Das Levitenlotto
Ziehung A wie Adolf
Wenn man sich nur ein bisschen Mühe gibt, kann man aus fast jedem Ereignis irgendwelche biblisch-mystischen Levizahlen ziehen. So kam im Februar 1999 ein Systemtipper namens Norbert Marzahn auf die folgende Idee:
Du stoesst ein interessantes Thema an. Die 7 Engel. Hitler war Parteimitglied Nr. 7 und vielleicht hat er sich ja fuer den 7. Engel gehalten und tut es vielleicht erneut. Vielleicht ist das aber auch Seth. Jedenfalls ist der 7. Engel offenbar kein Guter, denn in den 7 Sendschreiben an die 7 Engel der 7 Gemeinden heisst es zu Nr. 7:
Darauf folgten dann einige Bibelzitate, die zu tippen ich mir an dieser Stelle sparen möchte. Wenn ich Herrn Marzahn richtig verstanden habe, hängt der 7. Engel irgendwie mit der tierischen Superzahl 666 zusammen, und die ist ganz doll böse. Herr Marzahn hat an dieser Stelle wahrscheinlich frohlockt und schalmeit und gezimbelt und sich Hoffnungen auf eine Offenbarung mit mindestens drei Sechsern gemacht.
Es ist zu vermuten, dass die Ziehung der Zahl 7 mit Hilfe von Mein Kampf abgewickelt wurde, denn dort behauptet Adolf Hitler in der Tat, er sei als siebtes Mitglied der Partei beigetreten. Die Sache hat allerdings einen Haken, denn Hitler hat geschummelt. Er ist nicht von sich aus in die DAP eingetreten, sondern man hat ihm unaufgefordert die Mitgliedskarte zugeschickt, und er war auch nicht das siebte Mitglied. In Wirklichkeit trug seine Mitgliedskarte die Nummer 555:
Nachdem Herr Marzahn die Lottofee gespielt und die Ziehung der Zahl 7 verkündet hatte, konnte er sie schlecht wieder in die Trommel zurückstecken. Also hat er sich als lotterietechnischer Gesundbeter versucht und den Boden für die Behauptung bereitet, dass in jeder Zahl irgendwie eine 7 steckt, man müsste sie nur rauslassen:
Soll das heissen, dass hitler behauptet hatte, das Mitglied Nr. 7 zu sein und dass er diesbezueglich falsch behauptete? In diesem Falle waere der Grund fuer die Behauptung interessant und zwar auch dann, wenn sie nicht stimmte.
Ein paar Tage später ist Herrn Marzahn dann noch eingefallen, dass er die Zahlen ja sowieso schon längst gezogen hätte:
Ich ahnte, dass Sie sich auf das Thema nicht einlassen. Schliesslich kennen Sie WAL und wissen, dass ich auch mal "Das Schwarze Reich" las, wo die ganze Story ja drin steht, dass er (bzw. Heß) in "Mein Kampf" von Nr. 7 schrieb, waehrend er tatsaechlich Nr. 555 war.
Außerdem hat Herr Marzahn unmissverständlich erklärt, dass nur einer zur Ziehung der Levizahlen berechtigt ist, nämlich er selbst. Denn es kann nur einen geben:
Sie werden sich vielleicht noch vage daran erinnern koennen, dass ich die 555 thematisierte.
Die unter http://groups.google.com/ zu erreichenden Aufsichtsbeamten haben das zwar etwas anders in Erinnerung, aber sei's drum.
Danach hatte Herr Marzahn eine schlimme Pechsträhne. Es trifft zwar zu, dass die Zahl 555 kein völlig falscher Tipp war, weil sie auf Hitlers Mitgliedskarte steht, aber es trifft ebenso zu, dass Hitler nicht das 555. Mitglied der DAP war. Die damals noch unbedeutende Splitterpartei hat sich größer gemacht, als sie tatsächlich war, und mit der Zählung bei 500 begonnen. Hitler war nicht das 555., sondern erst das 55. Parteimitglied.
Als jemand Herrn Marzahn auf die neu gezogene 55 aufmerksam gemacht hat, wollte Herr Marzahn aber nichts davon wissen:
Keine Chance mit der Tour! Vgl. "Das Schwarze Reich" von E.R. Carmin, Seite 66. Und vgl. Juergen Langowski, der von sich aus die Nr. 555 einbrachte, als ich ihn mal mit der Nr. 7 anpiekte.
Die Seite "66" ist wohl als wehmütiger Rückgriff auf die nicht eingetroffenen drei Sechser aufzufassen. Man kann verstehen, wie enttäuscht Herr Marzahn war. Mehr als drei Richtige waren jetzt nicht mehr drin.
Aber es sollte noch schlimmer kommen, denn auch die nächste Zahl war in Herrn Marzahns Levizahlen-Systemtipp nicht vorgesehen, und das kam so: Hitler ist zwar am 1. Januar 1920 in die DAP eingetreten und hat als 55. Parteimitglied die Mitgliedsnummer 555 bekommen. Diese Zahl war aber nur bis zum 11. Juli 1921 gültig. An diesem Tag ist Hitler nämlich aus der Partei ausgetreten und hat dadurch die Mitgliedsnummer wieder verloren.
Es gab damals einen innerparteilichen Machtkampf, und Hitler hat sich zeitweise aufgeführt wie eine beleidigte Primadonna. Als der Streit beigelegt war, ist er wieder eingetreten und hat bei seiner Wiederaufnahme die Mitgliedsnummer 3680 bekommen.
Ich habe Herrn Marzahn umgehend von der Ziehung der neuen Zahl in Kenntnis gesetzt, aber er war anscheinend der Ansicht, ich hätte mit einem technischen Foul den ordnungsgemäßen Zustand seines Ziehungsgeräts beeinträchtigt:
Suelz. Ich danke fuer die Bestaetigung der Fakten. Fest nannte sie und nicht nur er. Wie er den GRUND mit Behauptungen zu verhuellen versucht, das ist vollkommen irrelevant, aber die Fakten stimmen.
Nicht kommentiert haben sie die 7 in der Unterschrift des Adolf Hitler.
Welche Fakten ich mit den Zahlen, die Herr Marzahn nicht berücksichtigen wollte, bestätigt haben soll, ist mir bis heute nicht klar.
Also schauen wir ins Kleingedruckte.
In Hitlers Unterschrift, meinte Herr Marzahn, sei der Vorname stark zusammengezogen und wie die Zahl 7 geformt. Damit sei eine Verbindung zu der oben bereits erwähnten biblischen Zahl 7 hergestellt, die zwar falsch war, meinte Herr Marzahn, aber eben ganz bewusst falsch und daher eben doch irgendwie zutreffend und von Bedeutung, also jedenfalls ganz richtig wichtig. Was Herr Marzahn meint, sieht ungefähr so aus:
Dieses Exemplar ist von 1937. Wenn man sich etwa dreißig Prozent vom verkürzten Vornamen wegdenkt, kommt tatsächlich eine 7 heraus. Herr Marzahn war offenbar fest davon überzeugt, dass die Unterschrift "Sieben Hitler" eine zutiefst religiöse oder kultische Bedeutung gehabt hätte.
Nun hat Hitlers Unterschrift sich allerdings im Laufe der Jahre deutlich verändert. Wenn wir uns aus dem Ziehungsgerät ein Beispiel aus dem Jahr 1920 greifen, dann ist von der kultischen 7 nichts zu sehen:
Ich fürchte aber, Herr Marzahn wird das nicht gelten lassen. Er wird vermutlich sagen, die Unterschrift von 1920 sei nicht maßgeblich, denn 1920 sei Hitler Mitglied einer unbedeutenden Splitterpartei gewesen. Viel wichtiger sei die Unterschriftsform, die auf der Höhe seiner Macht gültig war, denn erst zu diesem Zeitpunkt hatte er die Möglichkeit, seinen kultisch-levitischen Auftrag zu erfüllen.
Man könnte natürlich einwenden, dies müsse dann analog auch für die Mitgliedsnummern gelten. Die 3680, die von 1921 bis 1945 galt, wäre demnach viel wichtiger als die 55 oder die 555, denn letztere waren nur von 1920 bis 1921 gültig, als Hitler noch einer unbedeutenden Splitterpartei angehört hat, in der er seinen kultisch-levitischen Auftrag noch nicht erfüllen konnte.
Ganz zu schweigen von der 7, die ja nicht einmal eine ordnungsmäß gezogene Zahl war, sondern nur eine nachgeschobene Falschmeldung über die vorhergehende Ziehung.
Herr Marzahn wird sich aber von solchen Einwänden nicht beeindrucken lassen, denn er reagiert auf Zahlen, die er nicht selbst aus der Levitenlottotrommel gezogen hat, erfahrungsgemäß äußerst ungehalten, und schließlich muss man auch zugeben, dass die von ihm persönlich gezogenen Zahlen eine Weile ganz hervorragend zu seiner AusWALwette gepasst haben.
Der Tippschein ist allerdings fast abgelaufen, denn was Herr Marzahn schrieb, hatte mit Nostradamus und dem 7. Monat des Jahres 1999 zu tun (also mit dem November, sagt Herr Marzahn) und vor allem mit einem Schreckenskönig, der vom Himmel kommen sollte. Nun ist aber das Jahr 1999 längst vorbei, und man braucht kein Norbert oder Nostradamus zu sein, um zu der ziemlich sicheren Prophezeiung zu kommen, dass es wohl nichts geworden ist mit dem Schreckenskönig.
Aber das macht ja nichts, denn man kann es immer wieder neu versuchen. Jeder Tag ist Levilottotag.
So wird Herr Marzahn wohl bald zur Ziehung der Zusatzzahlen schreiten und die nächste Runde seiner AusWALwette eröffnen. Natürlich wie immer ohne Gewähr.