam genähert, um sie nicht zu erschrecken. Es scheint, als hätte ich gewisse romantische Neigungen, denn wenn ich ein Geschöpf ins Herz geschlossen habe, das mir weiblich vorkommt, wie es bei praktisch allen Vögeln der Fall ist, dann will ich, daß es sich mir auf den Finger setzt. Also habe ich einen Finger ausgestreckt, aber die Vögel haben versucht, durchs Glas zu fliegen. Sie haben aus dem Aufprall nichts gelernt, sondern haben immer wieder versucht, durch das Glas zu fliehen.
In ihren Schlag zurückgekehrt, hatten diese Tauben eine Geschichte zu erzählen: Sie hätten irgendwo gehockt, und plötzlich sei die Luft hart geworden. Alles vor ihren Schnäbeln war so deutlich sichtbar wie immer, aber auf einmal war die Luft undurchdringlich geworden. Worauf die anderen Tauben höchstwahrscheinlich erwiderten: "Ach, das könnt ihr den Spatzen erzählen!"
In dieser Geschichte steckt eine Moral, die sich auf einen großen Teil dieses Buches anwenden läßt. Sie betrifft die Erfüllung von Wünschen. Ich hatte mir Tauben gewünscht. Ich habe sie bekommen. Nach den Erkundungen der drei Pioniere sind sie alle zu mir hereingekommen. Es waren neun. Der Sommer 1931 war ungewöhnlich warm, und die Fenster mußten offen bleiben. Tauben auf Stuhllehnen. Sie sind auf dem Tisch herumspaziert und haben sich erkundigt, was wir zu Mittag aßen. Manchmal sind sie gemessenen Schrittes und in Prozessionen über den Teppich marschiert. Nur, daß sie sich dabei manchmal nicht sehr würdevoll benommen haben. Verscheuchen konnte ich sie nicht, weil ich sie eingeladen hatte. Schließlich habe ich mir Fliegengitter vor die Fenster gesetzt, aber es dauert Wochen, bis man so klug wird.
Die Moral liegt in der Beobachtung, daß man aufpassen muß, was man sich wünscht, denn man könnte das Pech haben, es zu bekommen. Besser, man gibt sich demütig mit beinahe nichts zufrieden, weil man nie wissen kann, welche Folgen etwas hat. Man spricht oft über die "Grausamkeit der Natur" aber wenn einem Menschen sein Herzenswunsch versagt bleibt, dann ist das eine Gnade.
Ich bin all dieser Weisheit gegenüber mißtrauisch, weil sie Demut und Zufriedenheit schafft. Diese Gedanken sind Gedanken, die der Gemeinschaft dienen und das Individuum unterdrücken. Es sind Folgerungen aus der mechanistischen Philosophie, und ich rebelliere gegen die mechanistische Philosophie, soweit sie nicht nur für vieles gültig sein will, sondern sich als absolut darstellt.
Jedoch meine ich mit dem "Okkulten" oder dem "Übernatürlichen" nichts, was sich am Beispiel der Erlebnisse der Tauben ganz und gar erklären ließe. In unserer Existenz der Gesetzlichkeit-Ungesetzlichkeit stelle ich mir zwei Arten von Zauber vor: Eine repräsentiert das unbekannte Gesetz, die andere die Gesetzlosigkeit - oder, daß ein Mann von einem Dach fällt und unbeschadet landet, weil es ein Antischwerkraftgesetz gibt, und daß ein anderer Mann vom Dach fällt und unverletzt landet, weil in seinem Fall das Außergewöhnliche zum Ausdruck kommt, der Trotz gegenüber der Gravitation, die universelle Unbeständigkeit, die Auflehnung gegenüber allem und jedem.
Die Londoner Times im Oktober -
Nun gut, ich will auch selbst einmal eine Ausnahme machen - vergessen Sie dieses Mal die Daten - nehmen Sie mich beim Wort, daß ich Beispiele für bemerkenswerte Fälle zitieren könnte, wenn ich wollte.
Es kommt mir so vor, als kletterten beispielsweise manche Fische in Bäume, um der Gesetzlosigkeit Ausdruck zu verleihen und eine Ausnahme zu der Verallgemeinerung darzustellen, daß Fische im Wasser leben müssen. Ich glaube, das "Du sollst nicht", das den Fischen galt, muß hoch droben am Himmel angeschlagen worden sein. Woraufhin ein Fisch auf einen Baum geklettert ist, um nachzusehen. Oder das Gesetz, daß hybride Züchtungen steril sein sollen - und daß sich nicht bloß zwei, sondern gleich drei Tiere an einer Verschwörung beteiligt haben, worauf das Okapi herausgekommen ist. Es gibt ein "Gesetz" der Spezialisierung. Die Anhänger der Evolutionstheorie machen viel Aufhebens davon. Geschäfte spezialisieren sich, und wer Farben verkauft, bietete keine Pflaumen an. Aber dann sind Drugstores aufgetaucht, die Medikamente, Bücher, Suppen und Mausefallen verkaufen.
Ich glaube, meine Erfahrungen mit der Magie sind höchstens durchschnittlich. Aber mit Ausnahme gewisser Phasen habe ich mir zu meinen Erfahrungen Notizen gemacht, und das tun die meisten Menschen nicht, was zur Folge hat daß sie ihre Erlebnisse wieder vergessen. Wir vergessen so leicht, daß ich, als ich meine Aufzeichnungen durchgegangen bin, auf Einzelheiten gestoßen bin, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte. So finde ich Aufzeichnungen über eine Reihe kleiner Ereignisse, deren Details in mehrfacher Hinsicht für unsere allgemeine Argumentation von Bedeutung sind.
Ich habe mal in London gelebt, genauer gesagt, in der Marchmont Street Nr. 31 in W.C. 1. Ich habe in der Bibliothek des Britischen Museums Daten gesammelt und die Fälle notiert, wo von Bildern die Rede war, die zur Zeit von Poltergeist-Störungen von den Wänden gefallen sind. Ich will hier aber anmerken, daß ich damals über physikalische Themen wie Erdbeben und Nordlicht-Strahlen und Lichter in dunklen Teilen des Mondes ungefähr fünfmal so viele Daten besaß wie über Themen, die mit medialer Forschung zu tun haben. Später haben sich meine Vorlieben dann ins Gegenteil verkehrt.
Jedenfalls dachte ich an Bilder, die von den Wänden gefallen sind, doch ist dieses Thema neben anderen Themen und Aspekten von Themen in den Hintergrund getreten. Es trat sogar so weit zurück, daß ich, als man mir erzählte, daß in unserem Haus mehrere Bilder von den Wänden gefallen seien, an die üblichen Tücken eines Haushalts gedacht und mich nicht weiter damit beschäftigt habe.
Die Abkürzungen in meinen Notizen bedeuten folgendes: A steht für meine Frau, Mrs. M. für die Vermieterin, E für die Tochter der Vermieterin, C für die Mieter über uns. Laut meinen Unterlagen ist dieser Bericht bei weitem nicht so unbefriedigend wie viele Geschichten über einen Mr. X oder eine Mrs. Y, weil, laut meinen Notizen, nach meinen Angaben nur zwei der Personen, die ich außerdem identifiziert habe, wirklich von Bedeutung waren; wir können auch vermuten, daß eine dieser beiden Personen wichtiger war als die andere. Doch nehme ich zudem an, daß E, wenn sie die Geschichte aufgeschrieben hätte, mich in den Hintergrund gedrängt und als Mr. F. abgehandelt hätte. A und ich haben im mittleren Stockwerk in einer Zweizimmerwohnung logiert. Ein Zimmer haben wir als Küche benutzt, obwohl es uns als möbliertes Wohnzimmer vermietet worden war.
11. März 1924 - siehe Charles Forts Notizen, Buchstabe E, Schachtel 27 - "Ich habe gestern abend in der Küche gesessen und gelesen. Plötzlich habe ich ein Poltern gehört. Meistens bin ich nicht so leicht zu erschrecken, und so habe ich mich in aller Ruhe umgedreht und gesehen, daß ein Bild von der Wand gefallen war. Das Glas war nicht zerbrochen, weil das Bild auf einem Stapel Zeitschriften in einer Ecke gelandet war. Zwei Spitzenvorhänge hängen zu beiden Seiten des Fensters, das Bild ist direkt vor dem linken Vorhang heruntergekommen. Nun wurde aber, meinem Eindruck zufolge, der untere Teil des rechten Vorhangs mehrere Sekunden lang heftig geschüttelt, und zwar eindeutig nachdem das Bild schon heruntergefallen war.
"Der Morgen des 12. März 1924 - ich stelle fest, daß einer der Messingringe auf der Rückseite des Bildes, wo die Schnur festgebunden war, an zwei Stellen gebrochen ist - das Metall glänzt hell an den Bruchstellen.
A erinnerte mich daran, daß in der Wohnung der Familie C vor kurzem ebenfalls zwei Bilder heruntergekommen sind."
Ich habe den kleinen Messingring, der an einer Stelle gebrochen ist, und das herausgebrochene Stück, das an einer Seite noch an einem dünnen Metallstreifen hing, aufbewahrt. Das Bild war nicht schwer. Es sieht so aus, als hätte es einen kurzen, heftigen Ruck an der Schnur gebraucht, um das Stück aus dem Ring herauszubrechen.
"18. März 1924 - ungefähr 5.00 Uhr nachmittags. Ich habe in der Ecke gesessen, wo das Bild heruntergefallen ist. Ich erschrak, als ich ein Splittern hörte, als wäre eine Fensterscheibe zerbrochen. Es war ein durchdringendes, lautes Geräusch, und ich hatte noch Stunden danach das Gefühl, ich müßte auf der Hut sein und Geschossen ausweichen. Sogar Mrs. C. über uns hat es hören können."
Aber die Fensterscheibe war nicht geborsten. Ich habe in einer Ecke einen kleinen Riß gefunden, der aber verschmutzt war, woraus man schließen konnte, daß er schon vor langer Zeit entstanden war.
"28. März 1924 - Heute morgen habe ich ein zweites Bild gefunden - oder sogar schon das vierte, wenn man die Ereignisse in der Wohnung über uns dazunimmt -, das in derselben Ecke heruntergefallen ist. Es hatte drei Fuß über dem Schreibtisch gehangen, auf dem die Kisten mit meinen Notizen aufgetürmt sind. Es scheint klar, daß das Bild nicht einfach so heruntergefallen ist, denn sonst hätte es meine Notizen getroffen, und die Zettel wären auf dem ganzen Fußboden verstreut worden."
Das kann man wohl sagen. Manchmal stoße ich versehentlich eine Schachtel mit Notizen um, und dann dauert es Stunden, sie wieder einzusortieren. Ich weiß nicht, ob das etwas zu bedeuten hat, aber ich denke über eines nach: Die Berichte über Bilder, die von Wänden gefallen sind, haben sich unter diesen Notizen befunden.
"Das Glas des Bildes war nicht zerbrochen. Dieses Mal war kein Ring entzwei, sondern die Kordel war gerissen. Ich habe die Schnur rasch wieder verknotet und das Bild wieder aufgehängt. Ich glaube, ich hätte wohl A als Zeugin hinzuziehen sollen. Aber ich wollte sie nicht erschrecken, und ich wollte es ihr auch nicht erzählen, weil es sonst womöglich geheißen hätte, in meiner Nähe gingen Gespenster um."
Ich stellte mir vor, daß ich derjenige war, der dies auf unbekannte Weise bewirkte. Ich würde gern einmal mit Mrs. C. sprechen und aufpassen, ob sie eine Andeutung macht, daß sie mediale Kräfte besitzt und daß sie diejenige war, die mit ihren psychischen Kräften in unserem Haus Bilder von den Wänden holte.
Die Kordel dieses zweiten oder vierten Bildes war dick und kräftig. Ich habe es nicht geschafft, sie zu zerreißen. Aber irgend etwas hatte diese starke Kordel durchgerissen. Ich habe mir den kleinen Nagel in der Wand angesehen. Er war nicht verbogen.
Natürlich habe ich mir meine Gedanken dazu gemacht. Ich habe notiert: "Wenn alle Bilder aufgehängt worden sind, als das Haus möbliert worden ist, dann müßten ihre Kordeln auch ungefähr zur gleichen Zeit mürbe werden." Aber einmal war ja ein Ring gebrochen. In der Wohnung über der unseren war ein Bild in der Küche und das andere im Wohnzimmer heruntergefallen, wo andere Bedingungen herrschten. Der Qualm in einer Küche wirkt chemisch auf die Kordeln von Bildern ein.
"18. April 1924 - A hat ein kleines Bild von der Wand der Küche heruntergenommen, um das Glas zu putzen - der Londoner Smog. Das Bild schien ihr von der Wand aus praktisch in die Hände zu fallen. A sagte: 'Da ist schon wieder die Kordel eines Bildes kaputt.' Aber dann fuhr sie fort: 'Nein, der Nagel ist herausgefallen.' Aber die Kordel war nicht gerissen und der Nagel steckte noch in der Wand. Später am gleichen Tag sagte A: 'Ich verstehe nicht, wie das Bild herunterkommen konnte.'"
Im Haus war nicht von einem Gespenst die Rede. Es gab keine Diskussionen. Ich glaube, gelegentlich hat mal jemand lachend eine Andeutung gemacht: "Es spukt hier wohl." Ich hatte drei oder vier Gründe, mit niemandem über diese Angelegenheit zu sprechen.
"26. Juli 1924 - Habe unter uns ein Geräusch gehört. Fannie hat heraufgerufen: 'Mrs. Fort, haben Sie das gehört? Ein Bild ist von der Wand gefallen.'"
Ich fahre mit meinem Bericht fort, beziehungsweise mit dem Fehler, den ich gerade mache. Solange ich diese oder jene Zeitung aus New York oder dieses und jenes Blatt aus Tasmanien als Quelle nennen konnte, war alles in bester Ordnung. Aber jetzt erzähle ich eine Geschichte über mich selbst, und wer nicht daran gewöhnt ist, daß in seiner Nähe Bilder von den Wänden fallen, wird es hassen, daß wegen meiner okkulten Kräfte Bilder von den Wänden fallen.
Es gibt mehrere Notizen, die darauf hindeuten, daß zwischen meinen Gedanken über herabfallende Bilder und einem später herabgefallenen Bild eine Beziehung besteht.
"22. Oktober 1924 - Gestern war ich im vorderen Zimmer und habe beiläufig über die Bilder nachgedacht, die von den Wänden heruntergefallen sind. Heute abend war etwas mit meinen Augen nicht in Ordnung. Ich konnte nicht lesen. Ich habe in der Küche gesessen, mit einem Stück Schnur gespielt und die Küchenwand angestarrt. Ich habe einfach nur die Zeit totgeschlagen. Ich habe ein Bild über einer Ecke des Schreibtisches angestarrt, auf dem meine Notizen gelagert sind, aber ich habe nicht an das Bild gedacht. Es ist heruntergefallen. Es hat Schachteln mit Notizen getroffen und ist auf den Boden gefallen. Der Rahmen war an einer Ecke gebrochen, das Glas ist kaputt."
Ein weiterer Begleitumstand fällt mir auf. Ich kann mich nicht daran erinnern. Die Notizen darüber sind so kurz, als hätte mich damals nicht besonders interessiert, was ich heute für eine höchst seltsame Einzelheit halte - vorausgesetzt, ich wollte, als ich andeutete, daß ich nach etwas gesucht hätte, damit sagen, daß ich gründlich gesucht habe.
"Die Kordel war mehrere Zoll von einer der Befestigungen an der Rückseite des Bildes entfernt durchgerissen. Aber es hätte noch das andere Ende der Kordel da sein müssen, ein mehrere Zoll langes, baumelndes Stück Kordel. Es fehlt. Ich kann es nicht finden."
"Die Nacht vom 28. auf den 29. September 1925 - Zimmer der Mrs. M., ein Bild ist heruntergefallen."
Beachten Sie den Zeitsprung.
Ich muß leider zugeben, daß mir eine Aufzeichnung vom 3. November 1926 fehlt. Soweit ich mich erinnere und anhand von Anspielungen in Notizen vom 4. November war es nur eine Bemerkung, daß länger als ein Jahr kein Bild mehr heruntergefallen sei.
"4. November 1926 - Das ist es wert, notiert zu werden. Gestern abend habe ich mir eine Notiz zu den Bildern gemacht, weil ich früher am Abend, als wir mit France und anderen über mediale Erfahrungen gesprochen haben, erwähnte, daß Bilder in unserem Haus heruntergefallen seien. Als ich heute abend nach Hause kam, erzählte A mir, sie habe ein lautes Geräusch gehört, das ihr sehr gelegen gekommen sei, weil es E bei einem langen, ermüdenden Bericht über die Handlung eines Spielfilms unterbrochen habe. Später rief A dann: 'Jetzt weiß ich, was den Lärm verursacht hat!' Sie hatte im vorderen Zimmer das Licht eingeschaltet, und da lag ein großes Bild auf dem Boden. Ich hatte A noch nicht erzählt, daß ich gestern an herunterfallende Bilder gedacht hatte. Ich nahm die Notiz heraus, als sie zu Bett gegangen war. Ich habe mir das Bild angesehen - die Kordel durchgerissen, die Enden ausgefranst. Ich habe ein Stück der Kordel aufbewahrt. Sie ist neben einem Knoten gerissen. 5. November - ich habe nicht klar genug beschrieben, in welcher Verfassung A sich befunden hat, als das Bild heruntergefallen ist. Die lange Beschreibung, die E ihr von dem Film gab, hatte sie unerträglich gelangweilt, und sie hatte sich wohl dringend nach einer Unterbrechung gesehnt." Damit habe ich eingeräumt, daß ich nicht glaubte oder vermutete, daß ich auch in dieser Situation der Zauberer war.
Im Oktober 1929 haben wir in New York gelebt, genauer gesagt, in der Bronx. In Wohnungen, die mir selbst gehören, habe ich keine Bilder an den Wänden. Die Bilder, die ich gern hätte, kann ich nicht bekommen, und deshalb habe ich gar keine. Ich komme irgendwie nie dazu, selbst welche zu malen, aber wenn ich dazu käme, dann hätte ich in ihnen wahrscheinlich die richtigen, die ich auch aufhängen würde.
"15. Oktober 1929 - Ich habe meine Notizen durchgesehen und A aus der Küche herbeigerufen, um mit ihr darüber zu sprechen. Ich merke an, daß A in der Küche nichts getan hatte. Sie war gerade hereingekommen und nur in die Küche gegangen, um nachzusehen, was die Vögel machen. Während wir über die heruntergefallenen Bilder sprachen, hörten wir ein lautes Geräusch. Wir sind hinübergelaufen und haben auf dem Fußboden eine Pfanne gefunden, die aus einem Regal von einem Stapel von Küchengeräten heruntergefallen war."
"18. Oktober 1930 - Ich habe ein Experiment gemacht. Ich habe A meine Notizen laut vorgelesen, um zu sehen, ob sich die Ereignisse des 15. Oktober 1929 wiederholen würden. Es ist nichts heruntergefallen."
"19. November 1931 - Ich habe es noch einmal versucht. Es hat sich nichts gerührt. Nun, wenn ich selbst also kein Zauberer bin, dann will ich mir auch von niemand anders sagen lassen, er sei ein Zauberer."
Kapitel 21
Ich habe ein Bild angesehen, und es ist von der Wand gefallen.
In meinem Kopf rührt sich der diabolische Gedanke der Nutzanwendung. Wenn ich mich jemals aufraffen könnte, mich zum Feind der ganzen Menschheit zu erklären, dann werde ich mich in einen Altruisten verwandeln und mein Leben dem Bestreben widmen, mich meinen Mitmenschen nützlich zu machen und ihnen Gutes zu tun.
Alles, was mit Sklaverei zu tun hat oder hatte, ob im Altertum oder in der Moderne, ist ein Phänomen der Nützlichkeit. Die Gefängnisse sind voller Menschen, die unkonventionelle Interpretationen der Nützlichkeit gefunden haben. Gäbe es nicht die Nützlichkeit, dann brauchten wir keine Anwälte. Geben Sie den Wunsch auf, etwas verbessern zu wollen, und wir sind von Politikern befreit.
Tue anderen, wie du willst, daß sie dir tun, und du zertrümmerst ihr Leben, wie du ein eigenes zertrümmert hast. Der gute Samariter verbindet Wunden mit Giftefeu. Wenn ich jemandem eine Münze schenke, dann gebe ich ihm zugleich Gutes und Böses, wie ich ihm Kopf und Zahl der Münze gebe. Derjenige, der den Nutzen der Kohle entdeckt hat, war ein Wohltäter der Menschheit und außerdem noch etwas verdammt anderes. Automobile scheinen so ungeheuer nützlich - aber Automobile und Verbrechen und Millionen von Sorgen. Es gibt Menschen, die das Telefon als segensreiche Erfindung ansehen - bis das Telefon klingelt.
Wenn man ein Bild von der Wand nehmen kann, indem man es ansieht, warum kann man nicht ein Haus abreißen, indem man es etwas heftiger ansieht?
Wenn man ein Haus okkultistisch, physisch oder wie auch sonst abreißen kann, warum kann man nicht auch ein Haus bauen, indem man sich intensiv auf das Baumaterial konzentriert?
Visionen aus der Ära der Hexerei - wundersame unsichtbare Maurer und Wunder des Maurerhandwerks ohne Maurer - raffinierte Nutzanwendungen und Vorteile werden die vorchristliche und nachchristliche Zeit verschmelzen zu einer barbarischen Phase, die wir als Zeit der Magie bezeichnen werden -
Aber die Fabriken und die Arbeit und die Arbeiter - und alles andere, was jetzt an unserer primitiven Art, Häuser zu bauen, beteiligt ist. Arbeitslosigkeit und Hungertod und Mildtätigkeit - politische Unruhen - der Aufschrei, ja keine Maschinen abzuschalten. Einen Messias, Erfinder, Entdecker oder sonst jemand, der sich für Verbesserungen einsetzt, kann man nicht anders sehen denn teilweise auch als Feind.
Und doch, in gewisser Weise mißtraue ich all dieser Weisheit. Der einzige Grund dafür, daß sie keine konventionelle mechanistische Philosophie ist, ist der, daß die Konventionalisten zu stark unterdrückt sind. Aber wenn es zu jeder Aktion eine Reaktion gibt, die ihr ebenbürtig, wenn auch entgegengesetzt ist, dann gibt es zu jedem Vorteil oder jeder Verbesserung einen gleichgroßen Nachteil oder eine Verschlechterung. Diese Sichtweise - solange sie nicht quantitativ ausgedrückt wird - befindet sich in meinen Augen in völliger Übereinstimmung mit meinen Erfahrungen mit Vorteilen und Nutzanwendungen und Verbesserungen. Quantitativ ausgedrückt, scheint sie mir jedoch bedeutungslos zu werden, weil ich nicht akzeptieren kann, daß eine Aktion-Reaktion jemals in zwei Teile zerschnitten wurde, woraufhin man die Teile getrennt und isoliert hat und bestimmen konnte, wie bedeutend welcher Teil war.
Ich habe ein Bild angesehen, und es ist von der Wand gefallen.
Dr. Gilbert hat einmal mit einem Stab gewinkt, den er an einem Katzenfell gerieben hatte, und Papierstücke sind von einem Tisch aufgestiegen. Das war im Jahr 1 unserer Herrin, der Elektrizität, die als Salonzauber das Licht der Welt erblickt hat.
Und doch gibt es viele Menschen, die viel gelesen haben und glauben, die Hexerei oder die Idee, es gäbe Hexerei, sei erledigt.
Sie haben nicht genug gelesen. Sie haben nicht genug nachgedacht. Wann wäre jemals eine Idee erledigt gewesen? Die Hexerei ist mitnichten ein "Aberglaube der Vergangenheit", sondern vielmehr recht häufig zu beobachten. Ich sehe beispielsweise meine Daten für das Jahr 1924 durch und bemerke die Anzahl der Fälle in England, die meist als "Poltergeist-Phänomene" bezeichnet worden sind. Aus den Vereinigten Staaten sind wahrscheinlich noch mehr Fälle gemeldet worden, aber wegen der Möglichkeiten der Bibliotheken habe ich vor allem Phänomene aus England notiert. Fälle von Hexerei und andere unheimliche Ereignisse wurden im Jahre 1924 aus folgenden englischen Orten gemeldet: East Barnet, Monkton, Lymm, Bradford, Chiswick, Mountsorrel, Dudley, Hayes, Maidstone, Minster Thanet, Epping, Grimsby, Keighley und Clyst St. Lawrence.
Die New Yorker Zeitungen haben im Jahre 1927 in kurzem Abstand drei Fälle gemeldet. New York Herald Tribune, 12. August 1927 - Fred Koett und seine Frau waren gezwungen, aus ihrem Haus in der Nähe von Ellenwood, Kansas, auszuziehen. Monatelang hatte es im Haus gespukt - Bilder wurden mit der Vorderseite zur Wand gedreht, Gegenstände haben sich bewegt, der Schoßhund wurde von einem Unsichtbaren mit einer Mistgabel gestochen. New York Herald Tribune, 12. September 1927 - Frank Deckers Scheune in der Nähe von Fredon, New Jersey, brannte ab. Fünf Jahre lang hatte man dort unerklärliche Geräusche gehört, Türen waren geöffnet und geschlossen worden, Bilder hatten zu pendeln begonnen. Home News (Bronx), 27. November 1927 - William Blair aus dem County Tyrone in Irland glaubte, sein Vieh sei verhext. Er hat seine Nachbarin Isabella Hazelton beschuldigt, eine Hexe zu sein - die "Hexe" hat ihn wegen übler Nachrede verklagt - 5 irische Pfund Strafe plus Gerichtskosten.
Ich bin im Grunde der Überzeugung, daß Poltergeister als so etwas wie Gespenster nicht existieren - sondern daß die entsprechenden Vorgänge das Werk von noch unterentwickelten, überwiegend jugendlichen Zauberern sind, die sich ihrer Kräfte nicht bewußt sind - oder die ihre Kräfte, soweit es um boshafte oder bösartige Streiche geht, mehr oder weniger bewußt ausrichten - oder, daß die "Poltergeist-Phänomene" in dieser Hinsicht nur eine andere Bezeichnung für Hexerei sind. Der Name ist wahrscheinlich aus zwei Gründen verändert worden: Einmal war es als Reaktion auf die grausamen Hexenprozesse nötig, die Existenz von Hexen zu leugnen, und zum zweiten haben die Spiritisten versucht, die Hexerei als Beweis für die Existenz von "Geistern der Verstorbenen" für sich in Anspruch zu nehmen.
Wenn es Hexen gibt, dann muß es natürlich auch Hexen mit Humor geben. Andeutungen von Scherzen lassen sich selbst in unseren Berichten über tödliche Ereignisse noch finden. In vielen Berichten über Poltergeist-Phänomene könnte man meinen, daß die Opfer eher das Ziel von Bosheit denn von Haß geworden sind. Die Londoner Daily Mail hat am 1. Mai 1907 das folgende veröffentlicht:
Madame Blerotti, eine ältere Frau, hatte den Friedensrichter des Pariser Bezirks Ste. Marguerite angerufen und ihm erzählt, auch auf die Gefahr hin, für verrückt gehalten zu werden, müsse sie ihm eine Beschwerde gegen einen Unbekannten vortragen. Sie lebte mit ihrem Sohn und ihrem Bruder in einer Wohnung in der Rue Montreuil. Immer wenn sie die Wohnung betrat, wurde sie von einer unbekannten Kraft gezwungen, auf Händen zu laufen und die Beine in die Luft zu strecken. Der Friedensrichter hielt die Frau fest und schickte einen Polizisten zu der Adresse, die sie genannt hatte. Der Polizist kehrte mit Madame Blerottis Sohn, einem 27jährigen Angestellten, zurück. "Was meine Mutter Ihnen erzählt hat, entspricht der Wahrheit", sagte der Sohn. "Ich kann es auch nicht erklären. Ich weiß nur, daß meine Mutter, mein Onkel und ich selbst gezwungen sind, auf Händen zu laufen, sobald wir die Wohnung betreten."
Monsieur Paul Reiss, der fünfzigjährige dritte Bewohner der Wohnung, wurde hinzugezogen. "Es entspricht absolut der Wahrheit", bestätigte er. "Immer wenn ich die Wohnung betrete, verspüre ich den unwiderstehlichen Drang, auf Händen zu laufen." Der Concierge des Hauses wurde zum Friedensrichter gerufen. "Um ehrlich zu sein", erklärte er, "ich dachte zuerst, meine Mieter wären verrückt geworden, aber sobald ich die Wohnung betrat, die sie gemietet haben, kauerte ich mich auf alle Viere und versuchte, die Füße in die Luft zu bekommen."
Der Friedensrichter beschloß, daß es sich um eine unbekannte Krankheit handelte. Er ordnete an, die Wohnung desinfizieren zu lassen.
Früher sind in Zeitungen manchmal Artikel über "wandernde Nadeln" erschienen. Menschen haben sich auf Nadeln gesetzt, hielten es aber für schicklicher zu behaupten, die Nadeln wären am Ellbogen in den Körper eingedrungen. Fünf, zehn oder zwanzig Jahre später sind die Nadeln dann an einer ganz anderen Stelle wieder ausgetreten. Heute lesen wir nicht mehr so oft von "wandernden Nadeln". Ich glaube, die meisten - wenn auch nicht alle - Geschichten waren Erfindungen der Zeitungen. Ich habe mich für diese Geschichten, die in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Runde gemacht haben, interessiert, aber ich konnte keine einzige finden, die ich für echt befand oder die Material enthielt, über das ich ein wenig hätte spekulieren können. Ich ließ mich teilweise durch die Methoden der "schwarzen Magie" anregen, wo ein Modell des Opfers mit einer Nadel ins Herz oder in einen anderen Körperteil gestochen wird, was dem Glauben zufolge dazu führen soll, daß der entsprechende Körperteil eines Menschen verletzt wird -
Eine gerichtliche Untersuchung des Leichenbeschauers in Shoreditch (London) am 14. November 1919 - das dreizehn Monate alte Mädchen Rosina Newton war gestorben. Im Herz des Kindes hat man eine Nadel gefunden. "Auf der Haut war keine Verletzung zu erkennen, durch welche die Nadel eingedrungen sein konnte." Ich bin auf den Fall aufmerksam geworden, weil das Kind so klein war. Die Eltern konnten sich nicht erinnern, daß das Kind sich verletzt hätte und konnten sich nicht vorstellen, wie die Nadel in den Körper hätte gelangen können.
Ich halte es für unwahrscheinlich, daß jemand das Kind so sehr haßte, daß er sich brennend seinen Tod gewünscht hat. Aber ich kenne Geschichten, in denen Kinder aus Rachsucht verletzt worden sind, um die Eltern zu treffen.
In den Annalen der "schwarzen Magie" tritt oft ein Zauberer auf, der sich etwas aus dem Besitz oder etwas vom Körper des Opfers aneignet, um den Kontakt oder ein Gefühl des Kontakts herzustellen. Abgeschnittene Fingernägel sind geeignet, aber eine Locke vom Haar des Opfers soll besonders wirkungsvoll sein. Vielleicht gibt es mediale Spürhunde, die von so einem Gegenstand ausgehend die Witterung aufnehmen und dann eine Verbindung oder eine Strömung zwischen sich selbst und dem Opfer aufbauen, auf der entlang sie operieren können. Vielleicht sind vor diesem Hintergrund, wenn wir über Schaden und Besitznahme reden, auch die bereits erwähnten Haarschnippler erklärbar.
In der Times of India (Bombay) vom 30. August 1928 habe ich eine seltsame Geschichte gefunden. Der Teil der Geschichte, der mir noch nicht seltsam vorkommt, ist die Tatsache, daß einer Moslemfrau aus Bhongir drei neugeborene Kinder weggeschnappt worden sind. Das Seltsame ist aber, daß die Polizei einerseits erklärt hat, es seien ganz normale oder "natürliche" Entführungen, sich andererseits aber die Mühe gemacht hat, die Frau, die zum vierten Mal guter Hoffnung war, ins Victoria Zenana Hospital in Secunderabad zu bringen, und daß die Krankenhausleitung sich um sie bemüht hat und bereit war, die Kosten zu übernehmen, die angefallen sind, weil die Frau auf eine besondere Station gelegt wurde, wo sie Tag und Nacht von eigens angestellten Krankenschwestern überwacht werden konnte. Das vierte Kind wurde geboren, und dieses Kind, das laufend überwacht wurde, ist nicht auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Damit glaubte man bewiesen zu haben, daß die anderen drei Kinder ganz normalen Entführungen zum Opfer gefallen waren. Auch wenn dies nicht in der Times of India zur Sprache gekommen ist, die Erklärung, die mir dabei einfällt, ist die, daß in Bhongir wahrscheinlich etwas umgegangen ist und daß man diesen Beweis gebraucht hat, um davon abzulenken.
