Herr Kleinsorg und die Bücherkiste

Ein Mann packt aus. Oder ein. Je nachdem.

Es war einmal ein Zitat, das hat Herr Kleinsorg in den Diskussionen in de.soc.politik.* öfter in seine Texte eingebaut. Er wollte damit zeigen, wie böse die Juden sind. Das ging ungefähr so:

Eine interessante Lektuere hierzu duerfte das Werk des franzoesischen Grossfreimaurers Coudenhave- Calergi sein, der in seinem Buch 'Pan Europa' schon 1923 u.a. schrieb:

"Fuer Deutschland wuensche ich mir eine eurasisch-negroide Zukunftsrasse unter Fuehrung der Juden".

Ich habe mich bei Horst Kleinsorg erkundigt, woher er dieses Zitat hatte. Er ließ mich wissen, es sei aus Coudenhove-Kalergis Buch Paneuropa. Also habe ich mir das Buch Paneuropa von Coudenhove-Kalergi besorgt.

Coudenhove-Kalergi, Paneuropa

Das Zitat war nicht drin.

Ich wollte daraufhin wissen, ob ich das Zitat vielleicht nur übersehen hätte und ob Horst Kleinsorg mir die richtige Seitenzahl nennen könnte. Nach einigem Hin und Her meinte Horst Kleinsorg, er könne leider gerade nicht nachsehen, weil das Buch wegen seines bevorstehenden Umzuges bereits eingepackt sei.

Das hat sich im August/September 1996 eine Weile dahingeschleppt. Im Laufe der Zeit haben auch einige andere Teilnehmer Horst Kleinsorg nach seinen Umzugskartons gefragt, woraufhin er im Oktober 1996 etwas ungnädig meinte:

Sie wissen ueber die Umstaende der Verzoegrung meines Umzugs absolut nichts.

An anderer Stelle hat Horst Kleinsorg im September 1996 die Verzögerung damit begründet, dass sein neues Haus noch nicht fertig sei. Das fand ich seltsam, denn er hatte bereits im Februar 1996 im Rahmen einer anderen Diskussion geschrieben:

I have all the documentation about this available but due to a recent move, my entire Library is still in storage.

[Ich habe alle Dokumentationen dazu, aber wegen eines kürzlich erfolgten Umzuges ist meine ganze Bibliothek noch eingelagert]

Demnach hätte Horst Kleinsorg im Februar 1996 kurz nach seinem Umzug die Bücher noch eingelagert gehabt, weil sein neues Haus im September/Oktober 1996 noch nicht fertig war. (Schon gut, ich weiß selbst, wie seltsam das klingt. Ich fand es damals auch seltsam.)

Irgendwann war es dann aber so weit. Im Dezember 1996 hat Horst Kleinsorg endlich ausgepackt:

Die von mir geposteten Zitate von Coudenhove- Kalergi sind korrekt. Allerdings hatte ich als Quelle sein 1923 erschienenes Buch "Paneuropa" angegeben. Da es Jahre her ist seit ich das Buch gelesen habe und aus dem Gedachnis zitiert hatte, war es ein Irrtum meinerseits dieses Buch als Quelle zu zitieren. Dafuer entschuldige ich mich hiermit. Was ich zitiert hatte schrieb Graf Coudenhove -Kalergi in der "Wiener Freimaurerzeitung Nr. 9/10, 1923" wie folgt:

" Der kommende Mensch der Zukunft wird ein Mischling sein. Fuer Paneuropa wuensche ich mir eine eurasisch- negroide Zukunftsrasse, um die Vielfalt der Persoenlichkeiten herbeizufuehren. Die Fuehrer sollen die Juden stellen, denn eine guetige Vorsehung hat Europa mit den Juden eine neue Adelsrasse von Geistes Gnaden geschenkt...... . Der Mensch der fernen Zukunft wird ein Mischling sein.... . Die Folge ist, dass Mischlinge vielfach Charakterlosigkeit, Hemmungslosigkeit, Willensschwaeche, Unbestaendigkeit, Pietaetslosigkeit, und Treuelosigkeit..... verbinden."

(Ende Zitatsauszug)

Ich habe nachgefragt, ob das jetzt aber auch ganz ehrlich die richtige Quelle wäre, denn ich wollte das wirklich gern nachlesen. Jawohl, die Angabe wäre korrekt, meinte Horst Kleinsorg:

Ich habe Dir die Primaerquelle genannt und das duerfte genuegen.

Also habe ich mir die Primärquelle besorgt. In Bayreuth gibt es ein Freimaurermuseum, und von dort habe ich mir eine Fotokopie der Wiener Freimaurerzeitung 9/10 von 1923 schicken lassen.

Wiener Freimaurerzeitung

Das Zitat war nicht drin.

Im März 1997 (es hat sich wirklich über längere Zeit dahingeschleppt) ist Helmut Fuchs dann auf die Idee gekommen, seinem Freund Horst Kleinsorg wenn schon nicht beim Umziehen, dann doch wenigstens beim Zitieren zu helfen. Also hat Helmut Fuchs eben dieses Zitat von Coudenhove-Kalergi noch einmal angeboten.

Unter Verweis auf die gerade genannte Quelle, versteht sich, in der es nicht zu finden ist. Außerdem mit leicht abweichendem Wortlaut, was ich angesichts der angeblich identischen Quelle erstaunlich fand.