Allerdings hat man nicht untersucht, wie irgend jemand, ein ums andere Mal, einer Frau ein neugeborenes Kind hat wegnehmen können, ohne erwischt zu werden. Solche "Beweisführungen" beginnen immer mit der impliziten Annahme, daß es keine Hexerei gebe, und folglich zeigen sie auf, daß es keine Hexerei gibt. Nicht berücksichtigt wurde der Gedanke, daß durchaus eine Hexe existiert haben könnte, die aber Angst hatte, in der Öffentlichkeit einer Krankenhausabteilung zu praktizieren. Der "Beweis" besagt, daß auf einer Station eines Krankenhauses keine Hexerei stattgefunden hat und daß es also keine Hexerei gibt. Viele unserer Daten betreffen vollkommen öffentliche oder wagemutige oder trotzige Ereignisse. Aber es ist bemerkenswert, daß es aufhört - meistens jedenfalls, wenn auch nicht immer -, sobald die breite Öffentlichkeit aufmerksam wird. Manchmal hört es auch auf und fängt in gewissen Abständen wieder an.
Am 1. Mai 1922 ist die 12jährige Pauline Picard von dem Bauernhof in der Nähe von Brest in der Bretagne, wo sie gelebt hatte, verschwunden. Ich entnehme diesen Bericht mehreren Ausgaben des Journal des Debats (Paris) aus den Monaten Mai und Juni 1922. Am 26. Mai 1922 hat ein Fahrradfahrer, der am Bauernhof der Picards vorbeigefahren ist, nicht weit von der Straße entfernt etwas bemerkt. Er hat nachgesehen und Paulines nackten, enthaupteten Körper gefunden. Am Straßenrand wurden ihre Kleider gefunden. Es hieß, sie seien "ordentlich zusammengefaltet" gewesen.
Der Körper war verwest. Hände und Füße fehlten ebenso wie der Kopf. Die Leiche, die von der Straße aus sichtbar war, wurde eine halbe Meile vom Bauernhaus der Picards entfernt gefunden.
Wenn ein Radfahrer die Leiche gesehen hat, dann kann sie noch nicht lange dort gelegen haben, denn sonst hätten die Picards sie selbst bemerken müssen. Dennoch hat man im Rahmen der gerichtlichen Untersuchung festgehalten, daß das Kind die ganze Zeit dort gelegen habe. Es hieß, das Mädchen habe sich zu Fuß vom Elternhaus entfernt und müsse auf dem Rückweg an Erschöpfung gestorben sein. Die Leiche sei dann von Ratten und Füchsen entstellt worden. Die Version, das Kind sei davongewandert und eine halbe Meile vom Elternhaus entfernt gestorben, bekam dadurch Auftrieb, daß Pauline schon einmal davongelaufen war und daß sie geistig nicht völlig gesund war. Jedenfalls ist sie schon vorher einmal verschwunden und wurde in größerer Entfernung vom Elternhaus aufgefunden.
Pauline ist zum ersten Mal am 6. April 1922 verschwunden. Ein paar Tage später hat man das Kind aufgegriffen, als es durch die Straßen von Cherbourg geschlendert ist. Die Picards wurden verständigt, sie fuhren nach Cherbourg und konnten Pauline identifizieren, die ihre Eltern jedoch nicht erkannte. Ihre bewußte Wahrnehmung hatte ausgesetzt, oder sie hatte einen Gedächtnisverlust erlitten. Wenn Pauline Picard, ein 12jähriges Mädchen, diese Reise von Brest nach Cherbourg zu Fuß oder mit Fortbewegungsmitteln gemacht hat, die man als "natürlich" bezeichnet, und wenn sie dies unter dem Einfluß eines Gedächtnisverlustes getan hat, was eigentlich irgendwo notiert sein müßte, was aber nicht berichtet wird, dann hat sie auf dieser Reise, ohne aufzufallen, ungefähr 230 Meilen zu Fuß zurückgelegt.
Pauline Picard ist zweimal verschwunden. Beim ersten Mal ist sie nicht einfach weggelaufen, und es war keine gewöhnliche Entführung, weil irgend etwas einen nachhaltigen Eindruck auf das Bewußtsein des Kindes ausgeübt hat. Ich habe Notizen zu mehr als nur ein paar Fällen, wo Menschen irgendwo aufgetaucht sind, als wären sie mit okkulten Mitteln transportiert worden; oder jedenfalls sind sie an weit von ihren Heimatorten entfernten Stellen aufgetaucht und haben unter Gedächtnisverlust gelitten.
Eine Ansicht, für die ich gern Material finden würde, ist die, daß in entlegenen Teilen Indiens dreimal "Wolfskinder" gemeldet worden sind, nachdem die Kinder aus Bhonghir verschwunden waren. Die offizielle Erklärung für das zweite Verschwinden und den Tod der Pauline Picard riecht nach einem Diktat des Tabus. Wenn die Leiche des Kindes unterschiedslos am ganzen Körper verstümmelt worden wäre, dann könnte die Erklärung, Ratten und Füchse seien die Übeltäter gewesen, beinahe überzeugend anmuten. Aber irgend jemand hat, wie um die Identifizierung zu verhindern, ohne etwas anderes zu verstümmeln, Hände, Füße und Kopf entfernt - und dann den Körper widersprüchlicherweise an eine auffällige Stelle gelegt, als wollte er, daß er gefunden wird. Der Spruch des Untersuchungsrichters beruhte jedoch auf der Überzeugung, daß der verwesende Körper auffällig aber ungesehen mehrere Wochen auf dem Feld gelegen hatte. Eine weitere Einzelheit läßt dies noch unglaubwürdiger erscheinen. Die Kleidung hat, wie es aussieht, keineswegs mehrere Wochen, der Witterung ausgesetzt, im Freien gelegen. Sie war "ordentlich gefaltet".
Es sieht aus, als hätte jemand Kopf, Hände und Füße vom Körper getrennt und dann die Kleider ausgezogen, damit die Leiche nicht identifiziert werden konnte, um anschließend die Kleider daneben zu legen, damit die Leiche identifiziert werden konnte.
Ein Feld - die verstümmelte Leiche eines Kindes - ein Bauernhaus in der Nähe. Aber ich kann über die Beziehungen zu den Nachbarn nichts erfahren. Freundliche Nachbarn - oder einer, der einen Groll gehegt hat - drumherum ist Leere.
Ein Fall, der angeblich "einzigartig" war, wurde am 30. April 1931 von New Yorker Zeitungen gemeldet. Auch hier bleiben die Rahmenbedingungen im Dunklen: Wie üblich wurde die Geschichte als beziehungsloser Einzelfall erzählt. Vielleicht hat irgendwo in der Nähe jemand in eine Kristallkugel gestarrt oder mit einem anderen Hilfsmittel seine Konzentration verstärkt und ist so zum Urheber einer ganzen Serie von Unglücksfällen geworden.
Anfang April 1931 hat Valentine Minder aus Happauge, Long Island, New York, unter einer Krankheit gelitten, die man als Entzündung der Brustwarze diagnostiziert hatte. Seine acht Kinder litten an einer Krankheit, die man als Masern diagnostizierte. Innerhalb von acht Tagen sind jedoch alle acht Kinder ebenfalls an Entzündungen der Brustwarzen erkrankt und mußten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Diese Fälle galten als "einzigartig", weil Entzündungen der Brustwarzen nicht als ansteckend galten.
Diese Erkrankungen, die ebenso "einzigartig" wie rätselhaft waren, stellen nur den Höhepunkt einer ganzen Serie von Unglücksfällen dar. Ungefähr zwei Jahre vorher war Minders Haus niedergebrannt. Dann kam seine Erkrankung, er verlor seine Vitalität und seinen Job und war ruiniert. Ende 1930 wurde Mrs. Minder von einer nicht zu diagnostizierenden Krankheit niedergestreckt und konnte nicht mehr arbeiten.
Soweit wir wissen, sind Entzündungen der Brustwarze nicht ansteckend. Aus den vielen Fällen über Familienkrankheiten, Pechsträhnen und Unglücksfälle suche ich zwei heraus, in denen die Annahme, es könnte eine Ansteckung gegeben haben, noch unwahrscheinlicher ist. Natürlich gibt es hier Raum für die Annahme, es könne sich um Zufälle gehandelt haben. Das ist aber ein quadratischer Pflock, der in runde und achteckige Löcher genauso paßt wie in zwölfeckige oder in Schlitze, Spalten und Lücken - oder der zu passen scheint, solange man nicht näher untersucht, wie gut er sitzt. Der Londoner Daily Chronicle vom 3. November 1926 - daß Mr. A. C. Peckover, der bekannte Geiger, der am Royal College of Music als Prüfer tätig war, eines Morgens im Haus seiner Schwester in Skipton blind erwacht war. Man brachte ihn in die Augen- und Ohrenklinik in Bradford. Dort befand sich bereits sein Vater, der fast zur gleichen Zeit erblindet war.
Was die Todesfälle angeht, die auf das Öffnen der Grabkammer Tutanchamuns gefolgt sind, so denke ich, daß "Flüche", soweit es sie gibt, nach ein paar tausend Jahren doch eigentlich ihre Kraft eingebüßt haben müßten -
Oder, daß ein Grabmal entweiht wurde, worauf Beerdigungen gefolgt sind - aufgrund der tödlichen Magie nicht einer Mumie, sondern eines lebendigen Ägypters - daß irgendwo in Ägypten der Gedanke an die Entweihung zur Besessenheit wurde, so daß eine"Strahlung" oder eine ganz persönliche, nach Opfern suchende Rachsucht ihren Ausgang genommen hat.
Ich frage mich, warum in so vielen Geschichten über unheimliche Vorgänge ein "reicher Bauer" vorkommt. Vielleicht kann ein Bauer nur reich werden, wenn er scharf kalkuliert und sich Feinde schafft, deren böser Wille irgendwann zutage tritt. Im November 1890 wurde das Haus des Stephen Haven, eines reichen Farmers aus der Umgebung von Fowlerwille in Michigan, plötzlich durch Schreie geweckt. Haven wurde auf dem Grund eines tiefen Brunnens gefunden. Er war schlafwandelnd hineingefallen. Zwei Monate später war er abermals aus seiner Schlafkammer abgängig, und man hat wieder nach ihm gesucht. Diesesmal fand man ihn, bis zum Hals im Wasser stehend, im Silver Lake. Seine Angehörigen waren verschreckt und paßten auf. Eines Nachts hörten sie leise Geräusche - Haven wurde, tief schlafend, aufgefunden, als er versuchte, das Haus anzustecken. Ein weiteres Mal - ein lautes Krachen war zu hören. Der schlafende Mann hatte versucht, sich zu erhängen. Wie uns der Brooklyn Eagle vom 18. November 1892 wissen läßt, wurde Haven schließlich eines Nachts tot aufgefunden. Er war aus der oberen Ladeluke seiner Scheune gestürzt.
Blättern Sie zurück zu den Ereignissen von Sing Sing im Dezember 1930. New York Herald Tribune, 18. Januar 1932 - "Der Wärter Lewis E. Lawes ist heute abend auf den mit Hagel bedeckten Stufen vor seinem Wohnhaus auf dem Gefängnisgelände ausgerutscht und hat sich den rechten Arm dreimal gebrochen."
Was die Hexerei angeht, so ist meine allgemeine Ansicht - auf diese Weise drücke ich mich aus, wenn ich andeuten will, daß ich weder hinsichtlich irgendwelcher Dinge in diesem Buch noch in irgendeinem anderen Zusammenhang einem Glauben anhänge - die, daß es sich bei Poltergeist-Mädchen nicht um medial begabte Menschen handelt, die von Gespenstern beherrscht werden, sondern daß die Effekte, die in ihrer Gegenwart auftreten, Phänomene sind, die ihren eigenen Kräften oder Begabungen oder was auch immer entspringen: daß es aber Fälle gibt, die mir so vorkommen, als hätten die Jugendlichen als Medien oder Faktoren nicht für Gespenster, sondern für lebendige Menschenwesen gewirkt, die aufgrund ihres Hasses Hexen oder Zauberer geworden waren - oder, daß die Zauberei mitunter nur wirken kann, wenn sie auf diese Weise unbewußt unterstützt wird. Blättern Sie zum Fall des George Dagg zurück - dort schien es so, als seien die Phänomene von einem Mädchen verursacht worden, aber es schien auch ein anderes Wesen zugegen zu sein, das unsichtbar war. Die Geschichte ist wahrscheinlich stark entstellt worden. Es hieß, es habe einen Streit gegeben - eine "Stimme" habe die Nachbarin Mrs. Wallace beschuldigt, von ihr zu den Daggs geschickt worden zu sein. Wenn diese Frau sich unsichtbar machen und in ein Nachbarhaus eindringen konnte, um ihre Bosheit und Gemeinheit auszuspielen, dann können wir nicht davon ausgehen, daß sie sich selbst beschuldigt hat - aber Haß hat eine Ebene oder bringt einen Drang mit sich, das Opfer, wenn man es verletzt, auch wissen zu lassen, wer dafür verantwortlich ist. Die Beschuldigungen hörten bald auf, und dann wurde die Beschuldigte sogar entlastet.
Über einige Ereignisse in einem Geschäft in London berichte ich vor allem deshalb, weil sie ausgesprochen authentisch wirken. Dieses Mal war kein Mädchen, sondern ein Junge anwesend. Ich würde sagen, daß die Phänomene von ihm verursacht worden sind, wäre da nicht die zeitliche Abstimmung. Mit der "zeitlichen Abstimmung" meine ich, daß die Phänomene immer an den gleichen Wochentagen aufgetreten sind. Diese "zeitliche Abstimmung" oder die Tatsache, daß sich bestimmte Dinge immer an einem bestimmten Tag zugetragen haben, wird in vielen Berichten über Nachstellungen von Unsichtbaren erwähnt, für die in diesem Buch aber kein Raum war.
Der Londoner Weekly Dispatch vom 18. August 1907 - Unruhe in Arthur Herbert Georges Schreibwarenladen in der Butte Street Nr. 20 im Londoner Stadtteil South Kensington. Dies geht aus Mr. Georges beim Urkundsbeamten in der Gloucester Road 95 in South Kensington hinterlegter, beeideter Aussage hervor. George und sein Helfer, ein Junge oder ein junger Mann im Alter von 17 Jahren, sahen, wie Stapel mit Schreibwaren aus unerklärlichen Gründen aus Regalen gerutscht sind. Was sie aufhoben und ins Regal legten, fiel wieder herunter, so daß es ihnen nicht gelang, Ordnung zu schaffen. Sie konnten keine Vibrationen und keine irgendwie geartete Kraft spüren. Zwei elektrische Lampen im Fenster sind umgekippt. Dann wurde es lebhaft: Pakete mit Notizpapier sind herumgeflogen und haben George und seinen Angestellten mehrmals getroffen. George verperrte die Ladentür, damit keine Kunden hereinkämen und sich womöglich verletzten. Am nächsten Tag sind Tintenfässer und Schachteln mit Schreibwaren herumgeflogen. Vier Menschen wurden getroffen. Dieser Aussage wurde die eidesstattliche Erklärung eines Antiquitätenhändlers aus der Butte Street Nr. 23 hinzugefügt. In der Erklärung hieß es, auch er habe schwere Pakete mit Notizpapier herumfliegen sehen und sei von einem sogar getroffen worden. Im Weekly Dispatch vom 1. September heißt es dann, die Störungen hätten sich immer an den gleichen Wochentagen wiederholt (Mittwoch, Donnerstag und Freitag). Der Schaden habe sich auf zehn englische Pfund belaufen.
Am 31. Mai 1905 waren die Engländer überrascht, obwohl sie doch in einem Land leben, in dem Hexerei nichts Ungewöhnliches ist. Dieses Tabuthema ist sogar im Parlament zur Sprache gekommen. Ein Angehöriger des Unterhauses hatte über einen Fall von Hexerei berichtet und eine Untersuchung beantragt.
Schlagen Sie zu den "geheimnisvollen Diebstählen" zurück. Akzeptieren Sie, was sich an Daten und Folgerungen aus irgendeiner Gruppe von Geschichten ergibt, und der "Katzenmensch" und andere Berufseinbrecher werden denkbar als Besitzer einer Fähigkeit, die nicht mit "physikalischen" Begriffen zu erklären ist.
Dean Forest Mercury, 26. Mai 1905 - daß aus einer Schublade im Haus des John Markey in der Nähe von Blakeney (Dean Forest) 50 englische Pfund gestohlen worden seien. Es gab keine Erklärung, wie das Geld hatte verschwinden können. Ich konnte den Grund dafür nicht herausfinden, weil der Einfluß des Tabus in diesem Fall vieles verdeckt hat. Die Bewohner des Hauses konnten nicht erklären, wie das Geld hatte verschwinden können, und indem sie über dem Geheimnis brüteten, wurden sie "abergläubisch". Sie baten eine Frau, die im Ruf stand, viel über Hexerei zu wissen, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Dann hat sich etwas ereignet, das sie hysterisch, verrückt und extrem "abergläubisch" gemacht hat. Es war, als wehrte sich ein Unsichtbarer gegen die Störung. Kurz nach der Ankunft der Frau, die Ellen Haywood hieß, ist etwas durchs Haus gezogen und hat Fenster, Töpferwaren und andere zerbrechliche Dinge zertrümmert.
Das ist so ungefähr alles, was ich der Lokalzeitung und anderen Zeitungen aus der näheren Umgebung entnehmen kann.
Markeys Tochter ist verängstigt zusammengebrochen. Ich habe nichts weiter als diese Meldung; keine Einzelheiten über die Erfahrungen, die sie gemacht hat. Ohne Angabe weiterer Details und unkommentiert wird berichtet, Markeys Enkelin sei verrückt geworden. Die beiden Frauen mußten das Haus verlassen. Eine kam ins Krankenhaus, die andere in ein Heim. Markeys Frau ist schreiend aus dem Haus gerannt und hat sich im Wald versteckt. Ein Polizeinspektor aus Gloucester hat die Suche nach ihr organisiert, aber sie wurde nicht gefunden. Sie hielt sich drei Tage lang ohne Essen oder Unterschlupf versteckt. Dann ist sie zurückgekehrt und hat erklärt, sie habe die Suchtrupps gesehen, sei aber so verschreckt gewesen - die Gründe dafür sind der Zensurschere zum Opfer gefallen -, daß sie nicht gewagt habe, ihr Versteck zu verlassen. Markeys Sohn hat den Verstand verloren und ist gewalttätig geworden. Er hat Möbel zerstört und sich selbst schwer verletzt. Er rief dabei, daß die ganze Familie verhext worden sei. Auch er wurde in ein Heim gebracht.
Es gab Stimmen, daß der Fall untersucht werden müßte, und diese Stimmen wurden im Unterhaus vernommen. Es war der Versuch, gegen das Tabu zu sprechen. Mehr ist nicht zu sagen.
Ich habe Aufzeichnungen zu einem weiteren Fall, der nach Empörung über Eindringlinge aussieht - eine Frau ist gestorben, aber nicht an einem epileptischen Anfall, wie es behauptet worden ist. In Londoner Zeitungen wurde darüber berichtet, aber ich greife zum Wisbech Advertiser, einer Lokalzeitung, vom 27. Februar 1923. Ort des Geschehens war Mr. Scrimshaws Haus in Gorefield in der Nähe von Wisbech. Im Haus lebten außer ihm selbst noch seine 82jährige Mutter und die 16jährige Tochter, die Olive hieß. Die Phänomene haben sich in Anwesenheit des Mädchens ereignet. Zuerst hat sich Mrs. Scrimshaws Spitzenhäubchen von ihrem Kopf gehoben. Dann ist ein Waschtisch umgefallen. Gegenstände wie Bücher, Geschirr und ein Wasserfilter sind auf den Boden gefallen. Möbelstücke und Tonwaren gingen zu Bruch. Die Namen der Nachbarn, die diese ungewöhnlichen Dinge sahen: John Fennelow, T. Marrick, W. Maxey und G. T. Ward. Ein 400 Pfund schweres Klavier hat sich von selbst bewegt. Polizeiwachtmeister Hudson konnte einige der Phänomene bezeugen. Um der Idee vorzubeugen, Scrimshaw könnte die Hände im Spiel haben, um Aufmerksamkeit zu erregen oder einen Schwindel zu veranstalten, wurde erwähnt, daß sich die Schäden am Mobiliar auf 140 englische Pfund belaufen hätten.
Eine Frau - Mrs. J. T. Holmes -, die eine Weile vorher der Hexerei beschuldigt worden war, suchte das Haus auf und versuchte, die Hexe oder den bösen Geist oder was es auch war mit verschiedenen Beschwörungen zu vertreiben. Sie ist plötzlich gestorben. Es hieß, sie habe an Anfällen gelitten und sei an einem ihrer Krämpfe gestorben. Ob diese Entscheidung mit dem Tabu zu tun hatte oder nicht, der Leichenbeschauer entschied jedenfalls, eine amtliche Untersuchung sei nicht notwendig.
Am 12. Dezember 1930 - siehe die Home News aus der Bronx vom 22. Dezember 1930 - hat ein Bewohner der Bronx, ein gewisser Elisha Shamray, der seinen alten Namen Rayevsky abgelegt hatte, in der Jackson Street in der Lower East Side in New York ein pharmazeutisches Labor eröffnet. Er ist am Abend der Eröffnung verstorben. Sein Bruder, Dr. Charles Rayevsky, kam aus Liberty im US-Bundesstaat New York, um die Beerdigung zu organisieren. Er starb eine Woche später. Am folgenden Abend machte sich der dritte der Brüder, Michael Shamray aus der Tremont Avenue in der Bronx daran, die zweite Beerdigung zu arrangieren. Er wurde von einem Automobil überfahren und starb.
Im August 1927 war Wayne B. Wheeler als Berater für die Prohibitionsliga in den USA tätig. Am 13. August ist in seinem Haus ein Ölofen explodiert, und seine Frau wurde getötet. Später ist sein Vater unerwartet verstorben. Am 5. September ist auch Wheeler selbst gestorben.
New York Sun, 3. Februar 1932 - Mount Vernon, Ohio, 3. Februar - "Die Befürchtungen, daß die rätselhafte Krankheit, der drei junge Brüder zum Opfer gefallen sind, in der gleichen Familie noch einmal zuschlagen könnte, haben sich bewahrheitet, als heute die noch lebenden Angehörigen erkrankt sind."
Am 24. Januar ist der 9jährige Stanley Paazig auf der Farm seiner Eltern in der Nähe von Mount Vernon als erster verstorben. Am 31. Januar starb der 8jährige Raymond. Der 6jährige Marion ist am 2. Februar gestorben.
Die staatlichen Gesundheitsbehörden konnten die Krankheit bisher nicht identifizieren. "Chemiker arbeiten rund um die Uhr an den Bluttests des jüngsten Opfers, konnten bisher aber keine Spur von Gift finden."
Kapitel 22
Der Glaube an Gott - an das Nichts - an Einstein - an Modeerscheinungen -
Oder, daß Collegeprofessoren wie Mannequins sind, weil sie sich in neumodische, gut sitzende Glaubensgewänder kleiden und ihre junge Kundschaft nach der neuesten Mode bedienen.
Was in Mode ist, ändert sich oft, aber wer populär sein will, muß mit der Mode gehen. Kann sein, daß eine neu gewandete Doktrin der Hexerei wohlwollend akzeptiert wird. Kommt zu mir, und ich richte euch her, wie es die Mode verlangt. Es ist kein Problem, einem alten Glauben, den viele für altbacken halten, ein modisches Äußeres zu geben. Ich wüßte nicht, daß es in der Religion, in der Wissenschaft oder in der Philosophie irgend etwas gäbe, das länger als eine begrenzte Zeitspanne tragbar wäre.
"Typhus-Mary" - ich habe Zweifel an ihren Keimen - oder ich vermute, daß sie eher boshaft als infiziert war. Aber niemand sonst - jedenfalls, soweit ich es den veröffentlichten Berichten entnehmen kann, die in den Jahren 1906-1914 freilich nicht weit in die Vergangenheit zurückgreifen - dachte daran, ihre Keime zu ignorieren und ihre "Strahlen" zu blockieren. Dank meiner Vermutung, daß dies ein Fall von Hexerei war, werde ich wohl eine Zeitlang mit amüsierter Nachsicht behandelt werden, aber wenn damals im Jahre 1906 jemand seine Meinung kundgetan hätte, daß "Typhus-Mary" eine Hexe war, dann hätte man wahrscheinlich schallend gelacht.
Keine Vorwürfe, außer den schicklichen, wurden gegen "Typhus-Mary" erhoben. Der Dämonologie der Zeit entsprechend, hat sie Milliarden kleiner Keime verteilt. Ihr Fall ist von Dingen umrahmt, die nicht aufgezeichnet wurden. Was ihre Beziehungen zu ihren Opfern angeht, so habe ich nichts vorzuweisen, was als Grundlage für meine Spekulationen dienen könnte.
Die Häuser sterbender Männer und Frauen sind mit Steinen unbekannten Ursprungs bombardiert worden. Niemand wurde beschuldigt. Wir haben Daten über unerklärliche Explosionen und Daten über die vermeintlichen Wirkungen von nicht physikalischen "Strahlen" auf Motoren gesehen. Für mich ist es vorstellbar, daß ein Feind aus der Ferne einen Ölofen zur Explosion bringen und eine Frau töten kann, um anschließend - falls jemals mit anderen Mitteln als der bekannten Radioaktivität Flugzeuge vom Himmel gepflückt worden sind - weitere Familienangehörige aus dieser Existenz zu pflücken. Die Explosion des Ölofens ist einfach ein Knalleffekt mit einem leeren Rand darum herum, wie Karikaturisten ihn manchmal darstellen.
Aber es ist vorgekommen, daß Menschen der Hexerei bezichtigt worden sind.
Wie jede andere Erklärung, die jemals vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, von einer Baumschule, von einem Kongreß der American Association for the Advancement of Science oder von tratschenden Schwachsinnigen abgegeben worden ist, bedeutet auch diese Erklärung genau das, was sie nach jemandes Meinung bedeuten soll.
Eine Interpretation geht dahin, daß abergläubische Menschen verschiedene Unglücksfälle, die vermutlich aufgrund eigener Unwissenheit und Unfähigkeit geschehen sind, auf die bösen Absichten ihrer Nachbarn zurückgeführt haben. Wie auch immer, diese Fälle sind Abbilder von Beziehungen mit der Umwelt, und bislang sind wir im Garten des Bösen gewandelt, wo Tod und Zerstörung ohne sichtbare Stengel und ohne jedes Anzeichen blühen, daß es irgendwo Wurzeln gäbe.
New York Evening World, 14. September 1928 - Michael Drouse, ein Farmer, der in der Nähe von Bruce, Wisconsin, lebt, hat auf den 44jährigen John Wierzba geschossen und ihn tödlich verletzt. Er erklärte Sheriff Dobson, er habe das getan, weil Wierzba seine Kühe verhext habe. New York Times, 8. September 1929 - eine Klage der Rye National Bank aus New York gegen Leland Waterbury aus Poundridge mit dem Ziel, von dem Beklagten den Besitz zurückzuerhalten, den dieser dem Bankkunden Howard I. Saires angeblich mit Hilfe des "bösen Blicks" entwendet habe. "Der Fall wurde als der 'Hexenprozeß von Westchester' bekannt."
New York Times, 9. Oktober 1930 - eine Klage wegen Hexerei gegen Henry Dorn aus Janesville, Wisconsin. "Nachdem ein Mitglied des State Board of Medical Examiners sich die Klage wegen Hexerei angehört hatte, sagte er, sie sei seiner Ansicht nach unbegründet." Dorns Schwester hatte ihn beschuldigt, "Krankheitszauber" gegen im Haus wohnende Angehörige zu wirken.
Die Klage wurde also abgewiesen.
Ich halte nicht viel von Wahrsagerei. Ich mag die ganze Wahrsagerei nicht, wie sie genannt oder übertreibend geheißen wird. Aber ich glaube, daß man ohne weiteres das Schicksal eines Angehörigen eines State Board of Medical Examiners voraussagen kann, wenn der eine Anklage wegen Hexerei für begründet erklärte.
Es gab weitere Klagen gegen Dorn. Manche erinnern mich an die Beschuldigungen in alten Hexenprozessen -
Daß Dorn dafür gesorgt hätte, daß Äpfel an Bäumen verfaulten, daß Kühe keine Milch mehr gaben und Hühner keine Eier mehr legten.
Wenn sich einer gegen die Existenz der Hexerei ausspricht, liegt das oft daran, daß er sich nicht vorstellen kann, wie jemand Äpfel verfaulen lassen kann oder einer Kuh die Milch nimmt oder auf den Organismus einer Henne dergestalt einwirkt, daß sie keine Eier mehr legt. Die Wissenschaft erklärt nicht, wie das geht. Na also.
Freilich kann er sich auch nicht vorstellen, wie etwas dafür sorgt, daß Äpfel wachsen und nicht am Baum verfaulen; wie die Milch einer Kuh erzeugt wird und warum das Vieh nicht aufhört, Milch zu geben; und wie sich das Ei in der Henne entwickelt. Die Wissenschaft erklärt nicht, wie das geht.
Jeder Mensch steht für sich allein, also rette sich, wer kann - und die Verdammung winkt dem, der in die rettende Hand eines Messias einschlägt. Man erzählt uns zuviel, und man erzählt uns zuwenig. Wir verlassen uns darauf. Und für zwei Stecknadeln - aufgrund meiner Erfahrungen bin ich nämlich ziemlich sicher, daß man niemals zwei Stecknadeln zur Hand hat, wenn man zwei Stecknadeln braucht - würde ich dieses Buch als persönliche Philosophie oder nur für mich allein zu Ende schreiben und es dann verbrennen. Jeder steht für sich allein, denn sonst ist er ein Niemand.
Jeder Denker steht für sich allein. Dem einen erzählt man vielleicht nur etwas über Oberflächen. Die theologischen Fundamentalisten dagegen, die zur Wurzel vordringen wollen, sagen, alle Dinge seien gemacht - Gott habe alle Dinge gemacht. Und wer hat Gott gemacht? Das fragen alle kleinen Jungen. Der Raum ist gekrümmt, und hinter dem Raum oder hinter dem Raum-Zeit-Gefüge ist nichts, sagt Professor Einstein. Man kann ihn aber auch so verstehen, daß er gesagt habe, daß etwas nur im Verhältnis zu etwas anderem gekrümmt sein kann.
Durch dieses ganze Buch zieht sich ein Gedanke, der als Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit gedeutet werden könnte -nichts in der ganzen Wissenschaft zu finden, was mehr als nur annähernd verläßlich wäre - der Trost und die Zusicherungen der Religion, aber eine andere Religion könnte das gleiche leisten - jeglicher Fortschritt, der doch zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt - Philosophien als bloße intellektuelle Modenschauen -
Aber wenn jeder Mensch für sich selbst steht, dann bin ich der Ansicht, daß er aus seiner Illusion heraus, ein Selbst zu besitzen, ein Selbst entwickeln kann.
In Aufzeichnungen zu Hexenprozessen wird oft berichtet, daß die Beschuldigten zur Zeit der Geschehnisse in halb sichtbarem oder halb materialisiertem Zustand gesehen worden seien. Im Juni 1880 hat es laut Londoner Times vom 24. Juni 1880 in High Easter in der englischen Grafschaft Essex im Haus einer Familie Brewster Poltergeist-Erscheinungen gegeben. Möbel haben sich bewegt, ein Bett hat geschwankt. Brewster sah etwas Schemenhaftes oder glaubte etwas in dieser Art zu sehen, das er als seine Nachbarin Susan Sharpe erkannte. Er und sein Sohn suchten das Haus der Frau auf und schleppten sie zu einem Teich. Sie warfen sie hinein, um zu sehen, ob sie unterginge oder oben bliebe. Das war früher einmal die wissenschaftliche Art und Weise, derlei Dinge zu erledigen, aber die wissenschaftliche Mode hatte sich geändert. Brewster und sein Sohn wurden verhaftet und vom Gericht dazu verurteilt, Frieden zu halten - wenngleich man durchaus mit Frauen so verfahren sollte, die auf die Idee kommen, zur Stoßzeit mit einem Reifrock in der Untergrundbahn zu fahren.
Ein Fall, der eine Mischung aus alten Beschuldigungen und modernen Erklärungen darstellt, wurde am 14. Juli 1921 in der Londoner Evening News gemeldet - "rätselhafte Krankheiten" waren ausgebrochen, die dem Einwirken eines Feindes zugeschrieben wurden, worauf der Versuch folgte, die Sache materialistisch zu erklären. Die Bewohner eines Hauses in Putney hatten ein Gericht im Londoner Südwesten angerufen und ihren Nachbarn Frank Gordon Hatton beschuldigt, er hätte ihnen "giftige Dämpfe durch den Schornstein geblasen". Da die Kläger die Tat nicht nachweisen konnten, stellte der Friedensrichter das Verfahren ein.
Falls jemand eine vernünftige Vorstellung davon hat, was er mit Verrücktheit meint, dann weiß er vielleicht auch, was er sagen will, wenn er unkonventionelle Verhaltensweisen auf diese bequeme Art und Weise erklären will. Aber was Verrücktheit auch sein mag, ihre Anwendung ist lange nicht so befriedigend wie das, was zwei Menschen relativ zu einem bestimmten Glaubenssystem von sich geben. Nach Zeitungsberichten über einen Mordfall im Juli 1929 sind Eugene Burgess und seine Frau Pearl wegen der gleichen Sache verrückt geworden. Sie glaubten, Burgess' Mutter, die im Jahre 1927 verstorben war, sei von einer Nachbarin namens Etta Fairchild "willentlich zu Tode gebracht worden". Sie glaubten, diese Frau habe außerdem ihrer Tochter eine Krankheit auferlegt. Sie haben Mrs. Fairchild umgebracht. In einem Bericht der New York Sun vom 16. Oktober 1929 wird Mrs. Burgess folgendermaßen beschrieben: "Als lebendiger Widerspruch zum Bild der dummen Bauersfrauen, die seit Jahrhunderten wegen derartiger Verbrechen angeklagt werden, sieht Mrs. Burgess eher aus wie eine wohlhabende Dame der Gesellschaft."
Soweit die Berichte über Anklagen wegen Hexerei von Menschen gegen andere Menschen, die auf Aberglaube oder Wahrnehmung beruht haben. Nun kommen wir zu Berichten über Fälle, in denen es, meiner Unwissenheit oder Erleuchtung zufolge, ebenfalls Andeutungen von Hexerei geben könnte.
Chicago Tribune, 14. Oktober 1892 - wunderliche, aber ganz und gar nicht außergewöhnliche Geschehnisse im Haus des Jerry Meyers, eines Farmers, der in der Nähe von Hazelwood, Ohio, gelebt hat. Meyers war vorübergehend nicht daheim gewesen, weil er seine Frau zum Bahnhof gefahren hatte. Als er zurückkehrte, erzählte ihm seine Nichte Ann Avery, die aus Middletown, Ohio, zu Besuch gekommen war, hysterisch eine Geschichte. Bald nachdem er und Mrs. Meyers das Haus verlassen hatten, seien Steine nach ihr geworfen worden oder um sie her niedergegangen. Gegenstände im Haus bewegten sich auf sie zu. Mr. Meyers war vermutlich so erstaunt wie sie über diesen Bericht, aber er wollte zunächst zu Abend essen. Die Nichte ging in die Scheune, um Eier zu holen. Auf dem Rückweg sind um sie herum Steine heruntergekommen. Obwohl Meyers noch nicht zu Abend gegessen hatte, er holte sein Gewehr. Nachbarn wurden über die Vorgänge unterrichtet. Rings um das Haus bezogen Männer mit Schrotflinten Posten, aber nach wie vor wurde das Haus mit Steinen unbekannten Ursprungs bombardiert. Ann Avery floh nach Middleton, wo sie zu Hause war. Die Phänomene hörten auf.
Im Fall dieses Mädchens, das aus dem Haus des Onkels vertrieben wurde, fällt mir vor allem die Tatsache auf, daß die Angriffe mit Steinen begonnen hatten, kurz nachdem Mrs. Meyers das Haus verlassen hatte. Es hieß, sie habe Freunde im Dorf Lockland besuchen wollen. Natürlich ist Gastfreundschaft manchmal ein seltsames Ding. Eine Gastfreundschaft, die es erlaubt, daß die Frau des Hauses anderswo Besuche macht, während die Nichte des Gatten zu Besuch ist, scheint in der Tat etwas seltsam zu sein.
Am 30. November 1892 war im Ort Hamilton in Ontario ein Mann zum Bahnhof unterwegs. In einer Zelle eines Gefängnisses in Fall River, Massachusetts, saß eine Frau.
Henry G. Trickey war in Hamilton auf dem Weg zum Bahnhof. Im Gefängnis von Fall River saß Lizzie Borden, die angeklagt war, ihre Eltern ermordet zu haben.
Im August 1892 hatte Trickey, ein Reporter des Boston Globe, über Lizzie Borden das geschrieben, was man einen "skandalösen Artikel" nennt. Der Globe erfuhr, daß die Geschichte falsch war und entschuldigte sich. Trickey wurde angeklagt.
Er ging nach Kanada. Es sieht aus, als sei er vor der Strafverfolgung geflohen.
Lizzie Borden saß in ihrer Zelle. Vielleicht war da noch etwas Gefährlicheres im Spiel als eine Anklage; etwas, vor dem es kein Entrinnen gab. Als Trickey in Hamilton in den Zug steigen wollte, stürzte auf die Gleise er und kam ums Leben.
In der Stadt Eastbourne in der englischen Grafschaft Sussex wurde John Blackman, ein bekannter Arbeiterführer, im April 1922 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er mit den Unterhaltszahlungen für seine Frau im Rückstand war. Der Richter, der ihn verurteilte, verstarb plötzlich. Als Blackman freigelassen wurde, weigerte er sich nach wie vor zu zahlen und kam wieder ins Gefängnis. Der Richter, der ihn ins Gefängnis einweisen ließ, "verstarb plötzlich". Blackman zahlte immer noch nicht und wurde zwei weitere Male ins Gefängnis gesteckt. Beide Male ist der Richter, der seinen Fall bearbeitete, "plötzlich verstorben". Siehe die Londoner Lloyd's Sunday News, 14. Oktober 1923.
Am 29. November 1931 war im Haus der Phoebe Bradshaw, Bedford Street Nr. 106 in New York City, die Vorstellung eines Laientheaters angesetzt. Den Bösewicht sollte Clarence Hitchcock spielen, wohnhaft in der Grove Street Nr. 23 in New York. Der Betrogene Ehemann war John L. Tilker aus der Belmont Avenue Nr. 1976 in der Bronx. Tilker bekam eine Theaterpistole. Er hatte außerdem einen geladenen Revolver bei sich, für den er einen Waffenschein besaß. Als der richtige Zeitpunkt gekommen war, schoß Tilker mit seinem Revolver auf Hitchcock und traf ihn am Hals. "Anscheinend war ihm die Schauspielerei noch neu, und er hat in seiner Aufregung mit seinem eigenen Revolver anstatt mit der Attrappe geschossen."
Hitchcock lag sterbend im St. Vincent's Hospital. Bald darauf ist Tilker etwas zugestoßen. Er wurde ins Willard Parker Hospital eingeliefert, weil er an etwas litt, das man für Scharlach hielt. Hitchcock starb am 17. Januar 1932. Schlagen Sie in der New York Herald Tribune vom 18. Januar 1932 nach.
New York Evening Journal, 6. Februar 1930 - "Zwei erbitterte Feindinnen stehen heute am Rande des Todes. Eine von ihnen "erholt sich recht gut", während die andere schwächer wird und sich in äußerst kritischem Zustand befindet. Beide leiden an Krebs. Es handelt sich um Mrs. Frances Stevens Hall und Jane Gibson, ihre bestgehaßte Gegnerin im berühmten Hall-Mills-Prozeß. Die Zeugenaussage der Letztgenannten sollte dazu dienen, Mrs. Hall auf den elektrischen Stuhl zu schicken."
Am 8. Februar ist Jane Gibson gestorben.
Im Herbst 1922 war Mrs. Jane Gibson noch eine kräftige Bäuerin gewesen. Sie hatte erklärt, sie habe am Abend des 14. September 1922, als Dr. Edward Hall und Elinor Mills ermordet worden waren, beobachtet, wie Mrs. Hall sich über die Leichen gebeugt habe. So lautete ihre Aussage. Sie kehrte nach Hause zurück und erkrankte kurz darauf. Bei der Neuaufnahme des Verfahrens im November 1926 wiederholte sie ihre Aussage. Sie mußte zu diesem Zeitpunkt schon auf einer Bahre in den Gerichtssaal getragen werden. "Seit diesem Zeitpunkt hat sie die meisten ihrer Tage im Krankenhaus verbracht."
Kapitel 23
Tote Männer in einem Park in Harlem - und Häuser werden von unerklärlichen Explosionen zerstört - ein unsichtbarer Haarschnippler geht um - Vampire und Mörder - ein Mädchen wird auf einer Treppe in Gegenwart eines großen Publikums gestochen, als wäre es eine Theateraufführung - die inneren Organe einer Frau verbrennen bis zur Unkenntlichkeit -
Und die erbittertsten Feindinnen der Hexerei, eine mit Verfolgung, die andere mit Verleugnung bewaffnet, waren Religion und Wissenschaft -
Nur immer zu!
Freilich ist Hexerei beängstigend.
In unserer Bindestrich-Existenz kann das Beängstigende und Entsetzliche nur eine Facette eines Zustandes sein, der das Häßliche mit dem Begehrenswerten verbindet.
Religion ist der Glaube an ein höheres Wesen. Wissenschaft ist der Glaube an eine höhere Verallgemeinerung. Im wesentlichen sind sie einander gleich. Beide sind Unterdrücker der Hexerei, und ich werde diese Gegner gemeinsam angehen. Aber in einem Zustand der Realheit-Irrealheit kann es keine echte Gegnerschaft geben. In unserer Bindestrich-Existenz ist das, was man Opposition nennt, nur eine Facette des Zustands der Opposition-Stimulation.
Es gibt keine Möglichkeit, etwas zu beurteilen, außer man zieht die jeweiligen Manifestationen heran. So licht sie auch war, die Religion hat auch Schatten gebracht. Heute herrscht Zwielicht. In der Vergangenheit stand sie für Gnade und Barmherzigkeit und Verfolgung und blutigen, fanatischen, sadistischen Haß - Hymnen aus Kapellen und Schreie aus heiligen Schlachthäusern - vom aufsteigenden Qualm brennender Körper auf Scheiterhaufen begleitet, strebten Seelen in höhere Gefilde. Ich kann sagen, daß wir von der Religion keine Opposition gespürt haben, weil es nie eine Religion gegeben hat - was heißen soll, daß die Religion nie als etwas von anderen Tugenden und Lastern und Segnungen und Qualen Unterschiedliches existiert hat - daß die Religion wie alle anderen angeblichen Dinge, Wesen oder Institutionen nie in endgültigem Sinne eine Existenz besessen hat. Ein Atheist mag in seiner Inbrunst wie ein frommer Mensch wirken. Ich kann auch einen nicht monistischen Standpunkt einnehmen und akzeptieren, daß es eine Religion gibt oder gegeben hat, genau wie ich praktisch ignoriere, daß alle Dinge und Geschöpfe, die mir in meinen Alltagserfahrungen begegnen, so sehr miteinander verknüpft sind, daß sie keine eigene Identität besitzen, während ich meinen Alltagsgeschäften nachgehe, als hätten die Dinge und Wesen eine eigene Identität.
New York Sun, 26. März 1910 - ein Ausbruch des Ätna - die Menschen in Borelli beten - die Lava nähert sich. Die Flut des geschmolzenen Gesteins bewegte sich auf einen Schrein zu. Dort hatten sich die Betenden versammelt. Die Lava hat den Schrein erreicht und plötzlich eine neue Richtung genommen.
New York Times, 27. Juli 1931 - "Wie berichtet wird, haben die Northern Saskatchewan Indianer trotz Verbots durch Regierungsvertreter vor kurzem ihre überlieferten Regentänze wieder aufgenommen. Die Felder waren versengt und das Vieh halb verdurstet, als Häuptling Buffalow Bow, der Anführer der Indianer im File Hills-Reservat, beschloß, den Großen Geist anzurufen. Der achtundvierzig Stunden dauernde Tanz wird abwechselnd von sechs Sängern um einen großen Baum herum aufgeführt, in dessen Rinde eine Bitte um Hilfe geschnitzt worden war. Der Große Geist schien das Gebet erhört zu haben, denn kurz nach dem geheimnisvollen Ritual hat es am 14. und 15. Juli zwei Tage lang ununterbrochen geregnet. Ganz Saskatchewan ist von der Dürre befreit."
Wenn Jehovah und der Große Geist nach Ansicht der Mehrheit der Bewohner unserer Erde nur Mythen sind, dann sind die Lava, wenn sie nicht sowieso ihren Weg verändert hätte und der Regen, wenn er nicht sowieso gefallen wäre, durch Hexerei beeinflußt worden, falls es so etwas wie Hexerei gibt. Ich befinde mich im Grunde in der gleichen Situation wie ein Mathematiker. Betrachten Sie irgendeinen mathematischen Lehrsatz. Nehmen wir das Kräfteparallelogramm. In den Lehrbüchern funktioniert die entsprechende Beweisführung - falls die beteiligten Kräfte keine Abweichungen zeigen - falls sich die Widerstände nicht verändern - falls sich der den Kräften ausgesetzte Körper nicht verändert - falls der Schüler die Veränderungen und Unregelmäßigkeiten, die allenthalben existieren, nicht zur Kenntnis nimmt.
Im Londoner Daily Chronicle vom 7. Juli 1924 wird der Fall eines englischen Mädchens aufgegriffen, das, wie es glaubte, geheilt aus Lourdes zurückgekehrt war. Meist wollen die Ärzte mit solchen Fällen nichts zu tun haben, aber in diesem Fall kam man überein, die Angelegenheit zu überprüfen. Im Krankenhaus St. John and St. Elizabeth im Londoner Stadtteil St. John's Wood wurde das Mädchen von 50 Ärzten untersucht. Die Kleine war mit einer Krankenschwester nach Lourdes gefahren. Die Schwester wurde befragt und erklärte, die Hand des Mädchens sei aufgrund einer Blutvergiftung mit wunden Stellen bedeckt gewesen und in Lourdes geheilt worden. Drei Ärzte aus Lourdes konnten das Krankheitsbild des Mädchens bei der Ankunft im Wallfahrtsort bestätigen. Die wunden Stellen waren verschwunden, aber die Hand schien noch irgendwie verkrampft. Die offizielle Entscheidung der 50 Ärzte, die nicht aus Lourdes waren, lautete: "Aufgrund der vorgelegten Beweismittel kann die Heilung nicht als erwiesen angesehen werden."
Ich würde gern mal eine Aufzeichnung über die Meinung von 50 Fahrern von Pferdedroschken über Automobile aus der Zeit hören, als Automobile noch neu und unsicher waren, aber dennoch eine gewisse Bedrohung für das Einkommen der Droschkenkutscher dargestellt haben.
Im New York World-Telegram vom 24. Juli 1931 finde ich eine Geschichte über einen Jungen, der im Medical Center Hospital in New York von einer Lähmung geheilt wurde, indem man ihn mit einem Stück Knochen der Heiligen Anne berührte, den man aus der Kirche St. Anne in der East 12th Street Nr. 110 ins Krankenhaus gebracht hatte. Der Junge war der Sohn von Hugh F. Gaffney aus der East 18th Street Nr. 348 in New York City.
Wenn, wie die meisten Bewohner dieser Erde glauben, in Lourdes oder in der East 12th Street Nr. 110 nicht mehr Göttlichkeit zu finden ist als irgendwo sonst, dann gibt es Grund zu der Annahme, daß an diesen Orten Hexerei wirkt.
Die Funktion Gottes ist der Brennpunkt. Intensive Konzentration ist nur möglich, wenn es etwas oder die Illusion eines Etwas gibt, auf das man sich konzentrieren kann. Sobald man irgendein anderes passendes Hilfsmittel zur Förderung der Konzentration hat, wird das Gebet überflüssig. Ich stelle mir die Magie der Gebete vor. Ich stelle mir die Magie der Gotteslästerung vor. In der Religion ist Hexerei: Vielleicht ist auch Hexerei im Atheismus.
In der New York Evening World vom 19. September 1930 finde ich einen Bericht über Freudenausbrüche in Neapel. Die Menschen hätten begeistert gerufen, die Kirchenglocken hätten geläutet. In der Cappella del Tesora war ein Fläschchen mit dem "Blut des Heiligen Januarius" ausgestellt. Das Blut hatte gekocht.
Ich bin der Ansicht, daß das "Blut des Heiligen Januarius" gefroren wäre, wenn es ein noch heftigeres Verlangen gegeben hätte, von der Reliquie enttäuscht zu werden.
Am 5. März 1931 - sehen Sie in die New York Herald Tribune vom 6. März 1931 - sind 15 000 Gläubige bei einem Pontifikalamt auf der Municipal Plaza in San Antonio, Texas, niedergekniet. Wenn man berücksichtigt, wie heftig zu dieser Zeit der Widerstand gegen den Katholizismus in Mexiko war, kann man sich vorstellen, daß diese Antipathie zum Teil auch im benachbarten San Antonio zu spüren war. Aus einer Palme fiel der höchste Wedel auf die knienden Gläubigen. Sechs Menschen mußten ins Krankenhaus gebracht werden.
Meine allgemeine Ansicht geht dahin, daß einige der verbürgten Phänomene, die man "Wunder" nennt, wahrscheinlich geschehen sind, daß sie aber willkürlich von Anhängern der Religionen in Besitz genommen worden sind, obwohl die Priester keinen größeren Anspruch auf sie haben als Handlungsreisende - daß Wissenschaftler die geschilderten Phänomene zurückgewiesen haben, weil sie Ansteckung aus der Priesterschaft befürchtet haben - daß aber jeder Wissenschaftler, der die "Ideale der Wissenschaft" predigt und sich von der Furcht vor Ansteckung beeindrucken läßt, mit seiner Predigt das gleiche falsche Zeugnis ablegt wie irgendein anderer Priester.
Sehen Sie in die New York Herald Tribune vom 6. Dezember 1931 - ein Bericht aus Goa im portugiesischen Teil Indiens, daß der Sarg des heiligen Franz Xaver geöffnet worden sei.
"Ein Sondergesandter von Papst Pius XI. führte die feierliche Prozession an. Drei Erzbischöfe, fünfzehn Bischöfe und Hunderte weitere Angehörige des Klerus haben daran teilgenommen. Zehntausende Menschen wohnten der päpstlichen Messe und der Weihe in der Kirche Don Jesus teil.
Die Gemeinde zog dann am Sarg vorbei, und die Menschen küßten die Füße des Heiligen."
Aber es hat Wissenschaftler gegeben, vor allem Mediziner, die trotz der Ansteckungsgefahr nicht vor Untersuchungen zurückgeschreckt sind.
Im Januar 1932 haben die New Yorker Zeitungen gemeldet, daß aus Goa viele Berichte über Wunder eingingen.
Die Anhänger der Religionen sind im eigentlichen Sinne keine Gegner der Hexerei. Es handelt sich um Konkurrenz.
Kapitel 24
Unser einziger wichtiger Gegner ist nicht die Wissenschaft, sondern der Glaube, wir befänden uns im Streit mit der Wissenschaft.
Das ist ein altmodischer Glaube.
In diesem Buch wird nichts berichtet, das in schärferem Widerspruch zu den alten Dogmen stünde als die Theorie des Nobelpreisträgers Nils Bohr, daß die Sonne ihre Energie aus dem Nichts "beziehe".
Die Quantentheorie ist eine Doktrin der Magie. Die Vorstellung, man könnte Bockspringen spielen, ohne über den Bock zu springen, ist nichts weiter als eine andere Form der Idee, man könnte einen geschlossenen Raum betreten, ohne die Wände durchdringen zu müssen. Aber zwischen "fachkundigen Erklärungen" und meinen Ansichten besteht ein großer Unterschied. Der Unterschied ist ungefähr so groß wie der zwischen subatomaren Teilchen und dem Geschehen in Gasthöfen. Viele Menschen sind davon überzeugt - ich selbst bin es nicht, weil für mich alle Dinge Phänomene sind und weil für mich alle Berichte Daten sind oder sein können -, daß Elektronen und Protonen würdevolle kleine Dinger sind, wohingegen Kostgänger und Stadtstreicher auf Parkbänken alles andere als feierlich sind. Charles Darwins Äußerungen wurden ähnlich aufgenommen, als er, statt akademische Spekulationen über die Evolution abzuliefern, über Käfer und Knochen und die Eingeweide von Tieren sprach. Aber das heißt natürlich nicht, daß ich mit irgend etwas irgend etwas sagen wollte.
Die Quantenmagie ist eine Doktrin der Diskontinuität. Daher scheint sie zu meinen Ansichten über die Bindestrich-Existenz, die ja wie eine Philosophie der Kontinuität anmutet, im Widerspruch zu stehen. Aber ich habe bereits darauf hingewiesen, daß ich die Bindestriche auch in einer anderen "Dimension" setze. Ich stelle mir vor, daß alle Phänomene in einer "Dimension" die Diskontinuität und in einer anderen "Dimension" die Kontinuität zum Ausdruck bringen - und das heißt, daß alle Phänomene voneinander abhängig sind und miteinander verbunden sind oder ineinander übergehen und zugleich doch so individualisiert sind, daß nichts wie irgend etwas anderes ist, oder daß alles für sich allein oder diskontinuierlich ist.
Ich stelle mir unsere Existenz als einen umfassenden organischen Zustand oder als ein Wesen vor, das individuell oder ohne Beziehung zu irgend etwas anderem, beispielsweise zu anderen Existenzen im Kosmos, existiert, dessen Einheitlichkeit in der Kontinuität aller seiner inneren Phänomene zum Ausdruck kommt und dessen Individualität oder Getrenntheit von allem anderen im Kosmos sich darin zeigt, daß Individualität oder Diskontinuität sich in allen seinen Phänomenen niederschlägt. Wenn das Wort "Kosmos" aber soviel wie "organisierte Universalität" bedeuten soll, dann habe ich das Wort hier falsch benutzt. Aus verschiedenen Gründen will ich es trotzdem stehen lassen.
Es gibt viele Menschen, die glauben, sie gingen mit der Zeit oder seien gar ihrer Zeit voraus, wenn sie ihre Argumente im neuesten wissenschaftlichen Dialekt absondern und alles glauben, was man ihnen über Elektronen erzählt, während sie gleichzeitig unfähig sind, eine Idee von Elektronen auf Kostgänger zu übertragen - wiewohl sie doch vorbringen würden, ein Kostgänger sei nichts weiter als eine Ballung von Elektronen - und doch fahren sie wie gehabt damit fort, über verschiedene Angelegenheiten ganz allgemein in altmodischen, materialistischen Begriffen zu denken.
Fragen wir also in altmodischen Begriffen, was ich heute zum Frühstück gegessen habe.
Ich denke: also habe ich gefrühstückt.
Wenn wir zwischen unserem Frühstück und unseren Gedanken oder zwischen Hirn und Haferflocken keine klare Trennlinie ziehen können, dann entspricht dies der Kontinuität zwischen dem Materiellen und dem Immateriellen. Wenn es nichts Materielles gibt, das sich absolut vom Immateriellen unterscheidet, was wird dann aus unserer Opposition, soweit sie überlebt hat, oder dem, was man materialistische Wissenschaft nennt?
"Wissenschaft ist systematisiertes und formuliertes Wissen."
Demnach ist jeder, der genug systematisiertes und formuliertes Wissen besitzt, um rechtzeitig am Frühstückstisch zu erscheinen, in eben diesem Maße ein Wissenschaftler. Es gibt wissenschaftliche Hunde. Die meisten davon besitzen eine ganze Menge systematisiertes und formuliertes Wissen. Katzen und Kaninchen und die ganzen entnervenden südamerikanischen Nagetiere, die von Kreuzworträtselerfindern entdeckt worden sind, sie alle sind Wissenschaftler. Ein wissenschaftlich arbeitender Magnet pickt sich Eisenfeilspäne aus verschiedenen anderen Stoffen heraus und klassifiziert sie. Wissenschaft als unterscheidbarer, getrennter Bereich existiert nicht.
Unsere Daten haben sich um Hexerei in Liebesbeziehungen gedreht, um Boshaftigkeit in kleinen Städten und gelegentliche, nicht besonders wichtige Mordfälle. Dem Phantom der materialistischen Wissenschaft entsprechend, gibt es keine Hexerei. In monistischem Sinne stimme ich zu. Hexerei hängt so sehr mit anderen "natürlichen Kräften" zusammen, daß man sie nicht als etwas, das eine eigene Existenz besäße, herauspicken kann. Aber in Begriffen der verbreiteten Illusionen akzeptiere ich, daß es Hexerei gibt; und nur um des Anscheins einer Opposition willen und damit die Sache interessanter wird, will ich behaupten, daß es auch Wissenschaft gibt.
Sterne und Planeten und ultraviolette Strahlen von der Sonne - paläolithische und neolithische Wechselbeziehungen, zymotische Multiplikationen und die Gleichseitigkeit eines Vierecks -
Und das kleine Mädchen aus Colwell, das die Feuerwehr in Atem hielt - und ein Kind namens "Rena" bekam einen Haarschnitt - es gab mal ein Haus, in dem eine Schale mit Schmierseife von Zimmer zu Zimmer gewandert ist - eine Frau allein in einem Eisenbahnabteil, die vielleicht doch nicht allein war -
Die Abscheu des akademischen Wissenschaftlers - soweit unter den heutigen Sensationshaschern noch ein akademischer Wissenschaftler überlebt hat - gegenüber allem, was ich meine Daten über Hexerei nenne -
Und jetzt ist mein Thema die Hexerei in der Wissenschaft.
Im Jahre 1913 hat der deutsche Wissenschaftler Emil Abderhalden verkündet, ihm sei die Synthese eßbarer Substanzen aus anorganischen Stoffen gelungen. Es hieß, um jede Unsicherheit auszuschließen - das war in jenen herrlichen alten Tagen, als die Wissenschaftler noch ganz sicher waren -, habe er die Veröffentlichung lange zurückgehalten. Aber die Experimente seien erfolgreich verlaufen. Hunde, die mit synthetischen Nahrungsmitteln gefüttert wurden, hätten, verglichen mit auf herkömmliche Weise gefütterten Hunden, in erstaunlichem Maße an Gewicht zugelegt. Die Berichte waren reichlich mit Tabellen bestückt. Die Statistiken waren sehr statistisch. Dann kam der Krieg. Wenn Dr. Abderhalden oder sonst jemand in Deutschland in der Lage gewesen wäre, aus verschiedenen Arten von Matsch diese angeblichen Nahrungsmittel herzustellen, dann würden wir vielleicht heute noch kämpfen. Wie es aussieht, ist jetzt aber Ruhe, und wir können die notwendigen Nachkommen zeugen, bevor das Gemetzel weitergeht. Wenigstens zur Vermeidung erneuter böser Grausamkeiten scheint es begrüßenswert, daß ein paar der großartig angekündigten wissenschaftlichen Erfolge so erfolgreich nicht sind.
Aber die Hunde werden fett.
Es gibt kaum ein Jahrestreffen einer wichtigen wissenschaftlichen Vereinigung, auf dem nicht von bedeutenden Ärzten und Professoren große Entdeckungen angekündigt und veröffentlicht werden, selbstverständlich nach langen und sorgfältigen Experimenten, nach konstruktiven und peinlichen Prüfungen und nachdem Vorkehrungen gegen alle möglichen Fehlerquellen getroffen worden sind. Ein Jahr später sind diese Wohltaten für die leidende Menschheit vergessen.
Diese Verkündungen werden fast nie hinterfragt und scheinen die Verkünder nie in Verlegenheit zu bringen. Es gibt viel "wissenschaftliche Zurückhaltung". Ein Wissenschaftler kann ja nie wissen, ob er nicht eines Tages selbst mal eine Verkündigung von sich geben wird. Aber Mitte Juli 1931 wurde Professor Wilhelm Gluud von der Westfälischen Universität in Münster nicht mit der üblichen "Zurückhaltung" begrüßt. Professor Gluud verkündete - so ein Professor sagt nicht einfach etwas, er verkündet -, daß aus Kohle synthetisches Eiweiß hergestellt werden könnte. Diese Träumerei wurde angegriffen, und noch im Juli gab Professor Gluud zu, daß er mit seiner Verkündung "voreilig" gewesen sei.
Aber etwas hatte einen international angesehen Wissenschaftler so weit überzeugt, daß er dieses Ansehen riskiert und die Sache verkündet hat.
So könnte man meinen.
Wenn er keine Experimente durchgeführt hätte und einfach und verantwortungslos damit herausgeplatzt wäre, dann hätten wir einen Fall von Monismus und könnten keinen Unterschied mehr zwischen einem westfälischen Professor und irgendeinem Marktschreier auf Coney Island sehen. Aber wenn er Experimente durchgeführt hat und wenn er, obwohl spätere Entwicklungen zeigten, daß aufgrund chemischer Prinzipien ein Erfolg unmöglich ist, dennoch Gründe für die Annahme gefunden hat, daß einige seiner Experimente erfolgreich verlaufen sind, dann waren die Erfolge, die mit seiner Theorie übereingestimmt haben, Realisierungen seiner Phantasie.
Ungefähr zur gleichen Zeit (im Juli 1931) kam ein anderer Wissenschaftler in Verlegenheit. Der russische Psychologe Pawlow hatte verkündet, er habe weiße Mäuse darauf dressiert, auf Glockenschlag zum Essen zu erscheinen -
Aber seht euch das mal an!
Wie überheblich dürfen Menschen, die ihre Zeit damit verbringen, Mäuse mit der Glocke zum Essen zu rufen, eigentlich auf andere herabsehen, die Berichte über wandernde Seifenschalen sammeln?
Pawlow hat erklärt oder "verkündet", er habe weiße Mäuse gelehrt, auf Glockenschlag zum Essen zu erscheinen. Die zweite Generation dieser Mäuse hätte dann lebhafter auf die Glocke reagiert. Diese Verbesserung der Reaktion sollte ein Indiz für erworbene Erbeinflüsse sein.
Aber dann hat Sir Arthur Thompson aus dem schottischen Aberdeen etwas verkündet.
Und jetzt seht euch das an! Ich würde gern mal Sir Arthurs Meinung zu Themen wie dem "verschwindenden Mann" und den Steinen hören, die nach der Nichte eines Bauern geworfen worden sind. Auch der hatte Tiere mit der Glocke zum Essen gerufen.
Thompson hat verkündet, er habe in der zweiten Generation weißer Mäuse keinerlei verbesserte Gelehrigkeit feststellen können. Woraufhin Pawlow seine Verkündung zurückgezogen und erklärt hat, er sei womöglich von seinem Assistenten getäuscht worden.
Das scheint die übliche Rückzugsstrategie zu sein. Bevor er sich im August 1925 erschoß, erwiderte Professor Kammerer, ein Assistent habe ihn hintergangen. Man hatte ihm vorgeworfen, er habe mit Tusche aufgemalt, was er als erworbene Merkmale von Geburtshelferkröten bezeichnet hatte.
Ich denke mir, daß Pawlows weiße Mäuse, auch wenn er angesichts einer "höheren Autorität" den Rückzug angetreten hat, vielleicht wirklich in der zweiten Generation stärker reagiert haben, selbst wenn bei anderen Forschern die Mäuse nicht einmal in der fünfzehnten Generation irgendwelche verbesserten Reaktionen gezeigt haben - und daß aus lediglich biologischen Gründen wahrscheinlich keine Brunftschwielen an den Beinen von Professor Kammerers Geburtshelferkröten erscheinen konnten -
Bilder auf Hagelkörnern - ein Bildnis an der Wand einer Kathedrale - und ein Insekt nimmt das Aussehen eines Blattes an -
Daß es möglich ist, daß ein Mann sich und andere vielleicht doch nicht ganz und gar getäuscht hat, sondern daß als Reaktion auf seine Theorie wirklich schwach ausgeprägte Schwielen an den Füßen von Kröten erschienen sind - aber die große Ungewißheit und die Flüchtigkeit der Beweise - daß Professor Kammerer, fest davon überzeugt, daß er recht hatte, die schwach ausgeprägten Schwielen vielleicht mit Tusche verstärkt hat, um Nachprüfungen heil zu überstehen - dann die Bloßstellung - Selbstmord.
Die Geschichte der Mittel, die Krebs heilen sollen, ist eine Geschichte voller erfolgreicher Behandlungen von krebskranken Hunden, Katzen, Hühnern, Ratten, Mäusen und Meerschweinchen - gefolgt von Aufrufen an die Öffentlichkeit, Geld zu spenden, damit man die unbekannten Ursachen untersuchen und nach dem Heilmittel für Krebs forschen könne. Sehen Sie sich die Aufzeichnungen zu Krebsgeschwüren an, die den triumphierenden Berichten zufolge bei Mäusen und Meerschweinchen abgebaut oder im Wachstum gehemmt worden sind, und versuchen Sie, sich vorzustellen, daß das alles bloß absichtliche Täuschungsmanöver waren. Ich habe eine gute-schlechte Meinung von den Menschen und kann das nicht akzeptieren.
Aber wenn einige dieser Experimente tatsächlich so erfolgreich verlaufen sind, wie es behauptet worden ist, und wenn die Behandlungsmethoden inzwischen verworfen oder vergessen sind - dann waren diese Erfolge materialisierte Phantasien. Ich kenne nichts in der Wissenschaft, was besser etabliert wäre als einige Behandlungsmethoden von Krebs unter Verwendung von Radium. Aber im Jahre 1930 hat die British Radium Commission eine Warnung herausgegeben, daß der Gebrauch von Radium keine anerkannte Krebsbehandlung sei. Für mich sieht es so aus, als hätte es trotz aller Aufrichtigkeit und Scharlatanerie, trotz aller Hingabe an Ideale und aller Fälschungen und Unaufrichtigkeiten, trotz all der Ausbeutung und Bauernfängerei dieses Kults, tatsächlich einige Heilungen gegeben, die womöglich auf dem Gebrauch von Radium beruht haben; daß aber Schmierseife, wenn sie mit den gleichen inbrünstigen Gedanken zur Anwendung gekommen wäre, die gleiche Wirkung gehabt hätte -
Das bringt uns zu der entsetzlichen und nutzlosen Vivisektion, wo doch Experimente mit den Tieren auf einer Spielzeugarche, um sie von Holzsplittern zu befreien, genauso aufschlußreich wären, weil man allem und jedem die Bedeutung verleihen kann, die man in ihm sehen will - in einer Existenz, in der es keine Bedeutung, sondern nur Bedeutung-Bedeutungslosigkeit gibt.
Und weil ich nicht drei-, vierhundert Seiten über dieses Thema schreiben will, werde ich nicht groß auf die Berichte über professorale Wüteriche oder gläubige und hingebungsvolle Wissenschaftler eingehen, die den Wunsch alter Knacker auf Knackiges ausgebeutet oder zu befriedigen versucht haben. Ich entnehme der New York Evening Post vom 12. April 1928 einen Bericht über "äußerst wichtige wissenschaftliche Entdeckungen auf dem Gebiet der Verjüngung", die von Professor Steinach aus Berlin für den alljährlichen deutschen Chirurgenkongreß angekündigt worden seien. Professor Steinachs Verkündung bestand darin, daß er das Geheimnis der Verjüngung entdeckt habe, das mit der Hypophyse zusammenhinge. Falls jemand nicht weiß, wo die Hypophyse ist, kann ich als Hilfe hinzufügen, daß sie mit dem Spaßbein verbunden ist. Sie befindet sich in einem Körperteil, der mit sexuellen Beziehungen enorm viel zu tun hat: im Gehirn.
Dr. Steinach hat angekündigt, er habe senilen Ratten mit Hilfe von zwölf Injektionen von Hypophysenserum "den nachlassenden Appetit zurückgegeben, neues Haarwachstum stimuliert, alle Körperfunktionen verjüngt und ganz allgemein leidende oder halbtote Geschöpfe in jugendliche Tiere verwandelt."
Das ist die Hexerei der Wissenschaft -
Wenn kahlköpfige alte Ratten jung und behaart werden - wenn Hunde, die mit Kohleprodukten gefüttert werden, in erstaunlichem Maße zunehmen - wenn Zehntausende Mäuse und Meerschweinchen je nach Anwesenheit oder Abwesenheit von Versuchsleitern dünn oder dick geworden sind -
Wenn nicht in allen diesen Fällen der betrügerische oder vielleicht auch wohlmeinende Assistent, sagen wir mal, eine frische und behaarte junge Ratte statt eines tattrigen alten Knackers in den Käfig gesetzt hat; wenn nicht ein Assistent in heimlicher Gemeinheit oder Zuneigung das Futter der Hunde, die mit Kohleprodukten ernährt werden sollten, durch Fleischhappen ergänzt hat -
Wenn nicht in allen diesen Fällen bedeutende Trapper Dollarfallen aufgebaut haben.
Ich ziehe die Pseudo-Schlußfolgerung oder akzeptiere - weiter kann ich in der Fiktion, in der wir leben, nicht gehen -, daß einige dieser Verkündungen ziemlich getreuliche Wiedergaben tatsächlicher Begebenheiten waren; und daß mittels Hexerei oder als Reaktion auf das dringende Verlangen der Versuchsleiter senile Ratten alle Freuden des hohen Alters verloren haben und abermals die Qualen der ruhelosen Jugend leiden mußten - all dies durch Hexerei und nicht aufgrund von Injektionen, die bei Ratten oder Menschen vielleicht keinen stärkeren verjüngenden Effekt haben als bei Mumien.
Wenn aber Professor Steinach durch Hexerei oder infolge seines Glaubens Haar auf der kahlen Haut einer Ratte hat wachsen lassen - über die galanten Nebenwirkungen dieser Kur wollen wir lieber schweigen -, wie kommt es dann, daß er beim Zaubern am menschlichen Objekt nicht die gleichen Erfolge vorweisen konnte? Die Steinachsche Behandlung gilt inzwischen als wirkungslos. Besonders nachteilig waren Dr. Alexis Carrels Angriffe. Kann sein, daß der Professor an seiner eigenen Gier gescheitert ist. Kann sein, daß er gescheitert ist, weil er seine Hexerei auf zuviele Kunden aufgeteilt hat.
Kapitel 25
Wenn ich eine Lücke schließen kann -
Daß in einem Augenblick religiöser Ergriffenheit ein Einwohner von Remiremont, der den Blick auf einen Punkt am Himmel gerichtet hatte, eine bildliche Darstellung aus seinem Bewußtsein auf die Hagelkörner übertragen hat -
Beim Abbiegen von der Coventry Street - auf Straßen in Japan, Kiel, Berlin, New York City - oder an anderen Orten - und daß Wunden, wie Menschenhasser sie sich ausgemalt haben, auf den Körpern von Menschen erschienen sind -
Oder die Erlebnisse des Seemannes an Bord des Dampfschiffs Brechsee im Dezember 1931 - und daß es während eines Sturms geschah - und daß im Bewußtsein eines anderen Menschen an Bord des Schiffs ein haßerfülltes Bild dieses Mannes entstanden ist, das zeigte, wie er vom Blitz erschlagen wurde, und daß daraufhin an seinem Kopf die Wunde wie vorgestellt erschienen ist.
Die Lücke oder die angebliche Lücke ist der Unterschied oder der angeblich absolute Unterschied zwischen dem Vorgestellten und dem Physischen.
Oder nehmen wir beispielsweise das Verschwinden des Ambrose Small aus Toronto - vielleicht war es genau das, was der Sekretär, der ihn betrogen hatte, sich wünschte, wobei er aber wohl nicht voraussehen konnte, daß eine Inventarliste ihn verraten würde. Eine bildliche Darstellung im Kopf des Sekretärs von seinem Arbeitgeber, wie er nach Patagonien, ins Franz-Josef-Land oder auf den Mond davonschießt - so weit, daß er nie wieder zurückkommen konnte - aber wie konnte sich das Vorgestellte manifestieren? Oder warum habe ich nicht die Zeitungen vom Dezember 1919 daraufhin überprüft, ob ein Mann erwähnt würde, der in Java tot an den Strand gespült wurde und den man anhand kaum noch lesbarer Papiere in den Hosentaschen als Kanadier hatte identifizieren können? Sind die sogenannten Asteroiden die Leichen von Menschen, die in den Weltraum gehext worden sind?
Rose Smith - daß ihre inneren Bilder, als sie aus dem Gefängnis entlassen worden war, sich an ihren früheren Arbeitgeber angeschlichen und ihn getötet haben? Manche Standpunkte bringen mich auf die Idee, ich könnte auch versuchen, mir vorzustellen, daß ein Schurke in einem Kinofilm plötzlich von der Leinwand herunterspringt und Leute im Publikum angreift. Aber das habe ich noch nicht versucht.
Der Fall der Emma Piggott - und die Brände im Haus ihrer Arbeitgeber waren genau das, was das Mädchen, nachdem seine gierigen Diebstähle aufgefallen waren, sich gewünscht haben mag. Es gibt auch Daten, aus denen man schließen könnte, daß dieses Mädchen aufgrund von Erfahrungen, die anderen Menschen nicht zugänglich waren, wußte, daß es aus der Ferne Brände entfachen konnte.
Zwischen dem Piggott-Fall und den Bränden im Haus in Bedford gibt es anscheinend eine Verbindung. Zunächst wurde zur Desinfizierung Schwefel verbrannt, und das war etwas ganz Alltägliches. Dann folgte eine Reihe von Bränden, die, wenn man den Schilderungen aus Bedford glauben kann, außergewöhnlich waren. Man konnte sie nicht physikalisch oder chemisch erkären. Die Ermittler hatten jedoch den Eindruck, daß irgendeine Art von Beziehung existieren müsse. Die Beziehung könnte im Bewußtsein der Anne Fennemore bestanden haben. Nachdem der brennende Schwefel gelöscht worden war, hat sie möglicherweise neue Brände entfacht, und zwar vor allem in Abwesenheit des einzigen männlichen Bewohners. Mag sein, daß ihre Angst sich materialisiert hat.
Die Geschichte des Mädchens aus Colwell - auch in diesem Fall hatten Brände in einem Haus anscheinend mit dem geistigen Zustand eines Mädchens zu tun - oder, daß die Brände mit dem Wunsch zusammenhingen, in ein anderes Haus zu ziehen. Das Mädchen hat eine nicht ungewöhnliche Erfahrung gemacht und gelernt, wie überzeugend Polizeibeamte sein können, es hat auf einen "guten Rat" gehört, ein entsprechendes Geständnis abgelegt und sich zu gewöhnlicher Brandstiftung bekannt, obwohl nach den Berichten von Feuerwehrleuten und Polizisten einige der Brände nicht durch das Schnippen brennender Streichhölzer entstanden sein konnten.
Im Falle der Jennie Bramwell können wir nicht sagen, von welchen Gefühlen das Mädchen geleitet wurde, das man vermutlich nur deshalb "adoptiert" hatte, damit es schwere Farmarbeit machte. Wenn auch dieses Mädchen von Geburt an die Kraft zum Feuermachen hatte, die sich unter dem Einfluß eines Wunsches oder eines Gefühls manifestieren konnte, dann stelle ich mir vor, daß die Kleine inmitten ihrer Fron den Wunsch verspürt hat, das Eigentum ihrer Ausbeuter zu zerstören, woraufhin Brände ausgebrochen sind. Auf jeden Fall läßt die Geschichte der kleinen Barnes, die manchen Berichten aus den Annalen der Dämonologie recht nahe kommt, einiges ahnen - ein Kind empfindet brennenden Haß gegen die Ausbeuterin - die Frau steht in Flammen.
Der Fall der Emma Piggott unterscheidet sich in einem Detail von den anderen Fällen. Dort sind die Brände in Gegenwart der Mädchen ausgebrochen. Emma Piggott hat sich jedoch nicht in dem Haus aufgehalten, in dem die Brände ausgebrochen sind, die man ihr zur Last gelegt hat. Dies scheint demnach ein Fall von Fernzündung oder Fernzauberei zu sein. Ich würde nicht sagen, daß die Fähigkeit, aus der Ferne mit Hilfe geistiger Strahlen ein Feuer in Gang zu setzen, rätselhafter ist als das Zünden ferner Explosivstoffe mit Hilfe sogenannter physikalischer Strahlen, die niemand versteht.
Ich will auf folgendes hinaus:
Daß es eine "natürliche Kraft" gibt, die Brände legen kann;
Daß diese Kraft meist unabhängig von den Wünschen und ohne Wissen der Betreffenden wirkt, daß sie aber manchmal den Wünschen entsprechend eingesetzt wird -
Daß alles, was ich Hexerei nenne, nur spezielle Manifestationen von Transformationen oder Transportvorgängen sind, die in verschiedener Erscheinungsform überall in der "Natur" vorkommen.
Die "Unfälle" auf der Straße in Dartmoor - oder, daß irgendwo in der Nähe dieser Straße ein Krüppel gelebt hat. Daß sein Bewußtsein sich seinem Körper angepaßt hat - oder, daß irgendwo in der Nähe der Straße jemand gelebt hat, der einmal von einem Motorwagen verletzt worden ist und ans Bett oder den Rollstuhl gefesselt war und seinen Haß auf alle Motorfahrzeuge gegen die nahegelegene Straße ausgestrahlt hat, und zwar manchmal so wild oder gezielt, daß Autos abgelenkt und zerstört worden sind.
Oder Brooklyn am 10. April 1893 - sehen Sie sich die Serie von angeblichen Zufällen an - einer nach dem anderen werden Männer dadurch verletzt, daß sie von hochgelegenen Stellen herunterfallen oder von fallenden Gegenständen getroffen werden - oder, daß irgendwo in Brooklyn jemand gesessen hat, der durch einen Sturz verkrüppelt worden ist und über das nachsann, was er für ein gewaltiges Unrecht hielt, und der sich benachteiligt fühlte, woraufhin er einen Einfluß ausstrahlte, der andere Menschen auf ähnliche Weise verletzt hat.
Blättern Sie zurück zu den Berichten über die Unfälle französischer Flugzeuge, die über deutsches Gebiet geflogen sind. Spuren im Wüstensand. Ereignisse zu Weihnachten in den Gefängnissen von Sing Sing und Dannemora - oder ein Gefangener in einer Strafzelle - nichts zu tun im Dunkeln, außer sich auf seine Rachsucht zu konzentrieren. Ich glaube, daß aus Gefängnissen oft ein Haß quillt, den man förmlich riechen kann. Es war eine Zeit, die für fast alle anderen Menschen ein Freudenfest war.
Spuren, die mitten in der Wüste abgebrochen sind - oder die Spuren eines Kindes, die auf einem Bauernhof in der Bretagne plötzlich abgebrochen sind - Pauline wird in Cherbourg aufgegriffen - verschwindet erneut -
Daß der Körper des Kindes dieses Mal verstümmelt und entkleidet war, damit er nicht identifiziert werden konnte, und an einen einsamen Ort gebracht wurde, wo er verwesen sollte -
Aber dann eine Änderung der Absicht oder eine Rachsucht, die es erforderlich machte, daß die Eltern es erführen - und ein Transport der Leiche, die wahrscheinlich nicht mehr zu identifizieren war, auf einen Acker - und der Transport der "ordentlich zusammengefalteten" Kleider, damit die Leiche identifiziert werden konnte.
Was die beiden Toten angeht, die in Harlem auf Parkbänken gefunden worden sind, so habe ich noch weitere Daten. Ich glaube es jedenfalls. Der 14. Juni und der 16. Juni liegen zeitlich eng beisammen, und der Mt. Morris Park und der Morningside Park sind nicht weit voneinander entfernt -
Ein Mann, der im Juni 1931 in Harlem gelebt hat - und daß er oft auf Parkbänken gesessen hat - ich kann nichts weiter über ihn sagen, als daß seine Hosen blau waren und sein Hut grau. Etwas hat ihm vielleicht einen Schlag versetzt und ihn verfolgt und hat ihn veranlaßt, sich herumzutreiben -
Aber daß er wahrscheinlich noch seinen Orientierungssinn hatte und sich an Parkbänke erinnern konnte, ähnlich den Menschen, die im Kino immer den gleichen Sitzplatz einnehmen oder sich wenigstens in dessen Nähe niederlassen - so daß er jeden Morgen auf einer ganz bestimmten Bank im Mt. Morris Park gesessen hat -
Daß er aber am Morgen des 14. Juni aus einer Laune oder einem Verdacht oder einer intuitiven Angst heraus in den Morningside Park gegangen ist -
Daß jemand anders auf dieser bestimmten Bank gesessen hat - daß sich etwas ereignet hat, was man als heftigere Wiederholung der Erlebnisse John Hardings und eines anderen Mannes auffassen kann, als diese die Fifth Avenue in Höhe der Thirty-third Street überquert haben - daß dem Mann, der auf dieser bestimmten Bank gesessen hat und einem weiteren Mann, der auf einer Bank in der Nähe saß, etwas zugestoßen ist -
Daß aber zwei Tage später die Spur des richtigen Opfers wieder aufgenommen worden ist -
Home News, Bronx, 17. Juni 1931 - daß am Morgen des 16. Juni ein Polizist im Morningside Park einen Mann gefunden hat - blaue Hose und grauer Hut -, der anscheinend auf einer Bank eingeschlafen war. Der Mann war tot. "Herzversagen."
Zu einer Zeit, als Bergleute sich erbittert gegen ihre Mühsal aufgelehnt haben, sind häufig Kohlen in Kaminen und Öfen, aber nicht beim Transport explodiert. Nirgendwo wurde gemeldet, daß man Dynamit in der Kohle entdeckt hätte. Wenn die Kohle Sonnenstrahlen gespeichert hat, dann kann die Kohle vielleicht auch andere Arten von Strahlen aufnehmen - oder die rachsüchtige Hoffnung eines Bergarbeiters, jeder Brocken, den er in die Hand nahm, möge später jemand wehtun. Wenn es im Haus in Hornsey nicht nur Kohlenexplosionen, sondern auch Poltergeist-Phänomene gegeben hat, dann stellen wir fest, daß diese Phänomene nur in Gegewart der beiden Jungen aufgetreten sind, die in diesem Haus gelebt haben - oder, genauer gesagt, in Gegenwart eines der Jungen. Zwischen dem Okkultismus von Jugendlichen und dem Okkultismus von Kohlebrocken, die mit Haß aufgeladen sind, könnte ein Zusammenhang bestanden haben.
Daß irgendwo in der Nähe der Stadt Saltdean in der englischen Grafschaft Sussex im September 1924 jemand einen Schäfer gehaßt und sein Leben angehalten hat, wie die Bewegungen von Motoren angehalten worden sind - und daß der Ort mit bösen Schwingungen aufgeladen geblieben ist, die später jemand anders erfaßt haben, der mit einem Seitenwagengespann vorbeigefahren ist. Die Hochzeitsfeier in Bradford - die Fröhlichkeit von Hochzeiten überdeckt manchmal brodelndes Gift - oder, daß von einer Hexe oder einem Hexer voller Eifersucht eine Art geistiger Dunst erzeugt worden ist, der um das Haus gespielt und auf andere Häuser übergegriffen hat. Zur gleichen Zeit bringen mich diese Daten auf den Gedanken, daß tödliche Gaswolken auch auf okkulte Weise transportiert werden können. Ein junges Paar, das auf der Isle of Man am Strand spazierengeht - daß die beiden aus einem Gefühl der Eifersucht heraus in den Hafen geworfen wurden; daß jemand, der nur versehentlich in den Einflußbereich dieser Kraft geraten ist, hinterdrein geworfen worden ist. Schlagen Sie zu der Geschichte über das Zimmer in dem Haus in Newton, Massachusetts, zurück. Betrachten Sie die anderen Fälle von "Massenpsychologie". Es scheint allgemein aufzuklaren -
Vielleicht kann ich die Lücke zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven schließen, zwischen dem, was man das Reale nennt und dem, was man das Irreale nennt, oder zwischen dem Imaginären und dem Physikalischen.
Wenn wir uns in unserer Bindestrich-Philosophie weder das Materielle noch das Immaterielle vorstellen können, sondern nur das Materielle-Immaterielle, das in allen Phänomenen in die eine oder andere Richtung akzentuiert auftritt; wenn wir uns das Imaginäre als etwas vorstellen, das aus der materiellen Grundlage erwächst; und wenn es keine absolute Transformation, sondern nur die Verschiebung einer Betonung gibt - dann akzeptieren wir, daß zwischen dem, was das Reale genannt wird und dem, was das Irreale genannt wird, eine Kontinuität existiert, so daß ein Übergang vom einen zum anderen Zustand keineswegs eine tatsächlich existierende Kluft überbrücken muß und kein absoluter Sprung ist.
Wenn es auf der Ebene der Phänomene keine Realheit gibt, die endgültig als etwas von der Irrealheit Verschiedenes aufgefaßt werden kann, dann ist der Begriff der "Verwirklichung des Imaginären" zwar sehr bequem, aber falsch gewählt. Vielleicht ist der Begriff Transmedialisierung doch nicht so schlecht, weil er den Übergang von Phänomenen von einem Medium der Existenz in ein anderes beschreibt, und vielleicht ist das Wort sogar lang genug und sieht bedeutend genug aus, den Eindruck zu erwecken, ich hätte tatsächlich etwas gesagt. Ich meine hier die Überlagerung des Physikalischen durch das Imaginäre. Ich meine nicht das Einwirken des Bewußtseins auf die Materie, sondern das Einwirken von Bewußtsein-Materie auf Materie-Bewußtsein.
Theoretisch gibt es keine Kluft. Aber ich benutze vor allem die Methode des induktiven Schließens. Wir werden Daten betrachten. Nicht, daß ich damit mehr als wirklich-unwirklich etwas aussagen könnte. Die Interpretationen werden die meinen sein, aber die Daten sollen jedem zur Verfügung stehen, der sich eine eigene Meinung bilden will.
Ich räume ein, daß die Kluft bisher nicht überwunden werden konnte, und reduziere sie induktiv auf zwei Fragen:
Kann das Bewußtsein eines Menschen, wie ich es nennen will, den eigenen Körper beeinflussen, wie ich ihn nennen will?
Wenn dies möglich ist, dann ist das persönliche Hexerei oder innere Hexerei.
Kann das Bewußtsein den Körper anderer Menschen und andere Dinge außerhalb des eigenen Körpers beeinflussen?
Wenn das möglich ist, dann will ich es äußere Hexerei nennen.
Kapitel 26
Haßgefühle und Bosheit - mörderische Ausstrahlungen des menschlichen Geistes -
Oder das Blitzen und Donnern eines Gewitters -
Und es scheint so, als seien Blitze aus dem Himmel genommen und einem Zweck zugeführt worden.
Ein Haus brennt - oder jemand kocht sich ein Ei.
Zerstörung oder Annehmlichkeit?
Und wenn ich eine Kluft überbrücke? Na, wenn schon.
Ich gehe davon aus, daß die Geschichte der Marjory Quirk nur ein extremes Beispiel für die innere oder persönliche Hexerei ist, die heute allgemein akzeptiert wird. Der Londoner Daily Express, 3. Oktober 1911 - amtliche Leichenbeschau der verstorbenen Marjory Quirk, der Tochter des Bischofs von Sheffield. Sie litt an Schwermut und hatte, um Selbstmord zu begehen, aus einem Becher etwas getrunken, das sie für Paraffin gehalten hatte. Sie erkrankte schwer. Sie starb. "Im Becher hat sich kein Paraffin befunden. In ihrem Mund und ihrem Hals ließ sich keine Spur von Paraffin finden."
New York Herald Tribune, 30. Januar 1932 - ein Ereignis am 29. Januar in Boston - "Fast ein halbes Hundert Studenten und Ärzte, die in der Vanderbilt Hall der Harvard Medical School leben, haben sich, wie wir heute erfahren, eine leichte Form von Paratyphus zugezogen. Die ersten dreißig Personen dieser Gruppe erkrankten vor zwei Wochen nach einem Essen der studentischen Verbindung, bei dem der staatliche Gesundheitsinspekteur Dr. George H. Bigelow einen Vortrag über Lebensmittelvergiftungen gehalten hatte. Ein paar Tage später haben sich weitere dreiundzwanzig Mann krank gemeldet. Das Essen war im Verbindungshaus selbst zubereitet worden.
Heute haben die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes begonnen, die Küchenhilfen zu untersuchen, weil sie glauben, daß eine der Angestellten möglicherweise eine Typhusüberträgerin ist. Die College-Verwaltung erklärte, man glaube nicht, daß das Essen verdorben war, man könne sich jedoch vorstellen, daß das Thema von Dr. Bigelows Vortrag möglicherweise einige der Speisenden dergestalt beeinflußt hat, daß sie eine bloße Magenverstimmung ernster als nötig genommen haben. Inzwischen sind alle Studenten wieder wohlauf."
Zu behaupten, daß fünfzig junge Männer sich eine Magenverstimmung zugezogen hätten, bedeutet, eine ganze Menge gegen die hygienischen Bedingungen in der Harvard Medical School zu sagen. Zu behaupten, daß das Thema des Vortrags die Krankheit ausgelöst habe, bedeutet, daß eine Art persönlicher oder innerer Hexerei, die man gewöhnlich als Autosuggestion bezeichnet, am Werke war. Schlagen Sie zur "Typhus-Mary" und zu anderen mutmaßlichen Opfern von Bazillenjägern zurück. Zu sagen, daß es unter den Küchenhilfen eine Überträgerin gegeben haben könnte, bedeutet, diesem Menschen die Erkrankungen in die Schuhe zu schieben; aber es bedeutet zugleich, es als reinen Zufall zu bezeichnen, daß die Erkrankungen ausgerechnet nach einem Vortrag über solche Erkrankungen ausgebrochen sind. Es ist übrigens nicht nett, mit einem Haufen junger Männer zu speisen und dabei einen Vortrag über Lebensmittelvergiftungen zu halten. Vielleicht muß Dr. Bigelow sein Abendessen in Zukunft wieder selbst bezahlen. Wenn er beim Baden Geschichten über Haie erzählt, wird er irgendwann beim Schwimmen sehr einsam sein.
Physiologen bestreiten, daß Angst die Haare weiß färben kann. Sie behaupten, sie könnten sich nicht vorstellen, wie Furcht in der Lage sein sollte, die Pigmente aus den Haaren zu ziehen. Deshalb schließen sie, daß angebliche Berichte über dieses Phänomen Erfindungen sind. Sagen wir mal, wir haben eine schwarzhaarige Person vor uns. Die Physiologen, können uns nicht erklären, oder höchstens sehr oberflächlich, wie die Haare überhaupt erst einmal schwarz geworden sind. Irgendwie gehen alle Einwände gegen unsere Daten in diesem Buch darauf zurück, daß sie mit etwas nicht übereinstimmen, das niemand weiß.
Es hat viele angebliche Beispiele gegeben. Schlagen Sie die Indizes von Notes and Queries, Serie 6, 7 und 10 nach. Ich habe früher mal behauptet, daß vermutlich der Mangel an Kosmetika im Gefängnis für das verantwortlich ist, was Königin Marie Antoinette widerfahren ist. Jetzt, da sich meine Ansichten etwas verändert haben, hat diese zynische Idee ihre Attraktivität verloren. Die meisten Beispiele für Haare, die sich aufgrund von Angst weiß gefärbt haben, sind schon sehr alt und können jetzt nicht mehr untersucht werden. Aber sehen Sie in die New York Times vom 8. Februar 1932.
Eine Geschichte über einen Fischkutter, der vom belgischen Dampfschiff Jean Jadot gerammt worden ist - einundzwanzig Matrosen sind ertrunken - sechs gerettet, darunter der 52jährige Arthur Burke.
"Arthur Burkes Haar war vor dem Unfall mit grauen Strähnen durchsetzt. Als er gestern auf Pier 2 im Erie Basin eintraf, war es völlig ergraut."
Es ist möglich, daß es Tausende oder Hunderttausende Fälle gegeben hat, wo Menschen an den Folgen eines Glaubens in heftigen Zuckungen gestorben sind - und daß die Wissenschaft gnädig aber teuer zahlreiche Leben gerettet hat, indem sie mit Hilfe eines Serums einen entgegengesetzten Glauben zur Anwendung brachte - und wenn dieses Serum jemand injiziert würde, der unter der bedrückenden Ansicht leidet, daß zwei mal zwei vier sind, dann könnte es auch ihm Linderung verschaffen, indem es ihm den Glauben einpflanzt, daß zweimal zwei purpur sind, falls der Betreffende den Wunsch hat, sich auf diese Weise beeinflussen zu lassen -
Was ist eigentlich aus der Tollwut geworden?
Die New York Telegram hat am 26. November 1929 einen Brief von Gustave Stryker veröffentlicht, in dem Dr. Mathew Woods aus Philadelphia, Mitglied der Philadelphia County Medical Society, zitiert wurde. Dr. Woods sollte lieber aufpassen, es sei denn, es ist sein Ziel, von den Beitragsgebühren für medizinische Gesellschaften befreit zu werden. Dr. Woods habe gesagt:
"Wir haben voller Bedauern festgestellt, daß in den Zeitungen immer wieder Sensationsberichte über angeblich tollwütige Hunde und die entsetzlichen Folgen für Menschen erscheinen, die von ihnen gebissen werden.
Diese Berichte verschrecken die Menschen, bis sie verschiedene Störungen zeigen, und sie führen dazu, daß Tiere, die im Verdacht stehen, tollwütig zu sein, schlecht behandelt werden. Es gibt jedoch eine große Zahl von Erklärungen von Ärzten, aus denen hervorgeht, daß die Tollwut selbst bei Hunden äußerst selten ist. Zudem haben zahlreiche, sehr erfahrene Mediziner sich dahingehend geäußert, daß diese Krankheit sich bei Menschen nur in extrem seltenen Fällen entwickelt, und daß der Zustand hysterischer Erregung bei Menschen, der von den Zeitungen als 'Tollwut' beschrieben worden ist, lediglich auf eine Reihe von Symptomen zurückgeht, die normalerweise aus der Furcht vor eben dieser Krankheit entstehen. Diese Furcht entwickelt sich aus scheinbar realistischen Berichten in Zeitungen und anderswo, in denen erfundene Schilderungen von Menschen stehen, die von tollwutverdächtigen Tieren gekratzt oder gebissen worden sind.
Im Hundeasyl von Philadelphia, in das pro Jahr im Durchschnitt mehr als 6000 streunende Hunde aufgenommen werden und wo die Hundefänger und Wärter recht häufig von den Hunden, mit denen sie umgehen, gebissen werden, ist in der ganzen, fünfundzwanzigjährigen Geschichte des Tierheims, obwohl dort insgesamt etwa 150 000 Hunde verwahrt worden sind, kein einziger Fall von Tollwut bekannt geworden."
Meine Aufmerksamkeit wurde schon vor längerer Zeit geweckt, als ich beim Durchsehen von Zeitungsarchiven bemerkte, wie häufig noch vor ungefähr einer Generation Tollwutfälle gemeldet worden sind, während in den später erschienenen Zeitungen kaum noch die Rede davon ist. Die Hunde tragen jetzt Maulkörbe - aber nur auf der Straße und nicht in den Häusern. Impfstoffe oder Kröten, die man um Mitternacht auf dem Friedhof gefangen und anschließend zu Pulver gemahlen hat, könnten wahrscheinlich viele Fälle heilen, aber sie würden nicht die Anzahl der befallenen Hunde verringern, sofern es überhaupt Tollwutfälle bei Hunden gegeben hat.
In der New York Times vom 4. Juli 1931 wurde ein Bericht von Monsieur Roéland, einem Angehörigen des Stadtrates von Paris, veröffentlicht.
"Es fällt auf, daß die Tollwut fast völlig verschwunden ist, obwohl die Zahl der Hunde zugenommen hat. 1924 waren 166 917 Hunde in Paris registriert, und 1929 waren es bereits 230 674. Trotz dieser beachtlichen Zunahme wurden nur zehn Tollwutfälle bei Tieren gemeldet. Menschen sind überhaupt nicht erkrankt."
Manchmal neige ich zu der Ansicht, daß es noch nie einen Tollwutfall gegeben hat, der nicht zugleich auch ein Fall von persönlicher Hexerei war. Aber es gibt so viele Daten, die mich zu der Annahme bringen, daß die allgemeine Existenz einer Krankheit dem Verlauf einer Krankheit bei einer konkreten Person insofern sehr ähnlich ist, als sie ihren Lauf nimmt und dann wieder verschwindet - ganz unabhängig von Behandlungen mit vergifteten Kuhzitzen oder Mumienpulver - weshalb ich vermute, daß es früher einmal in gewissem Maße so etwas wie Tollwut gegeben hat. Als ich ein Junge war, habe ich oft vernarbte Gesichter gesehen. Was ist aus den Pocken geworden? Wo sind das Gelbfieber und die Cholera geblieben? Ich werde jetzt doch nicht auf meine eigenen Fragen antworten müssen, oder? Aber es gibt schließlich Impfstoffe, sagen die Ärzte. Es gibt riesige Gebiete auf dem amerikanischen und europäischen Kontinent, wo die Impfstoffe nie eingesetzt worden sind. Aber sie haben trotzdem gewirkt, sagen die Ärzte.
Sonnenfinsternisse treten ein, und die Wilden bekommen es mit der Angst.
Die Geschichte der Krankheiten liest sich wie die Geschichte der Menschheit - der Aufstieg und Fall der Pest - das Erscheinen und Verschwinden der Pocken - das Tuberkulöse Imperium - und die Vereinigten Zustände von Gelbfieber und Cholera. Manche von ihnen sind vergangen, bevor überhaupt das erste Serum erfunden worden ist und als sanitäre Einrichtungen noch nicht sonderlich beliebt waren. Vor ein paar hundert Jahren gab es in jeder größeren Stadt in England ein Haus für Aussätzige. Vor hundert Jahren waren Medizin und sanitäre Anlagen nach unserem Verständnis noch nicht sehr weit entwickelt, aber die Lepra war in England praktisch verschwunden. Vielleicht geht der Ausbruch der Lepra in England auf persönliche Hexerei zurück - oder, daß in England niemand an Lepra gedacht hätte, wenn nicht die Bibel über das Land gekommen wäre - und daß die Menschen, als teuflische Zweifel erwacht sind, durch ihr unfrommes Mißtrauen gereinigt worden sind.
Deshalb kann es sein, daß es früher einmal Tollwut gegeben hat, während einiges darauf hinweist, daß es sich bei den meisten Fällen, die heutzutage gemeldet werden, um die Folgen von Hexerei handelt, die aus dem Bewußtsein der Opfer heraus dem eigenen Körper zugefügt worden sind.
Einen Fall, dessen Einzelheiten vermuten lassen, daß vielleicht ein Hund gelegentlich einmal tollwütig werden kann, daß aber seine Bisse nur einem höchst phantasiebegabten und erregten Opfer gefährlich werden können, hat die New York Herald Tribune am 16. November 1931 veröffentlicht. Zehn Männer sind von einem Hund gebissen worden. "Der Hund wurde getötet, und man stellte fest, daß er die Tollwut hatte." Die Männer waren Matrosen des amerikanischen Zerstörers J. D. Edwards, der in der chinesischen Stadt Yen-t'ai im Nordosten der Provinz Shantung vor Anker lag. Einer der Matrosen ist an Tollwut gestorben. Die neun anderen zeigten keinerlei Anzeichen der Erkrankung.
Was das Phänomen angeht, daß Haare gleichsam über Nacht grau geworden wären, so halte ich es für wahrscheinlich, daß konventionelle Wissenschaftler mechanisch oder dumm oder mit geringem Interesse für die Beweggründe ihrer Opponenten die Ereignisse verleugnen und ohne weitere Fragen dem Tabu gehorchen. Meine eigene Gedankenkette sieht so aus: Wenn die geistige Verfassung des Trägers dessen Haarfarbe beeinflussen kann, dann können geistige Zustände auch auf andere Weise auf den Körper einwirken - und dann vermag die geistige Verfassung eines Menschen auch die Körper anderer Menschen zu beeinflussen - und dies ist der Weg, der zur Hexerei führt. Es geht nicht so sehr darum, daß konventionelle Wissenschaftler vernachlässigen oder leugnen, was sie nicht erklären können - soweit in endgültigem Sinne überhaupt jemals irgend etwas erklärt worden ist oder erklärt werden kann. Es geht vielmehr darum, daß die Wissenschaftler Gedankenketten vernachlässigen oder verleugnen, die sie aus abgeschirmter Unwissenheit zu offensichtlicher Verwirrung führen könnten.
Jede Wissenschaft ist ein verstümmelter Tintenfisch. Wenn die Tentakel nicht gestutzt werden, könnten sie sich vortasten und mit beunruhigenden Dingen in Berührung kommen. Dem Gläubigen ist die Kontemplation einer Wissenschaft gleichbedeutend mit dem Verweilen in der Gegenwart des Guten, Wahren und Schönen. Aber was echte Ehrfurcht in ihm weckt, das ist die Verstümmelung. Für unseren verkrüppelten Intellekt ist nur das Gestutzte verständlich, weil das Ungestutzte zu allen möglichen Dingen Fühler ausstreckt. Meiner Ästhetik zufolge ist das Schöne gleichbedeutend mit symmetrischer Deformation. Mit Gerechtigkeit meine ich - auf der Ebene der Phänomene - das Aufkommen eines Gleichgewichts, durch welches eine Reaktion so dargestellt wird, als wäre sie ein Ereignis, das einer Aktion gleichwertig aber entgegengesetzt ist. Diese willkürliche Sichtweise entsteht, wenn alle Verästelungen der Aktion gekappt und vernachlässigt werden - bis wir von der angeblich verdienten Strafe eines Menschen reden und vergessen, welche Wirkung dies auf andere Menschen haben mag. Dies ist die willkürliche Grundlage der mechanistischen Theorie der Existenz - die Idee, man könne eine Aktion aus einem Gewirr von Wechselbeziehungen herauspicken, als wäre sie ein Ding an sich. Eine meiner Weisheiten lautet, daß ein Mensch, der Hungers stirbt, kein Verbrechen begehen kann. Er ist ein guter Mensch. Der Gott aller Idealisten heißt Unterernährung. Wenn alle Verbrechen ein Ausdruck von Energie sind, dann ist es ungerecht, einem Menschen wegen seiner Missetaten Vorhaltungen zu machen. Eine höhere Rechtsprechung würde dem Frühstück die Schuld geben. Ein guter Koch ist für größeres Übel verantwortlich, als es der "Dämon Rum" jemals war. Und wenn wir uns alle niedersetzen und uns zu Tode hungern würden, dann könnten wir endlich Utopia zur Wirklichkeit werden lassen.
Wenn Menschen sich Krankheiten und körperliche Mißbildungen und Todesfälle aus ihren Vorstellungen heraus selbst zufügen können, dann will ich die Ansicht formulieren, daß wir das Thema eines vorhergehenden Kapitels um überzeugende Daten erweitern können -
Oder das Phänomen der Stigmata -
Das ich, obwohl es von frommen Menschen heilig gehalten wird, mit der Tollwut in Verbindung bringe.
Das Phänomen ist nach Ansicht aller ordentlich ausgebildeten Denker ebenso gründlich verdammt wie Kruzifixe, Sakramente und priesterliche Gewänder. Was jedoch sein Auftreten angeht, so kann ich Dutzende von Kirchenmännern von "höchster Autorität" zitieren, aber keinen einzigen Wissenschaftler, oder höchstens einige katholische Wissenschaftler.
Immer und immer wieder - die Wissenschaft und ihr System - die Theologie und ihr System - und die Kämpfe zwischen den Interpretationen dieser beiden - und mein Gedanke, daß die Befreiung der Daten aus den Zwängen der beiden vielleicht oder vielleicht auch nicht von Wert sein könnte. Früher haben die frommen Menschen viel von dem, was die Wissenschaftler verkündet haben, verleugnet oder vernachlässigt. Sie haben auf katastrophale Weise nachgegeben oder wurden windelweich geprügelt, bis sie eine Niederlage erlitten haben, die vor dem Hintergrund meiner allgemeinen Ansicht zu Kontroversen, die in Kompromissen enden, viel zu endgültig war, als daß sie von Dauer sein könnte. Ich stelle mir eine Gegenbewegung vor - offen für Freidenker und Atheisten - in der viele Daten der frommen Menschen - von ihrer Heiligkeit saubergeschrubbt - akzeptiert werden.
Was die Aufzeichnungen zu Stigmatisierungen angeht, so will ich auf den bekanntesten und am überzeugendsten dokumentierten aller Fälle - ich meine den Fall des französischen Mädchens Louise Lateau - gar nicht erst eingehen, weil über die bei ihr beobachteten Phänomene viel geschrieben worden ist, und weil die Berichte leicht zugänglich sind.
In den Zeitungen vom Juli 1922 - ich beziehe mich auf den Londoner Daily Express vom 10. Juli 1922 - wurde der Fall der 20jährigen Mary Reilly veröffentlicht, die im Home of the Sisters of the Good Shepherd in Peekskill, US-Bundesstaat New York, gelebt hat. Es hieß, auf einer Seite ihres Körpers sei in regelmäßigen Abständen ein Mal erschienen, das aussah wie ein Kreuz aus Blut. Meist jedoch handelt es sich bei solchen Erscheinungen um die "fünf Wunden Christi". Manchmal sind es auch sechs, wenn die Male auf der Stirn hinzukommen. Einen Bericht über den Fall der Rose Ferron können Sie in der New York Herald Tribune vom 25. März 1928 nachlesen. Aus dieser Geschichte geht hervor, daß die 25jährige Rose Ferron, die seit dem 17. März 1916 in der Asylum Street Nr. 86 in Woonsocket, Rhode Island, lebte, an Händen, Füßen und Stirn Stigmata entwickelt habe. Der hysterische Zustand des Mädchens - sowohl dem gewöhnlichen Sprachgebrauch wie dem medizinischen Befund nach - wird durch Erwähnung der Tatsache belegt, daß es seit drei Jahren ans Bett gefesselt war und nur den rechten Arm hat frei bewegen können.
Ich habe vier Jahre lang den Fall der Therese Neumann aus Konnersreuth verfolgt, die ebenfalls Stigmata entwickelt hat. Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, daß das Mädchen auf irgendeine Weise einen Schwindel veranstaltet hätte. Sehen Sie in die New York Times, 8. April 1928 - die Straßen, die zu ihrem Haus führen, waren mit Automobilen, Kutschen, Motorrädern, Lastwagen und Pilgern zu Fuß verstopft. Dank der modernen Möglichkeiten des Reisens - vorausgesetzt, es geht nichts schief - gibt es höchstwahrscheinlich kein anderes Wunder, das von so vielen Menschen bezeugt werden kann. Ein Mädchen im Bett - und den ganzen Tag lang trampeln Tausende Menschen an ihm vorbei. Ich weiß nicht, ob man dort Eintritt verlangt hat. Die Geschichte des Mädchens stimmt mit anderen Geschichten über Stigmata überein: Blutströme aus rasch verheilenden Wunden und Phänomene, die immer freitags zu beobachten waren. Es hieß, auch Ärzte hätten sich für den Fall interessiert und "verlangt", daß Therese in ein Krankenhaus verlegt werden müßte, wo sie eingehend untersucht werden konnte, daß sich aber die Kirchenvertreter dagegen ausgesprochen hätten. Das ist genau das, was man von Kirchenvertretern erwartet. Daraufhin haben die Mediziner, da sie ihren Willen nicht bekommen haben, den Fall vernachlässigt, und das ist genau das, was man von Medizinern erwarten kann.
Ich bin der Ansicht, daß auf den Körpern von Mädchen Wunden erschienen sind, die Stigmata genannt werden und die den angeblichen Wunden einer historischen und damit zweifelhaften Person ähnlich waren, weil deren melodramatische Erlebnisse die Vorstellungskraft sehr beflügeln - daß aber ein atheistisches Mädchen - falls es etwas gibt, dessentwegen ein atheistisches Mädchen auf ähnlich phantasievolle Weise hysterisch zu werden vermag - andere Darstellungen auf ihrem Körper entwickeln könnte. In Month, 134-249, ist ein Bericht über Marie-Julie Jahenny aus dem Dorf La Fraudais (Loire-Inférieure) in Frankreich abgedruckt, die am 21. März 1873 Stigmata entwickelt hat. Auf ihrem Körper sind die "fünf Wunden" erschienen. Dann ist auf ihrer Brust das Bild einer Blume aufgetaucht. Es hieß, das Abbild der Blume sei zwanzig Jahre lang sichtbar geblieben. In dem Bericht heißt es, das Mädchen habe die Blume schon im Kopf gehabt, bevor sie auf der Haut aufgetaucht sei. Sie habe das Erscheinen der Blume sogar vorausgesagt. Man denkt hier an den möglichen Einsatz von nicht wasserlöslicher Tinte oder an Tätowierungen. Das ist gut so. Man sollte immer denken.
Wenn ein Mädchen eine Flüssigkeit trinkt, die für Menschen unschädlich ist, und trotzdem daran stirbt, kann dann umgekehrt ein Mensch sich, ohne größeren Schaden zu nehmen, Verletzungen zufügen, die jeden anderen töten würden?
Es gibt eine Art von Stigmatisierungen, die sich von den vorher erwähnten Fällen unterscheidet, weil Waffen verwendet worden sind, um die betreffende Wirkung zu erzielen; jedoch waren die Wunden denen der stigmatisierten Mädchen ähnlich, weil es keine Wunden im herkömmlichen physischen Sinne waren. Ich finde in Sphinx, März 1893, einen Bericht über den Fakir Soliman Ben Aissa, der sich in Deutschland zur Schau gestellt hat. Er habe sich Dolche in die Wangen, durch die Zunge und in den Bauch gestochen, ohne Schaden zu erleiden. Die Wunden seien rasch verheilt.
In den Vereinigten Staaten und Europa sieht man solche Zauberer sehr selten: Aber die nicht ganz so fähigen, die Glas essen und Nägel verschlucken, sind recht verbreitet.
Aber wie kommt es, daß in Deutschland oder in anderen Ländern, die angeblich christlich sind, ein Mann sich herzhaft in den Bauch stechen kann, ohne sich zu verletzen, und die Vorstellung sogar wiederholen kann, ohne daß das Phänomen weithin bekannt gemacht und akzeptiert wird?
Die Frage ähnelt einer anderen:
Wenn in der Theologischen Ära ein Mann während eines Gewitters umhergegangen ist und Gott gelästert hat, ohne Schaden zu erleiden, während gleichzeitig Kirchen vom Blitz getroffen worden sind, wie lange wäre er wohl ein bekannter Mann geblieben?
Im März 1920 ist eine Gruppe von Derwischen in Londoner Musiktheatern aufgetreten. Die Londoner Daily News hat am 12. März Photographien der Zauberer abgedruckt, wie sie sich, offenbar ohne Schmerzen zu empfinden und ohne zu bluten, Spieße durchs Fleisch gestoßen hatten.
Tabu. Die Zensur hat die Show untersagt.
Einen Bericht über die Phänomene oder angeblichen Phänomene des schlesischen Flickschusters Paul Diebel, der im Dezember 1927 in Berlin aufgetreten ist, finden Sie in der New York Times vom 18. Dezember 1927. "Blut strömte aus seinen Augen, und offene Wunden sind auf seiner Brust erschienen, nachdem er sich, wie man berichtet, sechs Minuten lang konzentriert hatte. Er sticht sich, so sagt man, Dolche durch Arme und Beine und läßt sich sogar an ein Kreuz nageln, ohne Schmerzen zu leiden. Sein Impresario hat erklärt, daß er es zehn Stunden in dieser Position aushalten kann. Die Wunden, die er sich zufügt, so erzählt man sich, bluten oder bluten nicht, wie er es wünscht, und einige Minuten, nachdem das Messer oder die Nägel herausgezogen wurden, sind alle Spuren der Einstiche verschwunden."
Das einzige, was man gegen diese Geschichte sagen kann, ist, daß sie unglaublich ist.
New York Herald Tribune, 6. Februar 1928 - daß die Wiener Polizei gegen Diebel vorgegangen sei und ihm verboten habe, dort aufzutreten. Grund war angeblich, daß er sich geweigert hatte, der Polizei eine kostenlose Vorstellung zu gewähren, um die Echtheit seiner Darbietungen zu beweisen. "Vor kurzem war er in München mehrere Stunden an ein Kreuz genagelt, wobei er Zigaretten geraucht und mit dem Publikum gescherzt hat."
Nach dem 8. April 1928 - sehen Sie in die New York Times von diesem Tag - verliere ich Paul Diebels Spur. Die Geschichte endet mit einer Erklärung. Nichts wird über die angeblichen Kreuzigungen gesagt. Die Erklärung ist ein Rückzug auf Aussagen, die nach allgemeingültigen Regeln verständlich klingen sollen. "Diebel hat sein Geheimnis verraten. Er sagte, kurz vor seinen Auftritten habe er sich mit dem Fingernagel oder einem scharfen Gegenstand gekratzt, aber darauf geachtet, sich keinen Schnitt zuzufügen. Auf der Bühne hätte er dann die Muskeln angespannt, worauf die zuvor unsichtbaren Striemen blutrot anliefen und oft zu bluten begannen."
Ich habe schon öfter gehört, daß jemand ein Berufsgeheimnis enthüllt hätte.
Am 2. März 1931 hat sich ein Mann in aller Öffentlichkeit auf ein Nagelbett gelegt. Sehen Sie in die New York Herald Tribune vom 3. März 1931. Auf dem Union Square in New York City hat ein nicht aus dem Orient stammender Zauberer namens Brawman aus der wenig zauberhaften Pelham Bay in der Bronx im Auftrag der Zeitschrift Science and Invention seine Kunst vorgeführt. Der Fakir aus der Bronx hat sich auf einem aus 1200 Nägeln bestehenden Bett niedergelegt. Zehn Männer sind seiner Einladung gefolgt und über seinen Körper spaziert, wobei sie ihm die Spitzen der Nägel in den Rücken gedrückt haben. Danach ist er aufgestanden und hat die tiefen, roten Abdrücke von den Nägeln vorgezeigt. Die Abdrücke sind bald darauf verschwunden.
Ich dachte mir, daß Wandelnde Blätter bildliche Darstellungen sind, die mittels der Imagination oder mittels der imaginativen Qualitäten ihrer Körpersubstanzen von den Insekten selbst in die entsprechende Form gezwungen worden sind - damals in den plastischen Zeiten, als die Insekten wahrscheinlich noch nicht so stark auf ihr Aussehen festgelegt waren, wie sie es heute sind. Die konventionelle Erklärung für schützende Farbgebungen und Körperformen klingt bei manchen dieser Insekten ausgesprochen vernünftig. Aber eines dieser Geschöpfe - ein tasmanisches Tier, das aussieht wie ein Blatt - legt eine Kunstfertigkeit an den Tag, die über den bloßen Nutzeffekt weit hinausgeht, so daß ich das Exemplar, das ich im American Museum of Natural History gesehen habe, für fehl am Platze hielt: Es hätte im Metropolitan Museum of Art ausgestellt werden sollen. Dieses Wandelnde Blatt hat das Aussehen seines Vorbilds bis hin zu winzigen Details wie gezähnten Kanten nachgeahmt. Die Täuschung des Feindes oder der Kampf ums Überleben hat, soweit man es sich vorstellen kann, mit der Entstehung dieser bemerkenswerten Ähnlichkeit nichts zu tun, weil so winzige Einzelheiten wie Zähnungen für einen Vogel nicht sichtbar sind, es sei denn, er ist bereits so nahe, daß die nicht zu verbergenden Charakteristika des Insekts ohnehin offensichtlich sind.
Ich komme jetzt zu einem Fall, den ich als Beispiel für einen stigmatisierten Vogel anführen will. Der Vogel ist lebensgefährlich gefärbt. Ein Abzeichen auf der Brust verrät ihn - er ist so auffällig gezeichnet, daß man von der Theorie, es gebe so etwas wie schützende Färbungen, nicht mehr viel halten kann, da ja allenthalben auch Lebensformen überleben können, deren auffällige Zeichnungen sich nicht auf die gleiche Art wegerklären lassen, wie Darwin einige von ihnen wegerklärt hat, nämlich als Warnfarben.
Dies ist eine Geschichte über die Empfindsamkeit der Tauben. Ich habe schon von den Tauben erzählt, mit denen ich bekannt war. Eines Tages hat ein Junge eine abgeschossen. Das tote Tier war für die anderen Vögel sichtbar. Sie waren so nervös, daß sie schon bei kleinsten Geräuschen, die sie vorher nicht einmal wahrgenommen hätten, aufgeflogen sind. Sie waren so mißtrauisch, daß sie auch den Fensterbänken ferngeblieben sind. Sie haben sich einen Monat lang daran erinnert.
Die Dolchstichtauben auf den Philippinen - ein roter Fleck auf der Brust - oder, daß ihre Brust sich erinnert -
Oder, in früheren Zeiten, als die Formen und das Gefieder von Vögeln noch nicht so festgelegt oder etabliert war, wie sie es heute sind - eine urzeitliche Taube und ihr Gefährte. Ein Falke stößt herab - eine Wunde auf seiner Brust - und das Gefieder auf ihrer Brust wurde vom Kummer stigmatisiert, was sich dann auf den Nachwuchs übertragen hat, so daß die Erinnerung an eine vorzeitliche kleine Tragödie bis auf den heutigen Tag erhalten bleibt.
Einen einfachen roten Fleck auf der Brust eines Vogels würde ich nicht für besonders bemerkenswert halten. Aber der Fleck auf der Brust der Dolchstichtauben auf den Philippinen ist kein einfacher roter Fleck, der nur vage an eine Verletzung erinnert. Die roten Federn dieses Flecks sind steif, als wären sie verklebt. Sie sehen aus, als wären sie von geronnenem Blut verklebt.
Die Vorstellung, bildliche Darstellungen könnten sich vererben, ist gleichbedeutend mit der Vorstellung, daß äußere Stigmatisierungen auf innere Ursachen zurückgehen. Wenn ich mir vorstellen könnte, daß die Erregung eines Menschen, der eine Wunde gesehen hat, zur Zeichnung einer Taube geführt hat, dann wäre das ein hinreichender Brückenschlag über unsere Kluft. Immerhin konnte ich durch Beobachtung die Idee entwickeln, daß der Anblick einer toten und verstümmelten Taube die Phantasie anderer Tauben stark beeinflußt. Falls jemand glaubt, Vögel hätten keine Phantasie, dann möge er mir erklären, wie ein Papagei, den ich besitze, voraussehen kann, was ich mit ihm machen werde, wenn ich ihn erwische und ihm erkläre, daß er keine Möbel anzuknabbern hat. Der Körper einer toten, verstümmelten Taube prägt das Bewußtsein anderer Tauben. Aber ich habe keine Daten, die mich vermuten lassen, das Skelett oder irgendein Teil des Skeletts einer Taube könnte für andere Tauben irgendeine Bedeutung haben. Ich habe noch nie gehört, daß irgendwelche anderen Lebewesen die gleiche rätselhafte Ehrfurcht vor Knochen hätten wie die Menschen oder wie die meisten Menschen -
Oder ein Falter, der auf einem Schädel gesessen hat -
Und der dort sitzen blieb und sich nicht anders gefühlt hat, als wenn er auf einem Stein gesessen hätte. Daß plötzlich ein Mensch auf diesen Schädel traf und daß ein Schwall mystischer Furcht auf den Falter übergegangen ist und ihn gezeichnet hat -
Der Totenkopfschwärmer.
Dieses Insekt trägt die Darstellung eines Totenschädels auf dem Rücken, die so naturgetreu ist, daß kein Seeräuber sie hätte besser malen können. In Borneo und an vielen anderen Orten gilt ein Menschenschädel nicht als besonders gruselig: Aber der Totenkopfschwärmer ist in England heimisch.
Oder die Totenköpfe, die in Boulley auf Fensterscheiben erschienen sind - nur, daß es derlei Erscheinungen in Boulley womöglich gar nicht gegeben hat. Angenommen, das meiste von dem, was ich Daten nenne, wären Erfindungen. Aber die große Zahl - doch andererseits, was heißt das schon? Oh, nichts weiter. Nur, daß manche unserer Gegner irgendwann merken, daß sie naß werden, wenn sie lange genug im Regen gestanden haben.
Wenn ich von irgendeiner bildlichen Darstellung, die auf der Wand einer Kirche erschienen ist, sagen könnte, daß es sich dabei nicht um eine Interpretation von bloß zufällig angeordneten hellen und dunklen Stellen gehandelt hat, sondern um die Übertragung aus dem Bewußtsein eines Menschen, dann würde durch dieses Ereignis, also durch das Schöne oder Künstlerische oder durch das, was manche Menschen für religiös halten und was also ehrfürchtig behandelt werden muß, die Hexerei und damit gerade das, was als bizarr, bösartig, unschicklich und entsetzlich gilt, gewaltigen Auftrieb bekommen - und natürlich würde der Gedanke, alles müsse einem Zweck dienen, einen ebenso starken Dämpfer bekommen.
Ich habe auf diesem Gebiet reichlich Erfahrungen gesammelt. Vor langer Zeit habe ich Experimente durchgeführt. Ich habe Papierblätter vollgekritzelt und versucht, in den Linien etwas zu sehen. Ich habe Einwickelpapier an die Decke geheftet und es mit einer Kerzenflamme geschwärzt. Ich habe mir aus einem weißen Fensterladen, indem ich ihn mit Kritzeleien und Schmierereien bedeckt habe, eine, wie ich es nannte, "Visualisierungsleinwand" gemacht. Ich bin in die dritte Dimension gegangen und habe Bretter mit Ton beschichtet. Das ist schon lange her - es war ungefähr 1907. Ich habe mir eine Menge eingebildet, aber ich habe nie den Eindruck gewonnen, ich hätte irgendwo Spuren hinterlassen. Ich hatte die Theorie entwickelt, daß ich mit Hilfe eines Visualisierungsgeräts imaginäre Lettern und Zeichen lebhafter wirken lassen konnte, als wenn ich sie mir nur vorstellte, und daß ich einen Roman über ihre Erlebnisse schreiben könnte. Aus dieser Idee hat sich aber damals nichts weiter ergeben. Ich habe viele Erfahrungen mit Visualisierungen gemacht, die, wie ich damals glaubte, nur meiner eigenen Phantasie entsprungen sind, und ich habe, soweit ich weiß, kein einziges Mal den Eindruck gehabt, ich hätte mit meiner Imagination irgend etwas erreicht. Nicht, daß ich mit "irgend etwas" irgend etwas sagen wollte.
Es gibt eine Erscheinung, die viele Leser dieses Buchs nachprüfen können. Am 23. Februar 1932 haben die New Yorker Zeitungen über eine deutlich erkennbare Christusfigur berichtet, die in den vielen Abstufungen des sepiafarbenen Marmors in der Wand der Sakristei der St. Bartholomew's Church, Ecke Park Avenue und Fiftieth Street, in New York City aufgetaucht sei.
In der New York Times vom 24. Februar 1932 wird der Pfarrer der Kirche, Reverend Dr. Robert Norwood, wie folgt zitiert:
"Eines Tages, es war nach meiner Predigt, habe ich zufällig zur Wand der Sakristei gesehen und voller Erstaunen die herrliche Figur Christi im Marmor entdeckt. Ich hatte sie da noch nie zuvor gesehen. Das Gesicht im Marmor schien das Thema meiner Predigt aufzugreifen: 'Sein heiliger Körper'. Ich hielt dies für ein seltsames und wundervolles Ereignis. Ich habe die verrückte Theorie entwickelt, daß die Kraft des Gedankens, eines vorherrschenden Gedankens, groß genug sein kann, sich irgendwie auf Stein zu übertragen, der dafür empfänglich ist."
1920 hat ein Zensor eine Show verboten. 1930 hat das Ladies' Home Journal William Seabrooks Geschichte veröffentlicht - Mr. Charles McDaniel aus East Liberty bei Pittsburgh, Pennsylvania, hat mir den Ausschnitt geschickt.
Im Dorf Doa im Gebiet Ben-Hounien in Französisch-Westafrika gab es eine Vorstellung.
Es ist eine Geschichte über einen Zauber, den Magier nicht an ihrem eigenen, sondern am Körper anderer Menschen verübt haben.
"Die beiden lebendigen Kinder waren dicht vor mir. Ich habe sie mit den Händen berührt. Und genauso nahe waren die beiden Männer mit ihren Schwertern. Die Schwerter waren aus Eisen, aus schwerem, kaltem und hartem Metall. Und nun folgt das, was ich mit eigenen Augen sah, aber Sie werden verstehen, warum ich nur widerstrebend darüber berichte und hinzufüge, daß ich eigentlich gar nicht weiß, was sehen bedeutet:
Jeder der zwei hob sein Schwert mit der linken Hand gerade über den Kopf, warf dann ein Kind hoch in die Luft und fing es mit der Schwertspitze auf, wobei das Kind aufgespießt wurde wie ein Schmetterling auf einer Nadel. Kein Blut floß, obwohl die beiden Kinder von den Schwertern in der Luft gehalten wurden, ganz und gar durchbohrt und gepfählt.
Die Zuschauer schrien und sanken auf die Knie. Viele schlugen die Hände vor die Augen, andere wurden gar ohnmächtig. Die Taschenspieler marschierten, jeder ein Kind aufgespießt über sich tragend, durch die Menge und verschwanden in der Einfriedung des Medizinmannes."
Später hat Seabrook die Kinder wiedergesehen. Er hat sie berührt und bekam den gleichen Eindruck, wie wenn er einen Dynamo gesehen hätte oder einen Sturm auf See oder einen Gegenstand, der vom Tisch gefallen ist oder ein krabbelndes Baby - er hatte das Gefühl, in der Gegenwart des Unbekannten zu sein.
Kapitel 27
Das Zucken eines Froschschenkels - und Emma Piggott hat eine Puderdose geklaut.
Das rätselhafte Zucken von Beinen, die unter Strom gesetzt wurden - und ein unaussprechliches Knistern in Galvanis Kopf. Seine Plackerei mit geistigen Fehlgeburten - oder mit Ideen, die nicht recht zur Welt kommen wollten. Das Zucken von Selbstverständlichkeiten, die als schwache, phantastische Keime im Bewußtsein Galvanis begonnen haben - das unergründliche Summen ferner Motoren - vorgeburtliche Regungen von Flugzeugen und Transportsystemen und den Beleuchtungsanlagen der Städte -
Ein Frosch zuckt mit den Beinen -
Eine Frau in Brewster, US-Bundesstaat New York, regt sich über einen Hotelportier auf.
Ganz allgemein geht meine Ansicht dahin, daß alle Menschen, die irgend etwas tun können, Zauberer sind - genau wie Hunde, die eine unsichtbare Beute verfolgen, oder wie Brieftauben oder wie Schlangen, die Vögel hypnotisieren, oder wie Raupen, die sich in Schmetterlinge verwandeln. Auf der Ebene der niederen Lebensformen - oder der höheren, wenn man sie als die aristokratischeren und etablierteren betrachtet - sind Wunder standardisiert und beschränkt. Aber die Menschheit entwickelt sich noch, und "Spielarten" oder "Abarten", wie die Biologen sie nennen, kommen unter Menschen recht häufig vor. Doch die Entwicklung der Menschheit hängt in hohem Maße von der Gewißheit ab, daß wir einen Ausgleich bekommen für die Schmerzen, Mühen und Enttäuschungen der langen, schlecht bezahlten Lehrzeit, welche es fraglich erscheinen läßt, ob es sich überhaupt lohnt, irgend etwas zu lernen. Die Belohnung hängt von der Harmonisierung mit dem dominanten Geist einer Ära ab.
Wenn ich neueste Daten betrachte, halte ich es für wahrscheinlich, daß viele frühere Fakire, die man heute als Heilige bezeichnet, die Wunder, die ihnen zugeschrieben werden, tatsächlich oder wenigstens bis zu einem bestimmten Grad vollbracht haben. Wunder oder Tricks, die sich in Übereinstimmung mit der dominanten Kraft der jeweiligen Ära befunden haben, wurden gefördert, während die Wunder, die den Ruhm der Kirche nicht gemehrt haben oder gar zu ihr im Widerspruch standen, abgelehnt oder sogar energisch unterdrückt worden sind. Mechanische, chemische oder elektrische Wunder durften sich nicht entwickeln -
Und daß im folgenden Zeitalter des Materialismus - wir können es auch das Zeitalter der Industrialisierung nennen - der gleiche Gehorsam gegenüber einer anderen Dominante vorgeherrscht hat, so daß junge Männer zum Ruhm ihrer Arbeit ausgebildet wurden und auf den Gebieten geträumt und Erfindungen gemacht haben, die für die Aktionäre interessant waren. Sie wurden zum Glauben erzogen, daß jede Magie außer ihrer eigenen industriellen Magie durch den Hinweis auf Fälschung, Aberglaube oder Zeitungsenten erklärt werden kann.
Ich bin selbst ein Kind der Industrialisierung, und obwohl ich in jeder Art von Nutzanwendung nur Vorteile-Nachteile erkennen kann, bin ich überwiegend ein praktisch denkender Mensch -
Oder die Spur einer funktionierenden Hexerei - und wir sind auf der Fährte der Brauchbarkeit -
Oder, daß ein Feuerwehrmann in Derby, nachdem ein Mädchen mit Hilfe eines Prozesses, der inzwischen irgendwie verständlich ist, ein Haus in Brand gesetzt hatte, das Feuer hätte löschen können, ohne die Wache zu verlassen, wenn er ein noch besseres Verständnis besessen hätte. Wenn der Mechanismus eines Motors durch unsichtbares Einwirken zum Stehen gebracht werden kann, dann können alle Motoren der Welt umgekehrt vielleicht ohne den Dreck, die Verbrechen, das Elend und die Ausbeutung, die mit dem Kohlebergbau verbunden sind, in Gang gesetzt und betrieben werden. Wenn Ambrose Small so weit weggewünscht werden konnte, daß er nie mehr zurückkehren konnte - obwohl ich nicht glaube, daß in einem bloßen Wunsch oder in Hoffnung oder Haß für sich genommen bereits Magie steckt -, dann könnten die derzeit im relativen Schneckentempo fliegenden und rollenden Transportmittel durch augenblickliche Teleportation ersetzt werden. Wenn wir uns vorstellen können, daß die Quacksalber und Verrückten und Wissenschaftler von höchstem Ansehen, die Erfolge angekündigt haben, welche im Widerspruch zu angeblichen medizinischen, physikalischen, chemischen oder biologischen Prinzipen gestanden haben - und die heute als Hochstapelei oder Fehler oder "voreilige Ankündigung" gelten - wenn wir uns vorstellen können, daß sie sich doch nicht ganz und gar getäuscht haben oder zumindest nicht versucht haben, andere zu täuschen, dann könnten wir - oder vielleicht könnte nur ich - diese Vermutung auf das Gebiet der Mechanik erweitern.
Ich bin nun der Ansicht, daß die Verrückten, die nach dem Perpetuum Mobile suchen, vielleicht doch keine armen Irren oder Betrüger sind - daß sie vielleicht gelegentlich sogar recht hatten - daß ihre Räder sich manchmal gedreht haben und ihre Murmeln gerollt sind, daß ihre diversen Apparate gearbeitet und mehr Energie abgegeben als aufgenommen haben, entweder weil es manchmal Ausnahmen zu angeblichen Gesetzen wie dem Energieerhaltungssatz gibt, oder weil von den Erfindern motivierende "Strahlen" ausgegangen sind.
Daß die Maschinen manchmal, angetrieben von Eifer, gelaufen sind - daß sie aber mit Hilfe dieser rudimentären oder unentwickelten Hexerei nur vorübergehend arbeiten konnten - daß sie aber vielleicht die Vorläufer einer Revolution aller Dinge auf dieser Erde sind, wie es einst das Flattern der kleinen Deckel auf Teekesseln war -
Eine neue Ära neuen Glücks, für das man mit neuen Höllen büßen muß; ein ehrgeiziges Ziel wird verwirklicht, eine Hoffnung zerstört; neue Verbrechen, Zeitvertreibe und Produkte, neue Berufe und neue Arbeitslosigkeit; Auseinandersetzungen mit Gewerkschaften oder Streiks, die weltweit ausgerufen werden; neue Freuden, neue Krankheiten und Katastrophen, von denen man noch nie gehört hat -
In dieser Existenz des Erwünschten-Unerwünschten.
Wilde Möhren auf einem Feld - und mich verlangte nicht mehr nach Kohl als Beilage zum Schinken. Das war schlimm, weil es nicht vieles gibt, das besser wäre. Ich war der Ansicht, daß es rundherum wohl Wurzeln und Sprossen und Blätter geben müsse, die sich zur Eßbarkeit entwickeln könnten, denen es aber bisher nicht gelungen ist - weil es höchst unwahrscheinlich ist, daß eine neue Beilage für Schinken angebaut wird, die den Kohl ersetzt, solange der Markt konventionelle Anforderungen stellt. Aber früher einmal muß es wilden Kohl und wilde Rote Beete und wilde Zwiebeln gegeben haben, die allesamt ein erbärmliches Gemüse waren, bis der Markt nach ihnen verlangt hat. So denke ich mir das. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls paßt das auf wilde Früchte.
Es gibt Schwertschlucker und Feuerfresser und Feuerspucker und Feuerläufer, Taschenspieler, Tischrücker und Entfesselungskünstler. Man kann nicht wissen, was nach einiger Entwicklung aus diesen wilden Talenten noch werden könnte.
Aber ich glaube, daß vor einhundert Jahren eine Stellenanzeige für einen schnellen Werbeläufer mit Plakaten auf Brust und Rücken genauso eigenartig ausgesehen hätte wie heutzutage eine Stellenanzeige für Poltergeist-Mädchen.
Gegen allen Widerstand der Welt behaupte ich dies: daß ich einmal einen Zauberer gekannt habe. Ich war Zeuge einer Leistung, die eines Tages vielleicht verständlich sein wird, die aber in diesen primitiven Zeiten so weit über das hinausgeht, was wir angeblich kennen und wissen, daß sie genau das ist, was ich mit Magie meine.
Als ich mit dem Zauberer bekannt gemacht wurde, war nicht zu sehen, daß er okkulte Fähigkeiten besaß. Er war ein äußerst freundlicher Zeitgenosse, aber er war trotzdem mit niemand gut Freund, weil er zu aufdringlich war. Er hat manchmal verrückt gespielt. Einmal hat er seinem Vermieter die Vorhänge heruntergerissen. Er hat Löcher in eins meiner Bücher gebissen und auf den Pantoffeln des Vermieters herumgekaut.
Der Vermieter hat ihn weggeschafft. Das war in London. Der Vermieter hat ihn zehn Meilen fortgeschafft und ihn dort ausgesetzt, wo er wahrscheinlich an jemand hochgesprungen ist und sich vor Freude über jeden, der ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, auf dem Boden gewälzt hat. Er war noch sehr jung.
Ungefähr zwei Wochen später habe ich, als ich aus einem der vorderen Fenster hinausblickte, den Zauberer gesehen, wie er auf der anderen Straßenseite herankam. Er schüffelte dabei auf dem Boden, aber er ist an unserem Haus vorbeigegangen, ohne es zu erkennen. Dann ist er stehengeblieben und hat geschnüffelt. Er hat geschnüffelt und geschnüffelt. Er hat die Straße überquert und ist zurückgekommen und hat sich vor das Haus gelegt. Der Vermieter hat ihn hereingelassen und ihm einen Knochen gegeben.
Aber ich kann nicht akzeptieren, daß der Zauberer den Nachhauseweg mit der Nase gefunden hat oder eine Spur aufgenommen und für den Weg zwei Wochen gebraucht hat. Der Geruchssinn hat eine Rolle gespielt und war beim Erkennen des richtigen Hauses wichtig. Aber wenn er einfach herumgeschnüffelt hätte, dann hätte er noch jahrelang mit der Nase am Boden durch die Straßen Londons laufen können, ohne die richtige Spur zu finden.
New York Sun, 24. April 1931 - ein Bericht von Adolph Pizaldt aus Allentown, Pennsylvania, über einen großen Mischlingszauberer, der im Gepäckwagen 340 Meilen weit gefahren war und nach ungefähr einer Woche wieder nach Haus gefunden hat. New York Herald Tribune, 4. Juli 1931 - ein lockiger Zauberer, der in Kanada über eine Entfernung von 400 Meilen nach Haus gefunden hat.
New York Herald Tribune, 13. August 1931 - Der Mann, den man nicht ertränken konnte -
"Hartfort, Connecticut, 12. August - Angelo Faticoni, genannt 'Der menschliche Korken', weil er fünfzehn Stunden lang an der Wasseroberfläche treiben konnte, obwohl ihm zwanzig Pfund Ballast an die Fußgelenke gebunden worden waren, ist, wie erst heute bekannt wurde, am 2. August in Jacksonville, Florida, gestorben. Er war zweiundsiebzig Jahre alt.
Faticoni konnte im Wasser schlafen, sich zu einer Kugel zusammenrollen, sich auf die Seite legen oder jede Position einnehmen, die man ihm vorschlug. Einmal wurde er in einen Sack genäht und, mit einer zwanzig Pfund schweren Kanonenkugel an den Füßen, kopfüber ins Wasser geworfen. Kurz danach ist sein Kopf wieder an der Oberfläche erschienen und blieb acht Stunden lang reglos in dieser Position. Bei einer anderen Gelegenheit ist er, an einen mit Bleigewichten beschwerten Stuhl gefesselt, über den Hudson River geschwommen.
Vor ein paar Jahren war er in Harvard, um für die Studenten und den Lehrkörper eine Vorstellung zu geben. Er wurde von erfahrenen Medizinern untersucht, die jedoch ihre Theorie nicht bestätigen konnten, daß er nur deshalb so lange im Wasser schwimmen konnte, weil seine inneren Organe anders aufgebaut seien als bei den meisten anderen Menschen.
Faticoni hatte oft versprochen, das Geheimnis, wie er 'Der menschliche Korken' geworden ist, zu lüften, aber er hat es nie getan."
Es gibt viele Berichte über Poltergeist-Phänomene, die durch die Voreingenommenheit der Zeugen so verzerrt wurden, daß man nicht mehr sagen kann, ob es Geschichten über Mädchen sind, die okkulte Kräfte hatten, oder über unsichtbare Wesen, die sich in der Gegenwart von Mädchen manifestiert haben. Aber die Geschichte der Angelique Cottin ist ein Bericht über ein Mädchen, das auf unerklärliche Art und Weise, wie man es sonst eher von Gespenstern erwartet, auf Gegenstände einwirken konnte. Die Phänomene in Zusammenhang mit Angelique Cottin aus dem französischen Ort La Perriere haben am 15. Januar 1946 begonnen und ungefähr zehn Wochen gedauert. Wer einen von Interpretationen der Spiritisten und Anti-Spiritisten freien Bericht über dieses wilde oder unentwickelte Talent lesen will, der sollte nachschlagen, was im Pariser Journal des Debats im Februar 1846 veröffentlicht worden ist. Dort sind die Berichte von Monsieur Arago und anderen Wissenschaftlern wiedergegeben. Gegenstände, in deren Nähe Angelique Cottin gekommen ist, sind davongesprungen. Sie hätte eine große Könnerin unter den Perpetuum-Mobile-Bastlern werden können. Sie wurde das Elektrische Mädchen genannt, weil man nicht wußte, wie man sie nennen sollte. Wenn sie versuchte, sich auf einen Stuhl zu setzen, entstanden komische Situationen. Der Stuhl wurde fortgezogen, oder besser, er wurde durch unsichtbare Kräfte fortgestoßen. Die Kraft war so überwältigend, daß ein starker Mann den Stuhl nicht festhalten konnte. Ein 60 Pfund schwerer Tisch hob sich vom Boden, wenn sie ihn berührte. Wenn sie ins Bett ging, schwankte es -
Und ich vermute, daß früher, als der Magnetismus gerade entdeckt wurde, die Menschen, wenn sie hörten, daß sich Gegenstände in der Nähe eines Magneten bewegten, gesagt haben: "Wie geht das?"
Faraday hat es ihnen gezeigt.
Ein 60 Pfund schwerer Tisch, der sich ein paar Fuß hoch vom Boden hebt - und eines Tages in weiter Zukunft in der Ära der Hexerei - ein vielköpfiger Verband von Poltergeist-Mädchen versammelt sich in Gegenwart von Baustoffen. Steinblöcke und Stahlträger steigen eine Meile oder so hinauf, bis sie ihre richtigen Positionen im neuesten Wolkenkratzer erreicht haben. Vielleicht. Hohe Gebäude werden in Mode kommen, aber zuerst wird es eine Demonstration dessen geben, was alles möglich ist.
Ich habe eine Theorie entwickelt, daß die Pyramiden von Poltergeist-Mädchen gebaut worden sind. Die Chinesische Mauer birgt keine Rätsel mehr. Hin und wieder rekonstruiere ich eine Wissenschaft. Eines Tages werde ich mir vielleicht die Neo-Archäologie vornehmen. Die alte Archäologie mit ihren Fälschungen und Vermutungen und widerstreitenden Pedanterien kommt mir vor wie eine Einladung zu einem wilden und fröhlichen Urlaub.
Die Hoffnungen, Wünsche, Bestrebungen, Gebete und Haßgefühle der Menschen - und ihre Vergänglichkeit - millionenfach rieseln vergeudete Schwingungen - unorganisierte Kräfte, die nichts bewirken. Aber wenn sie zusammengeführt werden, damit sie zusammenwirken können, wenn die kleinen Strömungen zu Niagarafällen der Emotionen zusammengefaßt werden - und wenn das wahre Glück nur in der Nutzanwendung liegt, dann stelle ich mir vor, daß das Glück irgendwann einmal wie ein Wasserfall über uns hereinbricht -
Oder eines Tages im neuen Zeitalter der Hexerei - und jeden Morgen, pünktlich um neun Uhr, sammeln sich Mengen von menschlichen Wünschern, die den würdigen Namen Transmedialisierer führen, in ihren Wunschstationen oder in ihren geistigen Kraftwerken, um zu organisieren, was heute in Form verstreuter und verschwendeter Hoffnungen und Haßgefühle auftritt, und um es auf den Betrieb aller Maschinen in allen Städten zu konzentrieren. Und wenn sie alle hübsch organisiert und fast völlig zufrieden sind, wird man feststellen, daß man keine Maschinen mehr braucht.
In gewisser Weise funktioniert die Hexerei bereits: und zwar in der Weise, daß wilde Talente aufgetaucht sind und sich als Einkommensquelle bewährt haben. Aber wir stehen erst am Anfang der Bewegung. Im August 1883 hat es in einer Wohnung in Cedarville, Georgia, wo die 15jährige Lulu Hurst lebte, Poltergeist-Phänomene gegeben. Kleine Steine haben sich in Gegenwart des Mädchens bewegt, Dinge sind verschwunden, Porzellan zerbrach, und wenn das Mädchen an eine Melodie dachte, dann konnte man hören, wie der Takt ans Kopfende ihres Bettes geklopft wurde. Im Februar 1884 ist Lulu öffentlich aufgetreten. In New York City hat sie eine Vorstellung im Wallack's Theatre gegeben. Es ist möglich, daß ein geschickt angeleitetes 15jähriges Mädchen fähig war, jeden zu täuschen, der auf die Bühne getreten ist. Wenigstens konnte sie alle Zuschauer glauben machen, ein 200 Pfund schwerer Mann, der auf einem Stuhl saß, sei dank ihrer Kraft und indem sie den Stuhl nur berührte, hochgehoben und auf den Boden geworfen worden -
Ich bin einem Indianer aus früheren Zeiten sehr ähnlich. Einem Indianer, der sich die Kräfte eines Wasserfalls vorstellt und nicht fähig ist, sich ein Wasserrad vorzustellen, sondern einfach nur glaubt, daß all diese Kräfte nichts weiter als etwas Lärm produzieren können -
Oder die Melancholie, in die ich vielleicht falle, wenn ich daran denke, daß ein kleines Poltergeist-Mädchen, wenn es richtig ausgebildet würde, alle Zeugen glauben machen könnte, daß es Baumaterialien vierzig oder achtzig Stockwerke hochzuheben vermag, indem es sie einfach berührt - und wenn ich mir vorstelle, daß niemand derlei Fähigkeiten fördert -
Nur, daß ich mir nicht sicher bin, ob man damit oder mit irgend etwas anderem wirklich etwas erreichen würde.
Lulu Hurst hat entweder Kräfte besessen, die über bloße Muskelkräfte weit hinausgegangen sind, oder sie hat eine Fähigkeit zur Täuschung besessen, die weit über die Fähigkeiten gewöhnlicher Betrüger hinausgegangen ist. Manchmal hat sie 200 Pfund schwere Männer herumgeworfen oder den Anschein erweckt, sie könnte das tun; und manchmal hat sie die Hände auf einen Stuhl gelegt, und fünf Männer konnten den Stuhl nicht heben oder waren gute Schauspieler und haben sich redlich das verdient, was die Mitarbeiter von Bühnenzauberern damals als Bezahlung erhalten haben.
Im November 1891 ist Mrs. Annie Abbott unter dem Namen Little Georgia Magnet in der Alhambra Music Hall in London aufgetreten. Sie wog ungefähr 90 Pfund, und wenn sie es zulassen wollte, konnte ein Mann sie ohne weiteres hochheben. Im nächsten Augenblick aber waren sechs Männer, auf jeder Seite drei, die sie an den Ellbogen faßten, nicht fähig, sie hochzuheben. Wenn sie sich auf einen Stuhl stellte, konnten dieselben sechs Männer nicht verhindern, daß sie, obwohl festgehalten, wieder zu Boden sank, sobald der Stuhl weggezogen wurde. Falls jemand behaupten will, es wären bei jeder Vorstellung dieselben sechs Männer auf die Bühne gekommen, sobald Freiwillige gesucht wurden, so denke ich mir, daß dies eine ziemlich gute Idee ist. Aufgrund vieler anderer Daten kann sie bei mir nicht viel ausrichten; aber in jenen Anfangszeiten von uns Primitiven hatte fast jede Idee ihren Wert. Ich entnehme die Berichte den Facts of Psychic Science von Holms. Ich habe die Angaben auch in anderen Quellen gefunden.
Im September 1921 hat Mary Richardson in der Olympic Music Hall in Liverpool Vorstellungen gegeben. In einem Augenblick ließ sie sich ohne weiteres heben - im nächsten konnten sechs Männer - womöglich dieselben sechs - sie nicht bewegen. Sie konnte einen Mann niederschlagen, indem sie ihn nur leicht berührte. Entweder ist sie mit einem Gefolge von dreizehn Komödianten gereist, die es schafften, sich in einer Reihe aufzustellen und, ein komischer Anblick, wenn man ihre Körpermaße bedenkt, so zu tun, als drückten sie mit größter Kraft, ohne sie umstoßen zu können, oder sie war eine Zauberin.
Es ist unmöglich, mit Hilfe der Vernunft irgendwo hinzukommen. Der Grund ist, daß man zeigen kann, daß es, monistisch gesehen, kein Irgendwo gibt. Oder, man kann nicht irgendwo hinkommen, weil man überall hinkommen kann. Ich finde in all dem gleich gute Gründe zu lachen oder ernst zu sein. Holms berichtet, er habe im Publikum gesessen und sei, ohne sich direkt zu beteiligen, auf die Bühne getreten. Er habe die Hand zwischen Mrs. Richardson und den Anführer der dreizehn Männer gehalten, die sich fast die Schultern ausrenkten, während sie versuchten, Mrs. Richardson umzustoßen, und er habe keinen Druck gespürt. Deshalb war er überzeugt, daß sie nicht dem Druck Widerstand leistete, sondern daß der Druck sie gar nicht erreichen konnte.
Angenommen, der Druck konnte sie nicht erreichen. Konnte sie von Schlägen getroffen werden? Oder von Kugeln? Hat Robert Houdin ähnliche Kräfte eingesetzt, als er vor einem arabischen Hinrichtungskommando stand, und ist die Geschichte, daß die Kugeln gegen Platzpatronen ausgetauscht worden waren, nur eine der Geschichten, die das Tabu allenthalben verbreitet? Ein unverletzlicher Mann könnte die Welt beherrschen - außer, daß er irgendwo sicherlich doch eine Schwäche hätte oder daß er, allgemein gesprochen, nicht mehr als verletzlich-unverletzlich sein könnte. Aber er könnte unsere Verwirrung vergrößern, indem er Geschichte schreibt, bevor er am Ende doch verletzt wird. Nun denn, wenn es Zauberer gibt, warum haben die Zauberer dann nicht nach politischer Macht gegriffen? Ich weiß nicht, ob sie das wirklich nicht getan haben.
Das Geheimnis des Feuerlaufs, womöglich - daß Zauberer über rotglühende Steine laufen können, ohne sich zu verletzen, weil sie die Steine nicht berühren. Aber manche Leser beruhigen sich lieber mit dem Glauben, daß es niemals Feuerläufer gegeben hat. Sie können sich einen beunruhigenden Augenblick verschaffen, wenn Sie den Bericht in Current Literature, 32-98, lesen - Auftritt eines hawaiianischen Feuerläufers in Honolulu am 19. Januar 1901. Sie können der Geschichte entnehmen, daß der Zauberer über "grellrot glühende Steine" gelaufen ist. Aus dem Holz, das darunter brannte, seien Flammen heraufgezüngelt. Er sei viermal hin und her gelaufen.
Menschen benutzen ihre Muskelkraft, und es ist möglich, daß eines Tages noch Kräfte auftauchen, auf welche die Beschreibung "okkult" oder "medial" paßt. In der New York Herald Tribune wurde am 24. Januar 1932 ein Bericht über den Tod der Mrs. Betsy Anna Talks aus der Fourteenth Road Nr. 149 in Whitestone im New Yorker Stadtteil Queens abgedruckt. Sie habe häufig Dinge vollbracht wie ein 400 Pfund schweres Faß Zucker zu tragen - sie hätte Kartoffelsäcke geschleppt, einen unter jedem Arm, während die Feldarbeiter gewöhnlich einen einzigen Sack zu zweit tragen - sie hätte zugesehen, wie zwei Männer ungeschickt mit einem 550 Pfund schweren Faß mit Salz hantierten und es ihnen vom Wagen gehoben.
Es gibt "ewige Wahrheiten" und "unwiderrufliche Prinzipien" und "was aufsteigt, muß irgendwann auch wieder fallen" und "Männer sind stark und Frauen sind schwach" - aber irgendwo gibt es eine Frau, die zwei Männern ein Faß Salz abnimmt. Doch wir denken in Verallgemeinerungen und wenden die Gesetze der Verallgemeinerung an, und wenn "Frauen schwach sind", dann wäre ich, würde ich es nachprüfen, nicht überrascht zu hören, daß Mrs. Talks Unterhaltszahlungen bezogen hat.
Ich erinnere mich jetzt an eine andere Reihe von Erfahrungen, die ich mit etwas gemacht habe, das womöglich meine eigenen wilden Talente sind. Ich habe mir keine Notizen zu diesen Vorfällen gemacht, weil ich dachte, ich würde mich nicht mehr ungezwungen bewegen, wenn ich mein eigenes Verhalten notierte. Jetzt bin ich anderer Meinung. Ich ging in New York City über die West Forty-Second Street, als mir die Eingebung kam, ich könnte "sehen", was ein Stück vor mir in einem noch nicht sichtbaren Schaufenster ausgestellt wäre. Ich sagte mir: "Die Spuren von Truthähnen in rotem Schnee."
Ich sollte noch anmerken, daß "roter Schnee" zu den Phänomenen gehörte, mit denen ich mich zu dieser Zeit besonders intensiv beschäftigt habe. Ich erreichte das Schaufenster und sah schwarze Füllfederhalter, die zu viert wie Vogelfüße dergestalt angeordnet waren, daß einer hinten lag und drei sich nach vorn gabelten. Sie lagen auf rosa Pappe.
Endlich war ich ein Zauberer!
Ein anderes Mal nahm ich ein entferntes, noch nicht einzusehendes oder nicht zu überblickendes Schaufenster ins Visier - ich sagte: "Wellengeriffel auf einem Sandstrand." In dem Schaufenster waren gerade mehrere Männer damit beschäftigt, die ausgestellten Dinge zu entfernen. Zurück blieb praktisch nichts außer einem samtigen gelben Bodenbelag. Diese Abdeckung war der Dekoration wegen gefältelt oder zu Wellen gelegt worden.
Ein anderes Mal - "Die Fußabdrücke von Robinson Crusoe und Freitag." Als ich die Stelle erreichte, sah ich, daß es das Schaufenster eines Flickschusters war, der eine Reihe Schuhsohlen in sein Schaufenster gehängt hatte.
Es tut mir leid, so war es.
Ich möchte wirklich gern mal hören, wie jemand sich selbstbewußt als Zauberer bezeichnet und sagt: "Glaubt es oder laßt es bleiben!" Ich kann das nicht machen, weil ich mich zu gut an andere Gelegenheiten erinnere. Vielleicht liegt es an meiner Schüchternheit, aber ich erspare mir lieber die Abneigung oder den schieren Neid jener Leser, die zu einem fernen Schaufenster sagen: "Neue Romane" und Kürbisse vorfinden.
Ich habe meine Experimente ungefähr einen Monat lang durchgeführt. Sagen wir, ich habe tausendmal experimentiert. Unter diesen tausend Versuchen waren, soweit ich mich erinnere, nur drei, die als verblüffende Erfolge gelten können, obgleich ich mich an einige Teilerfolge erinnere. Ich habe im ganzen Buch den Standpunkt eingenommen, daß niemand immer falsch liegen kann, aber es scheint mir, als hätte ich eine so große Annäherung erreicht, daß ich nahezu ein negatives Genie bin. Dennoch beeindruckt mich das erste meiner Experimente. Es ist mir eingefallen, als ich, soweit ich weiß, an nichts in dieser Art dachte, auch wenn ich unbewußt viele Geschichten über verschiedene übersinnliche Phänomene mit mir herumgeschleppt habe.
Solche Dinge sind möglich, aber wer aufmerksam zugehört hat, wird bemerkt haben, wie trivial und beiläufig sie geschehen sind. Sie kommen und gehen wie telepathische Erfahrungen, und wenn man versucht, eine Fähigkeit zu entwickeln, reichen die Erfolge nicht aus, um den Betreffenden zum Weitermachen zu ermutigen, es sei denn, er ist fest entschlossen, sich ermutigen zu lassen.
Nun denn, wenn wilde Talente kommen und gehen und nicht entwickelt werden können, oder wenn man sich nicht auf sie verlassen kann, dann dürften sie selbst für jene Menschen, die zu der Überzeugung neigen, daß sie existieren, kaum von Nutzen sein.
Aber wenn wir akzeptieren, daß es Eingeweihte gibt: vielleicht mußten sie lange Lehrzeiten durchmachen, in denen sie sich selbst getäuscht haben, indem sie Erfolge übertrieben dargestellt und Fehlschläge aus jener Zeit vergessen haben, als sie in keinem Salon und in keiner Kneipe das Publikum hätten beeindrucken können. Ich habe erzählt, was ich in einem Monat erlebt habe. Es braucht fünf Jahre, um in groben Zügen zu lernen, wie man ein Buch schreibt, Herrensocken verkauft oder bettelt.
Jeder, der etwas kann, hat von den Göttern oder von wem auch immer nichts als ein wildes Talent bekommen. Lesen Sie ein Buch oder betrachten Sie ein Bild. Der Künstler hat ein wildes Talent benutzt, an das niemand sonst auf der Welt geglaubt hat; etwas, das gekommen und gegangen ist und ihn verhöhnt und getäuscht und ihn vielleicht sogar ausgehungert hat, bis er fast ruiniert war - und am Ende hat der Künstler die Sache doch noch hingekriegt.
Am 29. November 1931 ist ein wildes Talent gestorben. Es war ursprünglich wild gewesen, hatte aber eine beachtliche Entwicklung durchgemacht. Schlagen Sie nach in New York Herald Tribune, 30. November 1931. John D. Reese war in seinem Haus in Youngstown, Ohio, gestorben. Mr. Reese war ein "Heiler". Er war kein "göttlicher Heiler". Er ist wichtig für meine Ansicht, daß die Anhänger der Religionen sich vieles aneignen konnten, das nicht ausschließlich das ihre ist. Früher war von "göttlichen Heilern" die Rede. Heute sind es einfach "Heiler". Es ist in gewisser Weise eine Trennung, die gewaltige Folgen nach sich ziehen kann. Irgendwann einmal werde ich die Aufzeichnungen über die Heiligen plündern und nach Hinweisen suchen, die auch für kluge Atheisten, die lernen und experimentieren wollen, von Wert sein könnten.
"Reese war kein Mediziner. Seine ganze Ausbildung hatte aus den Anweisungen eines alten Heilers bestanden, die Reese als Knabe in den Bergen von Wales bekommen hatte. Ärzte konnten seine Kunst nicht erklären, und nachdem sie sich vergewissert hatten, daß er kein Scharlatan war, zuckten sie nur mit den Achseln und sagten einfach, daß er 'göttliche Kräfte' besitze."
Aber Reese hat sich selbst nie als "göttlichen Heiler" bezeichnet, und obwohl er mit Methoden, die nicht weniger göttlich sind als die der Heilsarmee und anderer religiöser Organisationen ein Vermögen verdient hat, stand er mit keiner Kirche in Verbindung. Er war ungefähr dreißig Jahre alt, als ihm seine Gaben bewußt wurden. Eines Tages im Jahre 1887 ist in einem Walzwerk ein Mann von einer Leiter gefallen und hat sich verletzt. Wie ein Arzt sagte, hatte er sich eine "schwere Wirbelsäulenverrenkung" zugezogen. Mr. Reese hat sich gebückt und ließ die Finger aufwärts und abwärts über den Rücken des Mannes gleiten. De Mann lächelte, und während der Arzt und die Arbeiter des Walzwerks erstaunt die Münder aufrissen, stand der Mann auf und erklärte, er fühle sich wieder stark und verspüre keine Schmerzen mehr. Er ging wieder an die Arbeit, und der Grundstein für Mr. Reeses Ruf als Heiler war gelegt."
Er hat danach zehntausende erfolgreicher Behandlungen durchgeführt. Hans Wagner, der bei den Pittsburgh Pirates gespielt hat, wurde eines Tages verletzt vom Baseballfeld getragen: in seinem Rücken hatte es geknackt, und es schien, als sei seine Karriere zu Ende. Reese hat ihn behandelt, und nach wenigen Tagen konnte er wieder auf seiner Position spielen. Als Lloyd George kurz nach dem Weltkrieg die Vereinigten Staaten besucht hat, schüttelte er so vielen Menschen die Hände, daß seine Hand Schaden nahm. Später erlitt dann Winston Churchill bei seinem Besuch angeblich einen Autounfall und sagte, er müsse den Arm in einer Schlinge tragen. Aber Lloyd George wurde so herzlich begrüßt, daß er enstlich verletzt wurde. "Die Ärzte sagten, es brauche einige Monate Ruhe und Massagen, um die verkrampften Muskeln zu heilen." - "Reese gab den beiden Staatsmännern die Hand, drückte sanft, drückte fester, löste den Griff mit einem Ruck, und Lloyd Georges Hand war wieder gesund."
Eine der wichtigsten Einzelheiten in dieser Geschichte über ein Talent oder über einen Zauber, der sinnvoll eingesetzt wurde, ist wahrscheinlich die Tatsache, daß der Zauberer ausgebildet worden ist. Als Reese noch ein Junge war, wurde er in therapeutischem Zauber unterwiesen. Als er dann dadurch beansprucht war, daß er seinen Lebensunterhalt verdienen mußte, verschwand das Wissen aus seinem aktiven Bewußtsein. Es scheint aber, als sei die Entwicklung im Unterbewußtsein weitergegangen und habe sich, als der Mann zweiunddreißig Jahre alt war, manifestiert.
Ich bin der Ansicht, daß zwischen all dem Unkraut auf den Äckern auch wilde Talente existieren. Außerdem bin ich der Ansicht, daß viele Unkrautsorten, wären da nicht die Konventionen des Marktes, sich zu eßbarem Gemüse entwickeln würden. Mein sehnlichster Wunsch, für dessen Erfüllung ich jederzeit meine Schreibmaschine aufgeben würde - außer, wenn ich gerade fröhlich einen besonders häßlichen Seitenhieb gegen Priester oder Wissenschaftler aufschreibe - besteht darin, zu Stühlen und Tischen sagen zu können: "Im Gleichschritt! Vorwärts! Marsch!", und sie würden mir gehorchen.
Ich habe es probiert, wie ich hier gern zu Protokoll gebe, denn niemand kann von forschendem, experimentierfreudigem Naturell und zugleich ein vernünftiger Mensch sein. Jedenfalls dürfte kaum jemand Möbel besitzen, die weniger mit militärischem Drill im Sinn haben als meine. Wahrscheinlich werden mir die Pazifisten wegen dieser Versuche die Hölle heiß machen.
Ich wäre wirklich gern ein Zauberer, der seinen Mitmenschen negative Wohltaten zufügen kann, indem er für nichts und niemanden etwas tut. Ich habe viele Erfahrungen gemacht, die mich glauben lassen, daß die meisten Menschen nicht nur gern Zauberer wären, sondern gelegentlich auch glauben, sie wären es bereits.
Eines Tages - es war im Frühjahr 1931 - hat mein Vermieter ein paar junge Hühner und zwei Hähne vom Land geliefert bekommen. Er hat sie hinten im Hof in einen Stall gesetzt. Sie sind gewachsen, und später fand ich es interessant, den beiden Hähnen zuzuhören, wie sie ihre ersten, noch unsicheren Versuche unternahmen, zu krähen. Es war genauso interessant, als hätte ich junge Männer dabei beobachtet, wie sie versuchten, sich wie Erwachsene zu benehmen. Aber dann dachte ich daran, was mir um vier Uhr morgens oder so bevorstehen würde. Weil ich mitunter an Schlaflosigkeit leide, lege ich großen Wert darauf, daß ich meinen Schlaf bekomme, wenn ich ihn denn bekommen kann. Ich habe mir also ernstliche Sorgen gemacht und mit einigen Leuten darüber gesprochen.
Die beiden kleinen Hähne haben keinen Ton mehr von sich gegeben.
Endlich!
Monate sind vergangen. Ich hatte die Bestätigung. Ich war ein Hexer.
Eines Tages im Oktober hat der Vermieter zu mir gesagt: "Sie haben keinen Ton mehr von sich gegeben."
Ich habe versucht, nicht allzu betreten dreinzuschauen.
Darauf sprach er: "Im letzten Mai habe ich sie eines Tages angesehen und zu mir gesagt: 'Wenn wir euretwegen Mieter verlieren, dann drehe ich euch den Hals um.' Seitdem haben sie nicht mehr gekräht."
Aufgrund der Unschärferelation können wir den Weg, den ein Partikel nehmen wird, nicht voraussagen, und so können wir auch nicht wissen, wer letztendlich die Hähne am Krähen gehindert hat. Auf jeden Fall waren wir beide, gemessen an einer Geschichte, die über Madame Blavatsky erzählt wird, in Sachen Magie recht unerfahren. Der kleine Vogel in einer Kuckucksuhr hat sie gestört. Sie sagte: "Verdammter kleiner Vogel! Halte den Schnabel!" Und der Kuckuck hat keinen Ton mehr gesagt.
Mit der Kultivierung wilder Talente meine ich nicht nur, man müßte das Geheimnis des Mannes ergründen, der nicht ertränkt werden konnte, um diese Fähigkeit im Falle eines Schiffsunglücks nutzen zu können - oder das Geheimnis des Mannes, den man nicht einsperren konnte, so daß die Heiligen der Gesetzgebung eine große Sorge los wären, weil sie niemand mehr dafür einsperren könnten, daß er eines ihrer unzähligen Gesetze übersehen hat - oder das Geheimnis der Frau, die man nicht berühren konnte, so daß es keine Autounfälle mehr geben würde - oder das Geheimnis von mir und den Hähnen - obwohl der Schwiegersohn meines Vermieters dies mit Empörung zur Kenntnis nehmen wird - so daß sofort nach dem Frühstück ein für alle Mal sämtliche Radios und alle Tenöre und Soprane zum Schweigen gebracht würden -
Andererseits das Geheimnis der brennenden Häuser in England; von Wunden, die auf Körpern oder von Bildern, die auf Hagelkörnern erschienen sind; von Leichen auf Parkbänken in Harlem; von rätselhaften Explosionen und erzwungenen Landungen von Flugzeugen und der Fall der Lizzie Borden -
Das sind lediglich Spezialisierungen. Wenn alle nur unterschiedliche Manifestationen der gleichen Kraft oder Radioaktivität oder Transmedialisierung oder von was auch immer sind, dann ist vielleicht dies das Ziel, auf welches Forschung und Experimente sich konzentrieren sollten -
Neue Triumphe und neue Katastrophen. Glück und Unglück - eine neue Ära, in welcher die Menschen voller Verachtung oder Schrecken zu unserer Zeit zurückblicken, solange sie nicht etwas gründlicher über ihre eigenen Angelegenheiten nachdenken.
In Gegenwart eines Poltergeist-Mädchens, das, soweit wir wissen, keine meßbare Kraft ausübt, bewegen sich Gegenstände.
Aber dies ist ein Buch über Dinge, die keine Wunder sind.
In Gegenwart gewisser Substanzen, die, soweit wir es sagen können, keine Kraft ausüben, bewegen sich andere Substanzen oder verwandeln sich in ganz andere Substanzen.
Es gibt ein verbreitetes Phänomen, das die Chemiker Katalyse nennen.
Um uns her existieren wilde Talente, und niemand kommt auf die Idee, sie zu kultivieren, es sei denn als Ausdruck persönlicher Gefühle oder als Kuriosität, die man gegen Eintritt zur Schau stellen kann. Ich stelle mir Kräfte und Anwendungen menschlicher Kräfte vor, die eines Tages die Aufführungen in Musiktheatern und bei Séancen und Variétevorführungen verändern werden, weil die alltäglichen Anwendungsfälle inzwischen das Spielzeugstadium, aus dem sie hervorgegangen sind, weit hinter sich gelassen haben. Manchmal denke ich konstruktiv - oder Schwadronen von Hexen werden nach Nicaragua teleportiert, wo sie eilig einen Kanal graben, indem sie Bäume und Felsen auflösen - aufgewühlte Wasserfluten und die Magie, dank derer sie die Häuser nicht zerstören können - Wirbelstürme, die Dörfer zerschmettern wollen und nicht einmal eine Feder bewegen können. Aber ich denke auch, daß es in dieser Angelegenheit nichts Vernünftigeres gibt als das Tabu, welches die Entwicklung verhindert oder verzögert. Ich meine jenes Halbwissen, das ernsthaft und mit scharfem, einseitigem Vorausblick das Schießpulver und die Druckerpresse und die Entdeckung Amerikas zu verhindern versucht hat. Mit den Vorteilen praktisch angewandter Hexerei kommen auch gewaltige Verbrechen auf uns zu. Natürlich wird man sich mit der Zeit daran gewöhnen. Ich will nur vermeiden, daß man mich für einen reinen Altruisten hält oder für einen Träumer von bescheidenen Geistesgaben, der sich für etwas einsetzt und von Segnungen spricht, ohne zu erkennen, was daran zum Fluch werden könnte.
Jede Dummheit, jedes Scheitern und jeder Anlaß zur Korruption der heutigen Zeiten ist, falls es auf einer Veränderung ehemals feststehender Dinge beruht, ursprünglich von dem einen oder anderen Messias als Rettung und Erlösung gepredigt worden. Dies ist ein Grund dafür, daß ich niemals um etwas bete. Ich fürchte nämlich, ich könnte es bekommen.
Oder die Anwendung der Hexerei in der Kriegführung -
Aber, daß ohne die Billigung der Heuchler, ohne die Beaufsichtigung durch Heuchler und ohne den Segen der Heuchler niemals etwas erreicht werden könnte -
Oder militärische Demonstrationen der überwältigenden Wirkung gezielten Hasses - die wissenschaftliche Anwendung zerstörerischer Blitzschläge von einer Million Haßvolt - die Vernichtung der Feinde durch disziplinierte Grimmigkeit -
Und Kanonen werden so unwichtig wie Feuerwerk - ein Schlachtschiff auf See, ein Spielzeugboot in der Badewanne -
Heuchlerische Fanfarenstöße - heuchlerische Blasorchester - geheuchelte Worte vom Frieden auf Erden und vom Wohlergehen aller Menschen - oder große Feiern, wenn die Nationen feierlich übereinkommen, ihre Schlachtschiffe und Kampfflugzeuge zu verschrotten - sobald erkannt wird, daß diese Dinge in der Ära der Zauberei keinen Pfifferling mehr wert sind -
Aber es wäre natürlich nicht so, daß die Hexerei im Krieg angewendet würde. O nein: die Hexerei würde den Krieg viel zu schrecklich machen. Wirklich, es wäre die reine Christenpflicht, eine neue Art von Magie zu entwickeln, deren Anwendung dazu führt, daß man in Zukunft über einen Krieg nicht einmal mehr nachdenken kann.
Später: Eine Schwadron Poltergeist-Mädchen - und sie pflücken eine Flotte aus dem Meer oder vom Himmel - falls bereits im Jahre 1923 irgend etwas französische Flugzeuge aus dem Himmel gepflückt hat - und erklären, daß manche Länder, die die von Abrüstung geredet haben, trotzdem weiterhin Kriegsflotten gebaut hätten.
Mädchen an der Front - und sie tratschen über die üblichen, nicht sehr tiefschürfenden Themen. Alarm - der Feind rückt an. Befehl an die Poltergeist-Mädchen, sich zu konzentrieren - und sie kleben ihre Kaugummis unter die Stühle.
Ein Regiment bricht in Flammen aus, die Soldaten werden zu lebenden Fackeln. Pferde stoßen schnaubend Ruß aus, während ihre Eingeweide verbrennen. Verstärkungen werden mit Felsen zerschmettert, die von den Rocky Mountains herbeiteleportiert werden. Die Niagarafälle werden umgelenkt - und ergießen sich auf das Schlachtfeld. Die kleinen Poltergeist-Mädchen klauben nach getaner Arbeit ihre Kaugummis wieder hervor.
Kapitel 28
Daß alles, was begehrenswert ist, nicht des Besitzens wert ist - daß Glück und Unglück emotionale Rhythmen sind, die von den jeweiligen Lebensumständen derart unabhängig ablaufen, daß gute oder schlechte Neuigkeiten nur den Ausschlag dieser Wellen verstärken, ohne aber das Verhältnis von Auf und Nieder beeinflussen zu können - oder, daß man in einem Teich keine Wellen erzeugen kann, die nur aus Erhebungen bestehen und daß man ebenso im Leben nicht glücklich sein kann, ohne im gleichen Ausmaß entsprechendes Unglück zu erleiden.
Aber, so streng formuliert, ist dies eine mechanistische Philosophie.
Und ich bin ein Mechanist-Nichtmechanist.
Manchmal ist das Begehrenswerte nicht nur des Besitzens nicht wert, sondern noch verdammt viel schlimmer.
Ist das Leben lebenswert? Wie jeder andere Mensch habe ich mir diese Frage schon oft gestellt und meist negativ beantwortet, weil ich mich vor allem dann frage, ob das Leben lebenswert sei, wenn ich überzeugt bin, daß es das nicht ist. Eines Tages habe ich in einem meiner häufigen und vermutlich unheilbaren wissenschaftlichen Momente beschlossen, es herauszufinden.
Einen Monat lang habe ich jeden Abend ein Pluszeichen oder ein Minuszeichen notiert und damit festgehalten, ob das Leben meiner Meinung nach an diesem Tag lebenswert war oder nicht. Am Ende des Monats habe ich alles zusammengezählt, und ich muß sagen, daß ich gar nicht erfreut war, als ich sah, daß die Pluszeichen in der Mehrzahl waren. Es ist unwürdig, optimistisch zu sein.
Ich hatte keine Maßeinheiten, mit deren Hilfe ich die Sache hätte näher bestimmen können. Vielleicht waren einige meiner Pluszeichen nur geringfügig positiv, während hier und dort einer der negativen Tage so ausgesprochen negativ war, daß damit ein Dutzend leicht positive Tage aufgewogen worden wären.
Ich habe natürlich versucht, die Notierung feiner abzustufen, aber das bedeutete bloß, Pseudo-Einheiten in kleinere Pseudo-Einheiten zu zerlegen. Außerdem kann man aus einem äußerst negativen oder sehr schmerzhaften Ereignis etwas lernen, das später zu einer ganzen Reihe von Pluszeichen führt. Manche Pluszeichen bedeuten andererseits, daß man die Ereignisse des Tages falsch interpretiert hat und daß einem ein Minus ins Haus steht -
Oder, daß nichts - ob Freude oder Sorge, ob der Planet Jupiter oder ein Elektron - aus seiner Umgebung herausgerissen werden und in endgültigem Sinne als Plus oder Minus bezeichnet werden kann, weil nichts als endgültig identifizierbares Ding existiert - oder, daß solche versuchten Isolationen und Bestimmungen lediglich wissenschaftlich sind.
Ich habe mir die Hexerei herausgesucht, als gäbe es die Hexerei als identifizierbaren Gegenstand, Zustand oder Vorgang. Aber wenn ich mit der Hexerei Phänomene meine, die sich so sehr voneinander unterscheiden wie die Verkleidungskünste eines Wandelnden Blatts, die Krankheiten in einem Haus, in dem eine "Typhus-Mary" gekocht hat, und das Aufspießen von Kindern, die dadurch aber nicht verletzt wurden, dann meine ich mit Hexerei ganz allgemein nichts, was irgendwie aus einer verbreiteten Gruppe von Phänomenen herausgepickt werden könnte.
Alle Phänomene sind rhythmischer Natur und liegen irgendwo zwischen dem Metrischen und dem Rasenden, wobei die endgültigen Extreme in einer Existenz, die metrisch-nichtmetrisch ist, niemals erreicht werden können. Die mechanistische Theorie der Existenz ist so begrenzt und schief, wie es eine einheitliche Theorie aller Dinge wäre, die gut, groß oder heiß sind. Sie ist puritanisch. Dies ist die Lehrbuchwissenschaft, die von den uhrwerksartigen Kreisen des Planeten Jupiter berichtet und vergißt, Jupiters kleine, streunende Monde zu erwähnen, die, wenn sie Menschen wären, sofort aus jeder Anstellung geworfen würden, weil sie so unpünktlich sind - dies ist die Weisheit, die zu erwähnen vergißt, daß mit dem Uhrwerk der meisten Uhren einiges nicht stimmt. Die mechanistische Philosophie ist ein Traum von einer Endgültigkeit voller exakter Reaktionen auf Reize und von absoluten Entsprechungen. Insofern, als die Vorteile und Nachteile von irgend etwas so wenig herausgepickt, isoliert und identifiziert und quantifiert werden können, wie man den Wellenkamm von seinem Wellental trennen könnte, ist es nicht mehr als wissenschaftliche Träumerei, wenn man behauptet, daß irgend etwas irgend etwas anderem gleich oder entgegengesetzt sei.
Und daß zur gleichen Zeit inmitten eines Eintauchens in der Allgemeinheit alle Phänomene von einer Individualität durchdrungen sind, die so markant ist, daß alle Dinge das Unverschmelzbare in ebenso großem Maße repräsentieren, wie sie zur Unterscheidungslosigkeit miteinander verschmelzen. So hat denn jede Aktion und jede Annehmlichkeit etwas Universelles an sich, das sie unvereinbar und unvergleichlich macht und sie von jeder Reaktion oder jeder Unannehmlichkeit abhebt.
Unser Bindestrich-Dasein ist wie ein Glücksspiel. Gehen Sie nicht in die Höhle des Mathematikers, um Erleuchtung zu finden. Versuchen Sie es in Monte Carlo. Aus der Wissenschaft verblaßt die Gewißheit so rasch, wie sie ähnlich nur noch aus der Theologie verblassen kann. An die Stelle der Gewißheit tritt das Abenteuer. Akzeptieren Sie, daß es Hexerei in dem Sinne gibt, in dem wir Elektrizität, Magnetismus oder das Leben akzeptieren und dabei hinnehmen, daß es keine absolute Unterscheidung zwischen Vorteilen und Nachteilen gibt -
Oder, daß die angewandte Hexerei oder die Entwicklung wilder Talente so große Vorteile mit sich bringt, daß in zukünftigen Aufzeichnungen der Menschheitsgeschichte eine neue Trennlinie als v.H. und n.H. eingetragen werden muß - oder vielleicht, daß eine Katastrophe kommt, die die Menschen zur Lebensart der Indianer oder der Zulus oder von Pelzträgern zurücktreibt -
Wenn die Übel der Hexerei aufgrund irgendeines Zufalls den demoralisierenden Effekten von Gesetzen, Gerechtigkeit, Geschäftsleben, Sex, Literatur, Bildung, Pazifismus, Militarismus, Idealismus oder Materialismus gleichkämen oder gar das übertreffen würden, was im Augenblick unverständlicherweise als stabilisierender Einfluß gilt, der uns vor dem Dschungel schützt oder uns davor aussperrt -
Oder lassen wir alle vorausschauenden Menschen, die gewöhnlich seßhaft sind, gelegentlich die Haltung wechseln, damit an ihren Wirbelsäulen nicht die Schwanzstummel verkümmern, die spätere Generationen als Grundlage für anmutigere Anhängsel brauchen könnten.
Doch ich bin der Ansicht, daß jeder Seinszustand, der seine Altruisten und Egoisten, seine Wohltäter und Ausbeuter, seine Künstler, Revolverhelden, Bankiers, Anwälte und Ärzte zu überleben vermag, gegenüber dem böseren Zauber der Hexerei nahezu immun wäre, weil er in sich selbst bereits ein Wunder ist.
Kapitel 29
Auftritte in Bühnenshows und die Wunder der Frommen und die Phänomene spiritistischer Medien -
Oder, daß der Trick, der einen Tisch kippen läßt, eine ganze Epoche kippen kann.
Oder, daß ein großer Teil der früheren "Salonzauberei" heute ein Teil der industriell angewandten Chemie ist. Und das Tabu, das all jene, die früher mit den heute voll entwickelten Kräften experimentiert haben, dem Verdacht des Umgangs mit Dämonen ausgesetzt hat.
Ich betrachte als Pseudo-Prinzip, womit ich einen Maßstab der Beurteilung meine, der manchmal funktioniert und manchmal nicht - was in einer Existenz des Sinnigen-Unsinnigen so nahe am Zustand der Weisheit ist, wie ich es mir nur wünschen kann -, daß man, wenn man eines Tages recht behalten will, zunächst einmal auf Heiligkeit verzichten muß. Aus der Gotteslästerung entstehen neue Religionen. Wenn man an Dinge denkt, an die Schuljungen im Traum nicht denken, kann man Entdeckungen machen. Aber unsere Visionen sind nicht fiebrig, nicht frevlerisch oder unsinnig genug, und deshalb sind wir keine Propheten. Soll doch irgendein nachdenklicher, ordentlich ausgebildeter Mann, der alle Vorzüge einer akademischen Bildung genossen hat, eine Voraussage machen - dann wissen wir wenigstens, was nicht geschehen wird. Uns steht somit eine negative Hellsichtigkeit zur Verfügung - wenn wir nur wüßten, wen wir jeweils fragen müssen, wenn wir in Erfahrung bringen wollen, was nicht geschehen wird.
Die Spur einer funktionierenden Hexerei - aber, wenn wir mit Dämonen Umgang pflegen, dann ist es derzeit ein zurückhaltender Umgang. Mag sein, daß eines Tages alle Angaben in diesem Buch schrullig erscheinen; aber es kann auch sein, daß das Prinzip, Hexen zur Arbeit heranzuziehen, so vernünftig erscheinen wird wie heute der Einsatz der Dampf- und Elektrodämonen. Unsere Beispiele für praktisch angewandte Hexerei waren praktisch genug, solange sie auf Ausstellungen zahlende Kunden angelockt haben, aber solche Vorführungen haben mit Wundern zu tun, oder mit dem, was die Menschen als Wunder bezeichnen, und in diesem Buch soll es doch um das Alltägliche oder um das kommende Alltägliche gehen - oder daß, einmal abgesehen von unberechenbaren Theorien und geringfügigen Interpretationen, nichts daran ist, was nicht eines Tages als ebenso selbstverständlich betrachtet werden wird wie die Themen der Lehrbücher in der Chemie und der Mechanik. Mein Interesse gilt der Magie im Alltagstrott - dem Wunder in praktischer Anwendung - der Hexerei als öffentlichem Versorgungsbetrieb.
Es gibt eine Manifestation der Hexerei, die zur Anwendung gebracht worden ist. Es ist ein Wunder, das einen Job gefunden hat.
Wünschelrutengehen.
Meist geht es darum, Wasseradern aufzuspüren. Es ist Hexerei. Man kann nicht sagen, daß sich ein Stock, den jemand in der Hand hält, aufgrund einer unbekannten Chemikalie oder eines biochemischen Vorgangs überall dort verbiegt, wo es einen unterirdischen Wasserlauf gibt. Der Stab biegt sich nur in der Hand eines Zauberers.
Es ist Hexerei. Es gibt zwar Wissenschaftler, die die Existenz dieses Phänomens zugeben, aber es gibt andere, oder sogar viele andere, die das niemals einräumen würden. In Time, 9. Februar 1931, wurde etwas über beide Arten von Wissenschaftlern veröffentlicht. Es hieß dort, Oscar E. Meinzer vom US-Bundesamt für Landvermessung habe Wünschelrutengänger getestet und seine Erkenntnisse veröffentlicht. Seiner Meinung nach waren "weitere Tests ... der sogenannten 'magischen Suche' nach Wasser, Öl oder Mineralien, ein Mißbrauch öffentlicher Gelder." Außerdem wurde dargelegt, daß die Schlußfolgerungen von Dr. Charles Albert Browne vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium nicht mit Dr. Meinzers Ergebnissen übereinstimmten. "Auf einem großen Zuckerrübenfeld in der Nähe von Magdeburg konnte Dr. Browne einen der berühmtesten deutschen Wünschelrutengänger bei der Arbeit beobachten. Er hat sich die Brust mit einer gepolsterten Lederjacke bedeckt und eine stählerne Wünschelrute, die wie eine Schleife gebogen war, in die Hand genommen. Er ist auf dem Acker hin und her gelaufen, und plötzlich ist die Schlinge nach oben gezuckt und hat ihm einen harten Schlag auf die Brust versetzt. Er machte weiter, bis er den Verlauf eines unterirdischen Wasserlaufs vermessen hatte. Dann schätzte er mit Hilfe einer Aluminiumrute, die seiner Ansicht nach noch empfindlicher war, die Tiefe des Stromes. Eine Wünschelrute aus wieder einem anderen Metall zeigte ihm an, daß das Wasser trinkbar war. Als Dr. Browne versuchte, die Wünschelrute zu benutzen, blieben die Schläge vor die Brust aus, solange der Wünschelrutengänger nicht ein Ende der Wünschelrute festhielt. Dr. Browne hat daraufhin deutsche Wissenschaftler befragt. Die meisten gaben ihm zur Antwort, auch wenn man Betrügereien unberücksichtigt lasse, bleibe eine große Zahl von Erfolgen, die man mit reinem Glück oder Zufall nicht erklären könne. An den seltsamsten Stellen - oder in Publikationen, in denen Wissenschaftler vor gar nicht so langer Zeit noch vorausgesagt hätten, daß Tricks wie das Wünschelrutengehen niemals zugelassen werden würden - finden Sie Berichte: in Science, 23. Januar 1931 oder im Annual Report of the Smithsonian Institution, 1928, S. 325. Dort werden Dr. Brownes Untersuchungen in allen Einzelheiten geschildert.
Das Department of Public Works in Brisbane im australischen Bundesstaat Queensland beschäftigt seit 1916 einen Wünschelrutengänger (Notes and Queries, 150-235). New York Times, 26. Juli 1931 - zwei australische Staaten beschäftigen Wünschelrutengänger.
Ich weiß nicht, was ich damit sagen will. Die Verrückten und Irren, die jeder Mode hinterherlaufen und es schaffen, bei der Regierung eine Anstellung zu finden, bringen mich auf die Idee, daß ich auf dieser Ebene nicht besonders überzeugend bin. Aber ich habe keine Aufzeichnungen über Wünschelrutengänger im Staatsdienst aus der Zeit vor 1916. Ich betrachte diesen Beruf zwar voller Respekt, aber es geht mir darum zu zeigen, daß die Magie in die Welt der Arbeit Einzug gehalten hat.
Im Londoner Observer vom 2. Mai 1926 heißt es, die Stadtverwaltung von Bombay beschäftige einen offiziellen Wassersucher, der in einem Bezirk, in dem Wasser knapp war, ungefähr fünfzig mögliche Quellen bezeichnet hatte. An siebenundvierzig Stellen habe man tatsächlich Wasser gefunden. Der Autor des Berichts schreibt, eine große Firma, die vor allem Brunnen bohrte, habe ihn informiert, daß sie in Wales, Oxfordshire und Surrey erfolgreich Wünschelrutengänger eingesetzt habe.
In Nature, 8. September 1928, finde ich einen Bericht von Dr. A. E. M. Geddes über seine Experimente mit Wünschelrutengängern. Dr. Geddes zog die Schlußfolgerung, daß manche Menschen die Fähigkeit besitzen, Wasseradern zu finden, indem sie auf einen derzeit noch unbekannten, äußeren Reiz reagieren.
Ich will damit nicht sagen, daß aus dem Mund von Kleinkindern und im Geplapper von Trotteln Weisheit zu finden sei - sondern nur, daß dies manchmal eben doch möglich ist. Bauern glauben seit jeher an das Wünschelrutengehen, und Wissenschaftler haben früher geglaubt, daß das Wünschelrutengehen nichts als ein bäuerlicher Aberglaube war. Jetzt gibt es so viele Wissenschaftler, die an das Wünschelrutengehen glauben, daß mir der Verdacht kommt, es könnte am Ende doch nur ein Märchen sein.
Was das Wünschelrutengehen betrifft, so ist die Gegnerschaft, die Mr. Meinzer repräsentiert, so verständlich wie die einstige Opposition der Priesterschaft gegen das System, das er selbst heute vertritt. Als der alten Dominante zum Trotz die Daten über Erosion und Fundstellen von Fossilien zugelassen wurden, hat jeder Eindringling Raum für neue Frevel geschaffen. Laßt relativ zum heutigen Tabu ein paar der in diesem Buch beschriebenen Dinge zu, und durch ihre Andeutungen und Verbindungen oder Verknüpfungen entsteht ein Zugang für weitere Einbrüche.
Das Wünschelrutengehen oder die angewandte Hexerei ist jedenfalls weithin zugelassen worden.
Kapitel 30
Ich bin der Meinung, daß zum Beispiel afrikanische Fakire fähig sind, Kinder aufzuspießen, ohne sie zu verletzen, indem sie auf einen Prozeß zurückgreifen, den man an sich so beschreiben müßte, daß ein Bild aus der Vorstellung auf die physikalische Ebene übertragen wird, den ich aber so beschreibe, daß das Vorgestellte-Physikalische auf das Physikalische-Vorgestellte übertragen wird. Ich glaube, dies entspricht den Kräften und Methoden, die von erfahrenen Zauberern bewußt eingesetzt werden; aber ich glaube auch, daß die Effekte in der großen Mehrzahl unserer Fälle von Hexen und Hexern unbewußt und ohne Beteiligung des Wachbewußtseins bewirkt worden sind.
Eine eigene Erfahrung beeindruckt mich da stärker als irgendeine Aufzeichnung über andere Vorgänge. Ich habe ein Bild an einer Wand angesehen oder angestarrt. Irgendwo in meinem Kopf waren viele Eindrücke von herunterfallenden Bildern gespeichert. Aber ich habe nicht aktiv an herunterfallende Bilder gedacht. Das Bild ist heruntergefallen.
Blättern Sie zum Blackman-Fall zurück - vier Richter, die "plötzlich gestorben" sind. Blackman selbst hat auf diese Serie von Todesfällen aufmerksam gemacht. Warum? Die Eitelkeit eines Zauberers? Ich glaube, daß die Opfer durch eine Hexerei Blackmans getötet worden sind, die diesem selbst nicht bewußt gewesen ist. Ich glaube, ein Mann, der sich so standhaft weigert, Unterhalt zu zahlen, und lieber viermal ins Gefängnis geht, könnte, würde er bewußt über die Situation nachdenken, seine Richter unbehelligt lassen und von vornherein einen anderen Weg beschreiten, um sich unerwünschte Geldausgaben zu ersparen.
Es scheint mir, als hätten Visualisierungen nichts mit den vielen Ereignissen zu tun gehabt, über die ich in diesem Buch berichtet habe. Mit einem wilden Talent meine ich jedenfalls etwas, das kommt und geht und keiner Kontrolle unterliegt, das aber womöglich eingefangen und trainiert werden kann. Es gibt andererseits auch Fälle, die sehr nach kontrolliertem Einsatz der Vorstellungskraft zur Beeinflussung physikalischer Vorgänge aussehen. Ich habe in dieser Hinsicht einen Aspekt gewisser Ereignisse notiert, der unsere Ansichten zur Transmedialisierung stützen könnte.
Das Reale, wie es genannt wird, oder das Objektive, Äußere, Materielle, kann nicht absolut von dem Subjektiven oder Imaginären getrennt werden; aber es gibt Quasi-Attribute des Imaginären. Es haben sich Dinge ereignet, die ich für Transmedialisierungen halte, weil sie meiner Meinung nach Anlaß zu der Vermutung geben, daß die Quasi-Attribute imaginärer Ursprünge ins physikalische Dasein oder in das, was wir das "wirkliche Leben" nennen, übertragen worden sind.
Eine Eigenart jener Brände, die man als "spontane Selbstverbrennung menschlicher Körper" bezeichnet oder bezeichnet hat, ist die Tatsache, daß das Feuer nicht oder nur in geringem Maße auf Gegenstände und Stoffe in der Nähe übergreift. Es gibt Berichte über solche Ereignisse, die man, verglichen mit "richtigen" Bränden, eigentlich nicht als "echte Feuer" bezeichnen kann.
Im St. Louis Globe-Democrat vom 2. Oktober 1889 oder in einer Ausgabe in der Nähe dieses Datums wurde eine Geschichte über begrenzte Brände veröffentlicht, die auf der Farm eines gewissen Samuel Miller, sechs Meilen westlich von Findlay, Ohio, ausgebrochen sein sollen. Ein Bett war in Brand geraten und zu einem Haufen Asche verbrannt, aber sonst hatte nichts Feuer gefangen, und der Boden unter dem Bett war nicht einmal angesengt. Am nächsten Tag, "ungefähr zur gleichen Zeit am Nachmittag", geriet eine Truhe mit Kleidern in Brand und wurde von den Flammen verzehrt. Auch in diesem Fall hat nichts anderes Feuer gefangen. Am dritten Tag, wieder zur gleichen Zeit, ist ein weiteres Bett und nichts außer diesem Bett verbrannt.
Blättern Sie zu den Berichten über die Brände in dem Haus in Bladenboro, North Carolina, im Februar 1932 zurück. Ein ausführlicher Zeitungsbericht über diese Brände wurde mir von Margaret M. Page aus San Diego geschickt. In dem Bericht wird die Tatsache als besonders bemerkenswertes Phänomen bezeichnet, daß die Brände in der Nähe von brennbarem Material ausgebrochen seien, das von den Flammen jedoch nicht erfaßt wurde. Im Bericht werden die Namen mehrerer Zeugen genannt - Bürgermeister J. A. Bridger aus Bladenboro, J. B. Edwards, ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes in Wilmington, Dr. S. S. Hutchinson aus Bladenboro.
Es ist, als hätte jemand sich voller Rachsucht die Brände vorgestellt, woraufhin an bestimmten Orten, seiner Vorstellungskraft entsprechend, eng begrenzte Brände ausgebrochen sind. Diese Begrenztheit oder Konzentration, wobei die Umgebung nicht beeinflußt wird, ist ein Quasi-Attribut aller Visualisationen. Man denkt intensiv an ein Gesicht, und der Körper kommt in der Vorstellung nicht vor. Wenn jemand sich ein brennendes Bett vorstellt und seine Vorstellungskräfte auf diesen speziellen Gegenstand konzentriert: Dann denke ich mir, daß das Bett der Vorstellung entsprechend gebrannt hat und daß sonst nichts in Brand geraten ist, weil im geistigen Bild, das transmedialisiert wurde, nichts anderes eingeschlossen war, da derjenige, der die Vorstellung hatte, es als selbstverständlich vorausgesetzt hat, daß sich das Feuer wie ein physikalisch entstandenes Feuer von selbst ausbreiten würde. Ich finde es kaum mehr als durchschnittlich unmöglich, mir vorzustellen, daß der Flammentod einer Frau auf einem nicht versengten Bett die "Realisierung" einer imaginären Szene war, daß also jemand sich den brennenden Körper vorgestellt, aber die Umgebung vernachlässigt hat.
Schlagen Sie zu den unbefriedigenden Versuchen zurück, Löcher in Fensterscheiben und Windschutzscheiben auf kugellose Waffen zurückzuführen. Die unsichtbaren Kugeln müßten, nachdem sie das Glas durchschlagen hatten, sofort angehalten haben. Wenn wir uns jemand vorstellen können, dem es, eher boshaft als bösartig, nur darauf angekommen ist, Fensterscheiben zu durchlöchern, wobei es keine Rolle gespielt hat, welchen Weg die Kugeln danach genommen haben, dann können wir annehmen, daß die Ereignisse wie vorgestellt und den Grenzen der Vorstellung entsprechend stattgefunden haben.
Vorgänge in geschlossenen Räumen - aber mein Monismus, mit dessen Hilfe ich akzeptiere, daß die geistige Magie eines Mediums irgendwie mit der mehr oder weniger alltäglichen physikalischen Magie verbunden ist -
New York Times, 18. Juni 1880 - Rochester, US-Bundesstaat New York - eine Frau liegt tot im Bett, der Bettpfosten sieht aus, als wäre er mit einem Beil zerhackt worden. Nachweislich hatte niemand den Raum betreten. Aber etwas war eingedrungen, hatte die Frau getötet und war wieder verschwunden, ohne Spuren zu hinterlassen.
Es war während eines Gewitters geschehen, und die Frau war vom Blitz getötet worden.
Der Mann in einer unserer Geschichten - J. Temple Thurston - allein in seinem Zimmer - daß eine bildliche Darstellung seines Flammentodes in einem fernen Kopf entstanden ist - und daß sich das Vorgestellte in jene Phase der Existenz verlagert hat, die "real" genannt wird - worauf sein Körper verbrannt ist, aber nicht seine Kleidung, weil diese in der Vorstellung von seinem Tod nicht vorgekommen ist - daß den Zauberer Stunden später die Angst überkam, die Verlagerung dessen, was das Vorgestellte heißt, auf das, was das Physikalische heißt, könnte die Quasi-Attribute seines Ursprungs verraten; oder der Gang der Dinge sei nicht realistisch genug gewesen oder könne in physikalischen Begriffen nicht erklärt werden und würde die Aufmerksamkeit anderer Menschen erregen - woraufhin er sich ein Feuer im ganzen Haus vorgestellt hat, das entsprechend seiner Visualisierung "realisiert" wurde, wobei jedoch abermals einige Dinge unberücksichtigt geblieben sind.
Lavinia Farrar war eine "unabhängige" Frau. Zahlreiche Männer und Frauen sind erschossen, erstochen oder vergiftet worden, weil sie finanziell "unabhängig" waren. Aber, daß Mrs. Farrar durch Gedanken zu Tode gebracht worden ist - oder, daß auch ihre Existenz von einer Phantasie aus der Vorstellungskraft eines anderen Menschen überlagert worden ist - so daß sie auch selbst ein fiktives Wesen geworden ist, dessen Tod man mit alltäglichen, realistischen Begriffen nicht beschreiben kann -
Und daß es auch bei ihr einen Nachgedanken oder ein Nachbild gegeben hat oder den Versuch, eine Erklärung zu schaffen, woraufhin ein Messer und Blut auf dem Boden "realisiert" worden sind, wobei jedoch andere Details übersehen wurden, so daß diese Indizien in Begriffen eines normalen Mordfalles nicht zu erklären waren - oder, daß die Frau durch unbeschädigte Kleidung hindurch ins Herz gestochen worden ist, weil die Wunde im Herzen unter Vernachlässigung aller anderen Umstände dem Vorgestellten entsprochen hat.
Die Wurzel dieser Ansicht liegt in der allgemein akzeptierten Annahme, daß ein Mädchen sich Stigmata zufügen und eine Wunde, die es sich vorstellt, auf seinen Körper übertragen kann. Diese Ansicht setzt voraus, daß es neben persönlichen auch von außen zugefügte Stigmata gibt.
Die Tatsache, daß es stigmatisierte Mädchen gegeben hat, scheint mir so unbestreitbar wie nur irgend etwas in der Welt der Menschen. Vielleicht hat es viele Fälle verschiedener Arten von persönlichen Stigmata gegeben. Es gibt neben religiösem Eifer auch andere starke Emotionen. Eine davon ist schreckliche Angst.
Die Geschichte des Isidor Fink ist die Geschichte einer großen Furcht, die einem Mord vorangegangen ist. Es ist möglich, daß Fink vor etwas Bestimmtem Angst hatte, beispielsweise vor jemand, dem er Schaden zugefügt hatte, und daß seine Angst nicht die allgemeine Angst vor den Überfällen war, die damals in New York City so häufig vorgekommen sind. Police Commissioner Mulrooney hat jedenfalls erklärt, daß es mit Hilfe des gesunden Menschenverstandes nicht möglich sei, diesen Mord zu erklären, der in einem geschlossenen Raum verübt worden ist -
Oder Isidor Fink bei der Arbeit in seiner Wäscherei - denkt an jemand, dem er Schaden zugefügt hatte - stellt sich in seiner Angst vor Rache einen Mord vor, dem er zum Opfer fällt - daß sein physischer Körper zum Ziel seiner eigenen Vorstellungskraft geworden ist, als hätte ein Feind ihn erschossen.
Kapitel 31
Im Februar 1885 hat sich in einem englischen Gefängnis eine jener traumähnlichen Begebenheiten zugetragen, die die Materialisten für real halten. Aber alle Personen, die damit zu tun hatten, waren irgendwann sterbenskrank, so daß es heute vermutlich keinen Überlebenden mehr gibt. Hin und wieder mußten Reparaturen ausgeführt werden, weil die Gefängnismauern zerfallen sind. Eisenstangen sind verrostet und zerkrümelt.
Am 23. Februar 1885 - so drücken wir es mit Hilfe unserer wohlklingenden Zeitmarken aus - als könnte ein 23. Februar, der doch nur relativ zu den Rhythmen des Sonnenscheins existiert, ein realer Tag sein - als könnte man eindeutig sagen, wo ein Januar aufhört und wo ein Februar beginnt - als könnte man sich irgendeine Zeitspanne herauspicken und sagen, daß es einmal so etwas wie das Jahr 1885 gegeben hat -
Zu Beginn dessen also, was man so willkürlich und hübsch den 23. Februar 1885 genannt hat, wartete John Lee in seiner Zelle in der Strafanstalt der englischen Stadt Exeter auf den Henker.
Im Hof eines Gefängnisses aus Stein mit Eisenstäben wurde John Lee an einer Gruppe stummer, regloser Zeugen vorbei zum Schafott geführt. Es waren Zeitungsreporter anwesend. Wahrscheinlich hielten sie es für ihre berufliche Pflicht, so ausdruckslos wie Steine oder Eisenstangen dreinzuschauen, aber in Lees Fall gab es ohnehin keinen Grund, besonderes Mitgefühl an den Tag zu legen. Er hatte ein gemeines, böses Verbrechen begangen. Er war Arbeiter und hatte bei einer alten Frau gewohnt, die einen kleinen Besitz ihr eigen nannte. In der Hoffnung, diesen Besitz zu ergattern, hatte er sie getötet.
John Lee wurde an einer Gruppe von Zuschauern vorbeigeführt, die unbewegt schienen wie Steine. Es war eine Szene, in der die Mechanismen und die Zuverlässigkeit juristischer Prozeduren die Hauptrolle spielen sollten, so fast-real, wie es Mechanismen und Zuverlässigkeiten nur sein können.
Man legte ihm die Schlinge um den Hals und stellte ihn über einer Falltür auf dem Schafott auf. Die Klappe wurde von einem Bolzen an Ort und Stelle gehalten. Wenn der Bolzen weggezogen wurde, dann fiel die Klappe nach unten -
John Lee, der keinen Freund und keinen Penny besaß -
Der Sheriff von Exeter, hinter dem Großbritannien stand.
Der Sheriff winkte mit der Hand. Die Geste war ein Ausdruck der Gerechtigkeit und der Autorität Großbritanniens.
Der Bolzen wurde weggezogen, aber die Falltür fiel nicht. John Lee stand da, die Schlinge um den Hals gelegt.
Es war peinlich. Er sollte erhängt werden. Jeder Vorgang hat seine Etikette, und dies hier war unanständig. Man fummelte am Bolzen herum. Mit dem Bolzen war aber alles in Ordnung; bloß wenn er weggezogen wurde, während John Lee auf der Falltür stand, wollte die Falltür nicht fallen.
Da war etwas Ungehöriges im Gange. Welches ist die richtige Prozedur für einen, der noch auf den Beinen steht, während er längst hängen sollte? Der Sheriff beorderte John Lee in seine Zelle zurück.
Die Zuschauer im Gefängnishof waren nicht mehr stumm und unerschütterlich. Sie hasteten herum und redeten in Gruppen über den Vorfall. Aber es war kein Gerede, das John Lee irgendwie hätte nützen können. Dies war das, was man die grausame Realität nennt. Der Sheriff eilte nicht herum. Ich habe eine weitere Notiz über ihn, die zwanzig Jahre älter ist. Weil er sein Bier gleich faßweise bestellte, hatte er Probleme mit einer religiösen Sekte, deren Mitglied er war. Er war zuverlässig wie Fleisch und Bier und die Regierung Ihrer Majestät.
Die Wärter haben die Sache gründlich untersucht - nur, daß es nichts zu untersuchen gab. Immer wenn sie den Bolzen wegzogen, während John Lee nicht in der Nähe war, fiel die Klappe wie vorgesehen herunter. Einer der Wärter nahm Lees Platz ein, legte sich jedoch die Schlinge nicht um den Hals, sondern hielt sich mit den Händen am Seil fest. Der Bolzen wurde weggezogen, die Klappe fiel, wie sie fallen sollte, und der Wärter fiel herunter, wie er fallen sollte.
Da war die Frau, die man nicht wegstoßen konnte. Der Mann, den man nicht kreuzigen konnte. Der Mann, den man nicht ertränken konnte. Der Mann, den man nicht einsperren konnte. Der Hund, den man nicht verlieren konnte.
John Lee wurde wieder zum Schafott geführt. Die Zeugen wußten nicht, ob sie vor Ehrfurcht erstarren sollten oder nicht. Aber schließlich war dies bloß eine jener Geschichten, die man zwar nicht erklären kann, die aber gewiß nicht zweimal hintereinander passieren können -
Oder, daß sich die Sache in den Augen eines Universitätsprofessors nicht wiederholen konnte - und nach Ansicht jedes anderen, der in den Grundlagen der Mechanik und der Physik ausgebildet war - so daß jeder, der kein ungebildeter Arbeiter war, sondern bedenkenlos das zu glauben bereit war, was ein Physikprofessor verkünden würde, darauf beharrt hätte, daß die Falltür fallen mußte -
Der Bolzen wurde weggezogen.
Die Falltür fiel nicht.
John Lee stand da, unerhängbar.
Daß es, als John Lee zum ersten Mal an den Zeitungsleuten und städtischen Beamten und den anderen, die zur Zeremonie eingeladen waren, vorbeigeführt wurde, undenkbar gewesen wäre, daß auch nur einer jene Grenze übertreten hätte, an die sich jedermann zu halten hatte. Aber ein Arzt, dessen berufliches Ansehen stark gelitten hatte, mischte sich ein. Andere waren noch unsicher. Der Sheriff erklärte, John Lee sei zum Tod durch den Strang verurteilt worden, und John Lee würde gehängt werden.
Sie hatten alles probiert, was ihnen einfallen wollte. Ob jemand Vorschläge hätte? Jemand erwähnte die Möglichkeit, daß die Holzklappe vom Regen aufgequollen sein könnte und deshalb blockierte. Bei den Proben hatte nichts geklemmt, aber da man ganz sicher gehen wollte, mußte ein Wärter die Kanten der Klappe abhobeln. Sie probierten es aus, und jedes Mal fiel die Klappe, wie sie fallen mußte.
Sie stellten John Lee wieder aufs Schafott.
Die Klappe wollte nicht fallen.
Die Szene der versuchten Hinrichtung löste sich auf wie ein Bild in einem Traum. Die Zeitungsleute verschwanden oder rasten davon. Die Zeitungsreporter rannten in die Straßen Exeters hinaus und verkündeten schreiend die Kunde von dem Mann, den man nicht hängen konnte. Der Sheriff, der sich große Mühe gegeben hatte, wie ein richtiger Sheriff zu arbeiten, verlor die Fassung. Dieses oder jenes würde er in dieser Angelegenheit unternehmen, und dann: "Schafft ihn fort!" Er setzte sich mit dem Innenminister in Verbindung. Etwas war an dieser Sache dran, das den Innenminister veranlaßte, einen Aufschub zu verfügen.
Die Angelegenheit wurde im Unterhaus diskutiert, wo einige Mitglieder erklärten, die Justiz sei vom Aberglauben besiegt worden. Dennoch versuchte man nicht noch einmal, den Mann hinzurichten. Lees Urteil wurde auf lebenslängliche Haft herabgesetzt, aber er wurde im Dezember 1907 freigelassen. Seine Geschichte wurde in den Zeitungen der damaligen Zeit nacherzählt. Ich habe sie der Londoner Lloyd's Weekly News vom 5. Januar 1908 entnommen.
Ich habe versucht, mir eine konventionelle Erklärung für diesen Fall auszudenken. Alle meine Versuche sind gescheitert. Er besaß nicht einmal einen Penny.
Vielleicht gibt es eine alltägliche Erklärung, an die ich noch nicht gedacht habe: Aber ich bin der Ansicht, daß die Erklärung, an die ich nicht gedacht habe, eines Tages für so selbstverständlich gehalten werden wird wie heute die unergründlichen Geheimnisse der Elektrizität und der Radioaktivität.
Kapitel 32
Es ist der alte Streit - das Einwirken des Geistes auf die Materie. Aber in der Bindestrich-Philosophie können wir einen unüberwindlichen Graben überbrücken und das Problem in handhabbaren Begriffen formulieren, indem wir fragen, ob Geist-Materie auf Materie-Geist einwirken kann.
Ich beginne zu erkennen, woher meine Konzentration, die einer Hypnose recht nahe kommt, auf die Magie als praktisch ausgeübten Beruf rührt. Warum bin ich nur so versessen darauf, die Menschen in vielköpfigen Verbänden zusammenzufassen und Schwadronen disziplinierter Hexer zur Arbeit zu bewegen, damit sie alle Motoren der Welt in nützliche Drehungen versetzen?
Was den Beruf angeht und alles, was angeblich kein Beruf ist, so gibt es nur den Zustand von Beruf-Freizeit oder Freizeit-Beruf. Ich habe aus meinem Leben viele sogenannte Freizeitvergnügungen einfach deshalb gestrichen, weil ich für diese angeblichen Zerstreuungen nicht die Mühe aufwenden kann, die sie erfordern würden. Es würde mir gefallen, öfter glücklich zu sein, aber ich mag mich nicht mit etwas belasten, das dem Ausheben eines Grabens oder dem Behauen von Steinen entspricht, nur um etwas Vergnügen zu finden. Ich habe gesehen, wie andere Menschen sich gequält und abgerackert haben, um glücklich zu werden. Also kümmere ich mich vor allem um die Arbeit, weil es dank des Bindestrichs nichts anderes gibt.
Wahrscheinlich wird es noch eine Weile dauern, bis irgendein Universitätsprofessor, der das darstellt, was wir einen bedeutenden Menschen nennen, einräumt, daß mit Hilfe der Hexerei oder durch Entwicklung dessen, was zur Zeit noch wilde Talente sind, alle Motoren der Erde in Gang gesetzt und am Laufen gehalten werden können. Aber die "höchsten Autoritäten" wenden sich nicht mehr vereint gegen die mehr oder weniger ferne Möglichkeit solchen Wirkens. Lesen Sie das Interview mit Dr. Arthur H. Compton, einem Physikprofessor an der University of Chicago, das am 3. Januar 1932 in der New York Times veröffentlicht worden ist. Also sprach Dr. Compton: "Die neue Physik bietet keine Antwort auf die alte Frage an, wie der Geist auf die Materie einwirken könne. Sie räumt jedoch eindeutig die Möglichkeit solchen Einwirkens ein und deutet an, wo solche Einwirkungen geschehen könnten."
Ich wüßte nicht, wie ich ein größerer Ketzer werden könnte. Ich habe in meinen Geschichten Möglichkeiten zugelassen und Andeutungen gemacht.
Aber der Unterschied ist, daß Professoren nicht konkret werden, während ich Beispiele gebe. Dr. Comptons Ansichten legen die Interpretation nahe, daß eines Tages Transportsysteme, die Beleuchtung von Städten oder der Betrieb von Fabriken das Ergebnis dessen sein könnte, was er als "Einwirken des Geistes auf die Materie" bezeichnet und was ich mechanische Hexerei nennen würde. Aber diejenigen, die mit Abstraktionen spielen, schrecken zurück, sobald einer sagt: "Zum Beispiel wo?"
Der Motor, der ohne Brennstoff läuft und den die meisten Menschen für einen Traum oder einen Schwindel halten, ist vor allem mit dem Namen John Worrell Keely verbunden, auch wenn es noch weitere Experimentatoren oder Schwindler oder Zauberer gegeben hat. Der erste "Spinner", der an einem treibstofflosen Motor gearbeitet hat, ist meines Wissens John Murray Spear, der um 1855 gewirkt hat. Aber natürlich lassen sich aus allen Zeiten Beispiele für diesen Schwindel oder Traum oder für dieses ganz praktische Projekt finden. Der letzte Bericht, während ich dies schreibe, betrifft einen jungen Mann namens Lester J. Hendershot aus Pittsburgh, Pennsylvania. Ich entnehme die Daten der New York Herald Tribune vom 27. Februar bis zum 10. März 1928. Hendershot hat erklärt, er habe einen Motor erfunden, der seine Kraft aus dem "Magnetfeld der Erde" beziehe. Niemand weiß, was das bedeutet. Aber Hendershot bekam Rückendeckung von Major Thomas Lanphier von der U.S. Army, dem Kommandanten des Selfridge Field in Detroit. Es hieß, bei Tests auf dem Flugplatz Selfridge habe ein Modell des "Wundermotors" auf unbekannte Weise genug Energie erzeugt, um zwei 110V-Lampen zu betreiben, und ein zweiter habe eine kleine Nähmaschine in Gang setzen können. Major Lanphier erklärte, er habe beim Bau eines der Modelle geholfen. Es handele sich um eine einfache Konstruktion, und er sei sicher, daß kein Schwindel im Spiel sei.
Bedenkt man, daß dies in den Augen orthodoxer Wissenschaftler gleichbedeutend war mit dem Glauben an ein Wunder, so scheint es ungewöhnlich, daß Major Lanphier auf diese Weise Partei ergriffen hat. Ich denke aber, daß die Angriffe, die gegen Hendershot gerichtet worden sind, noch außergewöhnlicher - oder bedeutsamer - waren. Wenn so ein kleiner Apparat, der weniger als zehn Pfund gewogen hat, ein Schwindel war, dann hätten die Mechaniker vom Selfridge Field oder sonst jemand das in einer Minute festgestellt; dies vor allem, wenn sie den Apparat sogar noch auf Anweisung selbst gebaut hatten. Wenn das Ding ein Schwindel war, dann hätte es sofort auffallen müssen. Warum sich groß darum kümmern? Aber Dr. Frederick Hochstetter, der Leiter des Hochstetter Research Laboratory in Pittsburgh, ist in dieser Angelegenheit nach New York gefahren. Er mietete in einem New Yorker Hotel einen Vortragssaal, vielleicht auch einen Salon, und erkärte den Reportern, daß er gekommen sei, um einen Schwindel aufzudecken, der ansonsten womöglich den Glauben an die Wissenschaft für die nächsten 1000 Jahre hätte zerstören können. Das hätte nicht einmal ich als wünschenswert empfunden. Ich würde gern sehen, daß der Glaube an die Wissenschaft für 20 Jahre zerstört wird, um dann für eine Zeitlang wiederhergestellt zu werden, woraufhin er abermals zerstört würde, um anschließend wiederbelebt zu werden - und so weiter in vernünftigem Wechsel. Dr. Hochstetter hat Modelle des Motors ausgestellt. Sie konnten nicht einmal eine winzige Einvoltbirne zum Leuchten bringen. Dr. Hochstetter hielt einen Vortrag über etwas, das er als Schwindel bezeichnete. Was war sein Motiv dafür? Dr. Hochstetter erklärte, sein Motiv sei der Wunsch, "daß das reine Licht der Wissenschaft in Zukunft unbefleckt erstrahle".
Es war eine weite Reise, und er hat keine Kosten und Mühen gescheut, um die strahlende Reinheit zu schützen, die anscheinend von einem jungen Mann, von dem der größte Teil der Welt noch nie etwas gehört hatte, in Gefahr gebracht wurde. Ich entnehme diesem Bericht, daß es irgendwo eine Besorgnis gegeben haben muß, die keine gewöhnliche Besorgnis war. Ich entnehme der Geschichte, daß die Maschinen in Detroit in Hendershots Gegenwart funktioniert haben, daß sie aber in New York, als er nicht anwesend war, nicht funktioniert haben.
Dann kam die Auflösung, mit der die meisten Geschichten über bloßgestellte Schwindler enden oder angeblich enden. Es sprach Dr. Hochstetter - mit dramatischen Worten, vermute ich, weil er sich über diese Sache sehr aufgeregt hat -, er habe entdeckt, daß in einem der Motoren eine Kohlestiftbatterie versteckt war.
Ungefähr so enden in der Literatur des Tabus fast alle Geschichten über Vorgänge, die "besorgniserregend" sind. Der "bloßgestellte Schwindler" bekommt nicht die Chance einer Entgegnung. Er wird uns vorgeführt, wie er verwirrt und geschlagen von der Bühne schleicht. Aber manche Leser bekommen vielleicht eine Ahnung, was ich erreichen will, wenn ich soviel Material aus Zeitungen benutze. Die Zeitungen drucken die Erklärungen "bloßgestellter Schwindler". Sie machen sich über sie lustig und machen sie lächerlich und drucken vieles, was einseitig ist, aber sie geben ihnen die Chance zu antworten.
Hendershots Antwort:
Daß Dr. Hochstetter mit seiner Anschuldigung vollkommen recht hatte, aber nur insofern, als dies mit einem Vorfall in Verbindung stand, der schon mehrere Jahre zurücklag. In seinen ersten Experimenten hätte Hendershot, da er nicht sicher war, ob die Besucher vertrauenswürdig waren, verschiedene Vorrichtungen in seinen Motor eingebaut, um "von der Idee abzulenken, an der ich in Wirklichkeit gerarbeitet habe". Bei den Tests auf dem Selfridge Field habe es jedoch keine solcher "falschen Spuren" gegeben, und es habe keine Möglichkeit bestanden, in den Motoren, die Major Lanphiers Mechaniker gebaut haben, etwas zu verstecken.
Zwei Wochen später ist Hendershot aus den Zeitungen verschwunden. Vielleicht hat ihm ein Produzent normaler Motoren eine Abfindung angeboten. Mir kommt das komisch vor, weil ich mich der unbedeutenden Fähigkeiten erinnere, die dem Motor zugeschrieben worden sind - angeblich reichte die Kraft nicht aus, um jemand zu verletzen - es war nur genug, um eine Nähmaschine oder zwei Lampen mit 220 Volt zu betreiben. New York Herald Tribune, 10. März 1928 - daß Lester J. Hendershot, der aus Pittsburgh stammende Erfinder des "Wundermotors" ins Unfallkrankenhaus von Washington, D.C., eingeliefert worden sei. Es hieß, er habe, als er seinen "brennstofflosen Motor" im Büro eines Patentanwalts vorführen wollte, einen Schlag von 2000 Volt bekommen und sei teilweise gelähmt.
Hendershot hatte erklärt, die Kraft seines Motors stamme aus dem "Magnetfeld der Erde". Wenn der Motor von seiner eigenen Zauberkraft angetrieben wurde, dann halte ich es für wahrscheinlich, daß Hendershot dies, selbst wenn er es gewußt hat, einem anderen Einfluß zugeschrieben hätte. Es ist anzunehmen, daß spiritistische Medien - oder wenigstens einige von ihnen - eigene okkulte Kräfte besaßen, die sie jedoch Geistern zugeschrieben haben. Wahrscheinlich besitzen auch einige Bühnenzauberer okkulte Kräfte, doch aufgrund der traditionellen Angst vor Hexenverfolgungen halten sie es für sicherer zu erklären, daß die Hand schneller sei als das Auge. "Göttliche Heiler" und die Begründer von Religionen haben nachdrücklich verkündet, daß die Kräfte, die sie benutzt haben, nicht ihre eigenen waren.
Im November 1874 hat John Worrell Keely einem Dutzend bekannter Bürger Philadelphias seinen Motor vorgeführt. Es waren nüchtern denkende Geschäftsleute - soweit man überhaupt nüchtern denken kann - also im allgemeinen nicht sehr weit -, und sie waren gewiß keine Bauerntölpel und Trottel, die sich alles einreden ließen. Sie sahen oder glaubten zu sehen, wie der Motor lief. Er war in keiner Weise mit irgendeinem erkennbaren konventionellen Antrieb verbunden. Einige der Gäste hielten den Motor für unterstützenswert. Keely erklärte auch, daß etwas außerhalb seiner selbst die treibende Kraft sei, aber bisher war niemand in der Lage, seine Erklärungen zu erklären. Im Gegensatz zu Hendershots simplem Apparat war Keelys Motor ein großes und kompliziertes Ding. Es hatte einen bedeutenden Namen. In der Umgangssprache nannte man ihn den Schwingungsgenerator, aber der volle Name des Ungeheuers lautete: Hydropneumatischer Vakuumpulsmotor. Eine Firma wurde gegründet, und danach verliefen die Dinge, außer für Keely, sehr unbefriedigend. Diese Maschine hatte etwas Menschliches - also etwas, das ein Monist sowieso in jedem Ding vermutet - so ähnlich wie Ratten und Bäume und Menschen. Es war wie bei den vielversprechenden jungen Männern, die die mittleren Jahre erreichen und immer noch vielversprechend sind und plötzlich ins Grab sinken, nachdem sie kurz vor ihrem Tod noch dieses oder jenes versprochen haben. Man kann nicht sagen, daß die Maschine funktioniert hat. Das menschenähnliche Ding hatte Talente und war fähig, sensationelle Dinge zu tun, aber es brachte keinen einzigen Dollar ein. Das heißt, es war nicht in der Lage, in Form von ehrlicher Arbeit Geld zu verdienen, während es Keely einige zehntausend Dollar einbrachte. Man sagt, er habe zwar gut gelebt, aber einen großen Teil seines Geldes für die Experimente aufgewendet.
Nicht, daß ich behaupten wollte, ich wäre der einzige, der je auf diese Idee gekommen ist - aber auch hier liegt das, was ich vermute, in dem, was nicht gesagt worden ist. Keely hat niemals erklärt, daß der Motor auf seine eigene Hexerei reagiert hat. Es ist möglich, daß es an seiner eigenen Motivation gelegen hat, daß er dies aber nicht wußte. In Mesmers Anfangszeit, als er noch glaubte, seine Heilungen würden durch Magnete bewirkt, hat er sich sehr wohlklingende Theorien zum "animalischen Magnetismus" überlegt, bis er bemerkte oder zugab, daß die Wirkung dessen, was später zur Hypnosetherapie führte, auf seiner eigenen Magie beruht hat.
Ich würde zu treibstofflosen Motoren gern die Meinung eines Vertreters von General Motors einholen und sie mit dem vergleichen, was die Ärzte in Wien und Paris über Mesmer gesagt haben.
Acht Jahre lang hat der Glaube überlebt. Dann aber (im Dezember 1882) hielten die enttäuschten Aktionäre der Keely Motor Co. eine Sitzung ab. Inmitten der Proteste und Beschuldigungen hat Keely erklärt, er wolle das Geheimnis seines Motors nicht öffentlich darlegen, er würde aber einem Vertreter der Aktionäre alles erklären. Ein Anteilseigner namens Boekel wurde bestimmt. Aus Boekels Bericht ging hervor, daß es nicht fair sei, das Prinzip des Mechanismus zu beschreiben, daß "Mr. Keely aber tatsächlich das entdeckt hat, was er behauptet hat."
Wir können nicht feststellen, auf welche Weise Mr. Boekel überzeugt worden ist. Wenn wir uns überlegen, wie viele Menschen von Worten und Phrasen, die über ihr Verständnis gingen, "überzeugt" worden sind, dann vermute ich, daß Mr. Boekel durch einen Strom von Bemerkungen zu hydropneumatischen Vakuumimpulsen in einen Zustand geistiger Lähmung versetzt wurde und daß er keine Mühe hatte, sein Versprechen zu halten und nichts zu verraten, weil er ohnehin nicht verstanden hatte, was er so überzeugend fand.
Aber ich glaube nicht, daß jemals irgendein Mensch, der die gleichen Fähigkeiten wie Mr. Keely besessen hat, ohne die Hilfe der Religion erfolgreich praktizieren konnte. Sei für eine Weile ein guter Mensch, und du wirst ewigwährende Belohnungen bekommen. Keely war religiös, weil er Wohltaten gepredigt hat: Segnungen für die Menschheit, Befreiung von der Versklavung, freie Zeit für die Kultivierung der besten Dinge, die jeder Mensch in sich trägt. Das alles versprach sein Motor - und sechs Monate später würden die Aktien seiner Firma auf ein Vielfaches des Anfangswertes gestiegen sein. Ich weiß nicht, ob John Worrell Keely, der eine Firma aufbauen und der leidenden Menschheit helfen wollte, auf seine Art weniger aufrichtig war als beispielsweise General Booth .
Keely ist im November 1898 gestorben. Clarence B. Moore, der Sohn seiner Gönnerin Mrs. Bloomfield Moore - dessen Erbe dank Keelys Versprechungen um einige zehntausend Dollar kleiner ausgefallen war - mietete Keelys Haus und forschte nach. Er fand heraus, daß Keely "ein echter Schurke" gewesen sei.
Das ist mir zu eindeutig, als daß es zu meinen Ansichten über uns Phänomene passen könnte. Das Echte ist unauffindbar, ob in der Nahrung, die wir essen, in der Luft, die wir atmen, im Idealismus oder in der Niederträchtigkeit. Selbst das Unechte ist unecht. Es gibt Bedenken und andere Mixturen.
Moore sagte, er habe Beweise für schurkenhaftes Benehmen gefunden. Der Motor war nicht der isolierte Mechanismus, wie man die Aktionäre der Keely Motor Co. fälschlicherweise glauben gemacht hatte. Moore hatte ein Eisenrohr und Schläuche und Drähte gefunden, die vom Motor aus in den Keller führten. Dort stand ein großes, kugelförmiges Gebilde aus Metall. Dort fand man Asche.
Der Schwindel war aufgedeckt - der Motor war von einer im Keller stehenden Maschine mit Hilfe von Preßluft betrieben worden.
Wer einmal versucht hat, ein Geheimnis auch nur vierundzwanzig Stunden lang zu hüten, wird über die Geschichte dieses Betrügers nur staunen können, der gegen alle enthüllenden Kräfte wie Gasableser, Kohlenlieferanten und andere Menschen, die in Keller gehen - gegen neugierige Nachbarn und womöglich sogar gegen noch neugierigere Zeitungsreporter - gegen enttäuschte Aktonäre und erboste Konventionalisten - die Maschine im Keller vierundzwanzig Jahre lang hatte geheimhalten können.
Es war ganz egal, was am Ende herauskam. Das Tabu hatte etwas, auf das es sich stützen konnte oder womit es wenigstens einen entsprechenden Anschein erwecken konnte. Fast alle Menschen aller Zeitalter sind Hypnotisierte. Ihr Glaube ist eingepflanzt. Die richtigen Autoritäten haben dafür gesorgt, daß der richtige Glaube eingepflanzt wurde, und die Menschen haben das Richtige geglaubt.
Die Aktionäre erklärten, sie hätten von dem kugelförmigen Objekt oder der Preßluftmaschine im Keller gewußt, weil Keely kein Geheimnis daraus gemacht habe. Niemand führte den Nachweis, daß der Motor mit Hilfe dieses Objekts zum Laufen gebracht werden konnte. Aber man konnte Überzeugungen zum Laufen bringen. Die Drähte und Röhren waren im Sinne einer organisierten Einwirkung so sinnlos, daß ich wieder an Hendershots Aussage denken muß, er habe seinen Motor mit "falschen Spuren", wie er sie genannt hatte, komplizierter gemacht, als er war.
Steine, die in Häusern gefallen sind, wo Menschen im Sterben lagen - die Umtriebe einer Schale mit Schmierseife - Stühle, die sich in Gegenwart von Poltergeist-Mädchen bewegt haben -
Aber in Gegenwart von John Worrell Keely hat sich ein Motor diszipliniert bewegt. Vierundzwanzig Jahre lang gab es Vorführungen, und obwohl Anschuldigungen lautstark vorgetragen wurden, hat man Keely nie dabei erwischt, daß er ein wenig nachgeholfen hätte. Es gab kein Schummerlicht und kein Halbdunkel. Der Motor stand nicht in einem Kasten. Keelys Aktionäre haben, soweit man Aktionäre kennt, eine hohe Intelligenz besessen, insofern als viele von ihnen ein wenig nachgeforscht haben, ehe sie ihr Geld anlegten. Sie haben gesehen, wie sich der große Apparat feierlich immer rundherum gedreht hat. Manchmal haben sie sensationelle Vorführungen gesehen. Das Ding hat dicke Seile zerrissen, Eisenstangen zerbrochen und Geschosse durch zwölf Zoll dicke Bretter gejagt. Ich stelle mir vor, daß die treibende Kraft dieses Dings ein wildes Talent war - eine unkultivierte, rohe und unzuverlässige Kraft wie alles Geniale, das noch in den Kinderschuhen steckt -
Daß Keely seinen Motor betrieben hat, indem er reine "Willenskraft" aufgeboten hat oder indem er sich den laufenden Motor vorstellte, bewußt oder ohne zu wissen, wie er die Wirkung erzielt hat - manchmal in Schüben erfolgreich, oft versagend, wie es der Erfahrung aller Pioniere entspricht - der Betrüger und der Erlöser -
Und angesichts der Verheißungen, die am Ende doch zu nichts geführt haben, hat er sich gerechtfertigt, indem er über seine Maschine etwas sagte, was Galileo hätte sagen können, aber nicht gesagt hat: "Und sie bewegt sich doch!"
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