Besonders erschwert wurden meine Nachforschungen dadurch, dass Helmut Fuchs bereits im Oktober 1996, als Horst Kleinsorg noch unsicher war, ob er noch nicht oder doch schon längst umgezogen wäre, eben dieses Zitat unter Nennung einer ganz anderen Quelle angeboten hatte:

In seinem Buch "Praktischer Idealismus" (1925) plädiert Coudenhove-Kalergi für eine _eurasisch-negroide Mischrasse_ in Europa und weltweite _jüdische Dominanz._

Diese Referenz wurde im April/Mai 1997 von einem gewissen Herrn Koch bestätigt, und kurz danach habe ich dann auch den Text, der angeblich von Coudenhove-Kalergi stammte, auf den Webseiten des Thule-Netzes gefunden, woher die Herren ihn wahrscheinlich letzten Endes hatten.

Das hat mir als Bestätigung gereicht, und ich habe mir das Buch Praktischer Idealismus besorgt, in dem das Zitat nun endlich stehen sollte.

Praktischer Idealismus
Coudenhove-Kalergi
Praktischer Idealismus

Das Zitat war ... nein, eigentlich war es nicht drin.

Das Textstück, das ich oben in Horst Kleinsorgs Zitierweise wiedergegeben habe (man sieht da auch noch die Auslassungen), stammt zwar überwiegend aus Coudenhove-Kalergis Buch mit dem Titel Praktischer Idealismus, aber an mindestens einer Stelle erstreckt sich eine der Auslassungen über einen Bereich von mehr als zwanzig Seiten.

Die Stelle mit der "eurasisch-negroiden Zukunftsrasse" steht auf Seite 23:

Der Mensch der fernen Zukunft wird Mischling sein. Die heutigen Rassen und Kasten werden der zunehmenden Überwindung von Raum, Zeit und Vorurteil zum Opfer fallen. Die eurasisch-negroide Zukunftsrasse, äußerlich der altägyptischen ähnlich, wird die Vielfalt der Völker durch eine Vielfalt der Persönlichkeiten ersetzen.

Coudenhove-Kalergi
Praktischer Idealismus, S. 23[1]

Kein Wort davon, dass Coudenhove-Kalergi für diese Zukunftsrasse plädiert. Er prophezeit lediglich, dass es seiner Ansicht nach so kommen wird. Ob er das gut oder schlecht findet, kann man an dieser Stelle nicht erkennen.

Der Teil des Kleinsorgschen "Zitats", der sich auf die "Mischlinge" bezieht (siehe oben), ist im Buch Praktischer Idealismus nicht dahinter wie bei Herrn Kleinsorg, sondern drei Seiten vorher zu finden:

In der Regel ist der Urbanmensch Mischling aus verschiedensten sozialen und nationalen Elementen. In ihm heben sich die entgegengesetzten Charaktereigenschaften, Vorurteile, Hemmungen, Willenstendenzen und Weltanschauungen seiner Eltern und Voreltern auf oder schwächen einander wenigstens ab. Die Folge ist, daß Mischlinge vielfach Charakterlosigkeit, Hemmungslosigkeit, Willensschwäche, Unbeständigkeit, Pietätlosigkeit und Treulosigkeit mit Objektivität, Vielseitigkeit, geistiger Regsamkeit, Freiheit von Vorurteilen und Weite des Horizontes verbinden.

Praktischer Idealismus, S. 20f

Man beachte die Auslassungen in Horst Kleinsorgs "Zitat", die eher etwas über Herrn Kleinsorg als über Coudenhove-Kalergi sagen.

Der Abschnitt mit der jüdischen "Adelsrasse" steht wieder ganz woanders und in einem völlig anderen Kontext. Auf Seite 49 folgende vertritt Coudenhove-Kalergi die Ansicht, dass Juden aufgrund ihrer schwierigen Situation gar keine andere Wahl hatten, als einen Adel des Geistes herauszubilden:

So ging schließlich aus all diesen Verfolgungen eine kleine Gemeinschaft hervor, gestählt durch ein heldenmütig ertragenes Martyrium für die Idee und geläutert von allen willensschwachen und geistesarmen Elementen. Statt das Judentum zu vernichten, hat es Europa wider Willen durch jenen künstlichen Ausleseprozeß veredelt und zu einer Führernation der Zukunft erzogen. Kein Wunder also, daß dieses Volk, dem Ghetto-Kerker entsprungen, sich zu einem geistigen Adel Europas entwickelt. So hat eine gütige Vorsehung Europa in dem Augenblick, als der Feudaladel verfiel, durch die Judenemanzipation eine neue Adelsrasse von Geistes Gnaden geschenkt.

Praktischer Idealismus, S. 50

Die Verfolgung der Juden habe also diese "Adelsrasse" überhaupt erst entstehen lassen, meint Coudenhove-Kalergi. Man mag das übertrieben romantisierend, pathetisch oder sogar schlichtweg falsch finden, aber wenn man sich schon die Mühe macht, diese mehr als siebzig Jahre alten Ideen unter die Lupe zu nehmen, dann sollte man wenigstens das zitieren, was in den Büchern steht.

Kritiklos die Textbausteine von rechtsextremistischen Web-Seiten zu kopieren, wie die Herren Kleinsorg, Koch und Fuchs es getan haben, ist sicher nicht der richtige Weg. Damit zeigen diese Herren nur, dass nicht etwa sachlich fundierte Kritik, sondern Hetze gegen Juden ihr Anliegen ist.

Kurz und gut, man kann auch in bezug auf das zuletzt erwähnte Buch sagen: Das Zitat steht nicht drin. Jedenfalls nicht so, wie es von den Herren Holocaust-Leugnern "zitiert" wird.

Und jetzt sitze ich auf lauter Büchern, in denen das Zitat nicht steht, und fürchte mich vor dem nächsten Umzug.


Anmerkung:

  1. Coudenhove-Kalergi
    Praktischer Idealismus
    Wien/Leipzig 1925, S. 23

Siehe auch: